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Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Mylau

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Textdaten
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Autor: Otto Moser
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Titel: Mylau
Untertitel:
aus: Voigtländischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 5, Seite 9–12
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1859]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Mylau.


Auf einem gewaltigen Felsen, der sich inmitten des herrlichen Gölzschthales erhebt, thront die hochgethürmte Burg Mylau, ein altehrwürdiger Rittersitz, an dessen ungeheuren Mauern fast ein Jahrtausend vorüberzog. Die Veste war ursprünglich eine der Zwingburgen, welche die siegreichen Deutschen zur Niederhaltung des bezwungenen Sorbenvolkes erbauten, und die reizende Gegend, welche das Schloss umgab, verlieh demselben seinen Namen Myla, welches Wort so viel bedeutet wie „liebe Aue.“ Aber nicht blos die Burg und die bald nach ihr entstandene Stadt führte diesen Namen, sondern man verstand darunter den ganzen Distrikt, welchen die hochgelegene Veste beherrschte, – die Ortschaften Mylau, Reichenbach, Lengefeld, Brunn, Friesen, Cunsdorf, Lambzig. Ober- und Unterheinsdorf, Oberreichenbach, Schneidebach, Schönbach, Waldkirchen, Weissensand, Plohn, Rotschau und Wolfspfütze – bildeten die Herrschaft Mylau.

Ob der Felsen, auf welchem das Schloss Mylau steht, wirklich schon vor dessen Erbauung eine sorbische Burg trug, ist nicht historisch zu beweisen, ebenso wenig wie die Behauptung gegründet ist, dass die Herren von Milin, welche die Herrschaft bis in das dreizehnte Jahrhundert besassen, einem sorbischen edlen Geschlechte entsprossen und nach Unterjochung ihres Volkes zum Christenthume übergetreten seien. Die Herren von Milin sollen im elften Jahrhundert die Stadt unter dem Schlosse und in Reichenbach die Kirche zu St. Peter und Paul erbaut haben. Wie lange die Herren von Milin die Herrschaft Mylau besassen, ist nicht bekannt, doch wird schon in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts ein Voigt Heinrich von Gera auf Mylau erwähnt, worauf das Schloss mit Zubehör bis weit in das vierzehnte Jahrhundert hinauf, Eigenthum der Voigte von Plauen und Greiz blieb. Von den Herren von Milin wird der erste, Eberhard, in einer Schenkungsurkunde, die Heinrich, Voigt von Weida, im Jahre 1246 ausstellte, als Zeuge genannt. Leuthold von Milin war 1288 bei einen Vergleiche der Voigte Heinrich von Plauen und Heinrich von Weida zugegen, und Ritter Luthold von Milin 1302, Comthur des Deutschen Ordenshauses in Reichenbach. Bei einem Vergleiche, den drei Herren von Reuss im Jahre 1317 zu Altenburg abschlossen, befanden sich unter den Zeugen drei Edelleute des Geschlechts Milin, Marquard, Heinrich und Fritz, welche die dabei niedergeschriebene Urkunde als Lehnsleute der Reusse unterzeichneten. Daraus scheint hervorzugehen, dass die Miline von den mächtigen Voigten von Reuss zu einem Lehnsverhältniss gezwungen worden waren, und durch dieselben sogar späterhin von ihren Gütern vertrieben wurden. Petzold’s und Conrad’s von Milin gedenkt eine Urkunde von 1330, worin Heinrich der Kleine von Reuss dem Ordenshause zu Reichenbach den Zehnten von Plohn, einem zur Herrschaft Mylau gehörigen Reichslehn zusagt. Margarethe und Adelheid von Milin waren 1338 und 1340 Nonnen im Kloster Weida, und Katharina von Mylin 1379, sowie Elisabeth von Milin 1392 Priorinnen daselbst. Unter den Edelleuten, welche 1430 bei Erstürmung des Schlosses zu Plauen von den Hussiten niedergemacht wurden, befand sich auch ein Ritter Wilhelm von Milin, und endlich wird Heinz von Milin 1430 als Herr des Gutes Oberlosa bei Plauen genannt. Dieser Heinz scheint der Letzte seines Stammes gewesen zu sein.

Der Adel Deutschlands war es hauptsächlich, mit dessen Hülfe Kaiser Heinrich die slavischen Völkerschaften unterjochte, und die Edelleute wollten natürlich für ihre Dienste auch belohnt sein, deshalb gab ihnen der Kaiser bedeutende Strecken des eroberten Landes in Lehn, nebst einer Anzahl der unglücklichen Slaven, welche den neuen Herren als Leibeigene dienen mussten. Ueberall erhoben sich mit Thürmen und Gräben verwahrte feste Schlösser, auf welchen der Edelmann in stolzer Sicherheit die elenden Hörigen beherrschte. Diese waren an die Scholle, auf der sie lebten, gefesselt, und konnten nach Belieben von ihren Herren, denen sie frohnen und zinsen mussten, verkauft, verpfändet und verschenkt werden, woher die noch jetzt bisweilen vorkommenden verschiedenartigen und sich durchkreuzenden Gerichtsbarkeiten und Lehnsverhältnisse herrühren. Nur der Adel genoss damals persönliche Freiheit und Besitzthum, nur er war Herr und Gebieter im Lande, und willig fügten die unterjochten Slaven sich dem strengen Willen ihrer Grundherren, deren gewaltige Burgen sich dräuend über den niedrigen Erdhütten des Dörfchens erhoben.

Alles Land, das Kaiser Heinrich I. nicht dem Adel verlieh, wurde von kaiserlichen Voigten verwaltet, die ebenfalls zu ihrer Sicherheit Castelle erbauten und im Namen ihres Herrn Steuern erhoben, zu Gericht sassen und das ihnen anvertraute Gebiet vertheidigten. Im Voigtlande hausten dergleichen kaiserliche Statthalter auf den Schlössern Voigtsberg, Regnitzhof, Gera, Schleiz und Weida, doch gab es auch noch besondere Reichsdynastien, welche die Herren von Feilitzsch, Zedwitz, Kotzau und Andere unmittelbar vom Reiche zur Lehn trugen. Die Voigte wurden endlich so mächtig, dass sie sich wenig [10b] um ihre kaiserlichen Herren kümmerten, gleich Souverainen das ihnen untergebene Land beherrschten, und dasselbe durch benachbartes Gebiet vergrösserten, ohne in der Wahl der dazu führenden Mittel eben bedenklich zu sein. Im dreizehnten Jahrhundert befanden sich die Voigte von Plauen, welche ursprünglich ihren Sitz auf dem Schlosse Voigtsberg hatten, bereits im Besitze der Herrschaft Mylau, und empfingen dieselbe bald vom Kaiser, bald vom Könige von Böhmen zum Lehn; von Letzterem war die Herrschaft Mylau indessen nur ein Reichsafterlehn, indem Kaiser Friedrich II. im Jahre 1212 den Böhmischen König Ottokar mit dem Gebiet, welches Myla genannt wird, nebst Reichenbach und Zubehörungen belehnte. (Provinciam, quae Milin dicitur, cum Reichenbach et omnibus pertinentiis suis.)

Ueber die Oberlehnsherrschaft scheinen zwischen den Kaisern und den Böhmischen Königen häufige Zwistigkeiten stattgefunden zu haben, wenigstens belehnte Kaiser Ludwig der Baier 1323 Heinrich Reuss den Kleinen mit der Herrschaft Mylau, als diesem schon die Belehnung vom Böhmischen König geworden war. Heinrich der Strenge, Heinrichs des Kleinen Sohn, hatte das Unglück mit Kaiser Carl IV. und den Meissnisch-Thüringischen Fürsten in eine gefährliche Fehde verwickelt zu werden, durch welche die Macht der Reusse nicht wenig litt. Diese Fehde, der Voigtländische Krieg genannt, entstand hauptsächlich aus der Abneigung, welche Kaiser Carl IV., ein Sohn König Johanns von Böhmen, gegen das mit den Grafen von Schwarzburg verschwägerte Haus der Reusse empfand, denn aus Schwarzburgs Stamme war Kaiser Günther entsprossen, mit dem Carl so lange um die Krone des deutschen Reiches kämpfen musste, bis Günther in Frankfurt durch beigebrachtes Gift verschied. Dagegen hegte Carl gegen die Sächsischen Fürsten die aufrichtigste Dankbarkeit, indem Landgraf Friedrich der Ernste von Thüringen, welchen ein Theil der Reichsstände zum deutschen Kaiser gewählt, seine Ansprüche auf die Kaiserkrone für eine Abfindungssumme von 10,000 Mark Silbers an Carl abtrat. Böhmen und Sachsen strebten nunmehr, als die mächtigsten Dynastieen des Reichs, dahin, die reichen Reusse zu unterdrücken, ihnen einen Theil ihres Landes zu entziehen und sie zu zwingen, das Uebrige als Böhmisches und Meissnisches Lehn anzunehmen. Bei einer Zusammenkunft Kaiser Carls mit Markgraf Friedrich dem Strengen im Jahre 1350, verabredete man einem Plan, nach dem die Sächsischen Fürsten gewisse Ansprüche an die Reusse erheben mussten, und wie man erwartet hatte, weigerte sich Heinrich Reuss, genannt der Strenge, welchem der Schlag zunächst galt, dem Verlangen der Markgrafen sich zu fügen, sondern beschloss, sein Glück mit den Waffen, selbst der Uebermacht gegenüber, zu versuchen. Ohne ein Reichsgericht zu Rathe zu ziehen, erklärte der Kaiser unter dem falschen Vorwande, dass die Herren von Plauen hochverrätherische Verbindungen mit dem Voigtländischen Adel unterhielten, die Reusse in die Reichsacht, und beauftragte die Sächsischen Fürsten mit deren Vollstreckung. Vereinigt mit den aufgebotenen reichsständischen Contingenten von Mühlhausen, Erfurt und Nordhausen, nebst einem Böhmischen Hülfsheere, fielen die Markgrafen 1354 in die Besitzungen der Reusse von Plauen ein, und erschrocken verliessen nunmehr die Reusse von Weida und Gera die Sache ihres Hauses, indem sie von dem zu Ronneburg geschlossenen Bunde zurücktraten, und unter dem Vorgeben, ihrer Lehnsabhängigkeit von Meissen und Böhmen sich neutral erklärten. So sah sich Heinrich der Strenge von seinen nächsten Verwandten verlassen; aber der tapfere Mann liess deshalb den Muth nicht sinken, sondern kämpfte mit den Reussen von Elsterberg, die ihm treu geblieben, den ungleichen Kampf ritterlich fort.

Gleich einer Wetterwolke zogen die Meissnischen Heerhaufen unter Anführung des thüringischen Landvoigts, Heinrich von Brandenstein, über das Pleissnerland, stürmten und zerstörten die Schlosser Moringen und Hindenburg, eroberten die Städte Geithen, Rüne und Ziegenhain und zogen vor das Schloss Elsterberg. Hier befehligte Busso von Elsterberg die muthige Besatzung, aber trotz des kühnsten Widerstandes eroberte ein Graf Hohenstein mit seinen Meissnern und Böhmen die Burg und liess ihre Thürme und Mauern brechen. Basso und elf seiner adligen Kampfgenossen wurden als Aechter und Helfershelfer eines Aechters auf dem Marktplatze zu Elsterberg öffentlich enthauptet.

Diese Grausamkeit der Meissner verursachte allgemeinen Schrecken, und überall öffneten sich ihnen die Thore. Von allen seinen Freunden verlassen, entschloss sich nunmehr Heinrich der Strenge zur Unterwerfung, und so wurde 1355, wie ein unterm 5. October zu Altenburg ausgestellter Sühnebrief besagt, der Friede wieder hergestellt. Die Reusse von Plauen mussten sich unter der Benennung von Afterlehnsträgern als Böhmische und Meissnisch-Thüringische Lehnsträger bekennen, und von ihrer früheren Souverainetät blieb ihnen nichts übrig, als einige persönliche Vorzüge und die Ehre des Titels. Auf jeden Fall thut der Pirnaische Mönch Heinrich dem Strengen Unrecht, wenn er in seinem Werke sagt: „Zu gleicher Zeit ward mordliche Plackerei im Voigtland, Landgraf Friedrich, Balthasars Bruder, aber fing die Räuber und liess sie an die Bäume henken“; und eben so unwahr ist die Sage: Heinrich hätte alle gefangenen Meissnischen Edelleute bei Weida in eine Scheune sperren und darin verbrennen lassen.

Die Friedensbedingungen waren für die Reusse von Plauen und Elsterberg ebenso demüthigend als nachtheilig, denn nicht nur mussten sie alle vom Reiche und Meissen ihnen überlassene Verpfändungen ohne Entschädigung zurückgeben, sowie alle eroberten Schlösser, Dörfer, Städte und Güter den Siegern überlassen, sondern auch über alle ihnen verbleibenden Besitzthümer die Meissnische oder Böhmische Lehn suchen. In Folge dieser Bestimmungen nahmen die Sächsichen Fürsten die bisher verpfändeten Güter Ziegenrück, Triptis, Auma und das Schloss Freiburg zurück; die Schlösser Voigtsberg, Oelsnitz, Planschwitz, Stein und alle Besitzungen der Reusse im Pleissnerlande behielten sie als Eroberungen. Böhmen bekam die Schlösser Schöneck, Osseck und Landschütz. – Die Lehn anbetreffend, musste der besiegte Heinrich Reuss von Plauen die Stadt Plauen im Jahre 1356 als ein Böhmisches Lehn empfangen, sowie auch Mylau, Reichenbach und Treuen; Greiz, Ronneburg und Werda mit ihren Bezirken, wurden für Meissnische Lehen erklärt. Die getroffenen Bedingungen wurden im Jahre 1356 auf einem Reichstage zu Metz von Kaiser Carl IV. und den versammelten Churfürsten genehmigt und bestätigt.

Trotz ihrer Lehensunterwerfung, denen sämmtliche Linien der Reusse sich fügen mussten, hörten dieselben indessen nicht auf, für freie Reichsstände zu gelten, und wurden auch fernerhin zu den freien Dynasten gezählt, welche auf Reichstagen, und späterhin bei dem Wetterauischen Grafen-Collegium, bis [11b] zum Umsturz der deutschen Reichsverfassung Sitz und Stimme hatten. Von der Zeit dieses unglücklichen Friedens an legten sie indessen die Benennung der „Voigte“ ab. und nannten sich nur Herren von Plauen, Ronneburg, Greiz, Gera und Weida. Zur Ablegung dieses Titels wurden die Reusse auch durch das von Carl IV. erlassene Reichsgrundgesetz – die goldene Bulle – veranlasst, welches die Voigtswürde im ganzen deutschen Reiche aufhob. Urkundlich findet man die Reusse zuletzt 1371 und 1374 als Voigte benannt.

Nach dem für die Reusse so nachtheiligen Friedensschlusse blieben dieselben nur wenige Jahre noch im Besitz der Herrschaft Mylau, denn bereits 1367 verkaufte Heinrich der Aeltere zu Greiz, des unglücklichen Heinrichs des Strengen Sohn, die Herrschaft Mylau mit Reichenbach für 1010 Schock Böhmische Groschen oder 7700 Thaler an Kaiser Carl IV., der das Mylauer Schloss erweiterte, mit neuen Befestigungen verwahrte und es als Lust- und Jagdschloss benutzte. Noch jetzt erblickt man über einem Thore der Burg das in Stein gehauene Bild des Kaisers, durch soldatische Brutalitat zur Zeit des dreissigjährigen Krieges des Kopfes beraubt, und über dem inneren Schlossthore, zwischen den beiden nordwestlich gelegenen Thürmen, erinnert noch heute der aufgerichtete Löwe mit gespaltenem Schweife an Böhmens einstige Oberherrschaft. Noch giebt es in der altehrwürdigen Burg einen Kaiserhof und einen Kaisersaal, und ein uraltes schlecht erhaltenes Oelbild, den Kaiser Sigismund in Lebensgrösse darstellend, beweist, dass auch dieser Herrscher, gleich seinem Vater Carl IV., gern in Mylau verweilte, wo er verschiedene noch vorhandene Urkunden erliess. Die Besitznahme Mylau’s durch die Kaiser und ihr häufiger Aufenthalt daselbst war für die Herrschaft bis auf die neueste Zeit von grossem Vortheil, und namentlich Mylau, dem Kaiser Carl IV. sein Bildniss als Wappen verlieh, erlangte eine Anzahl Rechte und Freiheiten, deren verschiedene es von den meisten Lasten und Abgaben befreite, wie denn die Steuerfreiheit der Grundstücken erst in den Jahren 1843 und 1844 durch eine Ablösungssumme von fast 9000 Thalern beseitigt wurde. Das alte Rathssiegel von 1367 ist noch jetzt vorhanden; es zeigt das in diesem Jahre der Stadt verliehene Wappen, den Kaiser in ganzer Figur mit Krone und Mantel, den Scepter in der Rechten und in der Linken den Begnadigungsbrief haltend, mit der Umschrift: Sigillum Civitatis Milau 1367.

Der Hussitenkrieg kostete dem Kaiser Sigismund so bedeutende Summen, dass er sich gezwungen sah, zu deren Herbeischaffung einzelne Besitzthümer zu verpfänden, ein Schicksal, welches nebst anderen Voigtländischen Gebietstheilen auch die Herrschaft Mylau betraf, auf welche 1422 Markgraf Friedrich von Meissen, der spätere streitbare Churfürst, dem Kaiser eine beträchtliche Summe Geldes lieh. Erst 1459 gelangte Mylau mit Zubehör durch den sogenannten Egerschen Vertrag unter Botmässigkeit des Churfürsten von Sachsen, doch besass er es sammt den übrigen ihm überlassenen Voigtländischen Ortschaften als Böhmisches Lehen. So lange die Herrschaft Mylau kaiserliches Kammergut war, wohnte auf der Burg ein Edelmann als Burgvoigt oder Amtmann, in welcher Eigenschaft die Herren von Weissbach und später die von Schönau genannt werden. Im Jahre 1415 war kaiserlicher Voigt auf Mylau Petzold von Metzsch, dessen Sohn, Hans von Metzsch, von kaiserlicher Majestät für geleistete treue Dienste in Kriegs- und Friedenszeiten die Pflege Mylau erblich und eigenthümlich erhielt. Dass die Herren von Metzsch schon bei dem Egerschen Vertrage Erb- und Gerichtsherren über Reichenbach waren, erhellt aus einer Urkunde der sächsischen Fürsten Ernst und Albrecht vom Jahre 1464, worin diese Stadt eine erbliche der Herren von Metzsch genannt wird. Conrad von Metzsch der Aeltere, auf Mylau, kaiserlicher Majestät in Ungarn Matthiae Rath, wurde im Kloster Zelle begraben, und vererbte die Herrschaft Conraden von Metzsch, Ritter zu Mylau, Churfürst Johanns von Sachsen Rath, der 1526 starb und seine Güter Joseph Levin von Metsch hinterliess, einem gottesfürchtigen gelehrten Manne und Freunde Luthers, dessen Lehre er sehr zeitig huldigte. Von seinem Fürsten mit der Kirchenverbesserung beauftragt, trug Levin von Metzsch sehr viel zur raschen Verbreitung der Reformation im Voigtlande bei, und stand an der Spitze der vom Churfürsten angeordneten geistlichen Visitation. Er starb am 4. Juli 1571 und wurde in der Kirche zu Reichenbach beigesetzt; seine Güter aber theilten fünf Söhne unter sich, von denen Abraham Mylau im Jahre 1577 dem Ritter Nickel von Schönberg überliess. Im Jahre 1613 besass Mylau Hans Dietrich, und 1623 Burkhard von Schönberg, mit welchem Letzteren und dem Pfarrer Pöllmann der Besitzer des nahen Ortes Netzschkau, Carl Bose, der im Netzschkauer Schlosse eine Kirche gestiftet hatte, einen Vertrag abschloss, worin er versprach, den Pfarrer zu Mylau als Beichtvater zu gebrauchen, sich deshalb mit ihm abzufinden und dessen Amtsnachfolgern zum Recompens der Accidentien sechs Thaler jährlich zu erlegen. Später gelangte Mylau in Carl Bose’s Besitz, wodurch 1638 die Gemeinde Netzschkau aus dem kirchlichen Verbande getrennt wurde.

Carl Bose starb 1657, und Mylau wurde Eigenthum seines Sohnes, Carl Bose’s II., der 1711 im Erbbegräbniss zu Mylau seine letzte Ruhestätte fand, nachdem er schon im Jahre 1706 Mylau, Lengenfeld, Weissensand und Grün seinem erstgeborenen Sohne Carl Zdislav Bose hinterlassen hatte. Dieser war fürstlich Sächsisch-Eisenbergischer Stallmeister und ein sehr frommer für seine Unterthanen väterlich besorgter Herr, von dem die Kirche zu Mylau noch manches werthvolle Andenken aufbewahrt. Im Jahre 1722 kam Mylau an Carl Erdmann Bose, Czarischer Majestät Obristen bei einem Dragonerregiment, einen Bruder des vorigen Gutsherrn, welcher Letztere erst 1743 in hohem Alter mit Tode abging. Carl Erdmann Bose überliess Mylau schon 1727 einem Herrn von Planitz, Schwiegersohn Carl Bose’s II., der die Kirche mit einer Silbermann’schen Orgel und einer neuen Thurmuhr beschenkte, und 1747 Carl Christian August, Edlen von der Planitz, zum Nachfolger hatte, welcher 1784 in Mylau starb, nachdem das Gut bereits 1772 von ihm an den Kaufmann Petzold zu Greiz verkauft worden war. Im Jahre 1792 erwarb Mylau die Familie Golle, welche das vormalige Vorwerk Obermylau mit neuen Wohn- und Wirthschaftsgebäuden versah und es bewohnte. Die ersten Besitzer dieses Namens waren Herr Johann Caspar Golle und seine Söhne Johann Gottlob und Johann Gottfried, von denen Letzterer das Gut anfänglich mit seinem Bruder gemeinschaftlich, später aber allein besass. Von den beiden Söhnen Herrn Johann Gottfried Golle’s ist gegenwärtig alleiniger Besitzer Mylau’s Herr Franz Ludwig Golle.

Das am Fusse des Schlossbergs gelegene Städtchen Mylau zählt in etwa 250 Häusern 3000 Einwohner, die sich namentlich von Wollspinnerei und Weberei ernähren. Kaum eine halbe Stunde entfernt befindet sich ein [12b] bedeutendes Alaunwerk, in dem ziemlich dreissig Leute beschäftigt sind. Der Alaunschiefer bricht theils in einem nahen Bruche und darin abgesenkten Schächten, theils bei dem Dorfe Limbach, an der Strasse von Plauen nach Reichenbach. Der hiesige Brach ist über fünfzig Ellen tief und liegt unter einer acht Ellen starken Schieferdecke. Die Alaunhütte liefert einen jährlichen Ertrag von etwa 400 Centnern, welche grösstentheils im Lande verkauft werden.

Die Kirche zu Mylau entstand wahrscheinlich zu Anfang des zwölften Jahrhunderts, war indessen früher nur eine Kapelle, die Fronleichnamskapelle genannt, welche im Laufe der Jahrhunderte vielfache Anbaue, Veränderungen und Reparaturen erfuhr. In alten Zeiten besass das Ordenshaus des Deutschen Ritterordens zu Reichenbach das Patronat über Mylau’s Gotteshaus, in dessen Namen es sogar nach der Reformation noch einige Jahrzehnte von dem Pfarrer zu Reichenbach ausgeübt wurde. Der Orden der Deutschen Ritter oder Marianer hatte sich bald nach seiner Entstehung, die mit den Kreuzzügen zusammenhing, auch im Voigtlande einzuschleichen gewusst, und war zuerst von dem Grafen zu Eberstein auf Plauen mit offenen Armen aufgenommen worden, vermuthlich weil der Graf in dem an Macht immer mehr überhand nehmenden Orden einen Beistand gegen die ebenfalls immer mächtiger werdenden Voigte von Reuss zu erlangen hoffte. Bald wussten die Deutschen Ritter Plauen’s Stadtkirche mit allen dazu gehörenden Donationen und Rechten an sich zu bringen, und ihre kirchlichen Erwerbungen vermehrten sich von dieser Zeit an dergestalt, dass sie zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts bereits die Lehen über die Kirchen zu Strassberg, Jessnitz, Oberlosa, Roda, Pöhl, Kloschwitz, Kürbis, Geilsdorf, Leubnitz, Taltitz, Planschwitz, Würschnitz, Dröda, Schwand, Tossen, Rodersdorf, Altensalz, Theuma und Törpersdorf besassen; doch mag der Orden wohl auch einige dieser Kirchen erst fundirt haben. Von ihren Comthureien aus, die sie in verschiedenen Städten, wobei auch Reichenbach, gründeten, wirkten die Deutschen Ritter auf den Culturzustand des Voigtlandes höchst vortheilhaft ein und vernichteten namentlich die letzten Reste des alten sorbischen Heidenthums.

Die Kirche zu Mylau besitzt eine Silbermann’sche Orgel und eine sehr gute Copie einer Kreuzigung Christi von Rubens, sowie ein auf Holz gemaltes uraltes Oelbild, welches die Einsetzung des Abendmahls darstellt. In der Kapelle des Schlosses, die Carl Bose I. neu herstellen und ausschmücken liess, sind ausser einem grossen Marienbilde, mit dem Jesuskindlein im Arm, noch einige vortrefflich in Holz geschnitzte Heiligenbilder vorhanden. Von den zur Pfarrei gehörigen Grundstücken sind die meisten Geschenke von Edelleuten, welche zu Rodtscha gewohnt und die Tramer geheissen. Dem Pfarrherrn, der ausser von dem jetzigen und früheren Parochianen, auch von den beiden Rittergütern zu Schönfeld Erbzinsen an Geld und Naturalien zu empfangen hat, steht über verschiedene Häuser und Grundstücken in Netzschkau, Waldkirchen, Schneidenbach, Obermylau, Cunsdorf und Friesen das Recht der Lehensreichung zu. Eingepfarrt in die Kirche zu Mylau sind, ausser der Stadt Mylau, die fünf Dörfer Obermylau, Rotschau, Lambzig, Foschenroda und Friesen, von denen Letzteres bis zum Jahre 1545 eine eigene Kapelle besass, in der ein zu Reinsdorf wohnender Kaplan den Gottesdienst verrichtete, bis auf churfürstlichen Befehl das Dörflein Friesen nach Mylau eingekircht wurde.

Otto Moser, Redact.