zum Umsturz der deutschen Reichsverfassung Sitz und Stimme hatten. Von der Zeit dieses unglücklichen Friedens an legten sie indessen die Benennung der „Voigte“ ab. und nannten sich nur Herren von Plauen, Ronneburg, Greiz, Gera und Weida. Zur Ablegung dieses Titels wurden die Reusse auch durch das von Carl IV. erlassene Reichsgrundgesetz – die goldene Bulle – veranlasst, welches die Voigtswürde im ganzen deutschen Reiche aufhob. Urkundlich findet man die Reusse zuletzt 1371 und 1374 als Voigte benannt.
Nach dem für die Reusse so nachtheiligen Friedensschlusse blieben dieselben nur wenige Jahre noch im Besitz der Herrschaft Mylau, denn bereits 1367 verkaufte Heinrich der Aeltere zu Greiz, des unglücklichen Heinrichs des Strengen Sohn, die Herrschaft Mylau mit Reichenbach für 1010 Schock Böhmische Groschen oder 7700 Thaler an Kaiser Carl IV., der das Mylauer Schloss erweiterte, mit neuen Befestigungen verwahrte und es als Lust- und Jagdschloss benutzte. Noch jetzt erblickt man über einem Thore der Burg das in Stein gehauene Bild des Kaisers, durch soldatische Brutalitat zur Zeit des dreissigjährigen Krieges des Kopfes beraubt, und über dem inneren Schlossthore, zwischen den beiden nordwestlich gelegenen Thürmen, erinnert noch heute der aufgerichtete Löwe mit gespaltenem Schweife an Böhmens einstige Oberherrschaft. Noch giebt es in der altehrwürdigen Burg einen Kaiserhof und einen Kaisersaal, und ein uraltes schlecht erhaltenes Oelbild, den Kaiser Sigismund in Lebensgrösse darstellend, beweist, dass auch dieser Herrscher, gleich seinem Vater Carl IV., gern in Mylau verweilte, wo er verschiedene noch vorhandene Urkunden erliess. Die Besitznahme Mylau’s durch die Kaiser und ihr häufiger Aufenthalt daselbst war für die Herrschaft bis auf die neueste Zeit von grossem Vortheil, und namentlich Mylau, dem Kaiser Carl IV. sein Bildniss als Wappen verlieh, erlangte eine Anzahl Rechte und Freiheiten, deren verschiedene es von den meisten Lasten und Abgaben befreite, wie denn die Steuerfreiheit der Grundstücken erst in den Jahren 1843 und 1844 durch eine Ablösungssumme von fast 9000 Thalern beseitigt wurde. Das alte Rathssiegel von 1367 ist noch jetzt vorhanden; es zeigt das in diesem Jahre der Stadt verliehene Wappen, den Kaiser in ganzer Figur mit Krone und Mantel, den Scepter in der Rechten und in der Linken den Begnadigungsbrief haltend, mit der Umschrift: Sigillum Civitatis Milau 1367.
Der Hussitenkrieg kostete dem Kaiser Sigismund so bedeutende Summen, dass er sich gezwungen sah, zu deren Herbeischaffung einzelne Besitzthümer zu verpfänden, ein Schicksal, welches nebst anderen Voigtländischen Gebietstheilen auch die Herrschaft Mylau betraf, auf welche 1422 Markgraf Friedrich von Meissen, der spätere streitbare Churfürst, dem Kaiser eine beträchtliche Summe Geldes lieh. Erst 1459 gelangte Mylau mit Zubehör durch den sogenannten Egerschen Vertrag unter Botmässigkeit des Churfürsten von Sachsen, doch besass er es sammt den übrigen ihm überlassenen Voigtländischen Ortschaften als Böhmisches Lehen. So lange die Herrschaft Mylau kaiserliches Kammergut war, wohnte auf der Burg ein Edelmann als Burgvoigt oder Amtmann, in welcher Eigenschaft die Herren von Weissbach und später die von Schönau genannt werden. Im Jahre 1415 war kaiserlicher Voigt auf Mylau Petzold von Metzsch, dessen Sohn, Hans von Metzsch, von kaiserlicher Majestät für geleistete treue Dienste in Kriegs- und Friedenszeiten die Pflege Mylau erblich und eigenthümlich erhielt. Dass die Herren von Metzsch schon bei dem Egerschen Vertrage Erb- und Gerichtsherren über Reichenbach waren, erhellt aus einer Urkunde der sächsischen Fürsten Ernst und Albrecht vom Jahre 1464, worin diese Stadt eine erbliche der Herren von Metzsch genannt wird. Conrad von Metzsch der Aeltere, auf Mylau, kaiserlicher Majestät in Ungarn Matthiae Rath, wurde im Kloster Zelle begraben, und vererbte die Herrschaft Conraden von Metzsch, Ritter zu Mylau, Churfürst Johanns von Sachsen Rath, der 1526 starb und seine Güter Joseph Levin von Metsch hinterliess, einem gottesfürchtigen gelehrten Manne und Freunde Luthers, dessen Lehre er sehr zeitig huldigte. Von seinem Fürsten mit der Kirchenverbesserung beauftragt, trug Levin von Metzsch sehr viel zur raschen Verbreitung der Reformation im Voigtlande bei, und stand an der Spitze der vom Churfürsten angeordneten geistlichen Visitation. Er starb am 4. Juli 1571 und wurde in der Kirche zu Reichenbach beigesetzt; seine Güter aber theilten fünf Söhne unter sich, von denen Abraham Mylau im Jahre 1577 dem Ritter Nickel von Schönberg überliess. Im Jahre 1613 besass Mylau Hans Dietrich, und 1623 Burkhard von Schönberg, mit welchem Letzteren und dem Pfarrer Pöllmann der Besitzer des nahen Ortes Netzschkau, Carl Bose, der im Netzschkauer Schlosse eine Kirche gestiftet hatte, einen Vertrag abschloss, worin er versprach, den Pfarrer zu Mylau als Beichtvater zu gebrauchen, sich deshalb mit ihm abzufinden und dessen Amtsnachfolgern zum Recompens der Accidentien sechs Thaler jährlich zu erlegen. Später gelangte Mylau in Carl Bose’s Besitz, wodurch 1638 die Gemeinde Netzschkau aus dem kirchlichen Verbande getrennt wurde.
Carl Bose starb 1657, und Mylau wurde Eigenthum seines Sohnes, Carl Bose’s II., der 1711 im Erbbegräbniss zu Mylau seine letzte Ruhestätte fand, nachdem er schon im Jahre 1706 Mylau, Lengenfeld, Weissensand und Grün seinem erstgeborenen Sohne Carl Zdislav Bose hinterlassen hatte. Dieser war fürstlich Sächsisch-Eisenbergischer Stallmeister und ein sehr frommer für seine Unterthanen väterlich besorgter Herr, von dem die Kirche zu Mylau noch manches werthvolle Andenken aufbewahrt. Im Jahre 1722 kam Mylau an Carl Erdmann Bose, Czarischer Majestät Obristen bei einem Dragonerregiment, einen Bruder des vorigen Gutsherrn, welcher Letztere erst 1743 in hohem Alter mit Tode abging. Carl Erdmann Bose überliess Mylau schon 1727 einem Herrn von Planitz, Schwiegersohn Carl Bose’s II., der die Kirche mit einer Silbermann’schen Orgel und einer neuen Thurmuhr beschenkte, und 1747 Carl Christian August, Edlen von der Planitz, zum Nachfolger hatte, welcher 1784 in Mylau starb, nachdem das Gut bereits 1772 von ihm an den Kaufmann Petzold zu Greiz verkauft worden war. Im Jahre 1792 erwarb Mylau die Familie Golle, welche das vormalige Vorwerk Obermylau mit neuen Wohn- und Wirthschaftsgebäuden versah und es bewohnte. Die ersten Besitzer dieses Namens waren Herr Johann Caspar Golle und seine Söhne Johann Gottlob und Johann Gottfried, von denen Letzterer das Gut anfänglich mit seinem Bruder gemeinschaftlich, später aber allein besass. Von den beiden Söhnen Herrn Johann Gottfried Golle’s ist gegenwärtig alleiniger Besitzer Mylau’s Herr Franz Ludwig Golle.
Das am Fusse des Schlossbergs gelegene Städtchen Mylau zählt in etwa 250 Häusern 3000 Einwohner, die sich namentlich von Wollspinnerei und Weberei ernähren. Kaum eine halbe Stunde entfernt befindet sich ein
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1859, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_V.djvu/18&oldid=- (Version vom 17.10.2016)