Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Liebau
Liebau, mit einem Rittergute und den dazugehörigen Anbauen bei der Rentschmühle und der herrschaftlichen Schäferei, liegt zwischen den Städten Plauen, Reichenbach und Greiz auf freundlichen Anhöhen des nahen schönen Elsterthales, welches durch seine romantischen auch botanisch interessanten Felsenparthieen, das Steinicht genannt, zu beiden Seiten von Liebau bis in die Nähe von Elsterberg viele Besucher selbst aus weiter Ferne herbeizieht und durch seine eigenthümlichen Reize den schmeichelhaften Namen einer kleinen Voigtländischen Schweiz erlangt hat. Das Dorf Liebau umfasst ausser dem Edelhofe und der dazu gehörigen Schäferei, eine Försterei, drei Bauergüter, drei Gartennahrungen und sieben kleine Häuser mit ungefähr hundert Einwohnern.
Liebau ist ein uralter Ort. Er ist eine der ersten funfzehn zwischen der Elster, Göltzsch, Trieb und Mulde erbauten sorbischen Ansiedelungen und gehörte zu dem grossen Auengau oder dem Gau Plauen, in welchem sich die nachherige Ebersteinische Herrschaft Dobenau befand. Der erste Graf von Eberstein, Bruno, hatte bei der Bezwingung des Slavenvolkes so vorzügliche Dienste geleistet, dass König Heinrich I. ihn, um 935, zu einem Grafen und Richter über die besiegten Stämme setzte und mit einem Gebiet beschenkte das, nach der Stiftungsurkunde der Stadtkirche zu Plauen, zu Anfang des zwölften Jahrhunderts fast zehn Quadratmeilen betrug. Anfänglich residirten die Ebersteine auf der Burg Dobenau, späterhin in dem von ihnen erbauten Plauen. Zur Sicherung des erworbenen Landes war es nun aber nöthig feste Grenzburgen zu erbauen und so entstand auch das Schloss Liebau dessen Steinmassen, seit länger als siebzig Jahren nicht mehr zu menschlichen Wohnungen dienend, zu einer verfallenden Ruine geworden sind und von dem darunter liegenden Elsterthale aus eine herrliche Ansicht gewähren.
Die Grafen von Eberstein, ursprünglich Schwäbischer Abkunft und einstmals Reichsgrafen theilten sich in zwei Linien, die Schwäbische und Sächsische. Erstere hatte ihre Güter besonders im jetzigen Grossherzogthum Baden, wo nahe bei der Stadt Baden „Alteberstein“ und im Thale der Murg „Neueberstein“ ihre beiden ältesten Stammsitze liegen. Gernsbach war ihre Hauptstadt und im zwölften Jahrhundert stifteten sie die Klöster Herrenalb und Frauenalb. Zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts hatte Markgraf Rudolf von Baden eine Gräfin von Eberstein zur Gemahlin. Das Wappen der Schwäbischen Ebersteine, welche 1660 mit dem Grafen Casimir ausstarben, war eine Rose in silbernem Felde und ein Eber auf grünem Boden in goldenem Felde. Die Sächsischen Ebersteine, von denen wiederum ein Zweig in Pommern zu Neugarten und Massau blühte, hatten ihre Besitzungen in Niedersachsen, wo sie jedoch im vierzehnten Jahrhundert verschwanden, indem Graf Hermann von Eberstein genöthigt wurde seine Tochter Elisabeth an Herzog Otto den Schiefbeinigen zu vermählen und seine Besitzungen derselben als Mitgift zu überlassen. Graf Ottos einziger Sohn wurde als Verbrecher geächtet und der väterlichen Güter verlustig erklärt. Die Sächsischen Ebersteine führten, gleich der Pommerischen Seitenlinie, im Wappen einen silbernen aufgerichteten gekrönten Löwen in blauem Felde und als Helmzier einen Pfauenschweif. Zu den Sächsischen Ebersteinen gehörten auch die im Voigtlande angesessenen, denn in einer Urkunde von 1317 werden sie ausdrücklich: „comites terrae saxonicae“ genannt, auch führten sie das eben geschilderte Wappen, doch fehlen auf einigen ihrer noch vorhandenen Siegel die Helme. Noch gab es eine freiherrliche Familie von Eberstein, welche seit 1492 bis auf den heutigen Tag das Gut Gehofen in der Thüringischen goldenen Aue besass. Sie führt im Wappen einen abwärts gekehrten Triangel, dessen Spitzen mit silbernen Lilien (Rosen?) besteckt sind, und als Helmzierde ein wachsendes goldgekröntes Mohrenbild.
Als einer der letzten Grafen von Eberstein, Herr zu Dobenau und Plauen, erscheint Herrmann von Eberstein auf Dobenau, dessen Bruder Otto Domher zu Hildesheim und Minden war. Herrmann verglich sich im Einverständniss mit seinem Bruder 1327 mit Heinrich Reuss von Plauen, dass beide künftig gemeinschaftlich die Herrschaft Dobenau und die Stadt Plauen von der Krone Böhmen in Lehn nehmen wollten. Damals bestand die Herrschaft Dobenau blos noch aus dem Schlosse Dobenau, dem Ebersteinischen Schlosse in der Stadt Plauen sammt einem Theile derselben und den Schlössern Liebau, Gansgrün, Schöneck, Planschwitz, Stein, Tübel, Magwitz und Gailsdorf.
Bald nach dieser Uebereinkunft starb Graf Herrmann von Eberstein als der Letzte seines Stammes und Heinrich von Reuss nahm die durch diesen Todesfall ihm zugefallenen Guter von Böhmen in Lehn. Wie zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts mit den Grafen von Arnshaugk verschwand jetzt mit den Ebersteinen wiederum eine der bedeutendsten Voigtländischen Dynastenfamilien aus der Geschichte unseres Landes, und zwar eine Familie der das Voigtland unendliche Wohlthaten zu danken hat. Von den Ebersteinen weiss man keine blutigen Fehden, keine Raubzüge und Verwüstungen zu erzählen, [34] wohl aber nennt jedes Blatt der Geschichte sie friedliche und väterliche Regenten, welche den Grund zur Veredlung und dem Wohlstande ihrer Unterthanen legten. Die Stiftung der Kirche zu Plauen und die von ihnen bewerkstelligte Gründung der Stadt geben Zeugniss von der Sorgfalt um die religiöse Bildung und Wohlfahrt ihrer Unterthanen, und schon beim ersten Beginnen ihrer Herrschaft verbesserten sie das harte Loos der Leibeigenen durch eine milde und geregelte Lehnsverfassung, ja wir finden sogar diese Lehnsverfassung in einen rechtlichen festen Eigenthumsbesitz umgeschaffen. Wie ehrwürdig sind demnach die Ruinen der Burg Dobenau und die Stätte des Malzhauses zu Plauen, wo die Ebersteine einst ihren Wohnsitz hatten! Graf Hermann von Eberstein fand die letzte Ruhestätte in der Kirche seines Plauenschen Schlosses.
Die Folgen des sogenannten Voigtländischen Krieges veranlassten Heinrich Reuss den Langen im Jahre 1357 seine Voigtländischen Besitzungen Liebau, Mühldorf, Adorf, Markneukirchen, Schönberg, Paussa, Widersberg, Gattendorf, Sachsgrün, Schaumburg, des Sechstel von Nyberg, wie auch sein Pfandrecht an Hirschberg, nur mit Ausnahme seines Antheils am Schlosse Plauen und des einstmaligen Anfallrechtes von Plauen und Auerbach an die drei Markgrafen von Meissen zu vertauschen, nach welcher Besitzesveränderung im Jahre 1377 zwischen den Herrschaften Schleiz und Mühldorf eine Grenzberichtigung stattfand die ein gewisser Holt auf Cottindorf (Göttendorf) leitete. Liebau war nunmehr Meissnisch, doch mussten die Markgrafen alle eingetauschten Güter als Böhmische Lehen empfangen.
Durch diesen Tausch fügte Heinrich Reuss der Lange sich und dem gesammten Reussischen Hause einen ungemeinen Schaden zu. Er hatte die vertauschten Güter von den Markgrafen, jedoch als Meissnische Lehne, im Pleissnerlande erhalten, das Schloss Borna, welches bei der Stadt Borna am Reichenthore stand und später von den Hussiten zerstört wurde, das Schloss Kohren und die Stadt Geithain, letztere für den Fall, dass sie einmal von dem von Schonberg abkäme oder er sie mit dessen gutem Willen erhalten könne; auch sollte er aus dem zwischen Altenburg und Kohren gelegenen Walde, die Leine genannt, wöchentlich vier Fuder Brennholz empfangen. Da Heinrich Reuss den Tausch ohne Einwilligung seiner Vettern getroffen hatte, so erhob sich dagegen namentlich die ältere Linie Plauen und es scheint als ob die Markgrafen zur Ausgleichung die Schlösser Liebau, Paussa und Auerbach zurückgegeben hätten, indem dieselben 1379, jedoch als Vasallengüter von Meissen, den Reussen älterer Linie gehörten. Auch hiermit waren die von Plauen noch nicht befriedigt, denn hundert Jahre später finden sich immer noch Ansprüche und Forderungen erwähnt, welche die Reusse an Meissen stellten.
Die Volkssage behauptet, dass die Burg Liebau in grauer Vorzeit ein Raubnest gewesen sei, dessen letzter wegelagernder Ritter auf dem Marktplatze zu Plauen hingerichtet wurde, eine Beschuldigung, die sich nirgends historisch nachweisen lässt, und auch höchst unwahrscheinlich klingt, da weder die Grafen von Eberstein noch die von Reuss einem ihrer Vasallen ein solches Treiben gestattet haben würden. Vielleicht mag die Veranlassung zu dieser Sage die hohe schroffe Lage der Burg nahe an der uralten sonstigen Heerstrasse von Reichenbach nach Cossengrün und Plauen gewesen sein. Die ältesten Burgmänner auf Liebau, deren Namen auf unsere Zeit gekommen sind, waren 1305 ein Ritter von Reizenstein und 1379 Gottfried von Dölen, welcher bei der schon erwähnten neuen Grenzbestimmung zugegen war. Die Herren von Dölen nannten sich später von Dölau, empfingen nach der Zurückgabe Liebaus an die Reusse von Plauen das Schloss von diesen zu Lehn, und behielten das Gut bis zum Jahre 1727. Nur zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts befand sich Liebau, man weiss nicht durch welche Veranlassung, einige Jahre im Besitze des Junkers Caspar von Reizenstein.
Die Reihefolge der Besitzer Liebaus aus dem Dölauischen Geschlecht ist von 1554 an genau bekannt. Zu dieser Zeit gehörte das Gut Sigismunden von Dölau, der auch Ruppersgrün besass, einem tapferen Kriegsmanne, der in Frankreich, Ungarn und bei der bekannten Gothaischen Belagerung gefochten hatte und die Ruppersgrüner Kirche mit Geschenken und Legaten reichlich bedachte. Nach seinem 1596 zu Ruppersgrün erfolgten Tode besass Liebau bis 1600 der schon erwähnte Caspar von Reizenstein, in diesem Jahre gelangte das Gut jedoch an Sigismunds von Dölau Sohn, Joachim von Dölau auf Ruppersgrün, Liebau, Cossengrün, Ziegra und Stockhausen, unter Churfürst Johann Georg I., Hof-, Justiz- und Appellationsrath, Obersteuereinnehmer der Land- und Tranksteuer, gestorben und begraben zu Ziegra im Jahre 1638. Sein ältester Sohn, Johann Georg von Dölau auf Ruppersgrün, Liebau, Grünewald und Zelba, war Vicekanzler, Kammerherr und Obersteuereinnehmer des Meissner und Erzgebirgischen Kreises und starb 1677. Sein jüngerer Bruder, Christoph von Dölau, wird zugleich mit ihm Eigenthümer von Liebau genannt, und beide rühmt der damalige Pfarrer als höchst gütige und für das Wohl ihrer Unterthanen väterlich besorgte Herren. Johann Georgs von Dölau Sohn, Gottlob Christian von Dölau, war Herr auf Ruppersgrün, Liebau und Cossengrün, königlich Polnischer und churfürstlich Sächsischer Rath, Vicekreishauptmann des Erzgebirgischen und Voigtländischen Kreises, Oberkreissteuereinnehmer, Kreis- und Kriegscommissar im Voigtlande und Domherr zu Merseburg. Er starb am 22. März 1720. Bedeutende Stiftungen und Schenkungen an die Ruppersgrüner Kirche sichern ihm ein unvergängliches Andenken. Dessen Bruder, Adam Friedrich von Dölau, kaiserlich Oesterreichischer Kammerrath starb 1727, mit ihm erlosch der Mannesstamm der Dölaus auf Liebau und Ruppersgrün, welche Güter er fast 400 Jahre besessen hatte, und diese kamen in Besitz von Adam Friedrichs von Dölau einziger Tochter Johanne Charlotte von Dölau, die 1744 beide Güter durch Vermächtniss dem Major von Bomsdorf überliess. Um das Jahr 1780 erkaufte Liebau der reiche Kaufmann Eichhorn zu Plauen, jetziger Besitzer aber ist Herr E. F. Gühne.
Liebau wurde 1575 von einer furchtbaren Pest heimgesucht, die ganze Familien hinwegraffte. Im Jahre 1644 wollte man den 1640 von feindlichen Truppen demolirten Schlossthurm zu Liebau wiederum ausbauen und hatte ihn bereits bis über die Hälfte aufgemauert als er am heiligen Pfingstabend Mittags zwischen 12 und 1 zusammenstürzte und drei Personen unter seinen Trümmern begrub, von welchen eine todt blieb und – schon am ersten Pfingstfeiertage beerdigt wurde. Wie es im dreissigjährigen Kriege hergegangen und dass die Soldateska der damaligen Zeit durch das langjährige blutige Kriegshandwerk zu viehischer Wildheit herabgesunken war, davon [35] zeugt eine in Ruppersgrün befindliche Urkunde mit der Ueberschrift: „Ruppersgrüner Passion“ Spiel und verübter Priestermord, Raub und Brand. Glaubwürdig berichtete Relation von denen Richtern und Schöppen zu Ruppersgrün und Liebau bei Eydes Pflichten ausgesagt und eingeschicket. Es wird darin gesagt:
Was sich bei dem Kaiserlichen und Schwedischen jüngsten Marche und kurz vorher nach geschlossenem Reichsfrieden auf Churfürstl. Durchlaucht zu Sachsen alten Hofraths Joachims von Dölau Haus und Ritterguth Ruppersgrün im Anne Plauen bezirket, begeben und zugetragen:
Weil solches berühmtes bekanntes Haus in einem Graben gelegen mit einer Ziehbrücken und überall neue schöne Hofgebäude und grosse weite Gärten mit Mauern und Rundellen versehen gewesen, hat der Kayserliche General-Feldzeugmeister Salis zu seiner ersten Ankunft dem Vorgeben nach mit 7 oder 8 Regimentern dahin seine Retirade genommen und seine Soldatesca auf die Kirche und in derselben Mauern, sowohl in und ausser dem Dorfe in einem vermauerten Gottesacker einlogiret. Hierauf eilend 12 Schwedische Regimenter gefolget, da denn vor dem Dorfe, ein starker Scharmützel sich erhoben und etliche von den kaiserlichen Soldaten geblieben, darunter ein hoher Offizirer in die nunmehr abgebrannte Kirche begraben worden. Der Salis aber wiederum auf das Haus gewichen. Als aber das Dorf an unterschiedenen Orten von den Schwedischen angestecket an die 7 Häuser weggebrannt und mit Ernst ferner angelaufen worden, hat von dem Haus und der Kirche keine Gegenwehr helfen wollen, sondern hat sich endlich Generalfeldzeugmeister ergeben müssen, welcher vielbekannte und berufene Schwedische Obristen auf der Brücke gefänglich angenommen und mit sich hinweggeführet. Der Oberst Schlange aber hat den Erbherrn und Unterthanen mit einer grosser Brandschatzung beleget und alle Mobilien was nur zu finden gewesen sammt allen Vorrath an Getreide hinwegnehmen und rauben lassen. Hierbei denn die Zwickauische Verpflegung und Contribution stets continuirte (1638).
Nachdem nun der Schwedische Feldmarschall Mack (?) aus Böheim getrieben worden hat diesen verderbten Ort noch ein grösseres Unglück betroffen. Indem stets Schwedische Regimenter auf dem Hause gelegen, welche aber hernachmals, als die kaiserliche Armee nach Plauen gekommen und allda eine gute Zeit verharret; ist kurz zuvor der Pfarrer allhier Herr Alexander Laurentii ein Mann von 83 Jahren sogleich damals 3/4 Jahre bettlägerig gewesen mense Januarii 1640 von etlichen Schwedischen Reutern die bei dem Salis hiebevor an eben diesem Orte gefangen sein sollen und alle Gelegenheit gewusst, überfallen, auch Geld von ihm zu erpressen, denselben die Ellbogen Kniescheiben und cum licentia die Fusszehen mit einem glühenden Eisen abgebrannt und der arme elende kranke Mann also zu Tode gemartert worden. Seiner Wärterin und Haushälterin haben sie die Arme hinterwärts ausgedreht die Finger auf solche Maas zurückgebrochen, ihr eine Wasserkanne mit Mistjauche, einen Schwedischen Trunk, eingegossen und auf den Leib gesprungen; zuvor haben sie solche, im Angesicht und in den Kopf mit Pistolen sehr zerschlagen, dass die Beulen alle aufgesprungen, haben auch dreimal nach ihr Feuer gegeben.
Das Mordeisen, damit sie den armen alter Pfarrherrn todtgewürget, ist von des Hofraths Joachim von Dölau Gerichten Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zu Sachsen zugeschicket worden, welche es auch noch bei sich in Verwahrung haben. – Ein alter Gottes- und Kirchenvater und etliche alte verlebte Leute haben sie auch niedergemacht, den armen Unterthanen die Köpfe unter die Beine zusammengebunden mit den Füssen und in heimlichen Orten aufgehenket und auf Türkisch mit grosser Prügeln braun und blau geschlagen, Feuer unter sie geleget und solche geschmeichet, theils dieselben in die Backöfen gesteckt und von Stroh und Feuer einen Rauch darin gemacht dass viele Leute von solchem eingezogenen Rauche darüber todt bleiben müssen. Ferner haben sie einen Bauer, nicht weit von des Herrn Hofraths Gerichten und Bothmässigkeit, die Ohren abgeschnitten, klein gehacket und ihn gezwungen solche zu essen. Bei diesem haben sie es noch nicht bleiben lassen, sondern der Müllerin auf des Herrn Hofraths hie bevor durch die Holkischen mit sieben Gängen sammt der Brücken und darangebauten Adeligen Hause abgebrannten Mühle bei den Armen, dem Herrn Christo gleich, ausgedehnet, angebunden, Wasser mit Kleyen und Sägespähnen vermischt und ihr also den Leib mit dergleichen voll gefüllet, wie sie denn sonst noch unerhörte Marter und Qual den armen Leuten angethan und angelegt, die da nicht grausam genugsam mit Worten zu beschreiben noch alle für grossen Betrübniss und Herzeleid erzählet oder berichtet werden könne.
Als nun die armen Leute dies alles ausstehen müssen und zwar vermeinet es nunmehro wieder ein wenig sicher werden möchte haben drei kaiserliche Regimenter so im Hauptquartier Plauen wohl bekannt gewesen und theils gegen Graiz gegangen sein sollen, die Passage Abends gegen 9 Uhr den 15. April dieses Jahres (1640) durch das Dorf Ruppersgrün marchiren wollen, und da es ziemlich finster gewesen und der erste Wagen etwas beim Hirtenhause sitzen blieben haben die Soldaten nach Licht und Feuer geschrieen, darauf man ihnen im Dorf beides, Schleissen und Stroh zur Leuchte angesteckt, dessen aber ungeachtet hat ein Reuter eine Schütte Stroh angebrennt an ein Bauernhaus gelegt um dasselbe anzuzünden. Da es aber nicht stracks brennen wollen hat er solches – Gott sei bei uns! – in aller 1000 Teufel Namen muthwillig und feindlich angesteckt, worauf sich alsobald ein ungewöhnlicher Wind erhoben, die Flammen von einem Haus zum anderen geführet, ein gar blaues Feuer wie die Katzen auf den Dächern gelaufen und also überhand genommen, dass innerhalb 3en Stunden des Herrn Hofraths bekanntes wohlausgebautes Schloss und neue Hauss sammt allen schönen neuen Hofgebäuden des ersten Hofes, auch Brunnen und Röhrkasten sowohl allem aufgeschütteten Getraydicht an Waizen, Korn und Gerste dessen noch etzliche 100 Scheffel an grossem Maas übergeblieben, darinnen vorhandenen kostbaren Haussrath und Mobilien an Wandtapeten, Kisten, Kasten, Schränken, vielen vornehmen ansehnlichen Fürstlichen Hirsch-, Damm- und Rehgeweihen, Gemählden, Tischer, Betten, Trisuren, Sesseln und Bänken auch andern häuslichen Vorrath ingleichen die mit Schiefer gedeckte schöne Kirche mit zwei Thürmen, drei Glocken und zwei grosser Schlag-Uhrwerken sammt einer grosser Seigerschelle und neun Bauerhöfen mit Schiff und Geschirr auch allen Vorrath in Grund eingeäschert und verbrannt worden.
Welcher unüberwindlicher, vorsätzlicher, feindlicher, grosser Schaden dann so Ihro hochfürstliche Durchlaucht der Hochwürdigste, Durchlauchtigste, hochlöblichste Erzherzog und Generalissimus, als dieselben im Hauptquartier [36] Plauen logirten selbsten in Augenschein nehmen lassen und solchen mit grosser Unruh und Ungeduld höchlich beklaget und auf viel 1000 Gulden zu aestimiren. Und nunmehro nach ausgestandener 10maliger Plünderung und vielfältigen unterschiedlichen langwierigen Einquartirungen, Brandschatzungen auf unzähligen Exactionen und Pressuren, Beraubung der Pferde, Ochsen, Rind- und Schaaf Viehe, so sich auf eine sehr grosse Summe erstreckt, vornehmlich ohne Kayserl. Gnad und Ergötzlichkeit auch treuherziger und frommer Christen Almosen und Beihülfe sich die elenden Leute sammt dem verarmten Kirchenkasten bei jetzigen in Grund verderbten Zustand nicht erholen noch etwa wiederum anrichten noch ihre Hüttlein, vielweniger die Kirche aufbauen können.
Alle Kaiserliche Offizirer und männiglich so durchgeritten haben mit Seufzen und Schmerzen den grausamen Schaden, welcher an diesen schönen Gebäuden und innern der Mauern darin gepflanzten fruchtbaren Obstbäumen so muthwillig und vorsätzlich, auch anders nicht denn hauptfeindlich geschehen beklaget und sich höchlich darüber verwundert, gegen den Verwalter und andere hinterlassene Diener sich mit bewegtem Gemüthe vernehmen lassen wann dieser unglaubliche Schaden am gebührenden und gehörenden Orte sollte geklaget, geahndet und geopfert werden würde es ohne Erstattung und Ergötzung dieses Schadens nicht abgelaufen.
Hieneben und schliesslich ist auch zu erinnern, wie oben etwas angedeutet, dass nicht allein die holkischen Völker hiebevor eine sehr schöne ansehnliche wohlberufene Mühl des Herrn Churfürstlichen Hofraths (die jetzige Rentschmühle) nebst bei Ruppersgrün sammt der neuen Brücken über die Elster und einem adeligen Hause davor abgebrannt, sondern auch alles Rindvieh und Schafvieh etliche viel 100 Stück auf fünf Rittergütern und drei Beivorwerken sammt allem Vorrath des Gedraydichts hinweggetrieben, auch die armen Unterthanen ganz ausspoliret theils niedergehauen und in Grund verderbet.
So haben auch des Generals Hazfelds Völker, welche doch Freunde und Bundesverwandten sein wollen dem Herrn Hofrath auf den Meissnischen Gütern und Leipziger Kreis durch die Passage und Marketenners Wagen so stets auf dem Hause Ziegra gelegen, 2500 Scheffel Korn, Waizen, Gerste auch viel Vieh hinweggetrieben als vor kurzer Zeit der Oberste Schönnickel den Herrn Hofrath sammt Weib und Kinder ingleichen ausgeplündert, viel Pferde und einen grossen ansehnlichen Raub an fürnehmen Mobilien darvon gebracht; darüber beides, Erbherr und Unterthanen in das äusserste Verderben gerathen müssen und solches in dieser Welt nimmermehr überwinden können.
Vorstehender Bericht wird als Denkmal des schrecklichen dreissigjährigen Krieges im Pfarrarchive zu Ruppersgrün aufbewahrt. Wie weit die Plünderungssucht der Soldaten ging beweist der Nachlass des ermordeten Pfarrers Laurentii, welcher aus einem buchsbaumenen Löffel, auf welchen ein Cruzifix geschnitten war, einem Tischlein und Bänklein von Ahornholz einer alten Himmelbettstelle und einem Bettlein bestand. –
Liebau ist in die Kirche zu Ruppersgrün eingepfarrt, deren Gründung nicht nachzuweisen ist. Noch vor dem Jahre 1368 stand hier schon eine Capelle, welche ein Caplan der Mutterkirche zu Elsterberg zu besorgen hatte, wovon noch die Angabe einer Stiftung von 2 Gülden 14 Groschen und zwei Hühnern zeugt, welche die edle Frau Agnes auf Elsterberg am Freitage vor St. Johannis des Täufers Tage gründete und der hiesige Pfarrer bis zum Anfange des achtzehnten Jahrhunderts bezog. Die Kirche brannte, wie bereits erzählt, in Folge soldatischer Brutalität im Jahre 1640 nieder, und wurde mit Benutzung der stehen gebliebenen festen Mauern in den nächsten Jahren wieder aufgebaut, 1651 aber erst eingeweiht. Gottlob Christian von Dölau nahm 1708 und 1709 eine bedeutende Restauration, Erweiterung und Verschönerung der Kirche vor und brachte sie dadurch in einen Zustand der bis jetzt keine zweite Reparatur nöthig gemacht hat. Bis zum Jahre 1472 war die Kirche Filial von Elsterberg, von da an stiftete ein Herr von Dölau eine Pfarrei zu Ruppersgrün und erhob dieselbe mit höherer Bewilligung zu einer selbständigen Parochie. Bemerkenswerth ist hierbei, dass die Herren von Dölau ausser ihrem Wappen mit den drei Fischen noch ein besonderes Siegel als Patrone der Kirche führten. Dasselbe enthält das Standbild eines Bischofs mit einem Krumstabe in der Linken und dem Dölauischen Familienwappen in der Rechten, nebst der Ueberschrift S. RUPERTUS, und befindet sich unter einem Kirchenconsense von 1616.
Zum Schlusse erwähnen wir noch, dass der hochselige König Friedrich August, im Jahre 1832 bei Seiner Rückkehr aus Franzensbrunn über Oelsnitz und Plauen nach Elsterberg hin auch Liebau besuchte, die Ruine der alten Veste in Augenschein nahm, und das Steinnicht auf dem rechten Ufer der Elster durchwanderte.