Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Pöhl
Pöhl, in Urkunden auch Pehla, Pöhla und Pöhlau genannt, hat seinen Namen unstreitig von der Lage des Ortes auf einen Hügel – slavisch Bühel oder Pöhl – erhalten, welcher auf drei Seiten von üppigen Thälern rund auf der Nordseite von Feldern und Waldungen umgeben ist. Das südliche breitere Thal durchfliesst der Triebischfluss, dessen Vereinigung mit der Elster hinter dem nahen, westlich gelegenen, die Gegend beherrschenden Eisenberge in einer wildromantischen Felsschlucht stattfindet. Der Ort hat eine höchst angenehme Lage und die Gegend bietet wahrhaft überraschende Ansichten wenn man aus dem Bergwäldchen, welches das Dorf bis auf 1000 Schritte vor demselben verdeckt, hervortritt und das freundliche, mit stattlichen, zum Theil neuen, herrschaftlichen Gebäuden geschmückte Pöhl auf seinen ringsum bebauten Hügel vor sich, das fruchtbare reizende Triebischthal in seiner weitesten und längsten Ausdehnung unter sich, und den ehrwürdigen, mit dunkeln Waldungen bedeckten Eisenberg in geringer Entfernung zur Linken neben sich erblickt. Der Eisenberg wird schon seit langen Zeiten bergmännisch ausgebeutet, weshalb auf seiner Höhe ein Huthaus errichtet ist. Das gewonnene Eisenerz ist von vorzüglicher Güte und gehört dem grossen Eisenwerke zu Morgenröthe, welches in den hiesigen drei Schachten und vier Stollen vierzig Bergleute und einen Obersteiger beschäftigt. Die Sage behauptet, dass einst auf dem Eisenberge eine Burg stand, doch ist jetzt davon keine Spur mehr vorhanden, man müsste denn eine auf dem westlichen Abhange des Berges befindliche kleine Ebene, der Ochsenstall genannt, dafür halten, wohin die Burgbewohner in Kriegszeiten das Vieh in Sicherheit gebracht haben sollen.
Das Dorf Pöhl enthält 9 Bauergüter, 37 Häuser, ein Armenhaus und gegen 400 Einwohner, die theils Feldbesitzer, theils Handwerker und Handarbeiter, in gewerblichen Verbindungen mit den umliegenden Städten oder bei der hiesigen Rittergutswirthschaft Beschäftigung und Verdienst finden. Zum Dorfe gehört ausser einer Mühle auch ein Eisenhammer, welcher am Fusse des Eisenberges liegt und im Jahre 1836 durch Actien zu einer Gussstahlfabrik erhoben werden sollte, ein Unternehmen, welches keinen Fortgang hatte, weshalb der Eisenhammer durch den jetzigen Besitzer seiner früheren Bestimmung zurückgegeben wurde.
Das Rittergut Pöhl gehörte im 13. Jahrhundert einer adeligen Familie von Pöhl, von welcher der Ritter Dietrich von Bel zuerst genannt wird. Noch 1361 besassen die Herren von Pöhl das Gut sammt dem nahgelegenen Helmsgrün, doch scheint Bruno von Pöhl um das Jahr 1390 die Güter verkauft zu haben. Im Anfange des 15. Jahrhunderts befand sich Pöhl mit Helmsgrün im Besitze des uralten Voigtländischen Geschlechts der Röder, welche bereits im [31] 12. Jahrhundert Burgmannen zu Plauen waren und daselbst sogar ein Lehen, das sogenannte „Rödersche Schlösschen“ besassen, auf dessen Stelle die jetzige Stadtschule steht. Heinz Röder auf Pöhl wird im Jahre 1411 als einer der Edelleute genannt, welche Heinrich der Reusse zu Vormündern seiner Kinder wählte, und Landgraf Friedrich zu Weissenfels in dieser Eigenschaft bestätigte. Hans Röder auf Pöhl verkaufte 1427 ein Gut zu Sachsgrün an den Propst der Kirche zu Elsterberg und Heinz Röder trat 1429 als Zeuge einer frommen Schenkung auf.
Zur Zeit wo die Hussiten in das Voigtland eindrangen war auch Konrad von Röder, Herr auf Pöhl und Helmsgrün, mit einer Anzahl bewaffneter Knechte der bedrohten nachbarlichen Stadt Plauen zu Hülfe gezogen. Mit ihm waren dort sein Vetter Konrad Röder auf Leubnitz, Konrad von Molsdorf, ein Neffe des Komthurs der deutschen Herren zu Plauen, Gottfrieds von Molsdorf, Ritter Rumpf von Mossbach, Hans von Pöllnitz, Herrmann Kopp, Hans Posegk, Johann von Magwitz, Wilhelm von Milan, Hans von Magwitz, Hans Rab, Nickel von Reussa und Otto von Röder auf Rodersdorf. Zu jener Zeit, wo man nur weniges und sehr mangelhaftes Geschütz besass, war Plauen eine feste Stadt und somit im Stande den stürmenden Hussiten kräftigen Widerstand entgegen zu setzen. Endlich gelang es den erbitterten Feinde die Stadt zu erobern, und das Gemetzel, welches nun erfolgte, war entsetzlich. Alle Männer wurden erschlagen, Weiber und Kinder misshandelt und die Stadt an allen vier Ecken angezündet, wobei sammt der Kirche und den übrigen öffentlichen Gebäuden auch das einstmalige Ebersteinsche Schloss mit seiner schönen Kapelle in Flammen aufging.
Bei Eroberung der Stadt hatte ein Theil der Bürgerschaft sich in das von den Edelleuten vertheidigte feste Schloss Hradschin geworfen, welches durch seine hohe Lage, gewaltige Mauern und Thürme und eine zahlreiche Besatzung geschützt, für uneinnehmbar galt. Und in der That begannen die Hussiten, nach vielen fruchtlosen Stürmen auf das Schloss ermüdet, sich zum Abzuge zu rüsten, als sich ein Verräther fand, der dem Feinde heimlich das Thor öffnete. Gegen Zusage einer bedeutenden Belohnung beging diese Schandthat ein Ritter von Ratschauer, Commandant der Besatzung, am Morgen des Peter-Paulstages 1430, und die Hussiten drangen, Alles niederschlagend, in die Burg ein. Unter den ersten, welche der Wuth des Feindes zum Opfer fielen befand sich auch der Verräther. Die ganze Besatzung, 2000 Mann stark, musste sterben, und das Schloss wurde demolirt. Da man von allen Seiten die besten Habseligkeiten in den Hradschin geflüchtet hatte, schleppten die Hussiten eine unermessliche Beute weg. Ein schreckliches Schicksal traf die Geistlichen, welche das Unglück hatten dem entmenschten Gesindel in die Hände zu fallen. Im Ordenshause ermordeten die Hussiten den Komthur, Gottfried von Molsdorf mit mehreren Ordensbrüdern und Rittern, darunter Heinrich von Schönberg und Nickel von Zeuseln. Den Franziskaner Vikar Nikolas von Hof, und den Augustiner Vikar Jobst von Neustadt, welche zum Besuch in Plauen waren, nebst Nickel Horn, Hans Bechscheider, Hans Wolf, Heinrich Thiergartel, Johann Günther und den Bruder Rieger schleppten die Unmenschen auf den Klosterkirchhof und warfen sie lebend in ein Grab, welches dann mit Erde gefüllt wurde. Einen gleichen grässlichen Tod erlitten die Dominikanermönche Zeissler, Kundener, Töpfer und Eckart. Drei Tage nach Erstürmung des Schlosses zog das Mordgesindel auf seinem durch die schrecklichste Verheerung bezeichneten Wege weiter.
Nach Konrad von Röders Ermordung auf dem Hradschin kam Pöhl in Besitz Curts von Röder, der 1442 eine Schenkungsurkunde unterzeichnete. 1485 wird ein Hans von Röder auf Pöhl und Helmsgrün als Zeuge in einem Vergleiche Heinrichs des Reussen mit der Ritterschaft genannt, dessen Schwester Else von Röder, Aebtissin des Klosters zu Saalburg war. Einer seiner Söhne, Hans von Röder auf Pöhl, war der letzte Amtsverweser zu Plauen und Voigtsberg, und erhielt 1521 vom Churfürsten Johann die Obergerichte auf das Rittergut Pöhl. Katharine, seine Tochter, lebte als Nonne im Kloster Saalburg, in dem zur Zeit der Reformation Zucht und Ordnung dergestalt in Verfall gekommen waren, dass die Sache öffentlich zur Sprache kam. Da keine Abstellung erfolgte, wandten sich mehrere Nonnen, darunter Katharine von Röder, an ihre Familien und baten um deren Verwendung. Hans von Röder, sammt den Herren von Obernitz, Zedtwitz, Watzdorf und Draxdorf beschwerten sich nunmehr in einem Schreiben an den Landesherrn über die harte und ordnungswidrige Behandlung der armen Nonnen, verlangten schleunige Abstellung der eingerissenen Missbräuche und Versetzung der Vorsteher und Verwalter des Klosters, wobei sie bemerkten, dass im Falle der Nothwendigkeit Recht und Genugthuung mit Gewalt erzielt und das Kloster nicht geschont werden sollte.
Als die Kirchenvisitation nach Saalburg kam, fand sie daselbst als Aebtissin Helene von Dobeneck, als Aebtissin-Adjunctin Ottilie von Dobeneck, als Priorin Elisabeth von Weischlitz und als Nonnen Magdalene von Heubsch, Anna von Knobloch, Margarethe von Zedtwitz, Veronika von Draxdorf, Katharine von Röder, Brigitte von Dobeneck, Afra von Obernitz und Katharina von Mauer. Katharina von Orlamünde lebte im Kloster als Laienschwester. – Nur drei von den Nonnen wünschten das Klosterleben, über welches sie die bittersten Beschwerden führten, mit dem Ehestande zu vertauschen, und zu diesen gehörte auch Katharina von Röder. Margarethe von Zedtwitz legte in Gegenwart der Visitatoren vor allen Anwesenden die Nonnenkleidung ab, und in dem noch vorhandenen Actenstück sagen die alten Herrn: „Margarethe von Zedtwitz habe sich eines feinen Edelknechts nicht unwerth dargestellt.“ – Die Klostergeistlichen, der Probst Götze, die Vikarien M. Thieme und Wolfgang Rost, so wie der Kaplan Jugemann wurden als liederliche und untaugliche Gesellen fortgeschickt. Die völlige Aufhebung des Klosters erfolgte erst 1544.
Das Rittergut Pöhl besass um 1572 Christoph von Röder, 1630 Hans Joachim von Röder, 1660 Sebastian Friedrich von Röder, 1669 Wolf Christoph von Röder, 1695 Christoph Hans von Röder und 1721 Hans Christoph von Röder, und so blieb es bei dieser Familie bis zum Jahre 1808, wo der letzte des Geschlechts auf Pöhl und Helmsgrün, Christoph Ludwig Wilhelm von Röder, Churfürstlich Sächsischer Kreishauptmann, Obersteuereinnehmer und Geheimrath mit Tode abging. Durch die Vermählung seiner einzigen Tochter, Auguste Christine, mit dem Königlich Sächsischen Kammerherrn, Leberecht von Bodenhausen kam das Rittergut an dessen Familie. Nach des Kammerherrn von Bodenhausen Tode erbte Pöhl dessen Sohn, Hans Burkhardt von Bodenhausen, und jetzt besitzt das Gut Herr Bodo von Bodenhausen.
[32] Das Rittergut Pöhl, ehemals in Ober- und Unter-Pöhl eingetheilt, ist seinem Flächenraume nach eines der grössten und nach der Lage und Güte seiner Fluren unstreitig eines der vorzüglichsten Güter des Voigtlandes. Die vortreffliche Lage seiner Felder erheben deren Erzeugnisse zu den gesuchtesten auf den Marktplätzen der nahen Städte. Vormals gehörten zum Rittergute der Eisenhammer, die Mühle, das Wirthshaus und die Schmiede, welche Etablissements früher verpachtet und später verkauft wurden.
Unter den Schicksalen, welche Pöhl betroffen, ist namentlich das durch den 30jährigen Krieg verursachte Elend hervorzuheben. Pöhl wurde bei einem in der Nähe stattgefundenen Treffen zwischen dem Oesterreichischen General von Salis und einer Schwedischen Heeresabtheilung gänzlich verwüstet. Im Jahre 1705 drang eine alte Bärin mit ihrem Jungen in das Dorf Hartmannsgrün, tödtete hier einen Knaben und nahm dann ihren Weg nach Pöhl, wo sie sammt dem jungen Bären mit Netzen umstellt und erlegt wurde. Ein grosses Oelgemälde, welches noch jetzt auf dem Schlosse zu Pöhl gezeigt wird, stellt die Jagd dar, auch befindet sich über dieses Ereigniss im Röderschen Familienarchiv ein besonderes Aktenstück. – Der Napoleonische Krieg brachte über Pöhl gleichfalls grosse Drangsale und namentlich das Jahr 1806 zeichnete sich durch mehrmalige Plünderungen, Erpressungen und Durchmärsche aus. Den alten 72jährigen Pfarrer Küttner banden die Franzosen an einen andern Mann und führten ihn mit sich fort, als aber der Greis vor Angst und Schrecken niedersank, plünderten sie ihn aus und liessen ihn hülflos liegen. Diesem Schrekenstage folgten mehrere ähnliche, welchen der alte Pfarrer, der Geheimerath von Röder und eine Anzahl Einwohner mit ihren Frauen und Kindern bald durch die Flucht bald durch Verbergen in den Schluchten und Klüften des nahen Eisenberges zu entgehen suchten.
In die Kirche zu Pöhl sind auch die Dörfer Möschwitz, Rodlera, Neundörfel und Jocketa eingepfarrt. Die Gründung dieser Kirche fällt in die Zeit wo die Ritter des Deutschen Ordens nach Errichtung einer Komthurei zu Plauen mit rastloser Thätigkeit sich bemühten den Sprengel ihrer Mutterkirche zu erweitern. Daraus entstand später das Patronatsrecht des Pfarrers und Superintenden zu Plauen über eine Anzahl Kirchen, worunter auch die zu Pöhl. Das Patronatsrecht über das Gotteshaus zu Pöhl erkaufte 1680 Christoph von Röder für 100 Thaler von dem Superintendenten M. Heiffel an sich, liess aber das Kapital auf dem Rittergute stehen und verinteressirte es mit 5 Procenten. Seine Nachfolger entrichteten diesen Collaturzins bis auf die neueste Zeit, sowie auch von Pöhl, Helmsgrün und Möschwitz noch jetzt das sogenannte Pfaffengetreide oder der Pfaffenzins in das Deutsche Haus zu Plauen abgeführt wird.
Die Kirche – im 30jährigen Kriege durch Kaiserliche Truppen sammt dem ganzen Dorfe eingeäschert – war erst 1654 wieder soweit ausgebaut, dass der Gottesdienst darin stattfinden konnte. Nach verschiedenen Reparaturen wurde endlich 1818 eine gründliche Hauptreparatur vorgenommen, durch welche das Gebäude eine recht freundliche Umgestaltung erfuhr. Die Kirche ist 30 Schritt lang und 15 breit, hat einen Thurm mit 3 Glocken und eine neue Orgel. An Legaten besitzt sie 52 Altschock 10 Groschen vom Pfarrer Mieser, 16 Thaler 20 Groschen vom Pfarrer Jahn zu Friesa, 200 Thaler von zwei Fräulein von Röder, 50 Thaler vom Schulmeister Schneider und 30 Thaler von der Wittwe Horlabeck. Die Schule, an der Vorderseite des Kirchhofs erbaut, ist die einzige der Parochie und zählt 200 Kinder, welche von einem Schullehrer und dessen Assistenten unterrichtet werden. Unter den Pfarrherrn zu Pöhl war auch ein armer alter Exul, „Johann Cimmermann der Elter aus Joachimsthal“ welchem der Superintendent Lothar zu Plauen 1624 die erledigte Pfarre zu Pöhl übergab. Der arme alte Exul, wie er sich selber nannte, gehörte zu den 30,000 Familien, welche Kaiser Ferdinand I. wegen ihres Glaubens aus Böhmen vertrieb.