Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Gross-Zössen
bis zum 17. Jahrhundert Zessen genannt, liegt 1 kleine Stunde nordwestlich von Borna. Unweit des Dorfes, nach Abend zu fliesst die Pleisse, – welche die hierher gehörige Mühle mit Wasser versorgt, – und fast in gleicher Entfernung nach Morgen zu die Wyhra.
Das Rittergut hat, wie dies in der Abbildung zu erkennen ist, nicht unansehnliche Gebäude und ist nicht unbedeutend. Auf den Feldern wird besonders guter Roggen erbaut und nach Lobstädt zu auch Torf gegraben, dessen Lager sehr reich und sehr ausgezeichnet sind, wogegen freilich dessen Benutzung durch die mächtigen Wasser sehr erschwert wird.
Die ersten uns bekannten Besitzer von Grosszössen waren die von Koneriz oder die Herren von Könneriz, deren Stammvater Heinrich von Koneriz war und in Lobstädt begraben liegt.
Dieser Heinrich war Hochgräflich-Schleitzischer Hauptmann zu Joachimsthal und damals wegen seiner Tapferkeit und Gelehrsamkeit sehr berühmt. Er verheirathete sich mit Barbara von Breitenbach aus Crostewiz und zeugte mit ihr 6 Söhne, von denen die meisten einen berühmten Namen erwarben.
Unter ihnen zeichnete sich der spätere Besitzer von Gross-Zössen, Erasmus von Könneriz, aus. Schon im Jahre 1538 zog er mit seinem Bruder Volkmar nach Ungarn gegen die Türken, wurde aber zugleich mit diesem in der blutigen Schlacht von Esseck gefangen genommen und bald darauf auf eine türkische Galeere geschmiedet. Volkmar wurde hier unter Misshandlungen und Strapatzen, die er zu erleiden hatte, krank, und ohne Erbarmen, weil er seine Dienste nicht mehr verrichten konnte, im Angesicht seines Bruders niedergehauen und ins Meer geworfen. Erasmus dagegen kam späterhin nach Constantinopel und blieb hier eine lange Zeit als Sclave in drückender Knechtschaft. Jedoch sollte sein Schicksal bald eine günstigere Wendung nehmen. Durch einen türkischen Mönch, mit welchem er sich, vermöge der lateinischen Sprache, die er trefflich redete, verständigen konnte, gelangte er, nachdem er eine bedeutende Summe Geldes, zu der der Graf Hieronymus Schlick allein 300 Rthlr. gab, aufgebracht hatte, zu seiner Freiheit.
Kaiser Karl V., der von seinem traurigen Schicksale hörte, schlug ihn nach seiner Rückkunft zum Ritter und begnadigte ihn mit einer kostbaren goldenen Kette. Späterhin kam er, allgemein wegen seiner Gelehrsamkeit und Beredtsamkeit geachtet, an den chursächsischen Hof und diente hier 3 Churfürsten hinter einander mit unverletzter Treue, dem Churfürsten Johann Friedrich, Moriz und August. Er ward zum Geheimen Rath, Oberhauptmann und Oberhofrichter zu Leipzig ernannt und besuchte die Reichstage 1551, 1553, und 1557, wo er auch die damals abgefassten Reichsabschiede im Namen seines Churfürsten unterschrieb. Mit Emerentia von Gablentz, gebürtig aus Wendisch-Leuba, vermählt, zeugte Erasmus von Könneriz 5 Töchter und 1 Sohn. Er starb 1562 und liegt zu Lobstädt begraben. Sein Leichenstein, der ihn als geharnischten Ritter darstellt, steht in der Vorhalle der Kirche. Das Gut Gross-Zössen kam nach seinem Tode eine kurze Zeit an seinen Verwandten, Wolf von Breitenbach, wohl aber nur während der Minderjährigkeit seiner Tochter Anna von Könneriz. Diese Anna von Koneriz oder Kuneriz oder Könneritz heirathete späterhin den Herrn von Einsiedel auf Syhra und Hopfgarten. In schneller Aufeinanderfolge übernahmen dann Wolf Conrad von Einsiedel, 1590; dann Hans von Einsiedel, 1593, und im Jahre 1643 Anna von Einsiedel, geb. von Dieskau, aus dem Hause Knauthain, das Gut Gross-Zössen. Dann folgte Hans Haubold von Einsiedel, welcher bis 1652 unter Vormundschaft stand. Hans von Einsiedel war nämlich längere Zeit im gestörten Geisteszustande, weshalb diese Curatel stattfand.
Von diesem Hans von Einsiedel ist eine merkwürdige Vorahnung, die ihm in seinem wirren Zustande vorgekommen, der Nachwelt überliefert worden, die nicht ohne Interesse ist, und deshalb hier einen Platz verdient:
Von seiner Familie war Hans von Einsiedel auf das Schloss Hohenstein zur genaueren Beaufsichtigung und bessern Pflege gebracht. Hier liess er am 20. April 1670 den dasigen Amtmann Hanitzsch zu sich rufen, mit dem Bedeuten, dass er ihm etwas Besonderes zu sagen habe. Bei der Ankunft des Amtmann Hanitzsch fragte ihn Hans von [184] Einsiedel, ob nichts Neues passirt sei. Auf die Antwort des Amtmannes, dass er Nichts wisse, wies Herr von Einsiedel auf seinen Tisch, worauf folgende Verse standen:
Curt Löser dauert mich, was aber kann ich machen!
Gott habe seine Seel’ – Doch muss ich drüber lachen.
Er sass auf meinem Dache
Und girrte wie ein Drache.
Er hat mich so bethöret.
Curt hat nun ausgezehret!
Curt Löser war damals chursächsischer Erbmarschall und ein sehr mächtiger Mann seiner Zeit! Und siehe, wirklich war er, wie es sich späterhin auswies, an dem bezeichneten Tage, ja in derselben Stunde, wo dieses auf Hohenstein vorfiel, gestorben. Noch merkwürdiger aber unstreitig war, dass es sich von dieser Zeit an mit Hans von Einsiedel merklich besserte und er seine Güter Lobschwiz und Gross-Zössen selbst wieder verwalten konnte, woselbst er auch im hohen Alter 1695 unverehelicht starb.
Hans Haubold besass auch zugleich Hopfgarten, welches bis heutigen Tages bei der Gross-Zössener Linie derer von Einsiedel geblieben ist und erst nach Aussterben dieser Linie wieder an die Syraer Linie kommt.
Nach Hans Haubold von Einsiedels Tode folgte Innocenz Gottlieb von Einsiedel. Dann Georg von Einsiedel, Steuerrath und Kreishauptmann, welcher es noch 1731 besass. Dann wurde Erb-, Lehn- und Gerichtsherr von Gross-Zössen der Maltheser-Ritter Gottlob Innocenz August von Einsiedel, welcher noch 1765 damit belieben war. Von Letzterem übte dessen Gattin, Frau Philippine Eleonore von Einsiedel geb. von Petzinger während der Vormundschaft ihrer beiden Söhne Friedrich Heinrich Ernst, Major und Ritter des St. Heinrichs-Ordens und des Herrn Georg Detlev Abraham von Einsiedel, die Verwaltung des Gutes. Nach dem Tode des ersteren, welcher 1818 erfolgte, und nach dem Ableben seines Herrn Bruders, des Majors Ernst von Einsiedel im Jahre 1823, übernahm der gegenwärtige Besitzer, Herr Georg Detlev Abraham von Einsiedel das Gut Gross-Zössen zum alleinigen Besitz.
Bis hierher gehörten zum Rittergute auch die Dörfer Klein-Zössen und Hayn, welches seine besondere Kirche hat, worüber dem Besitzer von Gross-Zössen mit dem Herrn von Rötha alternirend das Collaturrecht zusteht, wogegen von dem Besitzer des Gutes zu Gross-Zössen die Schulstelle zu Hayn allein besetzt wird. Gross-Zössen hat seine eigne Kirche, welche Tochterkirche von Zöpen ist. Hinsichtlich dieser Abtrennung von der Mutterkirche Zöpen waren öfter in früheren Zeiten wegen des Besetzungsrechts verschiedene Streitigkeiten anhängig, welche endlich dahin entschieden worden sind, dass der Besitzer von Zöpen denominirt und vocirt, der von Gross-Zössen jedoch nur ein votum negativum hat und eine besondere Vocation ausstellt.
Nach einer Bulle von 1473 hat die Kirche in Gross-Zössen den Namen die heilige Nicolauskirche geführt und wurde im Jahre 1373 den 16. Mai gebaut. So viel ist gewiss, dass jenes Jahr für die Kirche von Bedeutung war, weil der Pabst bei Gelegenheit des 100jährigen Jubiläi den Einwohnern von Gross-Zössen eine besondere Gunst erweisen und eine grosse Freude zu machen suchte, indem er ihnen einen Ablass auf längere Zeit ertheilte.
Das Innere der Kirche mag sonst sehr düster und unfreundlich gewesen sein; durch neue Reparaturen ist sie freundlich geworden und ganz ihrem heiligen Zwecke entsprechend.
Die Gemeinde zu Klein-Zössen ist zwar nach Eula eingepfarrt, nimmt jedoch Antheil an den gottesdienstlichen Versammlungen zu Gross-Zössen.
Seit dem Erscheinen des neuen Schulgesetzes gehört diese Gemeinde auch zum hiesigen Schulverband.
Gross-Zössen gehört jetzt mit seinen 44 bewohnten Gebäuden und 263 Einwohnern zum Gerichtsamt Borna, und ist den höhern Behörden dieses Ortes natürlich ebenfalls einverleibt.