RE:Iatinon
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Hauptstadt der gallischen Meldi = Fixtinnum | |||
Band S III (1918) S. 1192–1194 | |||
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Iatinon (Ἰάτινον) hieß nach der übereinstimmenden Überlieferung bei Ptolem. II 8, 11 die ,Stadt‘ (πόλις) des gallischen Volksstammes der Μέλδαι in der römischen Provincia Lugdunensis, also der Meldi, wie ihr Name sonst lautet, von welchem der Name der heutigen Stadt Meaux (an der untern Marne) sich herleitet, weil in den Volksgemeinden der Tres Galliae überhaupt die Sondernamen der Hauptorte seit Ende des 3. Jhdts. n. Chr. gewöhnlich aufgegeben und durch die Namen der Volksstämme ersetzt waren; vgl. Holder a. a. O. II 532–534. Sonst ist der Name nicht genannt, doch zeichnet Tab. Peut. (I B/C 1 ed. Desjardins, II 4 ed. Miller) an einer der Lage jenes Ortes entsprechenden Stelle, an einer (im Itin. Ant. Aug. nicht vertretenen) Straße als einfachen Rastort (mit einem Winkelhaken) ein Fixtuinum (nach Miller u. a., bestätigt durch die getreue Wiedergabe in Etudes anciennes XIV 1912 Taf. III, s. Villefosse Bull. Soc. Antiq. de Fr. 1912, 269, vgl. auch Miller Itin. Rom. 91; Fixtinnum: Desjardins ungenau trotz CIL XIII 1, 1 p. 463 unten col. II, vgl. CIL XIII 4 p. 35 unten: o. Bd. VI S. 2431). Diese [1193] Straße geht aus von dem als Knotenpunkt gezeichneten Caesaromagus (Beauvais), läuft dann über die durch Winkelhaken bezeichneten Rastorte Augustomagus (Senlis), ,Fixtuinum‘ und ,Calagum‘ (verb. Caliacum = Chailly-en-Brie, Arrondiss. Coulommiers; s. Holder I 699 und o. Bd. III S. 1327), gabelt sich dann einerseits über ,Riobe‘ (Bd. I A S. 844) nach dem Knotenpunkt Augustobona (Troyes), auch dem als Rastort angegebenen Agedincum (Sens), andererseits über ‚Bibe‘ (s. o. Bd. III S. 391) mit der Richtung auf den Knotenpunkt Durocortorum (Reims); vgl. CIL XIII 2, 2 p. 683. Wenn nun auch eine unfehlbare Entscheidung, welcher der beiden Namen der richtige, unmöglich ist, so spricht doch manches dafür, daß die Schreibung der Tabula Peutingeriana, wie öfter, entstellt ist und daß Ptolemaios den Ortsnamen genau oder annähernd genau angegeben hat. I. bezeichnet Holder II 14 (nach d’Arbois de Jubainville bei Desjardins Géogr. de la Gaule rom. II 473, 5) als ,dialektische Variante‘ einer ursprünglichen Benennung Iantinum, welche daher o. Bd. IX S. 695 aufgenommen ist (vgl. Holder II 8f. Iant-). Holder Altcelt. Sprachsch. II 14. C. Müller Ausg. des Ptolem. I 1 p. 217. Hirschfeld im CIL XIII 1, 1 p. 463f. Espérandieu Recueil général des bas-reliefs, statues et bustes de la Gaule rom. IV (1911) p. 258–261. Kiepert FOA XXV Fi, der latinum mit den Meldi der Belgica zugeteilt hat, vgl. Text 2 (col. II).
Aus Meaux sind (abgesehen von sog. Instrumentnm) nur zwei römische Inschriften und außerdem mehrere Steinbildwerke bekannt geworden. Die eine der beiden Inschriften ist eine zweiteilige Weihinschrift auf zwei halbrunden Bronzesockeln mit geringen Resten von Bildwerk (von zwei Figuren), CIL XIII 3023: D(eo) Atesmerio Heusta v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito); es wird derselbe einheimisch-gallische Gott geehrt sein, dessen Name in etwas abweichender Schreibung als Beiname des Mercurius erscheint in der Weihinschrift eines zu Poitiers, im Hauptort der gallischen Pictones, gefundenen Bronzegefäßes mit Bildschmuck an den zwei Henkeln, CIL XIII 1125 (Schrift etwa 3. Jhdts.): Deo Mercurio Adsmerio I(ulius) Venixxam(us) v. s. l. m., vgl. o. Bd. II S. 1925. Die andere Inschrift ist die Bauinschrift eines Theaters, CIL XIII 3024: [C. Iul(ius)? Orget]orix, Orgetori[gis fil(ius), ?flamen] Aug(ustalis) theatrum civi[bus suis oder Meldis ob hon(orem) ?fla]m(onii) d(e) s(ua) p(ecunia) d(edit); effecerunt [… et T]auricus fil(ius). Beide Inschriften sind also Belege zugleich für die fortlebende keltische Gesittung der Meldi wie für ihre Romanisierung. Das in der zweiten Inschrift genannte Theater oder aber ein Amphitheater wird auf dem Gelände gestanden haben, welches daher die Bezeichnung Cavea erhielt, woraus später Cagia, Chage, Chaâge geworden ist (Faubourg de Chaâge: Fundort zu CIL 3023). Die von Espérandieu (nr. 3207–3213) veröffentlichten Steindenkmäler sind alle Götterdarstellungen, doch gehörte nr. 3213 vielleicht zum (teilweise mythologischen) Bilderschmuck eines großen Familiengrabdenkmals. Von den übrigen ist nr. 3207 ein ,Gigantenreiter‘ mit einem radförmigen Schild als Sinnbild der [1194] Sonne (vgl. Hertlein Iuppitergigantensäulen 27 und dazu außer dem von Espérandieu verglichenen Reiterbild aus Luxeuil, S. Reinach Rép. stat. II 532, besonders die von Hertlein a. a. O. 26 o. und 5f. angeführten Stücke, s. auch Bd. IA S. 1295f. zum Art. Rota), nr. 3208 ist ein Viergötterstein, 3209 eine einheimische Göttin mit Früchten im Schoß (,déesse mère‘), nr. 3210 ein sitzender Gott, vielleicht mit Ansatz von Hörnern am Kopf, auch mit seinem schlauchartigen Füllhorn und dessen Handhabung an den keltischen Gott auf dem bekannten Steinbild zu Reims, Espérandieu (V) nr. 3653 erinnernd, nr. 3212 Hercules, zwischen dessen Beinen im Hintergrund ein großes Gesicht (Dreigesicht?, wie Espérandieu nr. 3651f. 3654ff. 3661 u. a., vgl. Bd. IA S. 1145) dargestellt ist.
Als Fundort ist für mehrere dieser Steinbilder (nr. 3208. 3212. 3213) die alte Befestigung bezeugt. Meaux gehört also auch zu den zahlreichen gallischen Städten, welche in spätrömischer Zeit, um 800 n. Chr, unter Verwendung von Architekturstücken und Bildwerken abgerissener älterer römischer Bauten wie auch von sonstigen römischen Steindenkmälern befestigt und zugleich verkürzt wurden, wie Béziers, Bordeaux, Périgueux, Saintes, Rennes, Paris, Sens, Metz u. a., ebenso kleinere Ortschaften, wie Neumagen, Jünkerath, Arlon, Dorf auf dem Herapel, Zabern, Decempagi-Tarquinpol, Scarponna, auch Senon (nördlich von Etain, wie Ausgrabungen im J. 1917 gelehrt haben); vgl. Lothr. Jahrb. 1898 X 70, 3. 1903 XV 331f. und die Art. Icorigium (o. Bd. IX S. 855), Herapel (in diesem Suppl.-Heft), Santoni (Bd. IA 2).
Espérandieu nr. 3211, Bruchstück eines Thon-Reliefs, ist in der Nähe von Meaux gefunden. Nachrömisch sind (aus 7. Jhdt., Zeit der Merowinger) zwei Grabschriften der Umgegend von Meaux, CIL XIII 3025, nach Leblant Inscr. chrét. de la Gaule II p. 562 nr. 673 mit Abb. Taf. 91 nr. 546, Bruchstück, gefunden in Lagny-le-Sec (an der Marne, zwischen Meaux und Paris), und die Grabschrift der ums J. 680 n. Chr. gestorbenen beata Theodlecheldis, der hl. Theodechilde oder Thelchilde, der ersten Äbtissin des in den Waldungen von Jonarre gegründeten Klosters, auf ihrem schönen Sarkophag in der merowingischen Krypta des Kirchhofes von Jouarre (bei La Ferté, östlich von Meaux), Leblant a. a. O. I p. 266f. nr. 199 mit Abb. Taf. 22 nr. 140.
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Band R (1980) S. 130 | |||
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Iatinon
Hauptstadt der gall. Meldi. S III. = Fixtinnum (VI 2431).