Zum Inhalt springen

RE:Iamblichos 2

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Romanschriftsteller
Band IX,1 (1914) S. 640645
Iamblichos (Romanautor) in der Wikipedia
GND: 118843575
Iamblichos in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register IX,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|IX,1|640|645|Iamblichos 2|[[REAutor]]|RE:Iamblichos 2}}        

2) I., Romanschriftsteller. Was wir über sein Leben wissen, verdanken wir fast ausschließlich Mitteilungen, die er selbst an einer Stelle seines Werkes (S. 225, 2H.) über sich gemacht hatte. Auch das Scholion zu Phot. Bibl. 94 (S. 73, 24 B.) mit seinen wertvollen Angaben wird aus dieser Quelle stammen. Suidas hat über diese Nachrichten hinaus nur die Notiz, daß I. ὥς φασιν von Sklaven abstammte; sie ist ganz unkontrollierbar und kann aus Hermippos von Berytos kaum stammen. Er war ein geborener Syrer und sprach von Hause aus nur syrisch, wurde aber von einem Babylonier auferzogen, der in seiner Heimat zu den königlichen Schreibern gehört hatte und durch Traians Partherzug in die Sklaverei geraten war; dieser lehrte ihn Sprache, Sitten und Überlieferungen der Babylonier, namentlich auch ihre Magie. Auch griechisch lernte er so gründlich, daß er sich zu einem tüchtigen Rhetor entwickelte. Seine ἀκμή setzte er unter den Arsakiden und Achaimeniden Soaimos, den die Römer zum Könige von Armenien machten (im J. 164: Mommsen R. G. V 407), lebte also wohl an seinem Hofe. Er prophezeite den Krieg des L. Verus gegen Vologesus und seinen Ausgang (J. 165). Damit läßt es sich gut vereinigen, daß sein Erzieher im J. 115/6 aus Babylon weggeführt worden war; fassen wir den Begriff ἀκμή im engerem Sinne, so könnte er erst um J. 125 geboren sein. Mit dem Babylonier kann hier, wie v. Gutschmid bei Rohde 362 bemerkt, nur ein Parther gemeint sein, I. mußte ihn aber schon deshalb einen Babylonier nennen, weil er ihm Aufschlüsse über altbabylonische Geschichte und Sitte zu verdanken vorgab, ohne die sein Roman als bloße Fabelei erschienen wäre. Viel Wahres wird an der ganzen Nachricht nicht sein. Mommsen RG V 453 (der den Erzieher zu einer Figur des Romanes macht und dabei verkennt, daß dieser in grauer Vorzeit spielt).

Der Roman des I. führte den Titel Babyloniaka; δραματικόν (wie ihn Photios nennt) ist kein Titel. Wir besitzen daraus folgendes: 1. den sehr geschickten Auszug des Photios Bibl. cod. 94, der die Tatsachen fast alle berichtet und nur die Schilderungen der Exkurse im allgemeinen übergangen hat; abgedruckt bei Hercher Erotici gr. I 221–230. 2. Kurze aus stilistischen Rücksichten gemachte Auszüge bei Suidas. Da sie nur durch ihren Inhalt als Eigentum des I. kenntlich sind, so bleibt es bei vielen der anonymen Suidasexcerpte erzählenden Inhaltes zweifelhaft, ob sie dem I. zuzuweisen sind. Die sicheren Fragmente stehen bei Hercher Erot. I 217, dazu eines in der Vorrede S. XXXIII, eines Bd. II S. LXIV, eines Herm. I 366; eine ganze Reihe bei Hercher M.-Ber. d. Berl. Akad. 1875, 1 schon teilweise unsicher, ebenso die Zuweisungen von Bruhn Rh. Mus. XLV 278. 3. Ein Palimpsestblatt des 10. Jhdts. im Vatican. gr. 73, eine Eifersuchtsszene enthaltend, zuerst veröffentlicht von Mai Script. vet. nova coll. II 349, danach von Hercher II S. LXIVff., das Palimpsest neu gelesen von ihm Herm. I 361 und De Boor Porphyrogenneti [641] Exc. hist. III 238, 4. Unter Eklogai aus den Sophisten Kallinikos, Adrianos und Diodoros in Laurent. 57, 12 and Vatic. 1354 acht Stücke, darunter sechs kürzere γνῶμαι und zwei längere Stücke: die Deklamation mit der Klage des Herrn gegen den Sklaven und die Ekphrasis περὶ προόδου τοῦ Βαβυλωνίων βασιλέως, nach Allatius Excerpta varia Graecorum sophistarum Rom 1641, 238 besser bei Hinck hinter Polemo (Lpz. 1873) 46–51. Eine Neuausgabe ist dringendes Bedürfnis; bloße Versprechungen schaden mehr als sie nutzen.

Die Babyloniaka umfaßten nach Suid. 39 (andere La. eines Vaticanus bei Mai 35) Bücher. Da aber Photios am Schlusse seines Exzerptes sagt ἐν οἷς ὁ ις· λόγος, und da die Handlung des Romanes dort zu Ende ist, so wird man einen Umfang von 16 Büchern anzunehmen haben. Die Helden des Romans sind Rhodanes und Sinonis, ein vornehmes, seit kurzem verheiratetes babylonisches Paar, das in mannigfache Fährlichkeiten verwickelt wird, weil der König von Babylon, Garmos, der Sinonis nachstellt. Das von zwei Eunuchen des Garmos verfolgte Paar erlebt ungefähr alle Unbilden, die zum Apparat der Liebesromane gehören und an denen zum Teil ihre eigene Leidenschaft die Schuld trägt. So ergeben sich viele Verwicklungen aus der rasenden Eifersucht der Heldin auf eine schöne Bauerntochter, in deren Hause das Paar eine Zuflucht gefunden und der Rhodanes beim Abschiede einen Kuß gegeben hatte: Sidnonis will das Mädchen ermorden und läßt sich auch durch das Dazwischentreten des gerechten Soraichos, eines Freundes und Beschützers der beiden, nicht davon abbringen, und schließlich entreißt ihr Gatte selbst ihr das Schwert, mit dem sie das Mädchen erstechen will. Die Selbstmordversuche, die beide Liebende oder der eine von ihnen machen, sind kaum zu zählen: einmal wollen sie den Nachstellungen des Garmos durch ein Gift entgehen, dessen Herkunft einen Roman für sich bildet, aber Soraichos schiebt an dessen Stelle einen Schlaftrunk unter. Schließlich will Sinonis den jungen König von Syrien heiraten, um sich an der schon erwähnten Nebenbuhlerin endgültig rächen zu können. Garmos, der den Rhodanes hat kreuzigen lassen und im Kreise von Flötenbläserinnen betrunken um das Kreuz tanzt, gerät bei dieser Nachricht außer sich und läßt den Gekreuzigten wider seinen Willen vom Kreuz abnehmen, damit er den Krieg gegen den syrischen Nebenbuhler führt. Er besingt diesen und herrscht zuletzt (nachdem Garmos irgendwie beseitigt ist) an der Seite der Sinonis über Babylon. Dieses Ziel wird aber erst nach sehr verwickelten Erlebnissen erreicht, für die I. fast nur die allergrellsten Motive verwendet hat, so daß Selbstmord, Hinrichtung und Scheintod noch als gelinde Mittel erscheinen; und da es nicht angeht, die Hauptpersonen alle diese Dinge erleben zu lassen (schon weil sie notgedrungen bis zuletzt am Leben bleiben müssen), so hat I. seiner hysterischen Sensationssucht in zahlreichen Episoden Luft gemacht, die mit der Haupthandlung nicht ungeschickt verbunden und alle mit Konsequenz durchgeführt waren: wie denn überhaupt die [642] οἰκονομία nicht die schwächste Seite des Werkes gewesen zu sein scheint. So bringt ein Sklave seine junge Herrin um, um seine Gelüste an ihr zu befriedigen (226, 24 ist auf zufassen wie Herod. V 92, 7), dann sich selbst; von seinem Blute wird die Bauerntochter bespritzt, die Rhodanes küßt, und das auf seinem Munde abgedrückte Blut überführt ihn der Untreue. Später frißt der Hund des Rhodanes die Leiche des Sklaven ganz, die des Mädchens zur Hälfte; in diesem Augenblick kommt Sinonis’ Vater hinzu, erkennt den Hund und hält die Leiche für die seiner Tochter; nachdem er diese verscharrt und den Hund geschlachtet hat, malt er mit dessen Blute die Grabschrift: ,Hier liegt die schöne Sinonis‘ und erhängt sich. Gleich darauf kommen Rhodanes und Soraichos; dieser erhängt sich ebenfalls, jener bringt sich eine Wunde bei und setzt mit seinem eigenen Blute die Grabschrift (durch die Worte fort: ,und der schöne Rhodanes‘. Aber ehe er sich den zweiten tötlichen Streich beibringt, erfolgt die Aufklärung, Soraichos kann noch gerettet werden, Sinonis’ Vater anscheinend nicht: was kommt auch darauf an, ob eine Person mehr zur Strecke gebracht wird? Ein wichtige Rolle spielt der Aphroditepriester von der Euphratinsel mit seiner Gattin und seinen Kindern Euphrates, Tigris und Mesopotamia. Tigris ist (natürlich auch auf ganz paradoxe Weise) umgekommen, und seine Mutter glaubt ihn unter die Heroen versetzt. Als nun Rhodanes, der beiden Brüdern täuschend ähnlich sieht, auf die Insel kommt, begrüßt ihn die Mutter als Tigris, der Vater als Euphrates; das hat dann zur Folge, daß der echte Euphrates statt des Rhodanes, Mesopotamia statt der Sinonis verhaftet wird. Garmos übergibt sie einem Henker, der sich infolge eines Zaubertrankes in sie verliebt und zur Königin Berenike von Ägypten flüchtet, die den beiden die Hochzeit ausrichtet: das hat eine internationale Verwicklung im Gefolge, indem es beinahe zu einem babylonisch-ägyptischen Kriege führt. Den alten Priester degradiert der Tyrann zum Henker und befiehlt ihm, den vermeintlichen Rhodanes, der in Wahrheit sein eigener Sohn ist, abzuschlachten; dieser aber spielt an seines Vaters Stelle die Rolle des Henkers, damit dieser sich nicht mit Menschenblut zu beflecken braucht. Nun bewirkt Sinonis, deren Wut gegen die Bauerntochter noch immer nicht abgekühlt ist, daß diese nach einer angeblich dort einheimischen Sitte verurteilt wird, bei dem Henker zu schlafen; diese Gelegenheit benutzt Euphrates, um in ihren Kleidern als angebliche Tochter des Henkers zu entweichen. Man sieht, daß wie die meisten Motive so auch das der Verkleidung und Verwechslung totgehetzt wird. Überhaupt kann man I. das Zeugnis ausstellen, daß er keine Unkosten gescheut hat, um einen Schauer- und Sensationsroman ersten Ranges zu stande zu bringen; daß dabei auch eine nervenkitzelnde Kleinmalerei mitwirkte, läßt das Exzerpt mehr erraten als erkennen, doch ist z. B. frg. 10 (Hercher M.-Ber.) in dieser Beziehung lehrreich. Es fehlte nicht an schwüler Erotik; zu den ἔκθεσμοι τοῦ δούλοι πράξεις (s. o.) kommt der unsittliche Antrag des Wüstlings Setapos, [643] der von Sinonis betrunken gemacht und κατὰ τὴν ἀρχὴν τοῦ ἔρωτος erschlagen wird, und die lesbische Liebe der Königstochter Berenike; ferner das paradoxe τράγου φάσμα, das in Sinonis verliebt ist. Daß Räuber auftreten, versteht sich in einem solchen Romane von selbst; ein altes Novellenmotiv ist auch der im Grabe versteckte Goldschatz (S. 221, 31, vgl. 229, 23, dazu etwa die Fabel von Menanders Thesauros: Leo Herm. XVIII 563). Garmos ist der Normaltyrann, wie ihn besonders die zweite Sophistik ausgemalt hat (Fleskes Vermischte Beiträge zum liter. Porträt des Tyrannen, Münster 1914); er wütet gegen seine gesamte Umgebung und läßt z. B. einmal die Wächter, die Sinonis haben entschlüpfen lassen, samt Frauen und Kindern lebend einscharren (S. 227, 36). So schwarz er gemalt ist, so weiß der gerechte Soraichos, der Sohn eines Zöllners, der sich für das liebende Paar aufopfert und schließlich durch einen Königsthron belohnt wird; eine ähnliche Gestalt war Bochoros ,der beste Richter jener Zeit‘, der zwischen den drei Freiern der Mesopotamia entscheidet, freilich ohne Erfolg, da sie sich gegenseitig umbringen. Im ganzen herrscht das Prinzip, daß wenn sich das Laster erbricht, sich die Tugend zu Tische setzt, freilich mit der Maßgarbe, daß alles, was, die Helden angeht, Tugend, was ihre Gegner, Laster ist. So soll Sinonis trotz ihrer verbrecherischen Eifersucht unsere Sympathien nicht verlieren; anderseits findet der Arzt, der den Aufenthaltsort der Flüchtigen verrrät, seinen Tod in den Fluten, und der Verfolger des Paares, der Eunuch Damas, wird von einem Henker hingerichtet, den er selbst eingesetzt hat. Auch der verräterische Goldschmied, der die goldene Kette wiedererkennt, mit der Sinonis gefesselt gewesen war, als sie ihm zum Verkaufe angeboten wird, fällt zuletzt seinem eigenen Verrate zum Opfer. In weitem Umfange wird Aberglauben, Zauberei und Magie ausgenutzt. So entgehen die Verfolgten einmal den sie einholenden Soldaten, indem sie sich für die Geister der von einem menschenfressenden Räuber Getöteten ausgeben. Ein Chaldäer erkennt, daß ein Mädchen, das man eben begraben will, nur scheintot ist, und prophezeit dem Rhodanes die Königswürde, auf die ihn später noch ein Vogelzeichen hinweist. Wo von der Zauberei der Aphroditepriesterin die Rede war, hatte I. einen Exkurs eingelegt, in dem die Magie in eine Art System gebracht war und z. B. Hagel- und Schlangenzauber, Totenorakel und Bauchrednerei besprochen war. Die Ähnlichkeit mit Apuleius ist nicht zufällig: hier wie dort ist der Sieg des Okkultismus über das klare und wissenschaftliche Denken im Grunde entschieden.

Auf die Herstellung orientalischen Lokalkolorites hat I. einige Mühe verwendet. Schon durch die Wahl der Namen, die orientalisch sind oder klingen; die meisten kann man aus Justis Iranischem Namenbuch (Marburg 1895) belegen. Rhodanes ist Wardan und erscheint sonst z. B. als Ordanes (Arrian. anab. VI 27, 3), Garmos wird mit Garm ,der Heftige‘ zusammengehören, Setapos mit Šitāb ,der Rasche‘, Soraichos mit Soris ,Aufruhr‘ (?), Sakchuras soll den Bauchredner bezeichnen wie Eurykles, braucht aber [644] kein Eigenname zu sein. Pharnuchos findet sich öfters, z. B. Xen. Cyrop. VI 3, 32. VIII 6, 7. Herod. VII 88, Zobaras erscheint als Zober bei Dio XLIX 24, 1. Pharsiris setzt Strab. XVI 785 = Parysatis, Monasos ist wohl Monaises (Manec), Sakas ,der Sake (Skythe)‘, Bochoros hat Rohde 370, 1 mit dem gerechten Ägypterkönig Bokchoris identifiziert. Wenn er Ortsnamen kurzerhand auf Personen überträgt, so tut er das wohl aus Verlegenheit (Jahrb. Suppl. 27, 144, 1. Heeren De chorographia a Val. Flacco adhibita, Göttingen 1899). Gewiß kennt er manches aus Autopsie, z. B. die Gewohnheiten des Kamels (frg. 13ff. Herm. I 366), aber daß sie für Ortsschilderungen irgend etwas bedeute, ist bei dem sophistisch verschwommenen Milieu unwahrscheinlich. Bringt er es doch fertig, den Tanais in das Bereich seiner Erzählung hineinzuziehen und von den Aphroditemysterien der Anwohner dieses Flusses zu berichten (224, 27). Was er über babylonische Sitten berichtet, beruht zum Teil auf Herodot, der auch Stilmuster ist (Hercher Monatsber. 4), so die Vorstellung von einem Flusse, aus dem der König sein Wasser bezieht (I 188: daß hier vom Perserkönig die Rede ist, hat nichts zu sagen). Die Strafe der Eunuchen des Garmos, denen Nase and Ohren abgeschnitten werden (S. 281, 24), wird eine Erinnerung an die Zopyrosgeschichte sein. S. 225, 29 wird ein Brief im Ohr des heiligen Kameles versteckt, auf dem der Überbringer reitet. Frg. 9 berichtet von einer Sitte, die am Wege liegenden Leichen mit Kleidungsstücken, Nahrungsmitteln und allerlei Geschenken zu bedecken (vgl. Frazer Journ. Anthrop. Inst. XV 65), frg. 27 von ihrer Fertigkeit, Eier durch rasche Umdrehung in einer Schleuder zu kochen (Märchenzug), frg. 35 wird bei Belos geschworen. Aufzüge wie den von ihm geschilderten des babylonischen Königs (Polemo 49, 10 H.) wird er öfter gesehen haben, doch wird man gut tun, sich daran zu erinnern, daß die Beschreibung solcher orientalischen Aufzüge nicht ohne Vorgang war, vgl. Xen. Cyrop. VIII 8, 9. Curt. III 3, 9. Die Ausdrücke für den Pferdeschmuck p. 50, 5 wird wohl Xen. de re eq. 12, 8 geliefert haben, χρυσοχαλίνων ebd. Z. 8 kann etwa ans Herod. IX 20 stammen und ist jedenfalls nicht mit Rohde 378, 3 zu ändern. Die Beschreibung des ganzen Gepränges mit seiner Entfaltung von Purpurstoffen und Edelmetallen, Goldstickereien und Edelsteinen ist nicht übel gelungen und entfernt sich nicht zu sehr, und hauptsächlich nach der quantitativen Seite, von der Wirklichkeit. Viel war über die Lebensweise des Henkers berichtet, ebenso über den Tempelschlaf im Aphroditeheiligtum: doch ist gerade diese Sitte hellenisch und von I. wohl ohne tatsächlichen Anhalt auf Babylonien übertragen. Dasselbe gilt von der Behandlung des Historischen: I. will seine Erzählung in die graue Vorzeit Babyloniens verlegen und den Schein erwecken, als sei ihm über diese eine mündliche Überlieferung zugekommen. Das erinnert an den Ninosroman: babylonisch war einmal, ebenso wie bei uns zeitweise ägyptisch, beim Lesepublikum beliebt, und was moderne Romane dieser Art an historischer Treue voraus haben, ersetzten die antiken durch größeres stilistisches [645] Raffinement. Auch der Roman des Chariton verwendet einen historischen Hintergrund (Schmid o. Bd. III S. 2169), aber viel diskreter als I., der aus seiner Liebesgeschichte Kriege zwischen den großen orientalischen Monarchien entstehen läßt, ähnlich wie manche modernen Romanschreiber sich historisches Geschehen nur unter dem Zeichen des Eros vorstellen können. Anachronismen fielen dabei nicht schwer ins Gewicht, so wenn im alten Ägypten eine Berenike herrscht und am Schlusse die Alanen auftreten, zu deren König sich Soraichos mit Hilfe eines auf wunderbare Weise gehobenen Schatzes macht: in Wahrheit kannte man dieses Volk erst seit der Zeit des Nero (s. o. Bd. I S. 1282. Heeren a. O. 26).

Vom Stil kann man sich fast nur aus den größeren Exzerpten eine Vorstellung machen. Danach scheint I. nach Abwechslung im Tone je nach dem Gegenstand gestrebt zu haben. Die eigentliche Erzählung mied weder den Hiat noch baute sie metrische Satzschlüsse, war auch relativ einfach im Ton, aber reichlich durch Glossen aufgeputzt, die das Entzücken des Suidas erregt haben. Dagegen zeigen die Reden alle Künste der zweiten Sophistik, am meisten begreiflicherweise die erhaltene μελέτη): die Frauen, die im Aphroditetempel geschlafen haben, müssen den Inhalt ihrer Träume erzählen, und da eine von geschlechtlicher Vereinigung mit einem Sklaven berichtet, so verklagt ihn sein Herr wegen Ehebruch. Hier ist der Hiat gemieden, die Sätze schließen metrisch, raffinierte Antithesen voll der gesuchtesten Gedanken beherrschen das Ganze. Photios äußert sich über Stil und Darstellung sehr lobend, namentlich hat ihm die Wahl des historischen Stoffes statt der sonst üblichen παίγνια καὶ πλάσματα imponiert. Sonst erwähnt den I. noch Theod. Prisc. 133, 9, der als erotisches Stimulans empfiehlt uti lectionibus animum ad delicias pertrahentibus, ut sunt Amphipolitae Philippi aut Herodiani aut certe Syrii Iamblichi (sirii aut amblii Hss.) vel ceteris suaviter amatorias fabulas describentibus. Vgl. Rohde Griech. Roman 361; Kl. Schr. II 40 (gegen Rühl Neue Jahrb. 117, 317).

[Kroll. ]