RE:Hasta 1
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Stange, Stab (militärisch und rechtlich) | |||
Band VII,2 (1912) S. 2501–2503 | |||
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Hasta. 1) H. (ursprünglich Schoß, Sproß, Reis, verwandt mit dem mittelirischen gas und dem lateinisch-keltischen ghas-t Rute, vgl. Walde² s. hasta) bedeutet im gewöhnlichen Sinne eine Stange oder einen Stab: so z. B. hastae de vitibus Thyrsusstäbe; hastam rectam ferre bei Paul. Dig. VIII 3, 7 pr. = einen Stab in die Luft ragend tragen, was bei der Ausübung der servitus viae zum Schutze der Bäume und deren Früchte nicht zulässig sein sollte. Folgende speziellere Anwendungen von H. sind zu unterscheiden:
I. Im militärischen Sinne.
Dann bedeutet es die altrömische Nationalwaffe, welche nach Festus p. 49. 62 in sabinischer Sprache ,curis‘ (= quiris) genannt wurde. Macrob. Sat. I 9, 16. Ovid. fast. II 475. Serv. Aen. I 292. Isid. orig. IX 2, 84. Eine Beziehung zu dem Namen Quirites als Einheitsbezeichnung für die vereinigten Ramnes und Tities ist offenbar vorhanden; diese Herleitung aus dem Sabinischen und die Namengebung durch die Tities würde zu der allgemeinen Tatsache stimmen, daß die Tities als leitender Stamm in das römische Gemeinwesen eingetreten sind. Vielleicht kann aber auch angenommen werden, daß die Lanze als Symbol des Gottes Quirinus, des Heros eponymus der Quiriten, hasta quiris genannt worden ist; [2502] Lange Röm. Altert. I³ 91f. H. ist die charakteristische Waffe der römischen Phalanx, sie wird ursprünglich von allen drei Gliedern derselben, nicht bloß von den hastati geführt. Zur Zeit des Polybios waren aber nur die triarii mit der H., der schweren, zum Stoßen geeigneten Lanze, ausgerüstet; die principes und die hastati führten das pilum, die leichtere, nur zum Wurf geeignete Lanze (telum missile), durch deren Abwerfen regelmäßig die Schlacht eröffnet wurde. Polyb. VI 23, 9. Veget. I 20. II 15. Marquardt St.-V. II 327f. 339f. Später ist der Unterschied zwischen h. und pilum nicht mehr streng aufrecht erhalten worden: vgl. z. B. Paul. Dig. IX 5. 2, 1. Unter hastae velitares sind die noch leichteren Wurfspieße zu verstehen, von denen die Leichtbewaffneten der Legion mehrere, fünf oder sieben, trugen. Fest. 28 s. advelitatio. Liv. XXVI 4. 4. XXXVIII 20, 1. Lucil. bei Non. p. 552, 31. Im Zusammenhang mit dieser militärischen Bedeutung steht die alte römische Sitte, tapferen Soldaten eine h., gewöhnlich eine pura, d. h. ohne Spitze, zu verleihen, andererseits die Degradation durch Wegnahme der h. (censio hastaria) zu vollziehen. Fest. 101, 54. Serv. Aen. VI 760. Sall. Iug. 85, 29. Suet. Claud. 28. Polyb. VI 39, 3. Gell. II 11. Tac. ann. IV 21. Marquardt II 328, 4.
Ihrer kriegerischen Bestimmung entsprechend findet die h. auch im Sakralwesen Verwendung. Bei dem alten Brauche der Devotion muß der sich den unterirdischen Göttern Weihende, entweder der Feldherr selbst oder ein beliebiger Mann des römischen Heeres, während des Aussprechens einer bestimmten Formel mit verhülltem Haupte auf einen Speer treten. Liv. VIII 9, 6. Cic. nat. deor. II 3, 10. Aurel. Vict. 27. Die Fetialen schleuderten, nachdem der Krieg von dem Senat beschlossen worden war, zum Zwecke der formellen Kriegserklärung eine h. mit eiserner Spitze und mit verbranntem und blutigem Schaft in das feindliche Gebiet; später wurde dieser Lanzenwurf nur noch symbolischerweise von dem zuständigen Fetialen in Rom am Tempel der Bellona vorgenommen. Liv. I 32, 12. Gell. XVI 4, 1. Cass. Dio LXXI 33, 3. Serv. Aen. IX 52. X 14. Ovid. fast. VI 205. Fest. p. 33. Die H. ist auch das eigentliche Symbol des Mars; die hastae Martis werden in einer Kapelle (sacrarium) der Regia, des alten Königshauses, späteren Amtslokals des collegium pontificum, aufbewahrt. Serv. Aen. VIII 3. Gell. IV 6, 2.
II. Im rechtlichen Sinne
Im rechtlichen Sinne erscheint h. – dann gleichbedeutend mit festuca – als Symbol des iustum dominium mit Beziehung auf das kriegsmäßige Beuterecht: bes. Gai. IV 16. Fest. p. 101. Hieraus erklärt sich auch die Aufstellung der h. bei den Sitzungen des Centumviralgerichts, welchem ein praetor ad hastam (hastarius) vorstand und dessen Abteilungen selbst hastae hießen; denn von altersher waren diesem Gerichtshöfe die zivilrechtlichen Vindikationen zur Entscheidung überwiesen. Val. Max. VII 8. 1–4. Suet. Aug. 36. Martial. VII 63, 7. Plin. ep. V 9, 5. VI 33, 3. Paneg. in Pis. 41f. Quintil. inst. XII 5, 6. V 2, 1. CIL X 8260.[1] VI 1365.[2] Pomp. Dig. I 2, 2, 29. Mommsen St-R. II³ 225. 2. Im Zusammenhang mit dieser symbolischen [2503] Bedeutung der H. steht weiter ihre Verwendung bei den öffentlichen Versteigerungen und Verpachtungen (auctiones et locationes), ursprünglich offenbar bei dem öffentlichen Beuteverkauf durch den Quaestor, um die kriegerische Erwerbung der Beute und auch die staatliche Autorität des Aktes anzudeuten, Liv. II 14, 2. V 16, 7. VI 4, 2; später wird das Zeichen auf sonstige Verkäufe von Staats wegen (d. h. durch einen Magistrat im Namen des Volkes, besonders bei bona publicata) übertragen: hastam ponere in foro (pro aede Iovis) als signum venditionis nach dem ius hastae. Liv. XXIII 38, 7. XXIV 18, 11. Cic. Phil. II 64. 103; de offic. II 27. 83; ad Att. XII 3. Tac. hist. I 20, 10; ann. III 31, 23. XIII 28, 16. Suet. Caes. 50; Octav. 24. Fest. p. 101. Orelli-Henzen zu n. 2879. 6458. Auch die späteren auctiones s. subhastationes und die Fiskalverkäufe werden allemal unter der Lanze abgehalten: tit. Cod. Theod. X 17. Cod. Iust. X 3.
Hasta coelibaris wird mehrfach erwähnt bei der Beschreibung der feierlichen Hochzeitsbräuche: vor der Hochzeitsfeier wurde nämlich das Haar der Braut nicht mit einem Kamme geordnet, sondern mit einem an der Spitze gekrümmten Lanzeneisen, hasta coelibaris genannt. Fest. p. 62. Arnob. II 67. Plut. Rom. 15; quaest. Rom. 87. Ovid. fast. II 560. Über die Herkunft und Bedeutung dieses symbolisierenden oder abergläubischen Brauches waren die Römer später selbst im unklaren. Marquardt Privatl. der Römer I 44.