RE:Esquiliae
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Gemeinsamer Name d. beiden Hügel Cispius u. Oppius in Rom | |||
Band VI,1 (1907) S. 680–683 | |||
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Esquiliae ist der gemeinsame Name (Varro de l. l. V 49. 50) der beiden Hügel Cispius (o. [681] Bd. III S. 2590) und Oppius (s. d.), welche, mit dem Caelius, Viminal und Quirinal von gleicher Basis, einer großen, bis zum Anio sich erstreckenden Hochfläche ausgehend, sich westwärts bis zur Velia und zum Forumstal erstrecken. Seiner Form nach ist er Städtename (Jordan Topogr. I 1, 184 vergleicht Bildungen wie Urb-iliae, Cut-iliae) und wird auch so gebraucht: man sagt Esquilias ire, Esquiliis habitare u. ä. (vgl. Madvig Kl. Schriften 299. Jordan a. a. O. Gilbert Topogr. I 169, 1. Nissen Ital. Landesk. II 492). Die Form Esquiliae ist durch inschriftliche und hsl. Überlieferung als die bessere bezeugt; auch in den Fasti Praenestini des Verrius Flaccus zum 1. März, die früher als Beispiel für die Schreibung mit x angeführt zu werden pflegten, hat der Stein nur E..uiliis, der zweite und dritte Buchstabe fehlen (CIL I2 p. 233).[1] Die Etymologie der Alten (ab excubiis, Varro a. a. O. Ovid. fast. III 245; quod aesculis insitae sint a rege Tullio, Varro, nach Spengels Verbesserung) sind wertlos; am wahrscheinlichsten immer noch, daß der Name ,Vorwerk‘ oder ,Außenwerk‘ bedeutet ( von ex-colo, so daß e(x)quilinus korrelat zu inquilinus; dagegen spricht Jordan Topogr. I 1 a. a. O.); E. wäre somit die Bezeichnung des Außengebietes der nach Osten erweiterten palatinischen Stadt, welches sakral in die drei Bezirke des Oppius, Cispius und Fagutal zerfiel. Die neuerdings von Nissen (Ital. Landesk. II 495) aufgestellte Vermutung, auf den E. habe das älteste Rom gelegen, wäre bedenklich, selbst wenn die Inschrift CIL XIV 3679[2] das Vorhandensein einer porta Esquilina in Tivoli sicher stellte; aber außer port]a sind dort noch mancherlei andere Ergänzungen möglich.
Für die Ausdehnung der ältesten Niederlassungen auf dem Oppius und Cispius geben einen Anhalt die innerhalb der Serviusmauer, namentlich bei S. Martino ai Monti, aufgedeckten archaischen Gräberfelder. Die römische Tradition schildert die E. in ältester Zelt als großenteils unbewohnt und mit Hainen bestanden (lucus Esquilinus. Mefitis, Poetelius, Fagutalis u. a.). läßt aber gleichwohl auf dem E. die letzten Könige, den Servius Tullius und Tarquinius Superbus, wohnen (Jordan I 1, 155f.). Die ,Servianische‘ Befestigung zog nicht nur Oppius und Cispius, sondern auch einen Teil der östlichen Hochebene in die Stadt hinein. Von der Bedeutung des Bezirks zeugt, daß die dritte der städtischen Regionen den Namen Esquilina erhielt. Innerhalb der Mauer erstand ein Viertel, in dem, wie es scheint, der kleine Bürgerstand und die Gewerbetreibenden (figlinae in Esquiliis, Argeerprozession bei Varro de l. l. V 50; vgl. Festus p. 344) zahlreich waren; das außerhalb der Mauer gelegene Gebiet war als pagus organisiert (pagus montanus. Inschrift aus der Gracchischen Zeit, CIL VI 3823[3] = 31577). Außerhalb der Mauer lagen auch die großen Begräbnisstätten des frührepublikanischen Roms, den Fundstücken nach dem 5. bis 1. Jhdt. v. Chr. angehörig. In der Periode großstädtischer Entwicklung, vielleicht seit dem 2. Jhdt. v. Chr., werden hier die Massengräber für Arme (puticuli) angelegt.
Von großer Bedeutung für den esquilinischen Bezirk war es, daß, seitdem Rom begann, sich künstlich mit Wasser zu versorgen, alle bedeutenden [682] Leitungen vom südöstlichen Ende der esquilinischen Hochebene (bei Porta Maggiore) die Stadt betreten (Aqua Appia 442 = 312 v. Chr., Anio vetus 484 = 270, Marcia 610 = 144, Tepula 629 = 125). Gärten und Gehöfte wurden nun auch vor der Mauer an den großen Landstraßen (Via Labicana, Praenestina, Tiburtina) immer zahlreicher. Bezeichnend für die räumliche Ausdehnung des Namens E. in der letzten republikanischen Zeit ist es, daß Varro das Armenbegräbnis (puticuli) bezeichnet als gelegen ultra Esquilias, und daß das Grab des Maecenas (doch wohl bei seinen Gärten) extremis Esquiliis genannt wird (Suet. vita Horat.).
In der Augustischen Stadteinteilung wurde der Name E. der fünften Region beigelegt, welche das Gebiet außerhalb (östlich) der Serviusmauer umfaßt, während der Oppius zur dritten, der Cispius zur vierten Region geschlagen wurde. Das alte Gräberfeld wurde eingezogen und mehrere Meter hoch mit Erde überschüttet, die Servianische Befestigung, ihres fortifikatorischen Wertes schon längst verlustig, wurde überbaut oder planiert.
Der Cispius blieb in der Kaiserzeit ein stark bewohntes, an Monumentalbauten armes Viertel (s. o. Bd. III S. 2590); der Oppius ward vollkommen umgestaltet dadurch, daß Nero auf ihm das Hauptgebäude seines ,goldenen Hauses‘ errichtete. Auch nach der Zerstörung desselben wurde das Terrain nur zum kleineren Teile den Privateigentümern wiedergegeben, der größere zur Erbauung der prachtvollen Thermen des Titus und Traian (s. d.) benutzt.
Auf dem extramuranen Gebiet der Esquilien entstanden seit Augustus große Parkanlagen der Aristokratie, wie die horti Maecenatis, Epaphroditiani, Lamiani, Maiani, Lolliani, Pallantiani, von denen viele später in kaiserlichen Besitz übergingen (vgl. Homo Mélanges d. l'éc. franç. XIX 1899, 101ff.) und die in den letzten Jahrzehnten reiche Ausbeute an Kunstwerken geliefert haben. An öffentlichen Gebäuden und Tempeln ist die fünfte Region arm; die Constantinische Stadtbeschreibung nennt den Hercules Sullanus, die Isis patricia, und die Minerva Medica; doch ist nur für das letztere Heiligtum annähernd die Stätte (östlich der Sette sale ?) anzugeben (der merkwürdige zehneckige Kuppelbau unweit Porta Maggiore, welcher durch falsche Gelehrsamkeit des 16. Jhdt. mit diesem Namen belegt wird, hat damit nichts zu tun). Die Wichtigkeit des äußeren esquilinischen Viertels für die Wasserversorgung Roms wurde in der Kaiserzeit noch erhöht, indem Augustus zur Verstärkung der Aqua Marcia-Tepula die Aqua Iulia, Claudius die noch weit bedeutendere Doppelleitung der Aqua Claudia–Anio novus anlegte. Der monumentale Straßenübergang dieser letzteren über die Via Labicana und Praenestina ist, in die Aureliansmauer hineingezogen, noch heute als Porta Maggiore erhalten. Die Regionarier erwähnen in der fünften Region zwei große Wasserwerke, das Nympheum Alexandri und den lacus Orphei; das erstere ist ganz ungewisser Lage, die Identifikation des letzteren mit dem in der Nähe der Porta Esquilina noch erhaltenen, seit dem 14. Jhdt. mit dem falschen Namen der ,Trofei di Mario‘ geschmückten Bau nicht ohne Bedenken. Der städtische [683] Anbau der fünften Region mit Straßen, Palästen und Mietshäusern scheint sich besonders auf die der Serviusmauer zunächst gelegene Gegend beschränkt zu haben; hier errichtete, unmittelbar vor der Porta Esquilina, die Kaiserin Livia eine große Markthalle (Macellum Liviae), vielleicht zum Ersatz des alten Forum Esquilinum (s. u.). Daß der städtische Anbau auch außerhalb der Serviusmauer nicht unbedeutend war, bezeugt die Constantinische Statistik, welche der Regio V 15 vici, 3850 insulae und 180 domus gibt (Regio IV: 8 vici, 2757 insulae, 88 domus; Regio III: 12 vici, 2757 [!] insulae, 160 domus).
An den großen Landstraßen erhoben sich auch in der Kaiserzeit zahlreiche Grabdenkmäler, teils prächtige Einzelmonumente, teils bescheidenere Massengräber, letztere namentlich in der Form von Columbarien; unter diesen ist besonders nennenswert das 1876ff. innerhalb Porta Maggiore aufgedeckte Columbarium der Dienerschaft der Gens Statilia, aus der Zeit von Claudius und Nero (CIL VI 6213–6640).[4] sowie das nahe gelegene der Arruntier (CIL VI 5931–5960).[5]
Als Aurelian nach 270 Rom, das seit einem halben Jahrtausend eine offene Stadt gewesen war, mit einer Mauer umgab, bekam auch der esquilinische Außenbezirk seine sichtbare Grenze; inwieweit dieselbe von der älteren Augustischen Regionsgrenze verschieden ist, läßt sich bisher nicht nachweisen. Die Mauer selbst folgte auf große Strecken, namentlich an der Porta Labicana (Porta Maggiore) bis zur Porta Tiburtina (Porta S. Lorenzo), dem Zuge der Aqua Marcia–Tepula–Iulia.
Wenn sich in dieser Führung der Mauer die Wertschätzung der für das Aufblühen des esquilinischen Stadtteiles so wichtigen Wasserleitungen ausspricht, so ist auch der Verfall und die Verödung der Esquilien Hand in Hand gegangen mit der Zerstörung der Aquaeducte, wie sie die Kriege des 5. und 6. Jhdts., namentlich die Gotenbelagerungen von 537 und 546, mit sich brachten. Mehr als ein Jahrtausend ist dann der Esquilin wiederum ein Außenbezirk gewesen, in dem einsame Kirchen und Klöster zwischen den Trümmern der Paläste und Thermen standen, und erst die neueste Phase der Stadtentwicklung nach 1870 hat das Gebiet der Esquilien wiederum, doch auch noch nicht ganz, in den städtischen Anbau hineingezogen. Vgl. Jordan Topogr. I 1. 183–185. Gilbert I 166–169. Lanciani Ruins and Excavations 396–114. Hülsen-Jordan Topogr. I 3, 254–371.