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RE:Domitius 27

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Ahenobarbus, L. cos. 54 v. Chr.
Band V,1 (1903) S. 13341343
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27) L. Domitius Ahenobarbus war Cn. f. (SC. bei Cic. ad fam. VIII 8, 5. 6), Sohn von Nr. 21 (Suet. Nero 2) und demnach wahrscheinlich der jüngere Bruder von Nr. 22. Weder mit dessen Parteistellung noch auch mit seinem eigenen Alter verträgt es sich recht, wenn Dio XLI 11, 2 von ihm sagt: τῶν τε γὰρ Συλλείων ἐγεγόνει καὶ πολλὴν (scil. χώραν) ἐκ τῆς δυναστείας ἐκείνης ἐκέκτητο. An die Öffentlichkeit trat D., soviel wir wissen, zuerst als ganz junger Mann im J. 681 = 73, indem er die Vertretung der römischen Steuerpächter in ihrem Process gegen die Oropier übernahm (SC. de Oropiis IGS I 413, 24; vgl. Mommsen Herm. XX 283). Doch schon für eine in das vorhergehende Jahr fallende Begebenheit wurde er 684 = 70 im Process des Verres als Zeuge aufgerufen, wobei ihn Cicero (Verr. I 139) als adulescens clarissimus ac princeps iuventutis (vgl. darüber Mommsen St.-R. II 827, 5) bezeichnet. Derselbe redete ihn viel später mit den Worten an (Mil. 22): dederas enim, quam contemneres populares insanias, iam ab adulescentia documenta maxima, wozu zwei Erläuterungen vorliegen, Ascon. Mil. p. 39f.: Constantiam L. Domiti quam in praetura praestitit significat. Nam eo tempore, cum C. Manilius tribunus plebis subnixus libertinorum et servorum manu perditissimam legem ferret, ut libertinis in omnibus tribubus suffragium esset, idque per tumultum ageret et clivum Capitolinum obsideret, discusserat perruperatque coetum Domitius ita, ut multi Manilianorum interficerentur. Quo facto et plebem infimam offenderat et senatus magnam gratiam inierat. Schol. Bob. p. 284 Ür : L. Domitium .....commone facit constantiac suae, cuius exempla edidisse nuper in adulescentia videbatur. Nam cum C. Manilius post annum tribunatus sui, quem turbulentissime gesserat, causam de maiestate dicturus esset, accusante Cn. Minucio, id egit per multitudinem conspiratam, ut obsideret eundem Cn. Minucium accusatorem suum, cui obsesso auxilium tulit adgregata bonorum, multitudine L. hic Domitius. Der Name des C. Manilius ist in den Hss. des Asconius mehrfach in Cn. Manlius u. dgl. entstellt; deshalb und wegen des Ausdrucks in praetura hat man meistens angenommen , dass D. nicht gegen das Gesetz des Tribunen C. Manilius vom J. 688 = 66, sondern gegen ein solches eines anderen Tribunen Cn. Manlius vom J. 696 = 58, in welchem er Praetor war, eingeschritten sei. Aber erstens passt Ciceros iam ab adulescentia viel besser auf den früheren Zeitpunkt, als D. noch gar kein Amt bekleidet [1335] hatte; zweitens wurde im J. 696 = 58 das Gesetz über das Stimmrecht der Freigelassenen von dem Tribunen P. Clodius selbst und nicht von einem sonst unbekannten Collegen desselben geplant, aber nicht eingebracht (Belege bei Mommsen St.-R. III 440, 2); drittens erledigt sich das Bedenken, das die Worte in praetura bieten, ganz einfach ohne Textänderung, nur etwa mit Annahme einer kleinen Lücke, wenn man darunter nicht die Praetur des D., sondern die des Redners Cicero selbst versteht, die ja 688 = 66 fiel; viertens erklärt es sich aus der Rolle, die D. damals und im folgenden Jahre wieder bei dem Process des Manilius spielte, dass Cicero in dem letzteren (689 = 65) für seine Bewerbung um das Consulat bereits stark auf die Unterstützung des jungen Mannes rechnete und deshalb sogar die Übernahme eines Processes ablehnte, in welchem jener vielleicht die Gegenpartei vertreten hätte (ad Att. I 1, 3f.). Im J. 693 = 61 war D. curulischer Aedil und gab anscheinend sehr prächtige Spiele; vgl. Plin. n. h. VIII 131 (daraus Solin. 26, 10):: Annalibus notatum est M. Pisone M. Messalla cos. a. d. XIV kal. Oct. Domitium Ahenobarbum aedilem curulem ursos Numidicos (vgl. Friedländer Sittengesch. Roms⁶ II 540, o. Bd. II S. 2759) centum et totidem venatores Aethiopas in circo dedisse. Dio XXXVII 46, 4: ὀ δῆμος ἀπαυστὶ μέχρι τότε τὰς ὁπλομαχίας θεώμενος ἐξανέστη τε μεταξὺ τοῦ ἔργου καὶ ἄριστον εἵλετο (vgl. Friedländer bei Marquardt St.-V. III 495). Als damals Pompeius die Wahl seines Legaten und Werkzeugs L. Afranius zum Consul für das folgende Jahr durch Bestechungen durchzusetzen suchte, veranlasste D. in Gemeinschaft mit seinem Schwager M. Cato die Fassung von zwei scharfen Senatsbeschlüssen gegen diese Umtriebe, deren Spitze sich ausser gegen Pompeius auch gegen den Consul M. Pupius Piso richtete (Cic. ad Att, I 16. 12). Die Wahl des Afranius wurde dadurch freilich nicht verhindert; D. aber hatte sich immer eifriger als Anhänger der Senatspartei und als Gegner des sich nun bildenden Triumvirats bethätigt, so dass im J. 695 = 59 der Versuch gemacht wurde, ihn zu beseitigen, indem der von P. Vatinius angestiftete L. Vettius ihn unter den Hauptteilnehmern an der angeblichen Verschwörung gegen Pompeius denuncierte (Cic. ad Att. II 24, 3; Vatin. 25). Seine Wahl zum Praetor für 696 = 58 erfüllte damals den bedrohten Cicero mit guten Hoffnungen (ad Q. fr. I 2, 16); doch nach dem Amtsantritt kümmerte sich D. nicht um die Angriffe auf den Redner, sondern versuchte zusammen mit seinem Amtsgenossen C. Memmius Gemellus die Gesetze Caesars aus seinem vorjährigen Consulat umzustossen. Caesar erklärte sich bereit, dem Senat die Entscheidung über ihre Rechtsgültigkeit zu überlassen, aber der Senat wagte keine Untersuchung; der Proconsul und die beiden Praetoren bekämpften sich drei Tage lang mit Reden, die später veröffentlicht wurden; dann reiste jener Ende März, nachdem inzwischen Ciceros Verbannung Thatsache geworden war, in seine Provinz ab und entzog sich damit jeder Untersuchung (Suet. Caes. 23; Nero 2. Schol. Bob. Sest. p. 297; Vatin. p. 317). Später beabsichtigte D., Ciceros Rückberufung zur Sprache zu bringen (Cic. ad Att, III [1336] 15, 6), doch kam das nicht zur Ausführung. Sobald er im J. 698 = 56 befähigt war, sich um das Consulat zu bewerben, entwickelte er sein Programm, er werde als Consul das bewirken, was er als Praetor vergeblich versucht hatte, nämlich dem Caesar seine Provinzen und Heere entziehen; infolgedessen wurde auf der Zusammenkunft der Triumvirn in Luca im April des Jahres beschlossen, dass die beiden Genossen Caesars, Pompeius und Crassus, selbst gegen D. als Candidaten auftreten sollten (Suet. Caes. 24). Diese Absicht wurde vorläufig geheimgehalten; der sicherste Weg zu ihrer Erreichung war die Herbeiführung eines Interregnums, und in der That verhinderten die Tribunen C. Cato und M. Nonius Sufenas durch ihren Einspruch alle Wahlversammlungen. Im Herbst forderten die Optimaten von Pompeius und Crassus eine bestimmte Erklärung über ihre Absicht; Plut. Pomp. 51, 4f. nennt als den Wortführer den Consul Cn. Lentulus Marcellinus (o. Bd. IV S. 1390) und verlegt die Scene in die Volksversammlung, dagegen nennt er Crass. 15, 2 neben dem Consul noch D. und lässt die Frage im Senat gestellt werden, was vielleicht zuverlässiger ist. Das J. 699 = 55 begann mit einem Interregnum; jetzt stellten die beiden Triumvirn ihre Candidatur auf, und alle übrigen Bewerber traten zurück; nur D., von M. Cato ermutigt, blieb fest und hielt die seinige aufrecht. Aber als er sich an dem Wahltage noch vor Tagesanbruch auf das Marsfeld begeben wollte, wurde seine Begleitung von dem bewaffneten Anhang des Pompeius angefallen und zurückgetrieben; sein Fackelträger wurde erschlagen, Cato verwundet, er selbst floh in sein Haus und wurde hier so lange von den Gegnern belagert, bis die Wahl des Pompeius und Crassus vollzogen war (Cic. ad Att. IV 8 b, 2. Plut. Crass. 15, 4–7; Pomp. 52, 1f.; Cat. min. 41, 2f. Appian. bell. civ. II 17 [ungenau in Betreff des Pompeius, vgl. Drumann G. R. III 280, 41]. Dio XXXIX 31, l). Dagegen hatte seine erneute Bewerbung um das Consulat für das folgende Jahr besseren Erfolg; bei den gegen Ende des Jahres abgehaltenen Comitien wurde er als Candidat der Senatspartei neben dem der Triumvirn Ap. Claudius Pulcher für 700 = 54 gewählt (Belege o. Bd. III S. 2850 Nr. 297). Dass er consul imperatorem (Caesarem) ab exercitibus Gallicis retrahere temptavit, ist eine ungenaue Angabe Suetons (Nero 2); sein Ziel war dies freilich stets (Suet. Caes. 24, s. o.), aber gerade während des Consulats konnte er nicht viel dafür thun. Seine Feindschaft gegen die Machthaber suchte er bei jeder Gelegenheit, aber meistens ohne Erfolg, zum schärfsten Ausdruck zu bringen, so in der Behandlung der dem Pompeius am Herzen liegenden ägyptischen Frage und bei dem Process gegen dessen Günstling A. Gabinius (Dio XXXIX 60, 3ff. Cic. ad Q. fr. II 11, 2; vgl. dazu Nr. 11), ferner im September nach dem Tode der Iulia, Tochter Caesars und Gemahlin des Pompeius, indem er gegen deren Beisetzung auf dem Marsfelde Einspruch erhob (Dio XXXIX 64). Mit seinem Amtsgenossen gemeinsam schloss er den schimpflichen Vertrag auf gegenseitige Unterstützung mit den Bewerbern um das Consulat für 701 = 53, C. Memmius und Cn. Domitius Calvinus (Nr. 43, s. auch Bd. III [1337] S. 2851); als Memmius im October den ganzen Handel enthüllte, brach D. vor Scham wie vernichtet zusammen (Cic. ad Att. IV 17, 2). Mit dem Tode der Iulia begann die Entfremdung zwischen Caesar und Pompeius und dessen Annäherung an die Senatspartei, zu deren Häuptern D. gehörte. Vielleicht vermittelte zwischen beiden der designierte Volkstribun C. Lucilius Hirrus, von dem Cic. ad Att. IV 16, 5 Mitte des Jahres schrieb: Hirrus cum Domitio in gratia est, und der später ein Gesetz über die Ernennung des Pompeius zum Dictator vorbereitete (Cic. ad Q. fr. III 8, 4. 6 vom November u. a.). Jedenfalls war die Versöhnung zwischen Pompeius und D. im Anfang von 702 = 52 vollendet, denn als nach dem Specialgesetz, das jener für den Process des Milo zu stande gebracht hatte (s. o. Bd. I S. 2275), der vorsitzende Quaesitor aus der Zahl der Consulare vom Volk gewählt werden sollte, fiel die Wahl auf D., was ohne Genehmigung, wohl auch ohne Vorschlag des Pompeius kaum möglich gewesen wäre (Cic. Mil. 22. Ascon. Mil. 33f.). Da D. zu den bedeutendsten Persönlichkeiten im Senat gehörte, so berichtete M. Caelius Rufus dem abwesenden Cicero regelmässig über sein Verhalten: 703 = 51 verbreitete D. schadenfroh Gerüchte über Caesars Bedrängnis und Niederlagen in Gallien (ad fam. VIII 1, 4). In den Senatsbeschlüssen vom 30. September 703 = 51 steht er unter den Urkundszeugen an erster Stelle (ebd. 8, 5. 6). Für Ciceros Supplicationen stimmte er zwar im Frühjahr 704 = 50, doch ebenso wie Q. Metellus Scipio nur, um den Tribunen C. Scribonius Curio zur Intercession zu reizen und sie so zu hintertreiben (ebd. 11, 2); das Motiv sieht Drumann (G. R. III 21) in seinem von Cic. ad Att. IV 8 b, 2 hervorgehobenen Adelsstolz und der daraus folgenden Verachtung gegen den Emporkömmling; es mag dazu auch eine gewisse Eifersucht, wie gegen Caesar, gekommen sein, weil D. selbst keine kriegerischen Lorbeeren aufzuweisen hatte. Im September 704 = 50 berichtet Caelius von seinen eigenen Conflicten mit D., deren Ursprung wohl in den sich beständig verschärfenden Parteigegensätzen lag; D. unterstützte seinen ehemaligen Amtsgenossen im Consulat, den Censor Ap. Claudius, gegen Caelius (ad fam. VIII 12, 1f.). und dieser trug nach Kräften dazu bei, dass D. bei der Bewerbung um das Augurat gegen den Candidaten Caesars M. Antonius unterlag (ebd. 14, 1, vgl. 12, 4; o. Bd. I S. 2597). Das J. 705 = 49 brachte den endgültigen Bruch des Pompeius und der Senatspartei mit Caesar; in den allerersten Tagen des Januar wurde diesem seine gallische Statthalterschaft entzogen und D. zu seinem Nachfolger ernannt (Caes. bell. civ. I 6. 5. Cic. ad fam. XVI 12, 3. Suet. Caes. 34; Nero 2. Lucan. VII 607. Appian. bell. civ. II 32. 38. 82). Ihm fiel nun eine Hauptrolle in der ersten wichtigeren Episode des Bürgerkrieges zu. Die Quellen dafür sind besonders der Bericht Caesars und die unter den ciceronischen erhaltenen Briefe des Pompeius; eine auf gründlichen Forschungen beruhende Darstellung hat Oberst Stoffel (Hist. de Jules César. Guerre civile I 12–23. 224–244 vgl. Tafel 2) davon gegeben. Die Berichte gehen auseinander über die Streitkräfte des D.: App. II 32 sagt, er habe Rom [1338] verlassen μετὰ τετρακισχιλίων ἐκ καταλόγου, und II 38, Caesar habe ihn in Corfinium eingeschlossen οὐ πάντας ἀμφ’ αὑτὸν ἔχοντας τοὺς τετρακισχιλίους. Nach Lucan. II 480 bildete die Besatzung von Corfinium oppositus quondam polluto tiro Miloni. Demnach wird Pompeius die von ihm im J. 702 = 52 ausgehobenen Mannschaften in Stärke von etwa einer Legion dem D. für seine Statthalterschaft überwiesen haben (vgl. v. Domaszewski Neue Heidelberger Jahrbücher IV 163, 4). Nach Caesar I 15, 5–7 vereinigte nach der Räumung von Picenum L. Vibullius Rufus die hier und in der Nachbarschaft dem Pompeius treu gebliebenen Truppen, in his .... Lucilium Hirrum cum sex cohortibus .... excipit; quibus coactis XIII efficit. cum his ad Domitium .... Corfinium pervenit .... Domitius per se circiter XX cohortes Alba, ex Marsis (vgl. Domitius in Marsis Cic. ad Att. VIII 13 a, 3 vom 23. Januar) et Paelignis, finitimis ab regionibus coegerat; nach 17, 2 hatte D. cohortes amplius XXX; nach 18, 1 standen in Sulmo sieben (nur fünf nach Cic. ad Att. VIII 4, 3) und nach 24, 3 in Alba Fucens sechs (ebenso Cic. ad Att. IX 6, 1). Pompeius (bei Cic. ad Att. VIII 11 A) erfuhr am 10. Februar, D. komme zu ihm cum suis cohortibus XII (Hss. sicher falsch: XI) et cum cohortibus XIV, quas Vibullius adduxit .... Hirrum cum V cohortibus subsequi; und eine Woche später schrieb er (ebd. 12 A, 1 vgl. 3): ad L. Domitium litteras misi, primum uti ipse cum omni copia ad nos veniret; si de se dubitaret, ut cohortes XVIIII, quae ex Piceno ad me iter habebant, ad nos mitteret ..... quod meas XVIIII et suas XII cohortes tribus in oppidis distributas haberet – nam partim Albae, partim Sulmone collocavit. Caesar und Pompeius weichen also von einander vollständig ab in betreff der Verteilung der Cohorten unter die drei pompeianischen Führer; sie stimmen ziemlich überein in der Summe von deren Streitkräften (rund dreissig Cohorten = drei Legionen, vgl. noch Cic. ad Att. VIII 7, 1. Plut. Caes. 34, 3. Oros. VI 15, 4); aber bei Pompeius sind in dieser Summe die Besatzungen von Sulmo und Alba inbegriffen, bei Caesar anscheinend nicht. Es liegt demnach eine doppelte Schwierigkeit vor, deren Lösung in verschiedener Weise versucht worden ist; aber Stoffel I 12. 226f. muss z. B. bei Pompeius ungenügende Kenntnis, O. E. Schmidt (Briefwechsel des Cicero 132f.) bei Caesar Ungenauigkeiten und Fehler annehmen, während v. Domaszewski a. O. 164 überhaupt nur diesen berücksichtigt, und so finde ich keinen der mir bekannt gewordenen Lösungsversuche völlig befriedigend, weiss indes auch keinen besseren vorzuschlagen. Immerhin ist zu beachten, dass sich Pompeius auf officielle Berichte stützt, dass dagegen Caesar in einem Falle eine nur annähernde Genauigkeit seiner Zahl zugiebt (circiter 15, 7) und durch seine Unklarheit den Eindruck seiner eigenen Erfolge steigert, also nicht ohne Absicht verfährt. Es war ohne Frage eine bedeutende Streitmacht, die D. in Corfinium im Lande der Paeligner zusammengezogen hatte, und der Ort war zum Widerstande gegen Caesar ganz vorzüglich gewählt (vgl. über diese Vorzüge, wegen deren ihn auch die Italiker im Bundesgenossenkriege [1339] zu ihrer Hauptstadt gemacht hatten, u. a. Stoffel I 18f. 240ff.). Nachdem Vibullius hier eingetroffen war und die Nachricht von Caesars unaufhaltsamem Vorrücken gebracht hatte, entschloss sich D. zunächst, der von Pompeius an ihn gerichteten Aufforderung folgend, sich südwärts zurückzuziehen und in Apulien mit dem Oberfeldherrn zu vereinigen; er benachrichtigte diesen, dass er am 9. Februar von Corfinium aufbrechen wollte (Pompeius an Cicero 10. Februar ad Att. VIII 11 A; vgl. an D. ebd. 12 B, 1). Aber er änderte diesen seinen Entschluss plötzlich und blieb in Corfinium, wahrscheinlich veranlasst von den zahlreichen Senatoren und vornehmen Leuten, die sich hierher geflüchtet hatten; Pompeius erfuhr das nicht von ihm direct, sondern von Vibullius, und schrieb ihm darauf am 11. oder 12. Februar den Brief ebd. 12 B mit der dringenden Aufforderung, den Marsch nach Apulien so bald wie möglich anzutreten, ehe Caesar die Verbindung zwischen ihnen beiden unterbrechen könnte. Erst am 16. Februar erhielt Pompeius von D. selbst Nachricht über seine Pläne: er wollte sich nach Caesar richten, und da er bald genug gewahr wurde, dass sich dieser gegen Corfinium wandte, so schickte er dem ersten Boten einen zweiten nach: er wollte dem Feind die Stirn bieten, und Pompeius sollte ihm eiligst zu Hülfe ziehen; die ablehnende Antwort des letzteren auf den ersten Brief mit einer auf den zweiten bezüglichen Nachschrift (§ 4) liegt ebd. 12 C vor. Am folgenden Tage, dem 17. Februar, traf bei Pompeius die Botschaft ein, dass Caesar vor Corfinium stehe. Am 14. oder 15. hatte dieser von Asculum kommend (nach Stoffel; doch vgl. O. E. Schmidt a. O. 385ff.) den Nordeingang des Beckens von Corfinium, die Aternusschlucht, erreicht; D. schickte fünf Cohorten ab, um die über den Fluss führende Brücke zu zerstören, aber ehe sie den Auftrag ausgeführt hatten, erschien Caesars Vorhut und trieb sie in die Stadt zurück; der Weg für Caesars Heer war frei, und es schlug im Osten der Stadt ein Lager auf, um die Verbindungen des D. mit Sulmo und mit Pompeius zu unterbrechen (Caes. I 16, 2–4. Dio XLI 10, 2; vgl. Lucan. II 478–504, wonach D. auch die Schleusen des Aternus öffnen liess, um dem Feinde den Übergang zu erschweren). Daraufhin sandte D. das Hülfegesuch an Pompeius ab, dessen Hauptinhalt Caes. I 17, 1f. angiebt, und das, wie erwähnt, am 17. Februar in die Hände des Adressaten gelangte: dieser erwiderte umgehend in dem Briefe ad Att. VIII 12 D (vgl. Caes. I 19, 4), dass er ausser stande sei, Corfinium Beistand zu leisten, und dass er nur nochmals seine dringende Aufforderung wiederholen könne, D. solle, wenn irgend möglich, sich mit ihm in Apulien vereinigen; gleichzeitig legte Pompeius in zwei Briefen ebd. 6, 2 (vgl. 11 D, 3) und ebd. 12 A den beiden Consuln die Lage dar und suchte sein Verhalten vor ihnen zu rechtfertigen (vgl. ebd. 6, 2). Die Nachrichten, die Cicero bis dahin über D. erhalten hatte und an Atticus weitergab (VII 23, 1. 24. 26, 1. VIII 1, 1. 3, 7), sind zum Teil ungenau, zum Teil bieten sie nur eine geringfügige Ergänzung der übrigen Angaben; dafür lehren seine Briefe an den Freund, wie verschieden schon damals das Verhalten des Pompeius [1340] und das des D. von ihren eigenen Parteigenossen beurteilt wurde (VIII 1, 3. 3, 7. 7, 1. 8, 1f. 9, 3. 11 D, 5. 12, 3. 6), ein Punkt, über den auch jetzt die Ansichten noch sehr auseinandergehen (vgl. z. B. Mommsen R. G. III 387. Stoffel I 236ff. O. E. Schmidt a. O. 139. 390). In den vier bis fünf Tagen von der Absendung des Hülfegesuches bis zum Eintreffen der Antwort des Pompeius traf D. alle Massregeln zur Verteidigung, verteilte die Geschütze auf den Mauern, organisierte den Postendienst und suchte sich die Treue der Soldaten durch das Versprechen von Landanweisungen zu sichern (Caes. I 17, 3f. Dio XLI 11, 1). In derselben Zeit gewann Caesar durch M. Antonius Sulmo, dessen Besatzung mit seinem eigenen Heere vereinigt wurde, verproviantierte und verschanzte sich und erhielt nach drei Tagen eine bedeutende Verstärkung durch die achte Legion, 22 neuausgehobene Cohorten und 300 Reiter; er schlug jetzt ein zweites Lager im Westen der Stadt auf, um die beiden auf dieser Seite gelegenen Pässe zu sperren, und verband die beiden Lager im Süden durch eine Kette von Verschanzungen, während im Norden Beobachtungsposten genügten (Caes. I 18, 1ff.); die ganze Einschliessungslinie hatte nach Stoffel 8 km. Umfang. Nach Lucan. II 505f. wurden auch Belagerungsmaschinen in Bereitschaft gesetzt und ein Sturmangriff vorbereitet. Die Antwort des Pompeius vom 17. Februar versetzte D. in die grösste Bestürzung; er verheimlichte den wirklichen Inhalt und gab vor, Pompeius habe schleunige Hülfe in Aussicht gestellt; während er die Seinigen zum Ausharren ermutigte, dachte er nur an seine eigene Rettung und fasste mit wenigen Vertrauten den Plan zur Flucht. Sein Benehmen aber weckte Verdacht; die Soldaten rotteten sich zusammen und fühlten sich einem so treulosen Feldherrn gegenüber auch ihrerseits von jeder Verpflichtung entbunden; die Marser bestanden zwar zunächst noch auf der Verteidigung und wurden sogar mit den übrigen handgemein, doch änderten sie auf die Kunde von dem Fluchtplan des D. gleichfalls ihre Stimmung. D. wurde von den Soldaten festgenommen und unter Bewachung gestellt; an Caesar wurden Abgesandte mit der Erklärung geschickt, man sei bereit, ihm die Thore zu öffnen, seinen Befehlen Folge zu leisten und D. auszuliefern. Da die Nacht schon hereingebrochen war, wagte Caesar nicht, die Stadt sofort in Besitz zu nehmen; er liess die Abgesandten dorthin zurückkehren und traf alle Vorsichtsmassregeln, um jedes Entweichen und jeden Betrug der Belagerten zu verhüten. Gegen Morgen eröffnete P. Lentulus Spinther (o. Bd. IV S. 1397) unter Aufsicht der misstrauischen Soldaten Verhandlungen im Namen der in der Stadt befindlichen Optimaten und erhielt beruhigende Versicherungen für sich und die anderen, von denen er sagte, adeo esse perterritos nonnullos, ut suae vitae durius consulere conentur (Caes. I 19, 1–22, 6). Das galt vor allem von D.; er hatte sich von dem Arzte, der unter seiner Dienerschaft war, Gift reichen lassen: auf die Kunde von der milden Gesinnung des gefürchteten Gegners bereute er diesen verzweifelten Schritt und freute sich, als der Arzt gestand, ihm nur ein unschädliches Schlafmittel gegeben zu haben, so [1341] sehr, dass er ihn mit der Freiheit beschenkte. Die Berichte darüber stimmen im ganzen überein, obgleich die einzelnen verschiedene Punkte hervorheben, vgl. Plut. Caes. 34, 3 (daraus Zonar. X 7 Ende) und die dadurch modificierten bei Sen. de benef. III 24. Plin. n. h. VII 186. Suet. Nero 2. Geradezu umgekehrt hat den Sachverhalt Lucan. II 507ff. zu Ehren des Urenkels des D., des Kaisers Nero, während in Wahrheit die Furcht vor dem Tode bei dem Ahnherrn und dem Nachkommen ähnlich in der entscheidenden Stunde zu Tage trat und dem Verhalten der Republicaner vom Schlage Catos nur zur Folie dienen konnte. Am frühen Morgen des 21. Februar folgte die Übergabe von Corfinium an Caesar; unter dem Hohn der eigenen sie begleitenden Soldaten wurden die vornehmen Gefangenen mit D. an der Spitze vor Caesar geführt; er hielt ihnen mit wenigen Worten ihre Undankbarkeit vor und entliess darauf alle ungekränkt, gab sogar dem D. die Kriegscasse mit sechs Millionen Sesterzen zurück; die Truppen der Pompeianer vereinigte er mit seinen eigenen, die dadurch um mindestens drei Legionen verstärkt wurden, und setzte, nachdem er im ganzen sieben Tage vor Corfinium verweilt hatte, den Marsch nach Süden fort (Caes. I 23, 1-5; vgl. II 32, 8). Am 2. März meldete Cic. ad Att. VIII 14, 1 den Aufbruch Caesars von Corfinium und (ebd. 3) dass er dem D. das dort vorgefundene Geld nicht zurückgegeben habe. Letzteres beruht wohl auf falschen Nachrichten; denn directe Unwahrheiten enthält der Bericht des Siegers nicht und er wird in diesem Punkte auch von Appian. II 38. 41 bestätigt. Die scheinbaren Abweichungen Appians von seiner übrigen Darstellung sind lediglich durch deren ungeschickte Verkürzung entstanden; die ausserdem vorliegenden Angaben über die Katastrophe des D. bei Corfinium bieten keine Einzelheiten (vgl. Liv. ep. CIX. Vell. II 50. 1. Suet. Caes. 34; Nero 2. Flor. II 13, 19. Oros. VI 15, 4. Plut. Caes. 34, 3. 35, 1) ausser Dio XLI 11, 2f., der darin mit Caesar übereinstimmt. Nach der Einnahme von Corfinium drangen zu Cicero über die Absichten des D. nur unsichere Gerüchte (ad Att. VIII 12, 6. 14, 3. 15, 1. IX 1, 2. 3, 1. 6, 2. 9, 3. 15, 4); dass er sich durch Caesars Milde, die dessen Anhänger übrigens missbilligten (vgl. Cael. bei Cic. ad fam. VIII 15, 2), nicht gebunden achtete und wieder zu dessen Feinden stossen würde, war gewiss, aber zu Pompeius mochte er zunächst doch nicht gehen, weil jeder von ihnen dem andern die Schuld an dem bisherigen Unglück seiner Partei beimass. Nur kurze Zeit verweilte er in Etrurien in der Gegend von Cosa, wo er Grundbesitz hatte, und wo auch die Inschrift eines seiner Freigelassenen gefunden worden ist (CIL I 1344 = XI 2638); er brachte von dieser Seestadt und von der gegenüberliegenden Insel Igilium sieben leichte Schiffe zusammen, bemannte sie mit seinen Sclaven, Freigelassenen und Colonen und segelte westwärts nach Massalia (Caes. I 34, 2; vgl. Cic. ad Att. IX 6, 2. 9, 3). Obgleich die Massalioten sich eigentlich in dem Bürgerkriege neutral erklären wollten, nahmen sie ihn bereitwillig auf und verliehen ihm den Oberbefehl gegen Caesar (Caes. I 36, 1f. Suet. Nero 2). Dieser übertrug seinen Legaten D. Brutus [1342] und C. Trebonius die Belagerung; während er selbst die Pompeianer in Spanien besiegte, wurde bei Massalia von beiden Seiten mit grosser Energie gekämpft (Caes. I 36, 4f. Dio XLI 19, 3). Brutus schlug in einer Seeschlacht die vereinigten Schiffe des D. und der Massalioten vollständig (Caes. I 56, 1–59, 1. Dio XLI 21, 3. Lucan. III 509ff.), dann in einer zweiten die neue massaliotische Flotte und die des L. Nasidienus (Caes. II 3, 1–7, 3. Dio XLI 25, 1), und Trebonius leitete die Belagerung von der Landseite mit Geschick und Glück (Caes. II 1, 1ff. 7, 4ff. u. a.). Als Caesar Ende des Sommers aus Spanien durch Gallien zurückkehrte, war die Stadt zur Ergebung bereit; ehe diese erfolgte, entfloh D., der zum zweitenmale keine Gnade von dem Sieger erwarten durfte, zur See und entkam mit seinem Fahrzeug glücklich den Verfolgern (Caes. II 22, 2–4. Suet. Nero 2. Dio XLI 25, 2; vgl. Plin. n. h. VII 186). Im folgenden J. 706 = 48 war er in Thessalien im Lager des Pompeius, ohne sich mit seinen Parteigenossen besonders gut zu vertragen; den Oberfeldherrn nannte er höhnisch Agamemnon, den König der Könige (Plut. Pomp. 67, 4, vgl. Appian. II 67); den gemässigten Cicero, der ihm gelegentlich eine witzige Antwort gab (Plut. Cic. 38, 3), schalt er furchtsam (Cic. ad fam. VI 21, 1); mit Q. Metellus Scipio und P. Lentulus Spinther stritt er im Voraus heftig über die nach Caesars Tod neu zu besetzende Oberpriesterwürde (Caes. III 83, 1. Plut. Pomp. 67, 6; Caes. 42, 1, vgl. Appian. II 69); aus dieser Angabe und aus der des Nic. Damasc. v. Caes. 4 ist allein zu schliessen, dass er Pontifex war. Im Rate äusserte er die schroffste Ansicht über das Schicksal der neutral gebliebenen Leute nach dem voraussichtlichen Siege und wollte Bussen bis zur Todesstrafe über sie verhängen (Caes. III 83, 3. Suet. Nero 2, vgl. die Anspielung bei Cic. ad Att. XI 6, 2). Seine Grausamkeit gab einem späten Rhetor Anlass zu der Erfindung folgender Greuelthat: at hercule a M. Catone L. Domitio ceterisque eiusdem factionis quadraginta senatores, multi praeterea cum spe bona adulescentes sicuti hostiae mactati sunt, cum interea importunissima genera hominum tot miserorum civium sanguine satiari nequierunt (Ps.-Sall. ad Caes. de rep. II 4, 2, vgl. Jordan De suasoriis ad Caes. senem de rep. inscriptis [Berlin 1868] 17). In der Entscheidungsschlacht bei Pharsalos am 9. August führte er den einen Flügel des Heeres, nach Plut. Pomp. 69, 1; Caes. 44, 2. Appian. II 76 den linken, nach Lucan. VII 220 den rechten. Der Bericht der Historiker dürfte vor dem des Dichters den Vorzug verdienen; denn dass auch der Oberfeldherr Pompeius auf dem linken Flügel der Schlacht beiwohnte (Caes. III 88, 2), und dass Cic. Phil. II 71 dem M. Antonius, der dem rechten der Pompeianer gegenüber befehligte, den Tod des D. und vieler anderen Optimaten zum Vorwurf macht, beweist nichts für die Angabe Lucans. Als sich die Schlacht zu Gunsten Caesars entschied, floh D. aus dem Lager auf eine Anhöhe; vor Erschöpfung verliessen ihn die Kräfte, und so wurde er von feindlichen Reitern eingeholt und niedergehauen (Caes. III 99, 4. Cic. Phil. II 27. 71; Brut. 267. Tac. ann. IV 44. Suet. Nero 2. Appian. II 82; poetisch ausgemalt bei [1343] Lucan. VII 599–616). Cicero hat in dem von D. geleiteten Processe des Milo (22) und in den nach Caesars Tod gehaltenen philippischen Reden (II 27. 71. XIII 29) dem D. viel Lob gespendet, dagegen ihn in einem vertrauten Briefe zur Zeit der Belagerung von Corfinium dumm genannt (ad Att. VIII 1, 3) und als Redner mit den paar Worten charakterisiert: nulla ille quidem arte, sed Latine tamen et multa cum libertate dicebat (Brut. 267). Caesar hat sich einer Schilderung dieses erbitterten Gegners enthalten, aber die Thatsachen sprechen lassen, die zu einem höchst ungünstigen Urteil führen. Wertlos ist Ps.-Sall. ad Caes. de rep. II 9, 2: an L. Domiti magna vis est, cuius nullum membrum flagitio aut facinore vacat, lingua vana, manus cruentae, pedes fugaces, quae honeste nominari nequeunt, inhonestissima; denn diese Stelle ist eine Nachahmung von Ps.-Sall. in Cic. 5 und schlecht zurechtgemacht, nicht für D., sondern für Catilina in Anlehnung an Cic. Cat. I 13 (vgl. Jordan Herm. XI 312). Ob D. der von Curiatius Maternus in einer Tragoedie vorgeführte ist (Tac. dial. 3), muss zweifelhaft bleiben (vgl. S. 1331). Er war vermählt mit Porcia, der Schwester Catos (Cic. Phil. II 27. Plut. Cat. min. 41, 2), die ihn um drei Jahre überlebte (Cic. ad Att. XIII 37, 3. 48, 2; vgl. Mommsen Herm. XV 101, 1); sein Sohn ist Nr. 23. Die athenische Ehreninschrift eines Λεύκιος Δομέτιος Ἀηνόβαρβος gehört wohl nicht diesem D., sondern seinem gleichnamigen Enkel Nr. 28 (CIA III 581), ebenso die milesische eines Λεύκιος Δομέτιος Γναίοθ υἰὸς Ἀηνοβάρβος ὔπατος (S.-Ber. Akad. Berl. 1901, 906).