Delatio nominis ist die technische Bezeichnung für den Act der Erhebung der Anklage im
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römischen Strafprocess. Der Ausdruck findet sich als technischer zum erstenmal in der Lex Acilia repetundarum (Bruns Font. iur. Rom.⁶ 55ff.), scheint aber schon vor der Zeit der Schwurgerichte vorgekommen zu sein (Liv. XXXVIII 55). Die d. n. erfolgt bei dem Vorsitzenden des Schwurgerichts, der über die Anklage entscheiden wird, sie führt zur receptio nominis (s. d.) seitens des Magistrats. Vgl. im allgemeinen z. B. Cic. pro Rosc. Amer. 28. 132; pro Cluent. 11. 49; divin. in Caec. 10. 63; in Verr. II 68. 94. IV 100. Ascon. in Corn. p. 59 Or. Zweifelhaft ist das Verhältnis von d. n. und postulatio (s. d.); gelegentlich sprechen die Quellen so, wie wenn die beiden durchaus identisch wären, vgl. etwa Lex Acil. repet. C. 19: nomen deferto, si deiuraverit non calumniae causa po[stulare, is praetor – nomen recipito]; anderwärts aber werden die beiden mit hinlänglicher Deutlichkeit von einander unterschieden; die postulatio geht der d. zeitlich voraus (Cic. ad fam. VIII 6: inter postulationem et nominis delationem); die postulatio ist eine postulatio delationis (Cic. div. in Caec. 64). Zwischen beiden liegt die Prüfung der Processvoraussetzungen, besonders der Anklagefähigkeit des Postulanten und der Anklagbarkeit des Postulierten (s. u. Cic. Verr. II 94), ferner die divinatio (s. d.), sofern eine solche nötig ist, und wohl auch das iuramentum calumniae (s. Art. Calumnia). Dass man postulatio und d. nicht zusammenfallen liess, führt sich wohl darauf zurück, dass man, bevor die Anklage definitiv dem Bewerber zugesprochen wurde, anderen die Gelegenheit, sich auch zu melden, und dem Angeklagten die Möglichkeit, bei der d. zugegen zu sein, wahren wollte. Die Rechtsnachteile, die die Anklageerhebung für den Angeklagten bewirkt, treten erst mit der d. ein. Anwesenheit des Angeklagten bei der n. d. scheint ursprünglich, wenn nicht nötig, so doch durchaus üblich zu sein, s. Lex Acil. rep. 19. Cic. in Verr. II 90. Senec. lud. de morte Claud. 14. Dagegen ist es Übertreibung, wenn Cicero (in Verr. II 94ff.) im Falle des Sthenius behauptet, es sei schlechtweg verboten, nomen absentis deferre, recipere, s. hierüber Geib 271ff. Zumpt 153ff. Unzulässig war nur n. d. gegenüber Personen,, die in Staatsgeschäften abwesend waren, Val. Max. III 7, 9. Ulp. Dig. XLVIII 5, 16, 1. Venul. Dig. XLVIII 2, 12 pr., ebenso gegen die im Amt stehenden Magistrate, Lex Acil. repet. 8. 9. Tac. ann. XIII 44. Venul. a. a. O. Bezüglich des letzteren Falles trifft Tiberius eine Änderung dahin, dass die Erhebung der Anklage zulässig sein, die Durchführung aber bis nach Ablauf der Amtszeit suspendiert werden solle; Papin. Dig. XLVIII 5, 39, 10 (reus quidem postulatur – sed differtur accusatio). Unklar ist die ursprüngliche Form der d. n. Man hat aus Paul. Dig. XLVIII 2, 3 und Cic. de inv. II 58 schliessen wollen, sie habe von Anfang an in der Einreichung einer Anklageschrift bestanden(so Zumpt, Padeletti). Dies wird aber durch die angezogenen Stellen keineswegs bewiesen; die Lex Acilia sieht eine solche Schrift nirgends vor, und es ist ein solches Heraustreten der Schriftlichkeit für den älteren Process an und für sich nicht sehr wahrscheinlich. Es liegt näher, bei der n. d. an eine mündliche Erklärung zu denken, in der der Ankläger
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zum mindesten die Person des Angeklagten und das Verbrechen benennen muss (de parricidio, de pecuniis repetundis nomen deferre Cic. pro Rosc. Am. 28; divin. in Caec. 10). Bei Cic. in Verr. II 90, vgl. 94, erscheint die n. d. deutlich als eine mündliche Rede und auch die in den libelli inscriptionis (s. u.) später gebräuchliche Formel professus – se deferre [ream], quod dicat [eam adulterium commisisse] (Paul. Dig. XLVIII 2, 3 pr.) scheint auf eine ursprünglich mündliche d. hinzuweisen; vgl. auch Quint. inst. orat. IV 2, 7. An diese mündliche Erklärung schliesst sich dann die inscriptio (s. d.), die allerdings im Beginn der Kaiserzeit allmählich (s. aber noch Senec. lud. de morte Claud. 14) so sehr an Bedeutung gewinnt, dass die d. in der inscriptio aufgeht und die Anklageerhebung durch Einreichung einer Anklageschrift (libelli inscriptionis, accusatorii) erfolgt. Von dieser Zeit an verschwinden die Ausdrücke nomen deferre, nominis delatio mehr und mehr, der Ausdruck deferre (aliquem, crimen, accusationem) kommt gelegentlich noch für den Act der Anklageerhebung vor, gewöhnlich ist er aber ein allgemeiner Ausdruck für Anklagen, Thätigkeit des Anklägers schlechthin, so dass deferre, accusare, postulare nunmehr ganz in gleicher Bedeutung gebraucht werden und mit einander abwechseln. Vgl. Geib 552ff. Binding De nat. inquis. proc. crim. Rom. 14 und etwa Tac. ann. XII 42. XIII 23. XIV 48. Plin. ep. VI 31. Apul. de mag. 2 (accusationem deferre). Papin. Dig. L 1. 17, 12 (criminis nominare). Ulp. Dig. XXV 3, 5, 11. XLVIII 5, 28, 7 (crimen deferre). Maccr Dig. XLVIII 2, 11, 2 (deferre aliquem). Marcian. Dig. L 4, 7 pr. Constantin. Cod. Iust. IX 9, 29 pr. IX 11, 1, 1. Valent. Theod. und Arcad. Cod. Iust. IX 44, 1 (reum sub inscriptione deferre). Arcad. u. Honor. Cod. Iust. IX 1, 20.
Litteratur: Geib Gesch. d. röm. Crim.-Proc. 266–272. 546–552. Zumpt Crim.-Proc. d. röm. Rep. 142–157. Binding De nat. inquis. proc. crim. Rom. 13–20. Padeletti-Holtzendorff Lehrb. d. röm. Rechtsgesch. 272. 275. Maynz Nouv. rev. hist. 1882 (VI) 6. Schulin Lehrb. d. röm. Rechtsgesch. 560–562.