2) (Ἀρδέα; Einwohner Ardeas, Ἀρδεάτης, Stadt der Rutuler in Latium, in der Aeneassage Königssitz des Turnus (Verg. Aen. VII 409–411), liegt 12 km. von der Küste (70 Stadien Strab. V 232. Ptolem. III 1, 61; weniger genau nennen es unter den Küstenstädten Plin. III 56 und Mela II 71). Die Gründung schreibt die Sage entweder einem Sohn des Odysseus und der Kirke (Xenagoras bei Dionys. Hal. I 72. Steph. Byz.) oder häufiger (Verg. a. a. O. Serv. Aen. VII 372. Plin. a. a. O. Solin. II 5. Schol. Stat. Theb. II 220) der Danae, Mutter des Perseus, zu. A. erscheint als eine der ältesten und bedeutendsten Städte an der Seeküste: von der Ausdehnung legen die wohl erhaltenen Befestigungswerke, Quadermauern und Wälle (O. Richter Ann. d. Inst. 1884, 90–107. Mon. d. Inst. XII 2) noch heute Zeugnis ab: von der maritimen Bedeutung zeugt die Tradition, dass die Ardeaten mit den Zakynthiern vereint Saguntum in Spanien gegründet hätten (Liv. XXI 7, 2. Sil. It. I 293). In der römischen Königsgeschichte erscheint A. im Kriege mit Tarquinius Superbus (Liv. I 57–60. Flor. I 75. Oros. II. 4. Eutrop. I 8. Dionys. IV 64): der karthagische Vertrag bei Polyb. III 22. 24 nennt es unter den der römischen Botmässigkeit unterworfenen Orten; unter den dreissig latinischen Städten das Foedus Cassianum bei Dionys. V 61. Eine ungerechte Entscheidung der Römer in einem Streit zwischen A. und Aricia soll im J. 309 = 445 zu einer Empörung der Ardeaten geführt haben (Liv. III 71. 72. IV 1). Die Umgestaltung der Stadt zu einer latinischen Colonie melden die Annalen aus dem J. 312 = 442 (Liv. IV 9–11, vgl. IV 7. Diod. XII 34); bald nachher erscheint es als Ort des Exils des Camillus (Liv. V 43. 48. Val. Max. IV 1, 2. Plut. Cam. 23. 24), was für die staatsrechtliche Stellung wichtig ist (Mommsen St.-R. III 48; vgl. noch Appian It. 8. Dionys. XIII 15). Die Ardeaten hatten die Sorge für das allen Latinern gemeinsame Heiligtum der Venus zu Lavinium (Strab. V 232); auch beim Tempel auf dem Mons Albanus (vgl. Liv. XXXII 1) ist eine kleine Basis mit der sehr altertümlichen Inschrift DIOEI (= Diovei) ARDEATES gefunden (ungenau CIL VI 2020 = XIV 2231. Hülsen Röm. Mitt. 1894 Hft. 4). In der Nähe lag ein Heiligtum der Göttin Nascio (Cic. de nat. deor. III 47), auch am Flusse Numicus der lucus Iovis Indigetis (Plin. III 56) mit dem angeblichen Tumulus des Aeneas (Dion. Hal. I 52), in der Stadt selbst ein Tempel der Iuno Regina (Plin. XXXV 115) und ein anderer des Castor und Pollux (Serv. Aen. I 44), beide wegen ihrer Gemälde genannt (vgl. noch Plin. XXXV 17). Dass die Samniten A. und Umgegend verwüstet hätten, meldet Strabon V 232. 249. Im hannibalischen Kriege verweigerten die Ardeaten im J. 209 und 204 die weitere Stellung von Mannschaften (Liv. XXVII 9, 7. XXIX 15, 5). Im J. 186 wurde der in den Bacchanalienprocess verwickelte Minius Cerrinius in A. interniert (Liv. XXXIX 19, 2). Später sank A. besonders durch die zunehmende Ungesundheit seiner Lage (Strab.
[613] V 231. Seneca ep. 105. Martial. IV 60); schon Verg. Aen. VII 412 sagt et nunc magnum manet Ardea nomen, sed fortuna fuit (vgl. Sil. It. I 291): doch blieb es Colonie (CIL X 6764; ein curator reip. A. VIII 7044. X 1254); die Angabe des Liber colon. p. 231 A. oppidum: imperator Adrianus censiit u.s.w. ist ungeschickte Interpretation des echten Documents Grom. 251 Lachm. Gelegentlich erwähnt noch bei Varro d r. r. II 11. 10. Vitruv. VIII 3 (Schwefelquellen bei A.). Iuv. XII 105. Colum. III 9, 2. Sil. It. VIII 370. Über die Reste von A. vgl. noch Gell Topography of Rome 97–100. Nibby Dintorni di Roma 218–241. Abeken Mittelitalien 131 u. ö. Tomassetti Archivio della soc. Romana di storia patria 1880, 139–141. Lateinische Inschriften CIL X 6763–6772.
A. Pasqui, der neuerdings (Not. d. scavi 1900, 53–68) das Terrain von A. durch Ausgrabungen genauer untersucht hat, kommt hinsichtlich der Chronologie der Reste zu wesentlich andern Resultaten als O. Richter (Ann. d. Inst. 1884, 90ff.). Er schreibt die grossen Wälle im Osten des heutigen A., die Richter für vorservianisch oder wenig später erklärt hatte, dem 3. Jhdt. v. Chr., der Zeit der grössten Blüte der Stadt, zu. Die Nekropole des ältesten A., am Thalrande östlich gegenüber dem modernen A., in der Tenuta di Civitavecchia, hat zwar nur unbedeutende Rest von Keramik ergeben; dagegen ist die der erweiterten Stadt (ausserhalb des zweiten östlichen Walles) sicher in das 3. Jhdt. v. Chr. zu datieren (Beschreibung des Inhaltes von 16 Gräbern a. a. O.
[124] 53–59). Die Zone zwischen beiden Wällen (Tenuta di Casalazzàro) ist von Gräbern absolut frei, dagegen finden sich hier und in Tenuta Civitavecchia zahlreiche Reste von Privatgebäuden aus Tuff und Ziegeln. Interessante Reste von Höhlenwohnungen am Nordrande des Felsens der Cititavecchia beschrieben und gezeichnet a. a. O. 64–68. In der Stadt, gegenüber Palazzo Cesarini, hat Pasqui die Fundamente eines Tempels aus Tuffquadern entdeckt; er vermutet, dass ein in der Nähe gefundenes Bruchstück (Füsse) einer überlebensgrossen männlichen Statue aus Thon von vortrefflicher Arbeit (5.–4. Jhdt. v. Chr.) diesem Tempel angehöre. Über frühere Ausgrabungen in und bei A. vgl. noch Not. d. scavi 1881, 91. 1882, 273. 1885, 160. Lateinische Inschriften aus A. auch Ephem. epigr. VIII 667. 668. Erwähnt wird A. noch bei Paulin. Nolan. nat. III 71.