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Ein Aufruf an die gesammte deutsche Nation

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Textdaten
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Titel: Ein Aufruf an die gesammte deutsche Nation
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 496
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[496] Ein Aufruf an die gesammte deutsche Nation ist am 5. Juni in der Berliner geographischen Gesellschaft berathen worden. Die Opferwilligkeit der Deutschen soll in Anspruch genommen werden für Zwecke, denen sie schon früher ihre Theilnahme in rühmlicher Weise zugewandt hat, für – Forschungen an beiden Polen unserer Erde, in den arktischen und antarktischen, jenen nördlichen und südlichen Polarzonen, die seither Millionen an Werth und Tausende von Menschenleben verschlungen haben. Diesem Uebel soll nunmehr entgegengetreten werden. Man will sich nämlich nicht mehr mit der bloßen Entdeckung der Configuration von Land und Meer begnügen. Es soll vielmehr der Schlüssel zu den meteorologischen und anderen Geheimnissen gesucht werden, deren Lösung alle Menschen praktisch und theoretisch berührt. Dieser Schlüssel liegt in jenen hohen Breiten des Nordens und Südens, und von Deutschland aus hat sich der Gedanke und der Plan verbreitet, denselben aufzusuchen, die civilisirten Nationen zu einer internationalen Junta zusammenzurufen, um zu berathen, in welcher Weise der gefaßte Plan ausgeführt werden soll.

Die Wichtigkeit des Planes tritt mahnend hervor bei Erwägung der großen Verluste, welche schon deutsche Schiffe allein in nur sechs Jahren erfahren haben. Von 1873 bis 1878 gingen 1005 Schiffe mit einem Gesammtinhalt von 225,554 Register Tons und 2204 Menschenleben verloren. Der Verlust der anderen Nationen wird diese Zahlen wohl noch übersteigen. Alle diese Verluste aber würden bei besserer Kenntniß der meteorologischen Vorgänge unserer Atmosphäre sehr wesentlich verringert worden sein.

Es richteten sich daher schon lange die Blicke der Meteorologen aller Länder nach den höchsten geographischen Breiten, wo sehr wahrscheinlich der Ausgangspunkt jener wirbelartigen Luftströmungen zu suchen ist, die oft plötzlich, und ohne daß Vorbereitungen getroffen werden können, über das Meer und die Länder der gemäßigten Zone daherbrausen, vernichtend und zerstörend, was die menschliche Cultur aufgebaut hat.

Diese Vorgänge zu erforschen, ihr Entstehungsgebiet mit einer Reihe fester, wissenschaftlicher Stationen zu umgeben, ihr Vorgehen, Ankommen und Verschwinden zu registriren und in erweiterter Kenntniß daraus Grundgesetze der praktischen Wetterkunde abzuleiten, das ist allein schon eine Aufgabe, welche die höchste – auch pecuniäre – Bedeutung für den Wohlstand der ganzen Menschheit hat. Darum hatte die Berliner „Gesellschaft für Erdkunde“ es übernommen, für die Realisirung dieser sehr bedeutsamen Ideen mit ihrem Einflusse einzutreten und den Appell an die deutsche Nation von Berlin aus ertönen zu lassen.

An der Spitze der Agitation stehen keine geringeren Männer, als der berühmte Führer der „Gazelle“ auf der ersten wissenschaftlichen deutschen Erdumseglung, Capitain zur See Freiherr von Schleinitz, und der kenntniß- und erfahrungsreiche Director der deutschen Seewarte in Hamburg, Professor Dr. Neumayer.