Mathematische Principien der Naturlehre/Buch1-XIII
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§. 131. Lehrsatz. Ist die Anziehung, welche ein Körper bei der Berührung mit einem andern anziehenden Körper erleidet, weit stärker, als wenn sie von einander um einen noch so kleinen Zwischenraum getrennt werden; so nehmen die Kräfte der Theilchen des anziehenden Körpers, wenn der angezogene sich entfernt, in einem grössern Verhältniss als dem doppelten der Entfernungen von den Theilen ab.
Nehmen die Kräfte im doppelten Verhältniss der Abstände von den Theilchen ab, so wird die Anziehung gegen einen sphärischen Körper, weil dieselbe (nach §. 117.) dem Quadrat des Abstandes vom Mittelpunkte der Kugel umgekehrt proportional ist, nicht merklich durch die Berührung vergrössert werden. Noch weniger findet eine Vergrösserung statt, wenn die Anziehung mit der Entfernung des angezogenen Körpers in einem kleinern Verhältniss abnimmt. Für anziehende Kugeln ist daher der Satz klar.
Dieselbe Bewandtniss hat es mit concaven sphärischen Schalen, welche ausserhalb gelegene Körper anziehen. Weit klarer ist die Sache bei solchen Schalen, welche innerhalb gelegene Körper anziehen; da die Anziehungen, welche einzelne Theile der Schale ausüben, durch entgegengesetzte Anziehungen anderer einzelner Theile (nach §. 112.) aufgehohen werden und desshalb bei der Berührung selbst Null sind.
Werden nun von diesen Kugeln und Schalen beliebige, vom Berührungspunkte entfernte, Stücke fortgenommen und neue Stücke beliebig hinzugefügt, so können die Figuren dieser anziehenden Körper nach Belieben geändert werden; jedoch vermehren die hinzugefügten oder fortgenommenen Theile, da sie vom Berührungspunkte entfernt sind, nicht merklich das Uebermaass der Anziehung, welches aus der Berührung hervorgeht.
Der Satz ist somit für Körper von jeder Gestalt klar. W. z. b. w.
§. 132. Lehrsatz. Nehmen die Kräfte der Theile, aus denen ein anziehender Körper zusammengesetzt ist, bei grösserer Entfernung des angezogenen Körpers im drei- oder mehrfachen Verhältniss der Abstände von den Theilchen ab; so wird die Anziehung weit stärker bei der Berührung sein, als wenn der anziehende und der angezogene Körper noch so wenig getrennt sind.
Dass die Anziehung bei der Näherung des angezogenen Körpers gegen eine anziehende Kugel dieser Art ins Unendliche vergrössert werde, ergiebt sich durch die Auflösung der Aufgabe §. 126., zweites und drittes Beispiel. Dasselbe wird durch Vergleichung dieser Beispiele mit §. 127. leicht für Anziehungen von Körpern gegen concav-convexe Schalen bewiesen; mögen die Körper sich ausser- oder innerhalb der Höhlungen befinden.
Indem man nun von diesen Kugeln oder Schalen überall ausserhalb des Berührungspunktes beliebige Materie fortnimmt oder ihnen hinzufügt, nehmen sie jede verlangte Form an und es wird so der Satz für alle Körper klar. W. z. b. w.
§. 133. Lehrsatz. Zwei einander ähnliche und aus gleich anziehender Materie bestehende Körper ziehen, jeder für sich, kleine Körper an, welche ihnen selbst proportional und ähnlich gelegen sind. Es verhalten sich alsdann die beschleunigenden Anziehungen der kleinen Körper, wie die beschleunigenden Anziehungen der erstern gegen Theile der letztern, welche den ganzen proportional und ähnlich gelegen sind.
Man denke sich die Körper in Stücke getheilt, welche den ganzen proportional und in ihnen ähnlich gelegen sind. Alsdann verhalten sich die Anziehungen gegen die einzelnen Stücke des ersten Körpers zu denjenigen gegen die einzelnen entsprechenden Stücke des zweiten, wie die Anziehung gegen irgend ein einzelnes Stück des ersten zur Anziehung gegen das entsprechende Stück des zweiten Körpers. Durch Zusammensetzung verhält sich alsdann eben so die Anziehung gegen den ganzen ersten Körper zu der gegen den ganzen zweiten. W. z. b. w.
Zusatz 1. Nehmen daher die anziehenden Kräfte der Stücke, wenn man den Abstand des angezogenen kleinen Körpers vergrössert, nach irgend einer Potenz des Abstandes ab; so verhalten sich die beschleunigenden Anziehungen gegen die ganzen Körper
- direct wie die letztern und
- indirect wie jene Potenz der Abstände.
Nehmen etwa die Kräfte der Theile im doppelten Verhältniss der Abstände von den angezogenen kleinen Körpern ab, und verhalten eich die Körper zu einander, wie
also so wohl die Seiten der ihnen gleichen Würfel, als auch die Abstände der angezogenen kleinen Körper von den anziehenden wie
so verhalten sich die beschleunigenden Anziehungen gegen die Körper, wie
Nehmen die Kräfte der Theile im dreifachen Verhältniss der Abstände ab, so verhalten sich die beschleunigenden Anziehungen gegen die ganzen Körper, wie
d. h. sie sind einander gleich.
Nehmen die erstem im vierfachen Verhältniss ab, so verhalten sich die letztern, wie
d. h. indirect wie die Würfelseiten A und B. u. s. w. f.
Zusatz 2. Man kann daher aus den Kräften, mit denen ähnliche Körper andere ähnlich gegen sie gelegene kleine Körper anziehen, auf das Verhältniss schliessen, welches für die Abnahme der Kräfte einzelner anziehender Stücke beim Zurückweichen des angezogenen Körpers stattfindet. Jene Abnahme der Kräfte muss sich nur direct oder indirect wie irgend eine Potenz des Abstandes verhalten.
§. 134. Lehrsatz. Verhalten sich die anziehenden Kräfte gleicher Theilchen eines beliebigen Körpers, wie die Abstände der angezogenen Punkte an diesen Theilchen, so ist die Kraft des ganzen Körpers nach seinem Schwerpunkte gerichtet und gleich derjenigen, welche eine Kugel besitzen würde, die aus ähnlicher und gleicher Materie bestände und ihren Mittelpunkt im Schwerpunkt des Körpers hätte.
Die Theilchen A und B des Körpers RSTV ziehen den beliebigen kleinen Körper Z mit Kräften an, welche, wenn
ist, sich wie |
1. , |
und wenn
ist, sich wie |
2. , |
verhalten. Man drücke daher beide Kräfte durch die Producte A · AZ und B · BZ aus. Zieht man nun die Linie AB und schneidet man dieselbe in G so, dass
so ist G der gemeinschaftliche Schwerpunkt beider Theile A und B.
Die Kraft A · AZ wird (nach Gesetze, Zusatz 2.) in die Seitenkräfte
die Kraft B · BZ in
zerlegt. Nach 3. ist aber
und da beide Kräfte nach einander entgegengesetzten Richtungen wirken, so heben sie sich einander auf und es bleiben nur die Kräfte
übrig. Diese sind von Z gegen G gerichtet, und bilden zusammengesetzt die Kraft
d. h. dieselbe, als wenn beide anziehende Theilchen A und B sich in ihrem gemeinschaftlichen Schwerpunkte G befanden und dort eine Kugel bildeten.
Fügt man nach derselben Weise ein drittes Theilchen C hinzu und setzt man dessen Kraft mit der nach G gerichteten
zusammen; so ist die daraus entspringende Kraft nach dem gemeinschaftlichen Schwerpunkte der Kugel G und des Theilchen C, d. h. nach dem gemeinschaftlichen Schwerpunkte der drei Theilchen
gerichtet, und sie ist dieselbe, als wenn jene Kugel und das Theilchen C zusammen sich in ihrem gemeinschaftlichen Schwerpunkte befänden und dort eine grössere Kugel bildeten. Ebenso kann man ins Unendliche fortfahren. Die ganze Kraft aller Theilchen des beliebigen Körpers RSTV ist daher dieselbe, als wenn der letztere, unter Beibehaltung seines Schwerpunktes, eine Kugelgestalt annähme.
Zusatz. Hiernach wird die Bewegung des angezogenen Körpers Z dieselbe sein, als ob der anziehende Körper RSTV eine Kugel wäre. Wenn also der letztere entweder ruhet, oder sich gleichförmig und geradlinig fortbewegt, so wird der angezogene Körper sich in einer Ellipse bewegen, deren Centrum im Schwerpunkte des anziehenden Körpers befindlich ist.
§. 130. Lehrsatz. Bestehen mehrere Körper aus gleichen Theilchen, und verhalten sich die Kräfte der letztern wie die Abstände der angezogenen Punkte von den einzelnen Theilen; so ist die aus allen zusammengesetzte Kraft, wodurch ein beliebiger Körper angezogen wird, nach dem gemeinschaftlichen Schwerpunkte der Theilchen gerichtet und dieselbe, als wenn jene anziehenden Theilchen, unter Beibehaltung ihres gemeinschaftlichen Schwerpunktes, sich vereinigten und eine Kugel bildeten.
Der Beweis wird wie im vorhergehenden §. geführt.
Zusatz. Die Bewegung des angezogenen Körpers wird daher dieselbe sein, als wenn die anziehenden Körper, unter Beibehaltung ihres gemeinschaftlichen Schwerpunktes, sich vereinigten und eine Kugel bildeten. Ruht dieser Schwerpunkt entweder, oder bewegt er sich gleich förmig auf einer geraden Linie, so bewegt sich der angezogene Körper in einer Ellipse, deren Centrum sich im gemeinschaftlichen Schwerpunkte der anziehenden Körper befindet.
§. 136. Aufgabe. Wenn nach den einzelnen Punkten eines Kreises gleiche Centripetalkräfte gerichtet sind, welche in irgend einem Verhältniss der Abstände zu- oder abnehmen; so soll man die Kraft finden, mit welcher ein kleiner Körper überall auf einer geraden Linie angezogen wird, die perpendikulär auf die Ebene des Kreises durch seinen Mittelpunct gezogen ist.
Zum Mittelpunkt A und Radius AD denke man sich einen Kreis in einer Ebene gezogen, welche auf AP senkrecht ist; zu suchen ist die Kraft, mit welcher ein Körper P gegen denselben gezogen wird. Von einem beliebigen Punkte E des Kreises ziehe man nach dem angezogenen Körper P die Linie PE, nehme auf PA
errichte in F das Perpendikel FK, welches der Kraft, womit der Punkt E den kleinen Körper P anzieht, proportional ist. JKL sei die Curve, in welche der Punkt K beständig fällt, dieselbe schneide die Ebene des Kreises in L. Nimmt man hierauf
und errichtet man das Perpendikel HJ, welches obige Curve in J schneidet, so wird die Anziehung des kleinen Körpers P gegen den Kreis proportional der in AP multiplicirten Fläche AHJL.
Man nehme auf AE die sehr kleine Linie Ee an, ziehe Pe und mache auf AP
Da nach der Voraussetzung die Kraft, mit welcher der beliebige Punkt E des Ringes den Körper P anzieht, der Linie PK proportional ist; so wird hiernach die Kraft, mit welcher jener Punkt den Körper P gegen A zieht, sich wie
zusammengesetzt verhalten. Dieser Ring ist aber proportional dem Rechteck, dessen Seiten der Radius AE und die Breite Ee sind, und dieses Rechteck wird (weil PE : AE = Ee : CE)
Mithin verhält sich die Kraft, mit welcher jener Ring den Körper P gegen A zieht, wie
oder wie das Produkt aus der Fläche FK kf in AP.
Die Summe der Kräfte, mit denen alle Ringe in dem zum Mittelpunkte A und Radius AD beschriebenen Kreise den Körper P gegen A ziehen, verhält sich daher wie das Produkt der ganzen Fläche AHJKL in AP. W. z. b. w.
Zusatz 1. Nehmen die Kräfte im doppelten Verhältniss der Abstände ab, d. h. ist FK proportional , also die Fläche AHJKL proportional
so verhält sich die Anziehung des Körpers P gegen den Kreis wie
Zusatz 2. Verhalten sich allgemein die Kräfte der Punkte im Abstände D umgekehrt wie irgend eine Potenz des letztern, d. h. FK wie , also AHkKL wie
so verhält sich die Anziehung des Körpers P gegen den Kreis, wie
Zusatz 3. Wird der Durchmesser des Kreises ins Unendliche vergrössert, und ist
so verhält sich die Anziehung des kleinen Körpers P gegen die ganze unendlich grosse Ebene umgekehrt wie
weil das andere Glied , verschwindet.[3]
§. 137. Aufgabe. Man soll die Anziehung bestimmen, welche auf der Axe eines festen runden Körpers gelegener, kleiner Körper von diesem erleidet; wenn nach den einzelnen Punkten des letzteren Centripetalkräfte gerichtet sind, welche in irgend einem Verhältniss der Abstände abnehmen.
Gegen den festen Körper DECG Fig. I.) wird der auf der Axe AB gelegene kleine Körper P hingezogen. Durch einen beliebigen, auf diese Axe senkrechten Kreis RTS werde der feste Körper geschnitten, und auf dem Halbmesser TS nehme man in der durch die Axe gehenden Ebene PALJB (nach §. 136.) die Länge TK derjenigen Kraft proportional, mit welcher der Körper P gegen den Kreis gezogen wird. Der Punkt K liege aber in der Curve LKJ, welche die Ebenen der äussersten Kreise DG und EC in den Punkten L und J schneidet; alsdann verhält sich die Anziehung des Körpers P gegen den festen Körper wie die Fläche LABJ.
Zusatz 1. Ist der feste Körper ein Cylinder, welcher durch Umdrehung des Parallelogramms ADEB (Fig. II.) um die Axe AB beschrieben worden ist, und sind die nach den einzelnen Punkten desselben gerichteten Centripetalkräfte den Quadraten der Abstände von ihnen umgekehrt proportional; so verhält sich die Anziehung des Körpers P gegen diesen Cylinder, wie
Denn die Ordinate TK ist (nach §. 136., Zusatz 1.) proportional
Der erste Theil, über die Länge AB geführt, beschreibt die Fläche
der zweite Theil , über die Länge PB geführt, beschreibt die Fläche
(was durch die Quadratur der Curve LKJ leicht gezeigt werden kann). Aehnlich beschreibt derselbe Theil, wenn er über PA geführt wird, die Fläche
und er beschreibt daher, indem er über den Unterschied
geführt wird, die Fläche
Subtrahirt man von der ersten Fläche 1 · AB die zweite 1 · (PE — PD), so bleibt die Fläche
Zusatz 2. Hiernach wird auch die Kraft bekannt, mit welcher das Sphäroïd AGBCD einen Körper P anzieht, welcher sich ausserhalb desselben auf seiner Axe AB befindet.
Es sei NKRM ein Kegelschnitt, dessen auf EP senkrechte Ordinate ER immer gleich PD sei, welche letztere Linie nach dem Punkte D gesogen ist, in welchem jene Ordinate das Sphäroïd schneidet. In den Scheitelpunkten A und B des Sphäroïds errichte man auf die Axe AB die Perpendikel
wesshalb beide AK und BM den Kegelschnitt in K und M schneiden. Nun ziehe man KM, welche das Segment KMRK abschneidet. Ist nun S der Mittelpunkt des Sphäroïds und SC die halbe grosse Axe; so verhält sich die Kraft, mit welcher das Sphäroïd den Körper P anzieht, zu derjenigen, mit welcher die über AB beschriebene Kugel ihn anzieht, wie
Auf dieselbe Weise kann man die Kräfte der Segmente des Sphäroïds finden.
Zusatz 3. Befindet sich der kleine Körper innerhalb des Sphäroïds auf irgend einem gegebenen Durchmesser desselben, so ist seine Anziehung seinem Abstande vom Mittelpunkte proportional.
Dies wird folgendermassen bewiesen. Es sei AGOF das anziehende Sphäroïd, S sein Mittelpunkt und P der angezogene Körper. Durch P ziehe man den Halbmesser APS und zwei beliebige gerade Linien DE und FG, welche das Sphäroïd auf beiden Seiten in D und E, wie in F und G schneiden. Es seien PCM und HLN die Oberflächen zweier inneren Sphäroïde, welche dem äusseren ähnlich und concentrisch sind, und von denen die erstere durch den Punkt P geht und die geraden Linien DE und FG in den Punkten B und C schneidet. Die zweite schneide dieselben Linien in den Punkten H und J, K und L. Haben alle Sphäroïde eine gemeinschaftliche Axe, so werden die auf beiden Seiten abgeschnittenen Theile der geraden Linien einander gleich, nämlich
weil die geraden Linien DE, PB und HJ respective in demselben Punkte halbirt werden. Man denke sich nun, dass DPF und EPG die entgegengesetzten, mit den unendlich kleinen Vertikalwinkeln DPF und EPG beschriebenen, Kegel bezeichnen, und dass die Linien DH und EJ unendlich klein seien. Die Theile dieser Kegel DHKF und GLJE, welche durch die Oberflächen der Sphäroïde abgeschnitten werden, verhalten sich, weil
zu einander, wie die Quadrate ihrer Abstände vom Körper P, und ziehen daher denselben gleich stark an. Aus demselben Grunde werden, wenn man sich die Räume DPF und EGCB durch die Oberflächen unzähliger ähnlicher, concentrischer und zu gleicher Axe gehöriger Sphäroïde in Theilchen zerlegt denkt, diese alle den Körper P von beiden Seiten gleich und nach entgegengesetzten Richtungen ziehen. Die Kräfte des Kegels DPF und des Kegelstückes EGCB sind daher einander gleich und heben sich, weil sie entgegengesetzt wirken, gegenseitig auf. Dieselbe Bewandtniss hat es mit den Kräften aller Materie, welche sich ausserhalb des innern Sphäroïds PCBM befindet
Der Körper P wird daher allein durch dieses innere Sphäroïd angezogen und (nach §. 114.) verhält sich seine Anziehung zu derjenigen Kraft, mit welcher das ganze Sphäroïd AGOD den Körper A anzieht, wie
§. 138. Aufgabe. Ein anziehbarer Körper ist gegeben; man soll das Verhältniss der Abnahme bestimmen, welche die nach seinen einzelnen Punkten gerichteten Centripetalkräfte erleiden.
Man bilde aus dem gegebenen Körper eine Kugel, oder einen Cylinder oder einen andern regulären Körper, dessen Anziehungsgesetz, einem jeden Verhältniss der Abnahme entsprechend, (nach §§. 125., 126. und 137.) gefunden werden kann. Hierauf bestimme man durch Versuche die Kraft der Anziehung in verschiedenen Abständen. Das so erkannte Gesetz der Anziehung gegen den ganzen Körper wird das Verhältniss der Abnahme ergeben, welche die Kräfte der einzelnen Theile erleiden.
§. 139. Lehrsatz. Ein fester Körper ist nach Einer Seite durch eine Ebene, nach den übrigen gar nicht begrenzt und besteht aus gleichen und gleich anziehenden Theilen. Die Kräfte derselben nehmen bei zunehmender Entfernung vom festen Körper, in einem grösseren Verhältniss als dem zweiten der Abstände ab. Ein auf der einen oder andern Seite der Ebene gelegener kleiner Körper wird aber durch die Kraft des ganzen Körpers angezogen. Alsdann nimmt die anziehende Kraft des festen Körpers, bei beliebiger Entfernung von der ebenen Oberfläche, in einem Verhältniss des Abstandes des angezogenen Körpers von jener Ebene ab, dessen Exponent um 3 Einheiten kleiner ist als der Exponent, welchen die Abstände haben.
Erster Fall. Es sei LGl die Ebene, welche den festen Körper
begrenzt, und der letztere liege nach der Seite J dieser Ebene zu, und werde in unzählige Ebenen
welche alle parallel lGL sind, aufgelöst. Zuerst befinde sich der angezogene Körper C ausserhalb des festen Körpers. Man ziehe CGHJ auf alle die unzähligen Ebenen perpendikulär und es mögen die anziehenden Kräfte der Punkte des festen Körpers in dem Verhältniss der nten Potenz ihrer Abstände abnehmen, wo n nicht kleiner als 3 ist. Es ist daher (nach §. 136., Zusatz 3.) die Kraft, mit welcher die beliebige Ebene mHM den Körper C anzieht, umgekehrt proportional
Auf mHM nehme man die Länge HM der Potenz CHn-2 umgekehrt proportional, alsdann verhält sich jene Kraft wie HM. Eben so nehme man in den
einzelnen Ebenen die Längen |
IGL, nJN, oKO, etc. GL, JN, KO, etc. |
respective den Potenzen CGn-2, CJn-2, CKn-2 etc. umgekehrt proportional an; alsdann verhalten sich die Kräfte dieser Ebenen wie eben diese Längen, folglich die Summe der Kräfte wie die Summe der Linien, d. h. es verhält sich die Kraft des ganzen festen Körpers wie die Fläche GLOK, welche gegen OK hin ins Unendliche erweitert ist. Diese Fläche verhält sich aber, nach den bekannten Methoden der Quadraturen, umgekehrt wie
und daher auch die Kraft des ganzen Körpers umgekehrt wie
Der Theil LGloKO des festen Körpers, welcher durch die Ebenen lLG und oKO begrenzt ist, wird den in der Mitte gelegenen kleinen Körper C' nach keiner Seite hinziehen, weil die entgegengesetzten Wirkungen entgegengesetzter Punkte wegen der Gleichheit der erstern eich gegenseitig aufheben. Der kleine Körper C' wird daher bloss durch die Kraft des, jenseits der Ebene OK gelegenen, festen Körpers angezogen und diese Kraft verhält sich (nach dem ersten Falle) umgekehrt wie C'Kn-3, d. h. (weil C'G = C'K) umgekehrt wie
Zusatz 1. Wird der feste Körper LGJN durch die zwei unbegrenzten und einander parallelen Ebenen LG und JN auf beiden Seiten begrenzt, so erhält man die anziehende Kraft desselben, indem man von der anziehenden Kraft des ganzen unbegrenzten Körpers LGKO die anziehende Kraft des jenseitigen Theiles NJKO, welcher gegen KO ins Unendliche erweitert ist, abzieht.
Zusatz 2. Im Fall man den jenseitigen Theil des festen Körpers, weil seine Anziehung, mit der des diesseitigen verglichen, von fast gar keiner Bedeutung ist, verwirft; so nimmt die Anziehung des diesseitigen Theiles, bei Vergrösserung des Abstandes, sehr nahe im Verhältniss von CGn-3 ab.
Zusatz 3. Irgend ein begrenzter und an Einer Seite ebener Körper zieht einen kleinen Körper aus der Gegend jener mittlern Ebene her an, der Abstand zwischen dem angezogenen Körper und der Ebene ist aber, im Vergleich mit den Dimensionen des anziehenden Körpers, sehr klein. Ferner besteht der letztere aus den homogenen Theilen, deren anziehende Kräfte in irgend einer höhern als der vierten Potenz der Abstände abnehmen. Alsdann nimmt die anziehende Kraft des ganzen Körpers sehr nahe im Verhältniss einer Potenz ab, deren Wurzel jener sehr kleine Abstand und deren Exponent um 3 Einheiten kleiner ist, als der der vorhergenannten Potenz.
Bei einem Körper, welcher aus Theilchen besteht, deren anziehende Kräfte im Verhältniss der dritten Potenz der Abstände abnehmen, gilt diese Behauptung nicht, weil in diesem Falle die Anziehung jenes jenseitigen Theiles des unbegrenzten Körpers im Zusatz 2. immer unendlich grösser ist, als die Anziehung des diesseitigen Theiles.
§. 140. Anmerkung. Ein Körper wird perpendikulär gegen eine Ebene gezogen; man sucht aus dem gegebenen Gesetz der Anziehung seine Bewegung.
Man löst diese Aufgabe, indem man (nach § 77.) die Bewegung des geradlinig gegen diese Ebene sich bewegenden Körpers bestimmt und dieselbe (nach Gesetze, Zusatz 2.) mit der gleichförmigen Bewegung zusammengesetzt, welche längs gerader und der Ebene paralleler Linien stattfindet. Sucht man umgekehrt das Gesetz der Anziehung, welche gegen eine Ebene längs auf sie perpendikulärer Linien stattfindet, unter der Bedingung, dass der Körper sich auf einer gegebenen Curve bewege; so wird die Aufgabe nach dem Muster des §. 28. gelöst.
Die Operationen pflegen aber abgekürzt zu werden, wenn man die Ordinaten in convergirende Reihen auflöst. Zur Abscisse A gehöre unter einem beliebigen Coordinatenwinkel die Ordinate B, welche der beliebigen Potenz
der Abscisse proportional ist. Man sucht die Kraft, vermöge welcher der Körper, je nach der Lage der Ordinate gegen die Abscisse hingezogen oder von ihr fortgestossen, sich auf einer Curve bewegen könne, in welcher das obere Ende der Ordinate beständig liegt. Gesetzt, die Abscisse werde um ein sehr kleines Stück vergrössert; alsdann löse man die entsprechende Ordinate
in die Reihe
auf und setze dasjenige Glied, welches O² enthält, d. h.
der Kraft proportional. Die gesuchte Kraft verhält sich also, wie
Bezieht sich etwa die Ordinate auf eine Parabel, so ist
und es verhält sich die Kraft, wie
sie ist also constant[8]. Ist daher die Kraft constant, so bewegt sich der Körper in einer Parabel, wie Galilei bewiesen hat.
Bezieht sich ferner die Ordinate auf eine Hyperbel, wo
so verhält sich die Kraft wie
Der Körper bewegt sich demnach vermöge einer Kraft, welche dem Cubus der Ordinate umgekehrt proportional ist, in einer Hyperbel.
Indem ich Sätze dieser Art verlasse, gehe ich zu andern Sätzen der Bewegung über, welche roch nicht berührt worden sind.
Bemerkungen und Erläuterungen [des Übersetzers]
[Bearbeiten]- ↑ [590] No. 69. S. 215. Setzt man PF = x, FK = y, so wird (Fig. 120.) .
- ↑ [590] No. 70. S. 215. Hier wird
- ↑ [590] No. 71. S. 215. Es ist nämlich PH = PD = , wo AP constant. [591] Wenn daher AD = ∞ ist, so wird auch PH = ∞, und so für n > 1, .
- ↑ [591] No. 72. S. 216. (Fig. 121., I.) Setzt man PT = x, so wird 1 · dx = 1(PB - PA) = 1 · AB.
- ↑ [591] No. 73. S. 216. (Fig. 121., II.) Setzt man AD = RT = EB = r, so wird und
= (PE + C) — (PD + C) = PE — PD. - ↑ [591] No. 74. S. 217. (Fig. 122.) Setzt man der Kürze wegen AP = α. AS = SB = b, PE = x, PD = ER = z, so ist nach §. 136., Zusatz 1. die Anziehung des Punktes P durch das Sphäroïd proportional
1. Man setze ferner ED = y, SC = a; alsdann wird
2. y² = [2b(x — α) — (x — α)²] und hieraus
z² = x² + y² = oder
3. bz = . Aus 3. folgt für x = α, bx = bα, und für x = α + 2b, bx = b (α + 2b). Da nun allgemein
4. , ferner
, oder aus dieser
5. ; so wird
[592] 6. Es ist aber AKRMB = AKMB + KMRK = 2b(α + b) + KMRK; mithin aus 6.
7. . Weil aber α² + 2αb + a² = (α + b)² + a² — b², wird die Anziehung des Sphäroïds proportional
8. Ist hingegen eine Kugel über AB beschrieben, so wird bei der vorhergehenden Bezeichnung
9. y² = 2b(x — α) — (x — α)², z² = x² + y² = — α² — 2αb + 2(α + b)x 10. für x = α, z = α, x = α + 2b, z = α + 2b und da allgemein
11. [593] die Anziehung der Kugel proportional12. . Hiernach verhält sich endlich die Anziehung des Sphäroïds zu der von Seiten der Kugel auf P ausgeübten Anziehung, wie
- ↑ [593] No. 75. S. 219. Setzt man CH = x, HM = y, so wird y = und daher die Fläche GLOK = also weil = 0, GLOK = .
- ↑ [593]
No. 76. S. 221. Es sei x² = py, also y = ; alsdann wird und = Constans, und es drückt die Kraft aus, welche den Körper längs der Linie y anzieht.
- ↑ [593]
No. 77. S. 221. Die Gleichung der Hyperbel in Beziehung auf die Asymptoten ist y = und hieraus , also nach der Bezeichnung im Texte die Kraft proportional . Derselbe Werth ergiebt sich, wenn man die Werthe m = — 1 und n = 1 in substituirt. Hingegen würde aus der Substitution derselben Werthe von m und n in der Werth B³ hervorgehen. Hiernach müsste, wenn ich nicht irre, der Schluss der Anmerkung im Texte geändert werden.
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Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig. |