Malerische Wanderungen durch Kurland
Der Leser wird bemerken, daß, obgleich
ich mir Mühe gegeben, in die
Zeichnungen des Vaterlandes einen
gewissen Zusammenhang zu bringen,
doch dieser in so fern fehlt, daß
eine Gegend im Frühlinge, die andere
gleich darauf folgende, im Herbste
gezeichnet worden. Da ich nicht
zu gleicher Zeit, und nicht in einer
Folge diese Reisen machte, so ist
jener Umstand natürlich – und, wie
ich hoffe, zu entschuldigen. Ich zeige
ihn an, um von dieser Seite allem
Tadel zu begegnen, so wie ich hingegen,
[IV] für denjenigen, welcher mir
vorwerfen sollte, daß ich, im eigenen
Vaterlande, vieles gelobt, manches
sogar mit Entzücken gepriesen,
und nichts mit Bitterkeit getadelt,
kein Wort der Entschuldigung habe.
Für Leser, deren Seele, wie das negative
Ende einer Magnetnadel, immer
nach Süden zeigt, und die aus
dem Norden nur die Thaler schätzen,
mit denen man die Freuden des Auslandes
bezahlen kann, oder eher von
den Schönheiten des Eismeeres, als denen
des eigenen Landes zu sprechen
erlauben, das Entzücken im Anblick
der Natur nach Füßen und Zollen
berechnen wollen, und z. B. glauben,
ein Berg müsse wenigstens 2000 Fuß
hoch seyn, ein Wasserfall 50 Fuß
herniederstürzen, wenn man bey dem
Anblick desselben empfinden will,
welche Reize die Natur hat, für solche
[V] Leser möchte ich nicht gern
geschrieben haben, von solchen nicht
gern beurtheilt werden. – Daß ich
nichts mit Bitterkeit, und nur im
Ganzen wenig getadelt habe, möge
man mir eben so verzeihen. Erstlich
liebe ich die milzsüchtigen Reisebeschreibungen
nicht, deren Verfasser
wie Epidemien im Lande herum grassiren,
um alle Krankheitsstoffe an
sich zu ziehen, und zweytens fühle
ich mich auch nicht berechtigt, Mängel
zu rügen, die es vielleicht bey
näherer Prüfung nicht sind. Wo
Etwas auffallenden Tadel verdiente,
glaube ich ihn mit Bescheidenheit,
zuweilen scherzend und zuweilen im
Ernst geäußert zu haben. –
Wenn dieses Buch Beyfall findet, nur dann ist eine Fortsetzung gewiß und ich glaube dem zweyten Theile mehr Interesse als dem ersten geben [VI] zu können, da er Gegenden zeichnen soll, die mir weniger bekannt sind, und wo also der erste Anblick, freyere Ansicht und einen lebendigern Eindruck gewährt. Für den mit dem Localen unbekannten Ausländer wird alsdann der zweyte Theil eine Karte enthalten, wo die Gegenden, die der Leser mit mir durchwandert, genau bemerkt werden sollen.
[VII]
[VIII]
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Kapitel ergänzt; vergl. Druckfehler.