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MKL1888:Weißenburg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Weißenburg“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Weißenburg“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 16 (1890), Seite 510
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Weißenburg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 510. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wei%C3%9Fenburg (Version vom 16.09.2022)

[510] Weißenburg (ungar. Fehér), ungar. Komitat am rechten Donauufer, von den Komitaten Pest, Tolna, Veszprim und Komorn umschlossen, 4156 qkm (75,5 QM.) groß, bildet in seinem südlichen Teil eine wellenförmige Ebene, während der Norden vom Vérteser Gebirge und Bergreihen des Bakonyer Waldes durchzogen wird. Die Donau bildet die östliche Grenze. Der Sumpf Sár-Rét hat seit Errichtung des Sárvizkanals an Ausdehnung bedeutend abgenommen. Hauptprodukte sind: Getreide (besonders Weizen), Mais, treffliche Weine, Obst aller Art und Tabak. Ebenso blüht die Hornvieh-, Schaf-, Pferde- und Schweinezucht. Sitz des Komitats, welches 1881: 209,440 Einw. (meist Ungarn) zählte, ist die Stadt Stuhlweißenburg.

Weißenburg, 1) (W. am Sand, W. im Nordgau) unmittelbare Stadt im bayr. Regierungsbezirk Mittelfranken, an der Schwäbischen Rezat und an der Linie München-Bamberg-Hof der Bayrischen Staatsbahn, 432 m ü. M., hat eine schöne evangelische und eine kath. Kirche (beide im gotischen Stil), ein gotisches Rathaus, eine Lateinschule, eine Realschule, ein Bezirksamt, ein Amtsgericht, bedeutende Gold- und Silbertressenfabrikation, Fabrikation von Tuch und emailliertem Blechgeschirr, Bierbrauerei, eine kalkerdige Mineralquelle mit Badeanstalt und (1885) 5797 meist evang. Einwohner. Der Ort wird schon 792 erwähnt, erhielt im 14. Jahrh. die Reichsfreiheit, nahm 1525 die Reformation an und kam 1802 und 1806 an Bayern, nachdem er in kurzer Zwischenzeit bei Preußen gewesen war. – 2) (Kron-W.) Kreis- und Kantonshauptstadt im deutschen Bezirk Unterelsaß, an der Lauter und der Eisenbahn Straßburg-W.-Bayrische Grenze, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Gymnasium, ein Amtsgericht, eine Oberförsterei, Strumpfwaren-, Papier-, Hut-, Leder- und Streichholzfabrikation, eine große lithographische Anstalt, Färberei, Bierbrauerei, Weinbau und (1885) mit der Garnison (2 Infanteriebat. Nr. 60) 5968 meist evang. Einwohner. – W. verdankt sein Dasein einer Benediktinerabtei, welche im 7. Jahrh. gestiftet wurde, eine berühmte Schule besaß, und in welcher um 868 der Mönch Otfried die Evangelienharmonie dichtete. Die Propstei der Abtei, welche im Mittelalter Fürstenrecht erworben hatte, ging 1545 auf die Bischöfe von Speier über. Die Stadt, 1247 zuerst genannt, machte sich 1305 von der Herrschaft des Abtes unabhängig und gehörte dann zu den zehn freien Reichsstädten im Elsaß; sie führte 1534 die Reformation ein, ward 1677 von den Franzosen erobert und verbrannt und 1697 Frankreich zugesprochen. Am 4. Aug. 1870 fand bei W. das erste siegreiche Gefecht der Deutschen gegen die Franzosen statt. Mac Mahon hatte die 2. Division seines Armeekorps unter dem General Douay bis W. vorgeschoben. Die Stadt war von einem Bataillon besetzt, die übrige Division lagerte auf den südlichen Höhen ohne eine Ahnung von der Nähe des Feindes, als 81/2 Uhr früh eine bayrische Batterie von der bayrischen Division Bothmer von der Höhe südlich von Schweigen das Feuer auf W. eröffnete. Während nun die Bayern, zunächst allerdings ohne Erfolg, W. selbst angriffen, rückte das 5. Korps gegen Altenstadt und den Eisenbahndamm vor und suchte die 21. Division vom 11. Korps die Stellung Douays auf dem Geißberg von Südosten her zu umfassen. Douay fand gleich bei Beginn des Kampfes, wahrscheinlich durch die Explosion in einer Mitrailleusenbatterie, seinen Tod. Es gelang dem 58. Regiment und dem 5. Jägerbataillon, allerdings unter großen Verlusten, den Bahnhof und die nächst gelegene Vorstadt, den Bayern, W. selbst zu erstürmen. Nun richtete sich der deutsche Angriff, besonders der 9. Division (7., 47., 58. und 59. Regiment), gegen die französische Stellung auf den Höhen südlich von W., deren stärksten Stützpunkt das feste, sturmfreie Schloß Geißberg bildete. Das 7. (Königsgrenadier-) Regiment erlitt bei dem Sturm auf das Schloß große Verluste. Erst als die übrigen französischen Bataillone vor dem Anmarsch des 11. Korps den Rückzug antraten und das Schloß mit Granaten beworfen wurde, nahm die Besatzung (200 Mann) um 2 Uhr die angebotene Kapitulation an. Das Gefecht, dessen glücklicher, durch Preußen und Bayern erfochtener Ausgang in Deutschland großen Jubel erregte und die Zuversicht auf den Sieg im weitern Kampf kräftigte, hatte 91 Offiziere und 1460 Mann an Toten und Verwundeten gekostet; die Franzosen verloren ein Geschütz und 1000 Gefangene. Vgl. „Der deutsch-französische Krieg 1870/71“ (Generalstabswerk); S. v. B., Das Gefecht von W. (Berl. 1885). – 3) Stark besuchter und vortrefflich eingerichteter Kurort im schweizer. Kanton Bern, im Nieder-Simmenthal, 896 m ü. M., mit einer erdigen Quelle von 24° C., die namentlich Brustleidenden empfohlen wird. Vgl. Schnyder, Bad und Kuranstalt W. (Basel 1884). – 4) Stadt in Ungarn, s. Karlsburg.