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MKL1888:Schlittschuh

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Schlittschuh“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Schlittschuh“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 14 (1889), Seite 534535
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Schlittschuh. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 534–535. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Schlittschuh (Version vom 12.12.2023)

[534] Schlittschuh (nach alter Schreibart auch Schrittschuh, franz. Patin, engl. Skate), in neuester Zeit mehrfach vervollkommte Vorrichtung, um sich auf dem Eise schnell und leicht fortzubewegen, wobei nach Joly ein vorübergehendes Schmelzen des Eises unter dem Druck der Körperlast die Leichtigkeit des Gleitens bewirken soll. Die Schlittschuhe wurden, wie die Pfahlbautenfunde ergeben haben, schon in uralten Zeiten gebraucht und aus Pferdeknochen verfertigt. Noch im vorigen Jahrhundert wurden in London solche mit Riemen befestigte Knochenschlittschuhe gebraucht, und in Norwegen und Island findet man sie noch heute in Anwendung, wie denn auch bei uns auf dem Land immer noch kleine Schlitten mit Knochen als Unterlage von den Kindern angefertigt werden. Jene Knochenschlittschuhe, welche so groß waren wie diese kleinen Knochenschlitten, hießen altnordisch bald Skidi, bald Öndrun, und Uller, der Schlittschuh-Ase der Edda, wird als der Meister in ihrem Gebrauch geschildert. Während die nordischen Völker ebenso wie die Friesen, Holländer etc. immer gute Schlittschuhläufer blieben, war die Kunst in Deutschland mehr auf die Jugend beschränkt geblieben, bis durch Klopstocks enthusiastische Schilderungen (z. B. in seinen Oden: „Der Eislauf“, „Braga“, „Die Kunst Thialfs“) das Schlittschuhlaufen von neuem populär wurde und es in neuerer Zeit mit dem Aufschwung der gesamten Sportbewegung zum bevorzugten Wintervergnügen der höhern Stände geworden ist. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts kannte man nur die ältern, wie es scheint, in Skandinavien erfundenen Stahlschlittschuhe, bei denen die Sohle in Holz eingelassen ist, und nur eine oder höchstens zweierlei Befestigungsarten, den Kreuzriemen mit der Kappe und mit den knöchelmarternden Ringen oder den Schnürschuh. Mit der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts kam eine neue Befestigungsart auf, indem der S. mittels einer Schraube im Absatz befestigt wurde. Ein völliger Umschwung wurde aber erst durch die Amerikaner bewirkt. Unter den Hunderten von neuen Befestigungsarten, welche seitdem patentiert worden sind und jährlich patentiert werden, haben sich bis jetzt zwei ganz besonders bewährt: die Befestigung mittels Schrauben an der Seite der Sohle und des Absatzes von A. Stotz in Stuttgart und die weitere sogen. Halifaxsche Verbesserung, welche dieselbe Wirkung mittels eines Hebels hervorbringt. Diese Schlittschuhe halten genau so fest wie die Sohle selbst, ohne den Fuß im mindesten zu drücken. Den schnellsten S. haben bis jetzt die Friesen gebaut mit einer ungeheuer schmalen, langen und flachen Stahlsohle (30 cm Länge, 3 mm Breite und 10 cm Tangente), wobei zum bessern Abstoßen die innere Kante um 1/3 mm höher geschliffen ist als die äußere. Mit solchen Schlittschuhen fliegt man über das Eis, ohne zu ermüden; aber sie dienen nur zum Geradeausfahren. Zum Fahren von Bogen und Bogenkombinationen oder Figuren muß die Stahlsohle einen flachen Bogen beschreiben, dessen Tangente je nach den Leistungen, die man wünscht, 1/2–2 cm lang sein darf. Je kürzer die Tangente, umso breiter muß wieder die Sohle sein, um nicht zu tief in das Eis einzuschneiden. In neuester Zeit hat man auch eine Kombination dieser beiden Eigenschaften nach einem vom Amerikaner Haynes konstruierten Modell im Gebrauch, welches hinten unter der Ferse eine Kurve von ungefähr 1/3 cm und unter dem Ballen eine solche von 2 cm hat und außerdem nach hinten schmäler zuläuft. Die Kunst des Schlittschuhfahrens hat sich je nach der Örtlichkeit verschieden entwickelt. In Holland, Friesland, Skandinavien, in der Schweiz, in Norddeutschland und Kanada wird das Weit- und Schnellfahren mehr gepflegt, welches in Kanada und auf den dänischen Inseln durch ein auf dem Rücken befestigtes und leicht stellbares Segel sehr gefördert wird (ein Friese legt eine Strecke von 160 niederländischen Ellen in 14 Sekunden zurück). In Großstädten mit kleinen Eisplätzen und rivalisierenden Schlittschuhläufern ist das Kunstfahren mehr ausgebildet. Den ersten Rang unter diesen nimmt darin wohl New York ein, und von dort gekommene Meister der Kunst, wie Haynes, haben in [535] den europäischen Hauptstädten Schule gemacht. Die eifrigsten Schüler hat Haynes wohl in Wien hinterlassen, wo jetzt nicht bloß Herren, sondern auch Damen mit den New Yorkern an Fertigkeit wetteifern. – Die Schlittschuhe sind nicht zu verwechseln mit den Schneeschuhen (s. d.) der Skandinavier. Hauptsächlich durch die Anregung der Schlittschuhszene in Meyerbeers „Propheten“ sind in neuerer Zeit auch die schon früher von J. Garcin erfundenen Rollschuhe als Schlittschuhsurrogat aufgekommen, auf denen in mit Asphalt oder besser mit Zement ausgelegten Hallen (Skating-Rinks) gefahren wird. Diese Bewegung kam zuerst in den Vereinigten Staaten von Nordamerika mit Erfolg auf und fand rasch auch in Europa Nachahmung. Jährlich werden Dutzende von Patenten auf neue Rollschuhe genommen. In England und an einigen Orten des Kontinents baute man sogar Skating-Rinks, in denen durch ein Röhrensystem, in welchem sehr kalte Salzlösungen zirkulieren, eine wirkliche Eisbahn im Sommer erzeugt wurde, oder ahmte die Eisfläche durch kristallisierende Salzmischungen nach, die täglich neu geglättet wurden. Das Rollschuhfahren ist besonders für die südlichen Länder, welche kein Eis haben, ein recht hübscher Ersatz; gleichwohl ist dieser Sport bereits wieder im Rückgang begriffen. Vgl. Anderson, The art of skating (Lond. 1867); Vandervell und Wetham, A system of figure-skating (3. Aufl., das. 1874); Swatek, Das Schlittschuhlaufen (Wien 1874; „Figuren“, das. 1885); Wirth u. a., Spuren auf dem Eise (das. 1880); Brink, Schlittschuhfahrkunst (Plauen 1881); Calisius, Kunst des Schlittschuhlaufens (Wien 1885).[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe auch die weiteren Artikel im Supplement: Schlittschuhlaufen (Band 19) und Schlittschuhsegeln (Band 18).