MKL1888:Ring
[841] Ring, ein Reif, meist von edlem Metall, bisweilen auch von Eisen, Horn, Elfenbein etc., der, gewöhnlich an einem Finger getragen, entweder zum bloßen Schmuck dient, oder auch eine symbolische Bedeutung, wie die einer Verbindlichkeit, Verbindung etc., hat. Hinsichtlich ihres Zwecks unterscheidet man Trau-, Verlobungs-, Siegel-, Schlag- und Zauberringe. Außer Fingerringen tragen die zivilisierten Völker Europas nur noch Ohrringe (s. d.), während bei den Morgenländern auch Ringe um den Fußknöchel und die Fußzehen im Gebrauch sind und bei wilden Völkerstämmen und in Indien sogar Ringe, in der durchbohrten Scheidewand der Nase angebracht, sich noch vorfinden. Hals-, Arm- (am Ober- und Unterarm) und Fußringe trugen auch die barbarischen Stämme Europas (Kelten, Germanen, Skandinavier, Slawen etc.), wie schon prähistorische Funde beweisen. Eigentümlich geformte Schläfenringe waren für die Slawen charakteristisch. Gedrehte Halsringe (torques) aus Bronze oder Gold und Wandelringe (Bronzehalsringe mit wechselnder Torsion) werden in vorgeschichtlichen Fundstätten nicht selten angetroffen (s. Tafeln „Metallzeit I u. II“). Zerhackte Ringe aus Gold, Silber, Bronze galten als eine von den Heerkönigen verteilte Belohnung und im Verkehr als Geld. Vgl. Ringgeld und Armband. In der Bibel wird der R. oft erwähnt. In den Siegelringen (Chotham) der Juden, welche nicht nur an den Fingern, sondern auch an einem Band auf der Brust getragen wurden, stand gewöhnlich der Name des Besitzers und ein Spruch aus dem Alten Testament. Auch kannten bereits die Juden sowie die Araber, die Lydier (der R. des Königs Gyges) u. a. die Zauberringe, welche entweder zur Abwendung irgend eines Übels oder zur Herbeiführung eines Glücks dienten. In dem indischen Drama „Sakuntala“ dreht sich die Handlung um einen R., welchen König Duschjanta seiner jungen Gemahlin gibt, und an welchem er sie wiedererkennt. Die Ägypter hatten Finger- und Siegelringe von Gold, Silber und Bronze, in welche nicht selten ein Skarabäus eingegraben war. In Arabien und Persien werden die Reisepässe durch Ringe mit Smaragden vertreten, da eigentlich bloß Personen von fürstlichem Rang solche Auszeichnungen tragen. In Griechenland trug zu Solons Zeiten jeder freie Mann einen Siegelring von Gold, Silber oder Bronze, später auch mit einem geschnittenen Edelstein, wie es der R. des Polykrates gewesen sein soll. Die Frauen trugen dergleichen von Elfenbein und von Bernstein; auch übergaben oft Sterbende den Überlebenden Ringe. So z. B. überreichte Alexander d. Gr. bei seinem Ableben seinen Siegelring dem Perdikkas, woraus man schloß, daß er diesen damit als seinen Nachfolger habe bezeichnen wollen. Die Römer trugen in den ältesten Zeiten, nach der von den Etruskern überkommenen Sitte, eiserne Siegelringe; nur die Senatoren und die ihnen an Rang gleichstehenden Magistrate, später auch die Ritter, durften goldene tragen. Dies Recht des goldenen Ringes blieb bis unter den ersten Kaisern eine Auszeichnung des Ritterstandes; erst unter Hadrian hörte dieses Unterscheidungszeichen auf, bis Justinian allen Freigebornen und Freigelassenen das Recht eines goldenen Ringes gestattete, der aber nur ein einfacher Goldreif war. Daß daneben auch in Ringen mit geschnittenen Steinen durch fast alle Schichten der Bevölkerung ein großer Luxus getrieben wurde, beweisen die durch die Ausgrabungen zum Vorschein gekommenen zahlreichen Ringsteine, die uns einen klaren Begriff von den Leistungen dieses Kunstzweigs von den glänzendsten Produktionen zur Zeit Alexanders d. Gr. bis auf die Zeit des Verschwindens aller Kunstbildung geben (s. Gemmen, mit Tafel). Mit dergleichen teils zum Siegeln, teils zum bloßen Schmuck bestimmten Ringen beluden nach dem Bericht des Plinius die Römer und die Römerinnen ihre Finger. Sie hatten sogar je nach der Jahreszeit verschiedene Ringgarnituren, leichtere im Sommer, schwerere im Winter. Wie bei den Heiden und bei den Juden der R. auch das bedeutungsvolle Symbol der Ehe war, so nahmen auch die ältesten Christen diesen Gebrauch an und statteten den R. mit christlichen Symbolen aus. Bei den germanischen Völkern kommen die Ringe (vingerlîn) als Fingerschmuck und Liebeszeichen sehr frühzeitig vor; auch erhielten Tote Ringe mit ins Grab. Die Ritter des Mittelalters trugen Ringe (aus Eisen, aber auch aus edlem Metall) um den Hals, die Arme und Beine, womit die Ablegung eines Gelübdes bezeichnet war. Mit großer Feierlichkeit wurden sie angelegt und wieder abgenommen. Besonders hochgeschätzt waren die Armringe, auf welche man sogar den Schwur ablegte (Schwurringe). Es war auch Sitte, den Schuldner durch Anlegung eines Ringes um den Arm an seine Verbindlichkeit zu mahnen. Im 15. Jahrh. wurde es Mode, allerlei Devisen auf den Ringen anzubringen, Wortspiele, Rebusse, heraldische Sinnbilder etc. Eine besondere Zeremonie fand in Venedig statt, wo der Doge jährlich am Himmelfahrtstag einen R. ins Meer warf, um die Vermählung der Republik mit der See anzudeuten. Der vom Papst geführte R. heißt Fischerring (s. d.); auch erhält jeder Kardinal bei seiner Ernennung vom Papst einen R. mit einem Saphir. Der R. gehört auch nachweislich schon seit dem 5. Jahrh. zu den Insignien der Bischöfe als Symbol ihrer der Ehe zu vergleichenden Verbindung mit der Kirche. In der Übergabe von R. und Stab bestand die Investitur (s. d.). Die Verlobungs- und Trauringe sind noch jetzt bei uns allgemein im Gebrauch, die erstern meist mit einem à jour gefaßten Edelstein, die letztern einfache Goldreife. Sie fanden in die kirchliche Sitte Aufnahme, indem sie mit Rücksicht auf 1. Mos. 38, 18 und 2. Mos. 35, 22 durch den Priester geweiht und an den vierten Finger der linken Hand gesteckt zu werden pflegten, weil nach alter Annahme von diesem aus eine Ader gerade nach dem Herzen gehen sollte. Die in Tirol und andern Alpenländern üblichen Stoß- oder Schlagringe dienen zum Faustkampf. (S. auch Schmucksachen, mit Tafel, Fig. 22). Vgl. F. Schneider, Die Gestaltung des Ringes vom Mittelalter bis in die Neuzeit (Mainz 1878), und „Illustrierte Zeitung“ 1879, Bd. 1, S. 285 ff.
Ring (Annulus), in der Botanik Bezeichnung für die stark verdickten Zellen der Farnsporangien (s. Farne, S. 52); die manschettenartigen häutigen Gebilde an den Stielen mancher Pilze, z. B. beim Champignon, Fliegenpilz etc.
[842] Ring (engl.), eine für politische oder kommerzielle Zwecke gebildete Vereinigung oder Genossenschaft, namentlich in Nordamerika. Berüchtigt ist der Tammany-R. von Tweed, Fisk u. a., der mehrere Jahre die Stadtverwaltung von New York beherrschte und zu schamloser Bereicherung seiner Mitglieder ausbeutete.
Ring an Mond oder Sonne, s. Hof, S. 604 f.
Ring, 1) tom (zum), Künstlerfamilie des 16. Jahrh. zu Münster in Westfalen. Von dem Haupte derselben, Ludger dem ältern (1496–1547), Maler, Architekt und Buchdrucker, haben sich ein Votivbild und mehrere Bildnisse in Münster und im Museum zu Berlin erhalten. Sein Sohn Hermann (geb. 1521, gestorben um 1597) hat zahlreiche religiöse Bilder gemalt, welche sowohl den Einfluß Michelangelos als denjenigen Dürers zeigen. Hervorzuheben sind: die Auferweckung des Lazarus und die Kreuzigung (Dom zu Münster), Kreuzigung (Museum des Kunstvereins daselbst) und das Jüngste Gericht (Utrecht). Sein jüngerer Bruder, Ludger der jüngere (geboren nach 1521, gestorben um 1583 in Braunschweig), hat meist Porträte gemalt. Das Berliner Museum besitzt von ihm eine Hochzeit zu Kana.
2) Max, Romanschriftsteller, geb. 22. Juli 1817 zu Zauditz bei Ratibor, studierte in Breslau und Berlin Medizin, lebte dann als praktischer Arzt in Pleß, später zu Gleiwitz, gab 1848 die Praxis auf und widmete sich erst zu Breslau, seit 1850 in Berlin der litterarischen Thätigkeit. Es gelang ihm, eine Tragödie: „Die Genfer“, kleine Lustspiele, wie „Scarrons Liebe“, „Alle spekulieren“, „Unsre Freunde“ etc., auf die Hofbühne zu bringen, die beifällige Aufnahme fanden; indessen war er durch sein Talent vorzugsweise auf den Roman und die Novelle hingewiesen. Wir erwähnen von seinen zahlreichen Werken dieser Art: „Die Kinder Gottes“ (Bresl. 1852); „Der Große Kurfürst und der Schöppenmeister“ (das. 1852, 3 Bde.); „Stadtgeschichten“ (Leipz. 1852, 4 Bde.); „Verirrt und erlöst“ (Gotha 1855, 2 Bde.); „Aus dem Tagebuch eines Berliner Arztes“ (Berl. 1856); „John Milton und seine Zeit“ (Frankf. 1857); „Rosenkreuzer und Illuminaten“ (Berl. 1861, 4 Bde.); „Ein verlornes Geschlecht“ (das. 1867, 6 Bde.); „Götter und Götzen“ (2. Aufl., das. 1871, 4 Bde.); „Eine unversorgte Tochter“ (Jena 1876, 2 Bde.); „Die Lügner“ (Stuttg. 1878, 3 Bde.); „Goldene Ketten“ (Bresl. 1880, 4 Bde.); „Berliner Kinder“, Roman (Berl. 1883, 3 Bde.); „Berliner Leben“, Kulturstudien (Leipz. 1882), u. a. R. liebt es, in seinen Romanen soziale Fragen der Gegenwart zu behandeln, und zeichnet sich durch einen gewissen Ernst der Tendenz und scharfe Beobachtung des menschlichen Lebens aus. Auch gab er „Lorbeer und Cypresse, Litteraturbilder“ (3. Aufl., Berl. 1873) und die illustrierten Werke: „Die deutsche Kaiserstadt Berlin“ (Leipz. 1882–84, 2 Bde.) und „Das Buch der Hohenzollern“ (das. 1888) heraus.