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MKL1888:Martignac

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Martignac“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Martignac“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 11 (1888), Seite 294295
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Martignac. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 294–295. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Martignac (Version vom 18.01.2024)

[294] Martignac (spr. -tinjack), Jean Baptiste Gage, Vicomte de, franz. Staatsmann, geb. 1776 zu Bordeaux, studierte die Rechtswissenschaft, begleitete 1798 Sieyès als Privatsekretär nach Berlin und ließ sich sodann als Advokat in Bordeaux nieder. Da er während der Hundert Tage in einer Broschüre gegen Napoleon I. auftrat, erhielt er nach der zweiten Restauration die Stelle eines Generalprokurators zu Limoges. 1821 in die Deputiertenkammer gewählt, schloß er sich hier der konstitutionellen Partei an und bekundete bedeutende Rednertalente. Bei der Expedition nach Spanien 1823 bekleidete er die Stelle eines Zivilkommissars; [295] 1824 ward er zum Staatssekretär, darauf zum Direktor der Domänen und zum Vikomte befördert. Nach Rücktritt des Ministeriums Villèle 3. Jan. 1828 zum Minister des Innern ernannt, erlangte er im neuen Ministerium durch seine versöhnliche, gemäßigte Haltung gegen die Liberalen und seine staatsmännische Einsicht den überwiegenden Einfluß. Er begann eine zweckmäßige Reform der Verwaltung und entfernte viele dem Volk verhaßte Personen aus derselben. Er erkannte namentlich die Notwendigkeit einer Dezentralisation des Verwaltungsorganismus, um eine gesunde Entwickelung zur Freiheit zu ermöglichen, und legte 1829 der Kammer ein Munizipal- und Departementalgesetz vor, welches indes trotz der glänzenden Verteidigung Martignacs nicht die Zustimmung derselben fand. Infolgedessen sah er sich genötigt, 8. Aug. 1829 vom Ministerium zurückzutreten. M. hielt sich nun 1830 in der Deputiertenkammer zur Opposition und war unter denen, welche die Adresse der 221 unterstützten. Dennoch trat er nach der Julirevolution in der Kammer als Verteidiger des Charakters Karls X. auf und führte mit edler Freimütigkeit in dem Prozeß gegen die Exminister die Verteidigung Polignacs. Er starb 3. März 1832. Nach seinem Tod erschien von ihm: „Essai historique sur la révolution d’Espagne et sur l’intervention de 1823“ (Par. 1832, 3 Bde.). Vgl. Daudet, Le ministère de Mons. de M. (Par. 1875).