MKL1888:Mainz
[119] Mainz, ehemaliges deutsches Erzstift und Kurfürstentum, im nieder- oder kurrheinischen Kreis, am Rhein und Main zwischen der Wetterau, Franken, der Grafschaft Sponheim und Württemberg gelegen, soll nach der Legende von einem Schüler des Apostels Paulus, Crescens, gegründet sein, der um 82 unter der in Mainz stehenden 22. Legion das Christentum gepredigt habe und daselbst den Märtyrertod gestorben sei. Die Verzeichnisse seiner Nachfolger auf dem Bischofsstuhl bis ins 6. Jahrh. sind ein Machwerk späterer Zeit. Bonifacius, schon 732 Metropolit von Germanien, erhielt mit päpstlicher Zustimmung 747 den Mainzer Stuhl als Erzbistum und zu Suffraganen die Bischöfe zu Tongern (nachher Lüttich), Köln, Worms, Speier, Utrecht, Würzburg, Eichstätt, Buraburg (bei Fritzlar), Erfurt, Straßburg und Konstanz. 753 übergab er das Erzbistum seinem Schüler Lullus, der viele Kirchen und Klöster stiftete. Unter seinen Nachfolgern waren die berühmtesten: Hrabanus Maurus (847–856); Hatto I. (891–913), der eine große Rolle in der Geschichte des Deutschen Reichs unter Ludwig dem Kind und Konrad I. spielte; der durch die Sage vom Mäuseturm berüchtigte Hatto II. (968–970); Willigis (975–1011), der vom Papst das Pallium nebst dem Vorrecht erhielt, auf allen deutschen und französischen Konzilen zu präsidieren und den deutschen König zu krönen; Gerhard II. von Eppenstein (1289–1305), der 1294 vom Grafen Heinrich von Gleichen das obere Eichsfeld erwarb, sich durch die Concordata Gerhardi um die Herstellung der Ordnung im Reich sehr verdient machte und aufs neue den Titel eines Erzkanzlers von Deutschland sowie 1298 den ersten Rang im Reich für sich und seine Nachfolger zugesprochen erhielt; Heinrich von Virneburg, seit 1328, der in dem Erzbischof Balduin von Trier vom Kapitel einen Gegenbischof entgegengestellt erhielt und erst 1336 allgemein anerkannt, 1346 wegen seiner Parteinahme für Kaiser Ludwig den Bayer vom Papst abgesetzt ward, aber sich gleichwohl im Erzbistum bis an seinen Tod (1353) behauptete. Zu seiner Zeit umfaßte dasselbe 14 Bistümer, nämlich außer den 6 frühern (Konstanz, Eichstätt, Speier, Straßburg, Worms und Würzburg) Augsburg, Chur, Halberstadt, Hildesheim, Olmütz, Paderborn, Prag und Verden. 1343 verlor M. die Metropolitangewalt über Prag und Olmütz und verzichtete auf das Recht, den König von Böhmen zu krönen. Zwischen Ludwig von Meißen, der 1373 vom Papst und Kaiser eingesetzt, und Adolf I. von Nassau, Bischof von Speier, der vom Kapitel gewählt worden war und in Erfurt residierte, kam es zum Krieg, der 1381 durch einen Vergleich beendigt ward, nach welchem Adolf Erzbischof in M. blieb, Ludwig aber das Erzbistum Magdeburg mit dem Titel eines Erzbischofs von M. erhielt. Die Streitigkeiten der Mainzer mit dem Erzbischof Konrad III. über die von diesem beanspruchte Befreiung der Geistlichen von den städtischen Steuern wurden erst 1435 durch Dietrich, Schenk von Erbach, beigelegt und unter Vermittelung des Baseler Konzils die sogen. Pfaffenrachtung vereinbart. Dietrichs Nachfolger Dietrich II., Graf von Isenburg, wurde, da er die von 10,000 auf 21,600 Gulden erhöhten Annaten nicht bezahlen wollte, vom Papst abgesetzt und an seiner Stelle Adolf II. von Nassau zum Erzbischof ernannt. Dies gab Veranlassung zu einem für das Erzstift verderblichen Krieg, der endlich 1463 durch einen Vergleich geschlichtet wurde, nach welchem Dietrich der Verwaltung des verarmten Erzstifts entsagte. Nach Adolfs II. Tod (1475) wieder zum Erzbischof ernannt, eröffnete Dietrich II. 1477 die unter dem 23. Nov. 1476 von Papst Sixtus IV. errichtete Universität zu Mainz. Albrecht II. von Brandenburg (als Erzbischof von Magdeburg Albrecht IV.), 1514–45, ein eifriger Katholik, mußte dennoch 1530 den Evangelischen einige Kirchen in M. einräumen; dafür nahm er 1542 die Jesuiten in sein Stift auf. Unter Sebastian von Heussenstamm (1545–55) fand 1549 die letzte Provinzialsynode statt. Unter Johann Schweikard von Kronenberg (1604–26) begannen die Drangsale des Dreißigjährigen Kriegs das Erzstift heimzusuchen; besonders hausten hier Mansfeld und Christian von Braunschweig. Gustav Adolf von Schweden besetzte 1631 während der Regierung Anselm Kasimirs von Umstatt das Erzstift, und die Schweden behielten es bis 1636. Von 1643 bis 1648 war es in den Händen der Franzosen, während welcher Zeit der Erzbischof in Köln lebte. Im Westfälischen Frieden unter Johann Philipp von Schönborn (1647–73) gingen durch Säkularisation die Bistümer Verden und Halberstadt verloren, dagegen wurde 1667 Erfurt wiedergewonnen.
Das Erzstift umfaßte zur Zeit des Lüneviller Friedens die Bistümer Worms, Speier, Straßburg, Konstanz, Augsburg, Chur, Würzburg, Eichstätt, Paderborn, Hildesheim und die neugebildeten Korvei und Fulda und besaß ein eignes Gebiet von 8260 qkm mit [120] (1803) 320,000 Einw. Dasselbe gruppierte sich um Mainz und Erfurt (hierzu das Eichsfeld), die beide befestigt waren. Der Erzbischof, durch freie Wahl des Domkapitels gewählt, war Kurfürst und Erzkanzler des Reichs, Primas von Deutschland, führte das Direktorium auf dem Reichstag, im Kurfürstenkollegium und bei der Wahl und schrieb Deputations- und Kurfürstentage aus. Das Domkapitel bestand aus 24 Mitgliedern, unter denen 5 Prälaten und 10 Kapitularherren, welch letztere nicht notwendig Priester zu sein brauchten. Die kurfürstlichen Einkünfte beliefen sich auf 1,200,000 Guld. Als höhere Unterrichtsanstalten bestanden die Universitäten zu Mainz und Erfurt und eine Akademie der nützlichen Wissenschaften zu Erfurt. Das Wappen war ein silbernes Rad mit sechs Speichen im roten Feld. Der letzte Kurfürst war Friedrich Karl Joseph von Erthal, gest. 25. Juli 1802 in Aschaffenburg. Durch den Reichsdeputationsrezeß vom 25. Febr. 1803 erfolgte die Säkularisation des Erzbistums M. Frankreich erhielt von dem Mainzer Gebiet die Distrikte am linken Rheinufer; Preußen erhielt Erfurt, das Eichsfeld und die thüringischen Besitzungen; andre Teile fielen an Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel und Nassau; den Rest des Erzstifts M., die Fürstentümer Aschaffenburg, Regensburg, die Grafschaft Wetzlar und mehrere Ämter (zusammen 1375 qkm mit 109,000 Einw. und einem jährlichen Einkommen von 600,000 Guld.), erhielt der bisherige Koadjutor, Karl Theodor v. Dalberg (s. d.), welcher 1813 aber darauf verzichten mußte. Schon 1801 war das Erzstift zu einem Bistum degradiert worden und zuerst unter Mecheln, dann 1829 unter Freiburg gestellt. Die Episkopalrechte beziehen sich nur auf die hessischen Besitzungen am rechten Rheinufer. Nach dem Tode des Bischofs Wilhelm Emanuel v. Ketteler (s. d.) 1877 wurde der Domkapitular Moufang vom Kapitel zum Generalvikar erwählt, aber von der hessischen Regierung nicht anerkannt. Vgl. Schunk, Beiträge zur Mainzer Geschichte (Frankf. 1788–91, 3 Bde.); Hennes, Die Erzbischöfe von M. (3. Aufl., Mainz 1880); Stumpf, Acta Moguntina (Innsbr. 1863); Jaffé, Monumenta Moguntina (Berl. 1866); Will, Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe (Innsbr. 1877–86, Bd. 1 u. 2).
Mainz (hierzu der Stadtplan), Hauptstadt der hess. Rheinprovinz und deutsche Reichsfestung ersten Ranges, liegt der Mainmündung schräg gegenüber in einer
Wappen von Mainz. | |
der schönsten und fruchtbarsten Gegenden Deutschlands, im Knotenpunkt der Linien M.-Worms, M.-Darmstadt-Aschaffenburg, M.-Bingen, M.-Frankfurt a. M und M.-Alzey-Wahlheim der Hess. Ludwigsbahn, 84 m ü. M. Über den Rhein führen eine 1028 m lange Eisenbahngitterbrücke mit zwei Geleisen und eine ganz neue schöne Straßenbrücke nach dem gegenüberliegenden Kastel. Letztere Stadt ist in das Befestigungssystem mit eingeschlossen. Im allgemeinen ist M. eine gut gebaute Stadt mit sehr günstigen Gesundheitsverhältnissen. Der älteste und unregelmäßigste Stadtteil, das sogen. Kästrich, woselbst die aussichtsreiche Mathildenterrasse, wurde 18. Nov. 1857 durch eine furchtbare Pulverexplosion größtenteils zerstört u. seitdem in moderner Weise wieder aufgebaut. Ein ganz neuer, eleganter Stadtteil ist die Neustadt, im N. der Stadt, wozu seit 1874 der Platz durch Hinausschiebung der Festungswerke gewonnen wurde. Unter den Plätzen sind bemerkenswert: der Schloßplatz, geziert mit einer Bildsäule Schillers (von dem Mainzer Künstler Scholl), der Tritonplatz mit einer Fontäne, der Gutenbergplatz mit der bronzenen Statue des Erfinders der Buchdruckerkunst (von Thorwaldsen) und der Bahnhofsplatz. Von Straßen sind hervorzuheben: die Rheinstraße, in geringer Entfernung vom Rhein hinlaufend, die Wallstraße, die Ludwigsstraße, die Augustinergasse, namentlich aber der in der Neustadt befindliche 60 m breite und mit gärtnerischen Anlagen geschmückte Boulevard.
Unter den kirchlichen Gebäuden (9 kath. Kirchen nebst 3 Kapellen, 1 evang. Kirche und 2 Synagogen) steht der Dom obenan. Derselbe, 978–1009 zum erstenmal erbaut, dann dreimal durch Feuersbrunst zerstört, in seiner jetzigen Form im 13. und 14. Jahrh. aufgeführt, ist ein imposantes, kunsthistorisch sehr interessantes Gebäude mit sechs Türmen, deren höchster 82 m hoch ist (s. Tafel „Baukunst IX“, Fig. 6 und 7). Das Innere wird von 56 hohen Säulen gestützt und enthält zahlreiche Denkmäler und Kunstschätze, namentlich zwei schöne eherne Thorflügel aus dem 10. Jahrh., ein metallenes Taufbecken von 1328, das Denkmal der Fastrada (der dritten Gemahlin Karls d. Gr.) und die zum Teil prachtvollen Monumente mehrerer Erzbischöfe vom 13. Jahrh. an bis zur Neuzeit. In dem anstoßenden Kreuzgang ist unter andern Monumenten das des Minnesängers Frauenlob (gest. 1318), dem 1842 noch ein andres, ein Werk Schwanthalers, errichtet ward, das sehenswerteste. Bei der Belagerung von 1793 und durch die nachherige Verwandlung in ein Magazin hat der Dom sehr gelitten, und erst in der Neuzeit (seit 1822) ist er unter Leitung Mollers restauriert worden. Der östliche Pfarrturm erhielt eine gotische Kuppel, und andre Teile des Doms wurden wiederhergestellt. In den Jahren 1870–78, unter der Leitung der Dombaumeister Wessiken und (seit 1873) Cuypers aus Amsterdam, wurde insbesondere der Pfeilerbau, welcher das Ostchor vom Schiff trennte, herausgenommen und das Schiff in seiner ganzen imposanten Länge wiederhergestellt. Der gotische Kuppelturm wurde abgetragen und an seiner Stelle der Mittelturm im romanischen Stil wieder aufgebaut; die Krypte unter dem Ostchor wurde ausgebaut und die beiden östlichen Stiegentürme erneuert. Das Mittelschiff und die Kuppel des Westchors sind mit Wandgemälden nach Veits Entwürfen geschmückt; das Ostchor harrt noch seines innern Ausbaues und Schmuckes. Bemerkenswert sind noch: die Ignatiuskirche mit schönem Portal; die St. Stephanskirche, eine schöne frühgotische Hallenkirche mit dem Grabmal des Gründers des Doms, Erzbischofs Willigis, 1318 vollendet, auf dem höchsten Punkte der Stadt; die Augustiner- oder Liebfrauenkirche; die Peterskirche mit Kuppelgemälden von Appiani und mehrere ehemalige Klostergebäude. Vgl. Werner, Der Dom von M. und seine Denkmäler (Mainz 1827 bis 1836, 3 Bde.); Bockenheimer, Der Dom zu M. (das. 1879); Schneider, Der Dom zu M. (Berl. 1886, mit 10 Tafeln).
Andre hervorragende Gebäude sind: das großherzogliche Schloß, früher dem Deutschen Orden gehörig, im Anfang des 18. Jahrh. erbaut; das aus rotem Sandstein aufgeführte ehemalige kurfürstliche Schloß, bis 1886 zum Teil als Lagerhaus des Freihafens dienend, enthält die reichen Sammlungen der Stadt: die Stadtbibliothek (150,000 Bände) mit Münzkabinett, die bedeutende Gemäldegalerie, das Altertumsmuseum, das römisch-germanische Zentralmuseum,
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[121] eine Sammlung von Gipsabgüssen plastischer Werke sowie ein besonders an Vögeln reiches naturhistorisches Museum; das Zeughaus (von 1736) mit zahlreichen Waffen und Rüstungen; der Kommandantur-, Regierungs-, Justiz- und Gouvernementspalast; das Theater, mehrere Kasernen, Gutenbergs Wohnhaus und andre durch die Erfindung der Buchdruckerkunst merkwürdige Gebäude. Ganz neu sind: die Stadthalle, ein prächtiger Renaissancebau für Festlichkeiten; das großartige Administrationsgebäude der Hessischen Ludwigsbahn, der mit reichem ornamentalen Schmuck gezierte Zentralbahnhof, das Lagerhaus am neuen Hafen und die Reichs-Konservenfabrik für die Verpflegung des deutschen Heers etc.
Die Zahl der Einwohner beträgt (1885) mit der Garnison (4 Regimenter Infanterie: Nr. 87, 88, 117 und 118, 2 Eskadrons Husaren Nr. 13, 1 Regiment Fußartillerie Nr. 3, 1 Abt. Feldartillerie Nr. 27 und ein Pionierbataillon Nr. 11) 66,321, darunter etwa 41,000 Katholiken, 21,000 Evangelische und 3500 Juden. Industrie, Handel und Verkehr sind von großer Bedeutung. Haupterzeugnisse der erstern sind: Leder, Schaumwein, Konserven, Möbel, Parkettböden, Billards, Schuhwaren, Waggons, Holzwaren, Fortepianos und andre musikalische Instrumente, Korbwaren, Maschinen, Silber- und Goldwaren, chemische Produkte (besonders Lack und Firnisse), Seife, Hüte, Etui- und Portefeuillearbeiten, Tapeten, Spielkarten etc. Von Bedeutung sind auch die Bierbrauerei, die Buchdruckerei, namentlich aber der hier wie in den umliegenden Ortschaften sehr umfangreich betriebene Gemüsebau. Der Handel ist besonders lebhaft in Büchern und Musikalien, Getreide, Mehl, Öl, Wein und Industrie-Erzeugnissen; bedeutend ist auch die Holzflößerei. Unterstützt wird der Handel durch eine Handelskammer, eine Reichsbankstelle, eine Filiale der Darmstädter Bank für Handel und Industrie, einen Dampfschleppschiffahrtsverein, eine Gesellschaft für Kettenschiffahrt auf dem Main, namentlich aber durch die vortreffliche Eisenbahnverbindung und den Verkehr zu Wasser. Die großartigen Hafenbauten und Niederlagsräume im N. der Stadt sind mit einem Kostenaufwand von 5 Mill. Mk. hergestellt und 1887 dem Verkehr übergeben. Ein zweiter Hafen, der Hessischen Ludwigsbahn gehörig, ist M. gegenüber, an der Mainmündung bei Gustavsburg, erbaut worden. Ein besonderer Hafen dient zur Flößerei. In M. kamen 1885 an: 7887 Schiffe (darunter 3930 Dampfschiffe) und 1032 Flöße mit 181,276 Ton. Ladung; im Hafen von Gustavsburg kamen an: 1591 Schiffe (darunter 231 Dampfschiffe) und 1140 Flöße mit 359,232 T. Ladung. Den Verkehr in der Stadt und mit den benachbarten Orten Kastel und Weisenau vermittelt eine Pferdebahn.
An Bildungsinstituten etc. hat M. ein Priesterseminar, ein Gymnasium (ein zweites 1887 im Bau), ein Realgymnasium mit Realschule, eine Privatrealschule mit Handelsklassen, eine Kunstgewerbeschule, einen Verein für Kunst und Litteratur, die Rheinische Naturforschende Gesellschaft, einen Gartenbauverein, mehrere Musikvereine, unter welchen die Mainzer Liedertafel und der Damengesangverein als Gründer der mittelrheinischen Musikfeste den ersten Rang einnehmen. Besondere Erwähnung verdient der Altertumsforschende Verein, dessen im Besitz der Stadt befindliches Museum von Originalfunden in Verbindung mit dem römisch-germanischen Zentralmuseum unter der Leitung von L. Lindenschmit (s. d.) eine Sammlung bildet; wie sie auch nur annähernd in ganz Europa nicht mehr existiert (1886 gegen 10,000 Nummern. Vgl. Lindenschmit, Die Altertümer unsrer heidnischen Vorzeit, Bd. 1–3, Mainz 1858). Von sonstigen Anstalten sind zu erwähnen: die Industriehalle, ein Waisen- und ein Invalidenhaus, eine Entbindungsanstalt, ein Korrektions- und Arresthaus, viele gemeinnützige Vereine etc. Die städtischen Behörden setzen sich zusammen aus 4 Magistratsmitgliedern und 42 Stadtverordneten. Sonst ist M. Sitz eines katholischen Bischofs und eines Domkapitels, der evangelischen Superintendentur für die Provinz Rheinhessen, der Provinzialbehörden, der Direktion der Hessischen Ludwigsbahn, eines Landgerichts, eines Hauptsteueramts, eines Forstamts, einer Oberförsterei etc. Von militärischen Behörden befinden sich dort: der Gouverneur der Festung M., der Stab der 2. Fußartillerie-, der 4. Ingenieur-, der 5. Festungs- und der 2. Pionier-Inspektion, der 41. Infanterie- und 3. Fußartillerie-Brigade. Die Umgebung von M. zieren schöne Promenaden, an die sich beim Neuthor die „neue Anlage“ anschließt. Einen prächtigen Spaziergang bildet namentlich der 100 m breite Rheinkai, der sich von der Eisenbahnbrücke etwa 7 km bis zur Ingelheimer Aue am Rhein entlang erstreckt. Außerhalb des Gauthors, bei Zahlbach, sind die Überreste einer ehemals etwa 6 km langen römischen Wasserleitung sehenswert.
Die umfangreichen und starken Festungswerke, welche seit den Befreiungskriegen sehr in Verfall geraten waren, wurden auf Bundeskosten wiederhergestellt. Sie bestanden bis zum Umbau der Festung seit 1871 aus 13 Bastionen, einem Kronenwerk an der Südseite und einer in die Umwallung eingefügten Citadelle, welche ein bastioniertes Viereck bildet, und in welcher der sogen. Eigelstein steht, wahrscheinlich das Grabmal des Drusus, ein jetzt noch etwa 15 m hoher Turm mit einem Durchmesser von 8 m, von dessen Spitze sich der schönste Überblick über M. und die Umgegend darbietet. Sämtliche Bastionen sind mit Ravelins und andern Außenwerken versehen. Die aus früherer Zeit noch vorhandenen Montalembertschen Türme wurden nach 1870 zum Teil abgetragen, zum Teil mit Erdwällen umgeben. Andre Änderungen und Verstärkungen, wie Erbauung von Kasematten, bombenfesten Gebäuden etc., sind an der Innenseite der Festung ausgeführt worden. Der am rechten Ufer des Rheins gelegene Teil der Festung, das Städtchen Kastel (s. d.), enthält 6 Bastionen und 4 Ravelins zur Deckung der Brücke. Auf der Mainspitze stehen rechts und links von der Eisenbahnbrücke an der Mainmündung zwei Kasemattenforts, welche den Main, den Rhein und die ganze obere Gegend bestreichen. Ein ähnlicher Bau, gleichfalls nach 1870 verstärkt, befindet sich auf der Rheininsel Petersau. Von weitern Anlagen ist das Fort Biehler bei Erbenheim zu nennen. Die südwestliche Enceinte erstreckt sich in ziemlich gerader Linie auf der Anhöhe vom Hauptstein bis zum Hartenberg längs der Wallstraße und fällt dort im rechten Winkel zum Rhein ab. Der Abschluß der Festung gegen den Strom, früher durch eine etwa 4 km lange Mauer bewerkstelligt, wird jetzt durch eiserne Palissadengitter mit Sandsteinsockel hergestellt. Die Thore nach dem Rhein sind in geschmackvoller Form hergestellt und mit Skulpturen, Figuren und Emblemen geschmückt. – Zum Landgerichtsbezirk M. gehören die elf Amtsgerichte zu Alzey, Bingen, M., Niederolm, Oberingelheim, Oppenheim, Osthofen, Pfeddersheim, Wöllstein, Worms und Wörrstadt.
[Geschichte.] Auf der Stelle, wo jetzt M. liegt, hatten zuerst die Kelten eine Niederlassung gegründet. [122] Dieselbe ward von den Römern genommen und darauf von Drusus 13 v. Chr. hier ein befestigtes Lager (castellum Mogontiacum oder Maguntiacum) für die 14., dann für die 22. Legion angelegt. Dann ward eine Rheinbrücke gebaut und auf der rechten Seite des Stroms eine zweite Verschanzung (das heutige Kastel) errichtet. Schon vor Kaiser Mark Aurel siedelten sich Germanen um diese Kastelle an, und auf diese Weise entstand eine Stadt Moguntia, welche als Metropole von Germania prima der Sitz eines Dux wurde. In der Mitte des 4. Jahrh. eroberten die Alemannen, 406 die Vandalen, 451 die Hunnen die Stadt; letztere legten sie völlig in Asche. Nach der Sage soll der fränkische König Dagobert (622–638) die Stadt und einen Palast darin wieder erbaut haben. Mit mehr Grund wird der Bau der Stadtmauer auf Bischof Siegbert (712) zurückgeführt. Unter den Karolingern stand hier ein königlicher Palast, der schon 766 erwähnt wird. Der von Erzbischof Willigis erbaute Dom brannte am Tag der Einweihung (1009) ab, der neue wurde von Bardo vollendet und 1037 geweiht. Bemerkenswert ist die Empörung der Stadt 1159 gegen den Erzbischof Arnold, der dabei 1160 auf gräßliche Weise ermordet wurde. Friedrich Barbarossa hielt ein strenges Strafgericht über M. und zerstörte seine Mauern. Dieselben wurden erst 1200 wieder errichtet. Unter den fränkischen und staufischen Kaisern wurden in M. wiederholt Reichstage und Kirchenversammlungen gehalten. Die Stadt stand anfangs unter der Herrschaft des Erzbischofs, der seit dem 11. Jahrh. den Burggrafen bestellte. Nach dem Eingehen dieses Amtes (1221) erlangte die Stadt 1244 die Reichsunmittelbarkeit, welche aber von den Erzbischöfen wiederholt angefochten wurde. Nunmehr tritt neben Kämmerern, Schultheiß und Schöffen auch ein Ratskollegium in M. hervor. Daselbst wurde 1254 der rheinische Städtebund geschlossen. Auch an dem noch größern Bund von 1381 hat sich die Stadt beteiligt. Um 1440 ward in M. von Gutenberg die Buchdruckerkunst erfunden. Während im 14. Jahrh. die Einwohnerzahl von M. auf 90,000 Menschen geschätzt werden darf, macht sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. ein bedeutender Rückgang bemerklich, obgleich 1476 daselbst eine Universität errichtet wurde. In dem Streit zwischen dem abgesetzten Kurfürsten Dietrich II. von Isenburg und seinem Nebenbuhler Adolf II. von Nassau verlor M. 1462, von letzterm erobert, seine Privilegien und wurde eine erzbischöfliche Stadt, was König Maximilian 1486 bestätigte. In den Zeiten der kirchlichen Unruhen des 16. Jahrh. und des Dreißigjährigen Kriegs ward M. 1552 von dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Kulmbach, 1631 vom Schwedenkönig Gustav Adolf besetzt. Dieser ließ die Gustavsburg auf dem rechten Rheinufer an der Mündung des Mains in den Rhein anlegen und die Festungswerke, die schon seit dem 13. Jahrh. bestanden, erweitern. Unter Kurfürst Johann Philipp wurde M. 1635 von den Schweden geräumt; aber Kurfürst Anselm Franz übergab die Stadt den Franzosen (1688), und erst 1689 wurde sie durch das Reichsheer wieder befreit.
Im 18. Jahrh. erholte sich die Stadt wieder so weit, daß ihre Bevölkerung um 1780 auf 32,000 Einw. stieg; doch während der französischen Okkupation verminderte sie sich um 10,000 Einw. Am 17. Okt. 1792 erschien der französische General Custine vor der Stadt und zwang sie schon am 21. zur Kapitulation. Ein Koalitionsheer unter General Kalckreuth schloß sie 31. März 1793 ein, und 23. Juli erfolgte die Übergabe. Ein zweiter Angriff der Franzosen (1794) wurde von den Österreichern abgeschlagen, und M. blieb von diesen bis 1797 besetzt, wurde jedoch 29. Dez. wieder von den Franzosen eingenommen und im Frieden zu Lüneville 1801 an Frankreich abgetreten. Am 2. und 3. Jan. 1814 begann die Einschließung der Stadt durch die Alliierten. Auf Befehl des Königs Ludwig XVIII. übergab der Gouverneur 4. Mai die Festung. Durch den Pariser Frieden 1814 wurde M. Deutschland wieder einverleibt und 20. Juni 1816 dem Großherzog von Hessen-Darmstadt zur Entschädigung abgetreten, jedoch mit der Beschränkung, daß M. in militärischer Hinsicht als deutsche Bundesfestung betrachtet und als solche von österreichischen und preußischen Truppen besetzt werden solle. Der 1826 begonnene Neubau der Festungswerke hat M. (mit Kastel) zu einem Platz ersten Ranges gemacht. Nach mehreren seit März 1848 vorausgegangenen Aufläufen veranlaßte 21. Mai d. J. ein blutiger Straßenkampf zwischen den Bürgern und dem preußischen Militär die Erklärung des Belagerungszustands, der jedoch schon 24. Mai wieder aufgehoben wurde. Durch die Explosion eines Pulverturms auf dem alten Kästrich 18. Nov. 1857 wurde dieser Stadtteil fast völlig zerstört. Vor Ausbruch des Kriegs von 1866 verließen die österreichischen und preußischen Bundestruppen zufolge eines Bundestagsbeschlusses die Stadt, und es wurde dieselbe von Teilen des 8. Bundesarmeekorps unter Prinz Ludwig von Hessen besetzt. Am 26. Aug. zogen aber die Preußen wieder ein, und durch den Frieden erhielt Preußen das alleinige Besatzungsrecht. Nach Errichtung des Deutschen Reichs ist M. Reichsfestung geworden. Vgl. Schaab, Geschichte der Stadt M. (Mainz 1841–1844, 2 Bde.); Dilthey, Das römische M. (in Künzels „Geschichte von Hessen“, Friedb. 1856); Klein, Geschichte von M. während der ersten französischen Okkupation 1792–93 (Mainz 1861); Bockenheimer, Geschichte der Stadt M. in den Jahren 1813–14 (3. Aufl., das. 1886); neuere Lokalführer von Bockenheimer (1880), Beck (1882). Die Chroniken von M. sind in den „Chroniken der deutschen Städte“, Bd. 17 u. 18 (Leipz. 1881–82) enthalten.