MKL1888:Maintenon
[118] Maintenon (spr. mängt’nong), Stadt im franz. Departement Eure-et-Loir, Arrondissement Chartres, am Zusammenfluß der Boise u. Eure und an der Westbahn, mit schönem Schloß, Überresten der großen, von Ludwig XIV. behufs der Bewässerung von Versailles durch das Wasser der Eure erbauten unvollendeten Wasserleitung und (1881) 1419 Einw. Das Schloß war einst Besitz der Marquise Maintenon, später des Hauses Noailles. In der Umgegend viele sogen. druidische Denkmäler (Dolmen).
Maintenon (spr. mängt’nong), Françoise d’Aubigné, Marquise von, Mätresse und später heimliche Gemahlin Ludwigs XIV. von Frankreich, geb. 27. Nov. 1635 in der Citadelle von Bordeaux als Tochter des eingekerkerten Wüstlings Constant d’Aubigné, Enkelin des tapfern Vorkämpfers der Hugenotten, Agrippa von Aubigné, ging 1639 mit ihren Eltern nach Martinique, kam 1649, inzwischen zum Katholizismus bekehrt, als Gesellschafterin einer adligen Dame nach Paris und verheiratete sich hier 1652 mit dem Dichter Scarron. Nach ihres Gemahls Tod 1660 geriet sie aus Armut in eine sehr bedrängte [119] Lage, bis ihr der Hof eine Pension von 2000 Livres aussetzte. 1669 übernahm sie die Pflege und Aufsicht über die beiden Kinder der Marquise von Montespan von Ludwig XIV. Als der König in der Folge diese Kinder öffentlich anerkannte und an den Hof kommen ließ, erschien auch ihre Erzieherin daselbst. Nicht mehr schön, aber vorsichtig und kühl, flößte sie durch ihr würdevolles und anmutiges Benehmen und ihren Geist dem König ein ungewöhnliches Interesse ein, und es gelang ihr, die Montespan aus seiner Gunst zu verdrängen. 1674 kaufte sie von den reichen Geldgeschenken des Königs die zum Marquisat erhobene Besitzung Maintenon im Westen von Paris. Seit 1680 war sie die erklärte Freundin Ludwigs XIV. Dabei suchte sie des Königs religiöses Gefühl zu erwecken, um in ihm Gewissensbisse über das unerlaubte Verhältnis zu ihr zu erregen, und erreichte wirklich, daß sich Ludwig nach dem Tode der Königin Maria Theresia 1685 in der Stille mit ihr trauen ließ. Bei allem Schein zurückgezogener Bescheidenheit hatte sie doch fortan auf den Gang der Staatsangelegenheiten den bedeutendsten Einfluß; sie leitete die Geschäfte, verteilte die Ämter und bewilligte Auszeichnungen und Gnadengeschenke. Nur auf die auswärtigen Angelegenheiten verstattete ihr Colbert keinen Einfluß. Nach Ludwigs Tod (1715) zog sie sich in die Abtei St.-Cyr zurück, wo sie schon 1685 eine Erziehungsanstalt für 300 Töchter armer Edelleute gestiftet hatte, und starb daselbst 15. April 1719. Die unter ihrem Namen erschienenen „Mémoires“ (Amsterd. 1755, 6 Bde.) sind ein Machwerk Beaumelles; ihre Werke, unter denen ihre Briefe (von denen die M. freilich die wichtigsten, namentlich die Korrespondenz mit Ludwig XIV., vernichtet hat) durch die Eleganz des Stils bemerkenswert sind, wurden herausgegeben von Lavallée (Par. 1854–66, 10 Bde.). Vgl. Duc de Noailles, Histoire de Madame de M. (Par. 1848–58, 4 Bde.); Lavallée, Madame de M. et la maison royale de St.-Cyr (2. Aufl., das. 1876); Geffroy, Madame de M. d’après sa correspondance (das. 1887, 2 Bde.); Bennett, Madame de M. (Lond. 1881); Döllinger in der „Allgemeinen Zeitung“ 1886, Nr. 185–194.