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MKL1888:Möbel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Möbel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 697698
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Möbel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 697–698. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:M%C3%B6bel (Version vom 04.04.2023)

[697] Möbel (franz. meuble, v. lat. mobilis; hierzu Tafel „Möbel“), aller „bewegliche“ Hausrat, im engern Sinn die größern Einrichtungsstücke der Wohn- und Arbeitsräume (in ihrer Gesamtheit auch Mobiliar genannt). Sie werden in neuerer Zeit fast nur aus Holz gebildet, während im Altertum und im Mittelalter auch steinerne und metallene M. häufig vorkamen, wie der Thronsessel Kaiser Heinrichs III. (s. Kaiserstuhl). Ihrer Bestimmung nach lassen sie sich in zwei Gruppen trennen: 1) Sitz- und Lagermöbel, 2) Tische, Kasten und Schränke. Sessel, Tische und Bettstellen der Ägypter und Assyrer zeigen meist senkrechte Stützen und Lehnen mit rechtwinkelig angesetzten Verbindungen, Sitzbrettern, Tischplatten etc., doch finden sich auch Tische mit Kreuzfüßen und Faltstühle; die M. waren durch Untergestelle höher oder niedriger zu machen. Prachtmöbel wurden mit Metall- und Elfenbeineinlagen, Email u. dgl. verziert, die Thronsessel mit Teppichen belegt. Teppiche und Polster waren das unentbehrliche Erfordernis für die Ruhebetten der meisten orientalischen Völker, welche, wie heute noch, lieber lagen, als aufrecht saßen und daher auch niedrigerer Tische bedurften und noch bedürfen. Diese Sitte ging auf die Griechen und Römer über, deren Sitzmöbel auch im wesentlichen die asiatischen Formen, nur mit einer Neigung zu geschwungenen Linien, beibehielten. Dazu kam die Verzierung der Sessel- und Tischfüße mit Tierfüßen und Tierköpfen, in welch letztere man auch gern die Seitenlehnen ausgehen ließ. Bis auf die Römer behalf man sich zum Aufbewahren der Kleider etc. mit Laden, Truhen, tragbaren Kästchen; in der spätern römischen Zeit kamen zuerst Schränke mit mehreren Thüren und Fächern in Gebrauch. Im Mittelalter waren die M. häufig immobil: Steinbänke in den Fensternischen, Truhen und Etageren an den getäfelten Wänden, Schränke in den letztern; in romanischer Zeit bemalte man die glatten Flächen der M., in gotischer verzierte man sie mit Schnitzwerk (s. Tafel, Fig. 3 und 9). Im Renaissancezeitalter entwickelte sich dann die häusliche Einrichtung und insbesondere das Mobiliar in der trotz der Veränderungen der Mode bis auf den

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Möbel (Kunsttischlerei).
Fig. 1. Rokoko-Konsole (Karlsruhe, großherzogliches Schloß).
Fig. 2. Stuhl aus Nußbaumholz, deutsche Renaissance (München, bayr. Nationalmuseum).
Fig. 3. Spätgotischer Tisch (Nürnberg, Germanisches Museum).
Fig. 4. Gotischer Faltstuhl (Salzburg, Frauenstift).
Fig. 5. Tisch der italienischen Hochrenaissance (Dresden).
Fig. 6. Schrank der deutschen Spätrenaissance (München, bayr. Nationalmuseum).
Fig. 7. Sitzmöbel in Form eines Chorstuhls, französische Frührenaissance (Schloß von Blois).
Fig. 8. Bilderrahmen, 18. Jahrh. (Berliner Museum).
Fig. 9. Gotischer Schrank (deutsche Arbeit, 15. Jahrh.).
Fig. 10. Kredenzschrank (deutsche Arbeit, 1530).
Fig. 11. Italienische Hochzeitstruhe, 16. Jahrh. (Mailand.)
Fig. 12. Postament in französischer Boulearbeit, 1700.
Fig. 13. Fauteuil mit Beauvais-Tapisserie (Zeit Ludwigs XV.).
Fig. 14. Kommode aus der Zeit Ludwigs XVI., von J. H. Riesener.

[698] heutigen Tag in Geltung gebliebenen Art. Namentlich wurden Schränke der verschiedensten Größe und Bestimmung zu einem Hauptbestandteil des Mobiliars und zu einem Hauptobjekt künstlerischer Gestaltung: neben den auf das mannigfaltigste und kostbarste gezierten, mit Geheimfächern etc. versehenen Kunstschränken und Kabinetten erscheinen insbesondere Kredenztische oder Büffette (Fig. 6 u. 10), Bücherschränke, Truhen für Kleider und Wäsche (Fig. 11), Schmuck und Waffenschränke, Tische (Fig. 5), Sitzmöbel für profane (Fig. 2 u. 4) und kirchliche Zwecke (Kirchen- und Chorstühle, Fig. 7) etc. Holzbildhauerei, Drechslerkunst und eingelegte Arbeit aus verschiedenfarbigem Holz (Holzintarsia), aber auch in Marmor, Halbedelsteinen, Messing und Zinn dienen zur Ausschmückung der M. Diese verschiedenen Techniken begreift man unter dem Namen Kunsttischlerei. Den kräftigen Formen der Barockzeit folgen die zierlichen, gewundenen und geschnörkelten Formen des Rokoko (Fig. 1 u. 8). Man maskierte das Holz mit weißem Lackanstrich, Vergoldung und Bemalung, und der Tischler Boulle brachte die Einlagen von Schildkrot und Metall in die Mode (Fig. 12). Von der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts an bis zur Mitte des jetzigen herrschte die Geradlinigkeit und Schmucklosigkeit, die Anwendung der Furnierung der wohlfeilen Holzarten mit dünnen Platten kostbarerer Hölzer vor (Fig. 13). In der Gegenwart wird die deutsche Kunsttischlerei, welche seit ca. 1875 einen großen künstlerischen Aufschwung genommen hat, meist von dem Renaissancegeschmack beherrscht, während die Franzosen mehr den nationalen Stilrichtungen (Louis XIV, XV und XVI) folgen. In England hat sich ein eigentümlicher Möbelstil ausgebildet, welcher mehr von dem praktischen Bedürfnis als von künstlerischen Grundsätzen beeinflußt wird. Vgl. Jacquemart, Histoire du mobilier (Par. 1877); Champeaux, Le meuble (das. 1885, 2 Bde.); Bonaffé, Le meuble en France au XVI. siècle (das. 1886); Hirth, Das deutsche Zimmer (3. Aufl., Leipz. 1886); Storck, Einfache M. im Charakter der Renaissance (Wien 1875); Schwenke, Ausgeführte M. und Zimmereinrichtungen der Gegenwart (Berl. 1883–87, 2 Bde.); Pape, Der Möbeltischler der Renaissance (Dresd. 1885); Havard, Dictionnaire de l’ameublement (Par. 1887 ff.); „Illustrierte Schreinerzeitung“ (hrsg. v. Luthmer, Stuttg., seit 1882). S. auch Zimmerausstattung.