MKL1888:Luftverdichtungsmaschinen
[994] Luftverdichtungsmaschinen (Kompressoren), Maschinen und Vorrichtungen, welche dazu dienen, Luft oder eine andre Gasart auf ein kleineres Volumen zusammenzupressen, als sie schon einnimmt. In ihrer einfachsten Gestalt nennt man die L. Kompressionspumpen (s. d.). Die gewöhnlichsten L. sind die Gebläse (s. d.), welche die Luft in Röhrenleitungen drücken, um sie nach einer Feuerung oder einem Schmelzapparat zu leiten. Bei sehr großen Gebläsen, wie bei Hochöfengebläsen, benutzt man diese Luft auch noch zum Heben von Lasten (pneumatische Gichtaufzüge). Die Idee, komprimierte Luft zur Kraftübertragung zu benutzen, gelangte nach mehreren vereinzelten Versuchen im Bergwerksbetrieb (Unterloire 1845, Glasgow 1850, später in Sars-Longchamps, Altenberg und Saarbrück) erst durch Sommeiller beim Bau des Mont Cenis-Tunnels zur praktischen Durchführung im großen, und jetzt ist die komprimierte Luft beim Betrieb unterirdischer Förder-, Wasserhaltungs- und Gesteinsbohrmaschinen im Berg- und Tunnelbau sowie bei pneumatischen Posten und Eisenbahnen als Transmissionsorgan von großer praktischer Bedeutung. Für den Berg- und Tunnelbau hat die komprimierte Luft ganz besondere Vorteile, indem einerseits die aus den Maschinen ausströmende gebrauchte Luft zur Ventilation beiträgt und die große Hitze der Maschinenräume mit Dampfbetrieb vermeidet, anderseits alle Arbeitsmaschinen, welche ihren Ort verändern, mit Leichtigkeit durch Schläuche von der Hauptleitung aus angetrieben werden können. Die von Sommeiller nach dem Prinzip des hydraulischen Widders konstruierten Stoßkompressoren setzen ein Wassergefälle voraus und haben sich wenig bewährt, man benutzt daher jetzt nur Pumpen als L. Bei der Verdichtung der Luft wird Wärme frei, und da man, um geringe Dimensionen der Arbeitsmaschine zu erhalten, die Verdichtung sehr hoch treibt, so erreicht die Temperatur eine den Maschinenteilen schädliche Höhe, und man muß die
Fig. 1. Johnsons Luftverdichtungsmaschine. | |
Luft während des Verdichtungsprozesses kühlen. Je nachdem nun das Wasser in den Cylinder der Maschine tritt oder denselben nur von außen umgibt, unterscheidet man nasse und trockne L. Von den erstern kam die Johnsonsche Maschine zuerst am Mont Cenis zur Anwendung. Fig. 1 zeigt das Prinzip. An den liegenden, doppelt wirkenden Cylinder a mit Scheibenkolben schließen sich beiderseits die Aufsatzröhren b, welche die Saugventile c und die Druckventile d tragen. Das Kühlwasser fließt aus dem Behälter e beständig zu und bei geöffneten Saugventilen in den Cylinder. Die Druckventile führen nach dem Windsammelkasten, welcher die Luft durch das Rohr f abführt; g ist ein Schwimmer im Kasten h, welcher durch ein Ventil das durch d entweichende Kühlwasser abführt. Die Konstruktionen von Sommeiller beruhen auf demselben Prinzip und unterscheiden sich nur in der Detailkonstruktion der Ventile oder auch der Kühlwasserabführung. Fig. 2 zeigt die nasse Luftverdichtungsmaschine von Sievers (Maschinenbauaktiengesellschaft in Kalk). Sie besteht aus zwei aus einem Stücke gegossenen hohlen Mönchkolben a, welche in die Pumpencylinder b tauchen, die auf gemeinschaftlicher Grundplatte befestigt sind. c Ventilkasten, d Saugventile, e Druckventile, [995] f Windsammelkasten mit dem Windabführrohr g, h Rohr für die Kühlwasserzuführung, i Wasserabführrohr. Die Bewegung erfolgt von einer rotierenden Welle aus, welche durch das Rad k die Kurbelwelle l treibt. Zwei Schubstangen m verbinden
Fig. 2. Sievers’ Luftverdichtungsmaschine. | |
die Kurbelzapfen mit dem Kolben. Dieser Kompressor bildet den hervorragendsten Typus im Bergwerksbetrieb Deutschlands und Österreichs. Von den trocknen L. ist besonders die Konstruktion von Chenard (Sars-Longchamps) bemerkenswert. Dieselbe besteht aus einem gewöhnlichen doppelt wirkenden, liegenden Kompressionscylinder (einem doppelt wirkenden Cylindergebläse vollständig ähnlich), welcher in einem Wasserkasten liegt, dem fortwährend frisches, kaltes Wasser zugeführt wird. Häufiger fällt bei derartigen Maschinen der Wasserkasten fort, und man umgibt den Cylinder mit einem Mantel, um in den dadurch gebildeten Zwischenraum das Wasser zu leiten. Einen andern Typus trockner L. bilden jene von Colladon in Genf, welche beim Gotthardstunnel Verwendung fanden. Bei diesen ist der Kolben, wie die Kolbenstange, hohl und kann neben der äußern Cylinderkühlung von innen gekühlt werden; gleichzeitig werden kleine Mengen Wasser in den Cylinder eingespritzt. Endlich baut man auch direkt wirkende L. ohne rotierende Bewegung, welche sich für provisorische kompendiöse und billige Anlagen vorzüglich eignen.
Vergleicht man die beiden Gruppen von L., so tritt zunächst hervor, daß nasse Pumpen wegen des innern Kühlwassers eine große hin- und hergehende Kolbenmasse, welche viel lebendige Kraft absorbiert, besitzen, bei größerer Geschwindigkeit heftige Stöße erzeugen und daher schwer und kostspielig in der Anlage sind, um so mehr, da beim Antrieb durch Dampfmaschinen und Turbinen mehrfache schwere Räderübersetzungen notwendig werden. Trockne Pumpen lassen große Kolbengeschwindigkeiten zu, sind leicht und billig, und die Luftspannung kann über 10 Atmosphären getrieben werden. Bei nassen Pumpen ist eine so hohe Luftspannung nicht zulässig, da immer Kühlwasser mitgerissen wird, welches, wenn die komprimierte Luft mechanische Arbeit verrichtet (wobei viel Wärme gebunden wird), durch Eisbildung viele Schwierigkeiten bereitet. Ferner sind nur trockne Pumpen zulässig, wenn die Luftleitung der Winterkälte ausgesetzt werden muß. Nasse Pumpen bieten jedoch weniger Anlaß zu Reparaturen. – Die L. dienen auch zur Eiserzeugung. Das Prinzip der Kälteerzeugung besteht hierbei darin, daß die komprimierte Luft in Kondensatoren vom mitgerissenen Wasser befreit und abgekühlt wird und dann in einem Expansionscylinder mechanische Arbeit verrichtet, wobei Wärme gebunden, mithin Kälte erzeugt wird. Vgl. Hauer, Die Förderungsmaschinen der Bergwerke (3. Aufl., Leipz. 1885); Pernolet, De l’air comprimé et de ses applications (Par. 1876); André, Mining machinery (Lond. 1877, 2 Bde.).