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MKL1888:Lafette

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Lafette“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 398399
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Lafette. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 398–399. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Lafette (Version vom 27.10.2024)

[398] Lafette (Laffete, v. franz. l’affût), Gerüst, in welchem das Geschützrohr beim Schießen und meist auch beim Transport liegt. Für die Feldgeschütze ist möglichst leichte und schnelle Handhabung und Fahrbarkeit der L. Hauptbedingung. Der Leichtigkeit der L. ist indes eine praktische Grenze durch den Rücklauf gesteckt, welcher im umgekehrten Verhältnis zum Gewicht der L. steht. Man beschränkt ihn durch Hemmvorrichtungen. Im allgemeinen bestehen die Lafetten aus zwei auf der hohen Kante stehenden, meist parallelen Wänden, welche durch Riegel auseinander- und (bei hölzernen Lafetten) durch wagerechte Bolzen zusammengehalten werden. In der obern Kante der Wände befinden sich die Schildzapfenpfannenlager zur Aufnahme des Geschützrohrs; die Höhe ihrer Achse über dem Boden ist die Lager- oder Feuerhöhe. Unter dem Bodenstück des Rohrs sitzt zwischen den Wänden die Richtmaschine, meist mit Doppelschraube, bei welcher sich die Richtschraube mit Rechtsgewinde in einer Hülse schraubt, die außen mit einem Linksgewinde in einer Mutter der Richtwelle sich dreht. Dieses Doppelschraubensystem ermöglicht ein schnelles Heben und Senken des Rohrs beim Richten, zum Bewegen dient ein Griffrad oder eine Kurbel. Das hintere Ende der L., der Lafettenschwanz, endet bei den Räderlafetten entweder in eine Protzöse, oder der Schwanzriegel hat ein Protzloch zur Verbindung der L. mit der Protze.

Die Feldlafetten C/73 der deutschen Artillerie (s. Tafel „Geschütze I“) haben aus Gußstahlblech gestanzte Wände, zwischen denen ein Lafettenkasten für Zubehörstücke eingenietet ist. Die Achse aus Gußstahl ist rund, ohne Achsfutter und auf Abflachungen mit Schraubzwingen an den Wänden befestigt. Zur Verhütung des Brechens der Achse beim Rückstoß dienen die Mitnehmer, flache Eisenstäbe, welche mit einer Öse, die als Stoßscheibe dient, über die Achsschenkel bis zum Stoß geschoben sind, und deren anderes Ende an die Lafettenwände angebolzt ist. Die Räder, nach dem Thonetschen System konstruiert, haben eine bronzene Nabe, zwischen deren beiden Scheiben die keilförmigen Enden der hölzernen Speichen stecken. Auf der Achse und dem Mitnehmer ruht auf drei Trägern mit Gummipuffern zu jeder Seite der L. ein Achssitz für je einen Kanonier der Geschützbedienung. Jedes Rad hat eine Hebelbremse, deren Bremsklotz hinter der Achse (also beim Bodenstück des Rohrs) gegen den Radreifen liegt. Zur Fahrbarmachung wird die L. aufgeprotzt, d. h. mit der Protze verbunden, die den Vorderwagen des Fahrzeugs bildet. Über der Achse desselben steht der Protzkasten, zur Aufnahme der Munition, Zündungen und einiger Zubehörstücke. Auf dem Deckel sitzen beim Fahren drei Bedienungskanoniere. Hinter dem Protzkasten sitzt am Ende der Scherarme der Protzhaken, über welchen die L. mit der Protzöse gehängt wird. Der Protzhaken steht so weit hinter der Achse, daß durch die aufgeprotzte L. die Deichsel im Gleichgewicht gehalten wird (daher Balanciersystem).

Die Lafetten der deutschen Belagerungs- und Festungsartillerie nach dem Konstruktionsprinzip von 1864 haben eine Lagerhöhe von 183 cm. Diese Erhöhung der Rohrlage, ein charakteristischer Fortschritt der deutschen Artillerie, brachte die Scharten in den Batterien und Brustwehren der Festungswälle in Wegfall, durch welche diese sehr geschwächt und dem Feind ein sehr günstiger Zielpunkt gegeben wurde. Diese Lafetten, neuerdings ganz aus Eisen gebaut, tragen auf dem vordern Teil der Wände einen Aufsatz, Bock, aus Eisen (s. Tafel „Geschütze I“) zur Aufnahme des Rohrs. Nach diesem Konstruktionsprinzip, welches sich im deutsch-französischen Krieg bewährt hat, sind die Kanonenlafetten sowohl für die Belagerungs- als für die Festungsartillerie gebaut. Beim Transport werden die Rohre in ein hinter dem Bock befindliches Marschlager gelegt. Die L. für den gezogenen 21 cm Mörser (s. Tafel „Geschütze I“) ist fahrbar; weil aber bei hohen Elevationen der Rückstoß Achse und Räder zertrümmern würde, so werden letztere beim Schießen abgezogen. Eine Schraubenvorrichtung dient zum Heben und Senken der Achse. Die Richtmaschine gestattet Elevationen bis zu 70°. Die Rahmenkasemattenlafette C/72 für 8 und 9 cm Kanonen ist den Küstenlafetten ähnlich. Letztere sind für alle schweren Kanonen nach demselben Prinzip gebaut (s. Tafel „Geschütze II“). Es sind eiserne Rahmenlafetten von 1,80 oder 2 m Feuerhöhe. Die eigentliche L. ist aus Eisenblechen zusammengenietet. Die Zahnbogenrichtmaschine, durch ein Handspeichenrad in Bewegung gesetzt und durch eine Bremse arretierbar, gestattet wegen ihrer seitlichen Lage am Rohr eine tiefe Senkung des Bodenstücks. Der Rahmen steht auf vier Rädern, welche mit starken übergreifenden Flantschen auf kreisförmig gebogenen Schienen laufen. Er wird auf diesen durch eine Schwenkvorrichtung seitlich um ein Pivot bewegt, welches nahe der Brustwehr liegt, und mit dem er durch die Pivotklappe verbunden ist. Der Rücklauf wird durch eine hydraulische Bremse gehemmt, deren am Rahmen befestigter Cylinder mit Glycerin gefüllt ist. An der L. ist der Kolben befestigt, dessen Kopf vier nach beiden Seiten trichterförmig erweiterte Löcher hat, durch welche das Glycerin um so heftiger hindurchgepreßt wird, je schneller der Rücklauf ist. Hierin liegt das Prinzip der Hemmung. Die Schiffslafetten sind im Konstruktionsprinzip den Küstenlafetten ähnlich, nur bedeutend niedriger, damit der Schwerpunkt des Geschützes möglichst tief zu liegen komme, was der Schwankungen des Schiffs und der geringen Höhe des Batterieraums wegen erforderlich ist. Zum Feststellen der L. auf jedem Punkte des Rahmens und zum Hemmen des Rücklaufs dient die Lamellenbremse, 6–8 flache, hochkantig zwischen den Laufschwellen des Rahmens stehende eiserne Schienen, in deren Zwischenräume gleiche, an der L. befestigte Schienen greifen, die durch eine Welle mit Klauen aneinander gepreßt werden können. Die dadurch beim Rücklauf [399] bewirkte Reibung beschränkt die Bewegung. Die Breitseitenlafetten (s. Tafel „Geschütze II“) sind für alle Kaliber nach demselben System erbaut. Die Mittelpivotlafetten für 15 cm Ringkanonen (s. Tafel „Geschütze II“) haben zur Ausstellung mittschiffs von Kanonenbooten oder im Heck und Bug größerer Schiffe ihren Drehpunkt (Pivot) in der Mitte des Rahmens, damit die Geschütze nach allen Seiten feuern können. Die Rahmen der Turmgeschütze sind meist in den Turm fest eingebaut, drehen sich daher mit diesem. Die Brookwelllafetten (von Wagenknecht) für 15 cm Kanonen sind Oberdeckslafetten ohne Rahmen, mit drei niedrigen, massiven Rädern. Das Brook- (Hemm-) Tau, um einen Bolzen in der Schiffswand liegend, wickelt sich beim Rücklauf von einer (Brook-) Welle ab und zieht dabei ein Bremsband um so fester an diese an, je heftiger der Rücklauf ist und die Drehung der Welle stattfindet. Neuerdings ist bei der deutschen Marine die Kruppsche Pivotgelenklafette eingeführt worden, deren senkrechte Wände um eine wagerechte Achse drehbar sind. In ihrem obern Drittel sind sie mit einer hydraulischen Bremse verbunden, die ihr Widerlager in einem in die Bettung eingelassenen Ring findet. Diese L. mit geringem Rücklauf bedarf keines besondern Rahmens und wird ähnlich den Mittelpivotlafetten verwendet. Landungslafetten sind leicht zerleg- und zusammensetzbare Räderlafetten für leichte Kanonen, welche bei Landungen verwendet und von Mannschaften gezogen werden. Stellt man Geschütze hinter Panzerwänden und Mauern auf, so verliert man um so mehr an Deckung, je größer die Scharten sind, durch welche die Geschütze feuern. Die Schartenweite aber nimmt zu mit der Differenz zwischen dem größten Elevations- und Inklinationswinkel des Rohrs und beträgt in der Höhe bei schweren Schiffsgeschützen 1,5–2 m. Wenn aber der Drehpunkt des Rohrs beim Richten nicht in der Schildzapfenachse, sondern in der Mündungsfläche des Rohrs liegt, so braucht auch die Scharte nicht größer zu sein als der Mündungsdurchmesser des Rohrs. Lafetten, welche solche Drehung des Rohrs gestatten, heißen Minimalschartenlafetten. In Deutschland ist eine solche nach der Konstruktion von Gruson (s. Tafel „Geschütze I“) für Geschütze in Hartgußpanzerständen eingeführt, bei welcher das Rohr durch eine hydraulische Pumpe bewegt wird. Durch die Kruppsche Panzerkanone, welche kugelgelenkartig mit der Mündung in dem Panzer selbst drehbar festgehalten wird, ist sowohl jede offene Scharte als der Rücklauf aufgehoben. Noch ist diese Konstruktion nicht praktisch angewendet. Eine geniale Erfindung ist die Moncrieffsche Gleichgewichtslafette (s. Tafel „Geschütze II“), bei welcher das Geschützrohr durch den Rückstoß gesenkt und durch die dabei in Gegengewichten aufgespeicherte Kraft des Rückstoßes auch wieder in die Feuerstellung gehoben wird. Die L. schiebt sich mit den Rollen an ihrem hintern Ende auf den schrägen Laufschienen herunter und zieht dabei die Hubscheiben zurück. Das untere Ende der Hubscheiben ist mit Blei gefüllt und dient als Gegengewicht. Die gekrümmte Zahnschiene an der Seitenfläche der Hubscheibe greift in eine am Rahmen sitzende Triebwelle, welche eine Bremsscheibe trägt. Durch das Anpressen eines Bremsbandes an dieselbe kann die Bewegung des ganzen Mechanismus gehemmt werden. Die Zahnschiene ist nach einer cykloidischen Kurve, der Moncrieffschen Kurve, gebogen. Nach Lösung des Bremsbandes wird die L. mit Rohr durch die Gegengewichte der Hubscheiben in die Feuerstellung hinaufgehoben. Der Rahmen ist um ein Mittelpivot drehbar. Die L. macht die Scharten entbehrlich. Geschütze in Depressionslafetten kommen zur Verteidigung steiler Bergabhänge in Anwendung (Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz). Die schrotleiterartige L. wird hinten durch eine in einem schräg aufrecht stehenden Gerüst angebrachte Windevorrichtung bis zu dem erforderlichen Grade der Inklination des Rohrs gehoben. Die deutschen Feld- und Belagerungslafetten sind für die Neukonstruktion aller Länder mustergültig geworden. Dagegen sind die deutschen Schiffs- und Küstenlafetten aus englischen Konstruktionen hervorgegangen, die auch für andre Länder maßgebend waren.