MKL1888:Knospe
[887] Knospe, bei den Tieren dasjenige Stück des elterlichen Körpers, aus welchem auf ungeschlechtlichem Weg ein neues Individuum heranwächst und entweder zeitlebens mit dem elterlichen Tier in Zusammenhang bleibt, oder sich erst später von ihm loslöst. Im Gegensatz zum Ei, welches stets eine einzige Zelle darstellt, besteht die K. aus mehreren Zellen und zwar sowohl aus solchen der Hautschicht (Ektoderm) als auch aus denen der Darmschicht (Entoderm), hat also die wichtigsten Körperschichten (vgl. Keimblätter) bereits in sich, während sie im Ei sich erst neu bilden müssen. Die Fortpflanzung durch Knospen, die Knospung, ist eine Abart der ungeschlechtlichen Fortpflanzung durch Teilung (bei der das Individuum in zwei unter sich gleich große zerfällt) und Sprossung (bei der ein kleineres und ein größeres Individuum entstehen). Sie findet sich nur bei niedern Tieren allgemein verbreitet vor, z. B. bei den Schwämmen und Polypen, und führt hier sehr oft zur Bildung von umfangreichen Kolonien (z. B. bei den Korallen); auch braucht nicht immer das Junge dem elterlichen Tier zu gleichen (z. B. festsitzende Hydroidpolypen erzeugen durch Knospung frei schwimmende Quallen).
In der Botanik ist K. (Auge, Gemma) der jugendliche Zustand eines Sprosses, in welchem die Stengelglieder desselben noch ganz kurz, die an denselben befindlichen Blätter daher noch dicht zusammengedrängt und in ihrer Entwickelung ebenfalls noch wenig fortgeschritten sind. Jeder in der Fortbildung begriffene Sproß (Stamm oder Zweig) endigt daher in eine K. (Gipfel-, Haupt-, End- oder Terminalknospe, G. terminalis, Fig. 1). Bei vielen Pflanzen bilden sich aber auch an der Seite des Stengels und zwar in den Achseln der Blätter regelmäßig Anlagen neuer Sprosse (Seiten- oder Achselknospen, Gemmae laterales s. axillares, Fig. 2). Ihre Verteilung am Stengel ist lediglich durch die Blattstellung bedingt, und das Blatt, welches die K. in seiner Achsel trägt, heißt ihr Trag-, Stütz- oder Mutterblatt. Meistens steht nur eine einzige K. in der Blattachsel, doch finden sich z. B. bei Lonicera noch eine oder mehrere unmittelbar über derselben; diese nennt man Neben- oder Beiknospen (Gemmae accessoriae). Die Achselknospen bedingen die normale Verzweigung des Stengels, weil jede zu einem neuen Zweig erwächst; darum ist auch die Stellung der Zweige von der Blattstellung des Muttersprosses abhängig, und darum bleiben Stämme, welche keine Seitenknospen entwickeln, auch unverzweigt (Palmen, Baumfarne). Anderseits schlägt auch bei manchen Pflanzen regelmäßig die Gipfelknospe fehl, und es übernimmt die zunächst darunterstehende Seitenknospe, die dann leicht mit einer wahren Endknospe verwechselt werden kann, die Fortsetzung des Zweigs. Dies kommt besonders bei Holzgewächsen (Linde, Ulme, Hainbuche, Haselnuß) vor; bei Syringa (Fig. 2) endigt der gipfelknospenlose Zweig mit zwei gegenständigen Seitenknospen. Eigentliche Gipfelknospen haben z. B. Eiche, Roßkastanie, Pappel, Ahorn (Fig. 1), die Obstbäume. Je nach der Art des Sprosses, zu welchem sich eine K. entwickelt, unterscheidet man: Blattknospen (Gemmae foliiparae), wenn sie zu einem nur mit Blättern versehenen Sproß werden, Tragknospen oder Fruchtaugen (Gemmae floriparae), wenn sie einen blütentragenden Sproß hervorbringen, endlich Blütenknospen (Gemmae florales s. Alabastra), welche die noch unentfaltete Blüte selbst darstellen. Bei allen Seitenknospen entsteht der Vegetationspunkt an der Oberfläche des Muttersprosses und zwar schon in der frühsten Periode, kurz nach oder fast gleichzeitig mit der Anlage des Tragblattes, wenngleich die vollständige Erstarkung der K. in ein
Fig. 1. | Fig. 2. | Fig. 3. |
Fig. 1. Gipfelknospen (Ahorn). Fig. 2. Seitenknospen (Syringa). Fig. 3. Inneres der Knospe. |
späteres Alter des Sprosses fällt. Die sogen. zufälligen oder Adventivknospen (Gemmae adventitiae) bilden sich dagegen immer nur an schon entwickelten, oft ganz alten Pflanzenteilen, sind in ihrer Stellung ganz regellos, indem sie bald mehr zerstreut, bald haufenweise zum Vorschein kommen, wie besonders an ältern Baumstämmen (Stockausschlag), und entstehen dann stets im Innern und zwar in der Kambiumschicht, so daß sie also die Rinde durchbrechen. Sie treten auch an den obersten, horizontal an der Bodenoberfläche hinlaufenden Wurzeln auf und bedingen dann einen Wurzelausschlag (Pappeln, Sauerkirschen und auch bei manchen krautigen Pflanzen, [888] wie Taraxacum, Sonchus u. a.); sogar auf Blättern entstehen sie bisweilen, besonders wenn dieselben in feuchte Erde gesteckt werden, wie bei den Begonien, den Hyazinthenblättern u. a., oder auch an nicht abgelösten Blättern, wie bei Cardamine. An jeder K. unterscheidet man die Knospenachse, d. h. den noch ganz verkürzten Stengelteil, und die an dieser sitzenden, noch dicht aufeinander liegenden Blattorgane (Fig. 3). Bei den Winterknospen unsrer Holzgewächse sind die letztern meist schuppenförmig, von mehr oder minder lederartiger Beschaffenheit und meist dunkler Farbe. Sie bedecken meist die K. vollständig und gewähren den zartern innern Teilen einen Schutz gegen die Einflüsse der winterlichen Witterung (Knospendecken, Tegumenta; Knospenschuppen, Squamae s. Perulae); nach innen gehen sie in der Gestalt und Ausbildung allmählich in die Laubblätter über, welche in der K. schon angelegt sind. Knospen, welche keine Knospendecken besitzen und nur von den äußersten Laubblättern bedeckt sind, heißen nackte (Gemma nuda), z. B. bei Cornus sanguinea, Viburnum lantana, Rhamnus frangula. Häufig sind die äußern Blattorgane der K. mit einem Überzug bekleidet, durch welchen der Schutz vor äußern Einflüssen erhöht wird. So finden sich Haarbildungen (Gemma pubescens), noch häufiger ein klebriges, aus Harz oder Harz und Gummi bestehendes Sekret, welches die Knospenschuppen miteinander verklebt und sie überzieht (G. glutinosa). Sowohl die Art, wie sich die Blätter der K. gegenseitig decken (Deckung, Foliatio), als auch die Lage des einzelnen Blattes in der K. (Knospenlage, Vernatio) zeigen wichtige Eigentümlichkeiten.