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MKL1888:Kerāmik

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kerāmik“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 684687
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Kerāmik. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 684–687. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ker%C4%81mik (Version vom 10.01.2023)

[684] Kerāmik (Kerameutik, griech.; hierzu Tafel „Keramik“), Töpferkunst oder Thonbildnerei, die Kunst, aus Thon Gefäße, Figuren, Reliefs, Kacheln, Platten u. dgl. herzustellen. Über das dabei zu beobachtende technische Verfahren s. Thonwaren.

Die Geschichte der K. reicht bis in die ältesten Zeiten menschlicher Kultur zurück. Für das Alter derselben zeugen unter anderm die Mythen von der Erschaffung der Menschen aus Thon (Genesis, Prometheus etc.). Die griechische Sage läßt Malerei und Plastik in der Werkstatt des Töpfers Butades (Dibutades) zu Korinth erfunden werden. Dem Erzguß, welchen die vorhistorischen Zeiten bereits kannten, mußte das Formen und Brennen von Thon vorausgegangen sein, und noch früher hatte man sowohl Bausteine als Hausgerät nur an der Sonne hart werden lassen. Die Drehscheibe sehen wir schon auf ägyptischen Wandgemälden in Anwendung, und Homer vergleicht den Rundtanz mit dem Drehen der Töpferscheibe. Die Ornamentation der ältesten Gefäße, sei es, daß dieselben mit eingeritzten oder mit aufgemalten Verzierungen versehen sind, zeigt große Übereinstimmung bei den verschiedensten Völkerschaften: einfache Linien und Linienkombinationen, primitive Nachahmungen von Tier- und Pflanzenformen, während die höhere Stufe der Entwickelung bereits die Fauna und Flora des betreffenden Landes wieder erkennen läßt. Altägyptische Gefäße und Götterbilder kommen mit einer starken, meist blauen oder grünen Glasur, andre mit weißer Glasur und mehrfarbiger Bemalung, noch andre nur mit geglätteter Oberfläche vor. Die Ausgrabungen von Ninive etc. haben zahlreiche von Wandbekleidungen herrührende Ziegel mit mehrfarbigem Emailüberzug ans Licht gefördert. (S. Tafel „Ornamente I“, Fig. 1–5.) Cyprische Thongefäße, graugelb mit brauner Malerei, erinnern, wie überhaupt die dort gefundenen Kunstarbeiten, bald an ägyptischen, bald an vorderasiatischen, bald an griechischen Stil. (S. Vasen und Tafel „Ornamente I“, Fig. 18 u. 19.) Zu den ältesten Erzeugnissen der K. gehören auch die von Schliemann in Hissarlik (Troja, s. d.), Mykenä (s. d.) und Tiryns (s. d.) gefundenen Thongefäße und -Scherben.

[Ξ]

KERAMIK.
1. Hirschvogel-Kachel (deutsch, 16. Jahrh.).
2. Pâte sur pâte-Porzellan (Minton, englisch, 19. Jahrh.).
3. Persische Schüssel (16. Jahrh.).
4. Henri deux-Gefäß (französisch, 16. Jahrh.).
5. Spanisch-maurische Majolikakanne (14. Jahrh.).
6. Schale von Gubbio (italien. Majolika, 1519).
7. Schale von Caffagiolo (italienische Majolika, 16. Jahrh.).
8. Teller von Urbino (italien. Majolika, 16. Jahrh.).
9. Palissy-Schüssel (französisch, 16. Jahrh.).
10. Vase aus Delft (Fayence, 18. Jahrh.).
11. Wedgwoodtopf (englisch, 18. Jahrh.).
12. Glasiertes Thonrelief von Luca della Robia, Florenz (ca. 1500).
13. Meißener Kaffeekanne (Vieux Saxe, 18. Jahrh.).
14. Chinesische Vase.
15. Japanische Satzuma-Schale.
16. Deutsche Wappenkachel (16. Jahrh.).
17. Kanne in Böttger-Porzellan (18. Jahrh.).

[685] Bei weitem am wichtigsten und auch am gründlichsten erforscht sind die griechischen Vasen, früher oft fälschlich etruskische genannt. Sie kommen in den mannigfaltigsten Formen und Größen vor und werden nach ihrer Bestimmung in folgende fünf Hauptgruppen gebracht: 1) Vorratsgefäße, wie der Pithos, das Weinfaß, bauchig, mit weiter Öffnung und, weil zum Eingraben in die Erde bestimmt, ohne Fuß, 1 m und mehr hoch; der Amphoreus (Amphora), tragbares Weingefäß mit zwei Henkeln; die Hydria, der Wasserkrug, mit zwei engern (Öhren) und einem weitern Henkel; die Lagynos, die Weinflasche, die auf die Tafel gesetzt wurde; die Lekythos, die Ölflasche, von schlanker Form, mit engem Hals und einem Henkel; der Kothon, die Feldflasche. 2) Mischgefäße: der weite Krater mit horizontal angesetzten Henkeln. 3) Schöpfgefäße. 4) Trinkgefäße, meist flache Schalen mit und ohne Henkel, wie die Phiale, die Kylix, der Kantharos, der Skyphos etc. 5) Speisegeschirr. Weiteres über die Bemalung der griechischen Vasen und die Geschichte der griechischen Gefäßbildnerei s. im Artikel Vasen (mit Tafel). Alle solche Gefäße sind gebrannter Thon (terra cotta), aus welchem auch Bauornamente sowie Figuren von Göttern, Heroen und allerlei Genrefiguren gebildet wurden. Die Gräberstraßen griechischer Städte liefern fortwährend reiche Funde von Terrakotten. Näheres s. im Artikel Terrakotten (mit Tafel). Die geschätztesten römischen Thongefäße waren die arretinischen (s. d.) aus der roten Erde von Arretium.

Während im Abendland in den Zeiten der Völkerwanderung aller Kunstbetrieb auch auf diesem Gebiet erlosch, brachten die Araber die im Orient wahrscheinlich aus dem Altertum lebendig gebliebene Kunst des Emaillierens der Thongefäße und der Thonplatten zum Bekleiden der Wände und Fußböden nach Europa. Die Moscheen Ägyptens, Persiens etc. zeigen bunt bemalte Fliesen mit Zinnglasur, zum Teil aus sehr frühen Zeiten; die maurischen Bauwerke in Spanien wurden ebenso verziert, und in Italien ahmte man sowohl diese Platten (s. Tafel „Ornamente III“, Fig. 20) als auch die spanisch-maurischen Gefäße (s. Tafel „Keramik“, Fig. 5) nach, deren Farben zum Teil Metallglanz haben. Einer frühen Zeit (13. Jahrh.) gehören auch die persischen oder sogen. persisch-rhodischen Fayencen an (s. Tafel, Fig. 3). Die Insel Majorca scheint der Stapelplatz für die nach Italien ausgeführten hispano-maurischen Thonwaren gewesen zu sein, woher die irdenen Gefäße mit farbiger Bemalung und Zinnglasur den Namen Majolika erhalten haben, während die Franzosen aus Faenza, von wo aus ihnen die Kenntnis derartiger Thonwaren zugekommen zu sein scheint, das Wort Faïence machten. Übrigens gerieten die Italiener erst im 15. Jahrh. in den Besitz der Zinnglasur; bis dahin hatten sie nur Bleiglasur, welche die Grundfarbe des Thons durchscheinen ließ, weshalb man diesem einen weißen Überzug (Angußfarbe, engobe) gab. Zinnglasur haben die Reliefs, (s. Tafel, Fig. 12), Büsten etc. der berühmten Florentiner Bildhauerfamilie della Robbia (s. d.), die sogen. terra invetriata. In Pesaro, Gubbio, Urbino und andern Städten entstand um dieselbe Zeit die mezza majolica, unechte oder Halbmajolika, mit Malereien, auf denen der weiße Grund noch den Fleischton vertritt; in Faenza und Florenz in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. die echte oder majolica fina (mit gelben Fleischpartien), für welche vielfach die Kompositionen der großen Maler des Cinquecento benutzt worden sind. Im 16. Jahrh. waren Hauptorte der italienischen Majolikafabrikation Caffagiolo bei Florenz (s. Tafel, Fig. 7), Gubbio, wo Maestro Giorgio (s. d.) Majoliken mit Rubinlüster (s. Tafel, Fig. 6) anfertigte, Urbino (s. Tafel, Fig. 8) und Castel Durante. Einzelne Fabrikorte lieferten die sogen. Sgraffiti, wobei das Ornament mittels eines Metallgriffels in die Angußfarbe graviert und hierauf farbig glasiert wurde. Man nimmt an, daß diese Methode in Città di Castello aufgekommen sei, und nennt das Genre auch à la Castellane. In Ferrara erfreute sich die Majolika besonderer Pflege unter Alfons I. im 16. Jahrh., gegen dessen Ende der Verfall der Majolika beginnt. Inzwischen hatten Veit Hirschvogel (s. d.) und dessen Söhne Augustin sowie Veit der jüngere in Nürnberg bereits im letzten Drittel desselben Jahrhunderts die deutsche Majolika geschaffen, welche vornehmlich für Krüge (s. Hirschvogelkrüge) und Ofenkacheln (s. Tafel, Fig. 1 u. 16) benutzt wurde, und in welcher sich die farbige Emailmalerei mit dem Relief verband. Dieser Zweig, aber auch die Fayence mit ebener bemalter Oberfläche, ferner das graue oder gelbliche Steingut mit Reliefverzierungen oder mit blauer Malerei fanden rasch über ganz Deutschland Verbreitung. Durch ein emailliertes Thongefäß, vermutlich deutschen Ursprungs, kam Bernard Palissy (s. d.) auf den Gedanken, etwas Ähnliches zu erfinden, und durch bewundernswürdige Ausdauer brachte er das nach ihm benannte Genre zu stande: Gefäße mit Pflanzen und Tieren, welche er nach der Natur abgeformt hatte, in Relief belegt und mit Emailfarben gemalt (s. Tafel, Fig. 9). Aus der Mitte des 16. Jahrh. stammen auch die Henri-deux (s. d.) genannten merkwürdigen Gefäße von gelblicher Färbung mit bräunlichen Ornamenten, aufgelegten Mascarons u. dgl., Dilettantenarbeiten aus Oiron (s. Tafel, Fig. 4). Die eigentliche französische Fayence, weißes Geschirr, mit Benutzung chinesischer, persischer und andrer Motive in Blau, Braun und Gelb bemalt, ist in Nevers zu Ende des 16. und in Rouen im 17. Jahrh. aufgekommen. In den Niederlanden wurde Delft im 16. Jahrh. der Hauptsitz einer Fayenceindustrie, deren Fabrikate, namentlich Krüge mit eiförmigem Körper, schlankem Hals und schön angesetztem Henkel (s. Tafel, Fig. 10), und Platten zum Belegen der Fußböden, Kamine, Tische etc., meist blau, doch auch braun bemalt, im 17. Jahrh. die größte Vollendung erreichten. Auf die Entwickelung dieser holländischen wie überhaupt der Fayenceindustrie der neuern Zeit gewann das Bekanntwerden des chinesischen Porzellans bestimmenden Einfluß. Überall bemühte man sich, das Porzellan zu erfinden, und aus den zahllosen Versuchen resultierte, da die Hauptsache, die Porzellanerde, mangelte, das Auftreten einer Menge verschiedener Arten der Fayence, deren Formen und Dekorationsstil wenigstens häufig Verwandtschaft mit den ostasiatischen Erzeugnissen hatten, während bei andern Fabrikaten, besonders im 18. Jahrh., die naturalistische Blumenmalerei oder die Landschaft im Geschmack der Zeit vorherrscht. Straßburg, Frankenthal, Höchst, Nürnberg, Baireuth, Holitsch in Mähren und zahlreiche andre deutsche Städte besaßen im vorigen Jahrhundert blühende Industrien, deren Erzeugnisse heute gesucht werden. Holländer und Deutsche verpflanzten ihre Technik und deren Stil nach England, wo in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Josiah Wedgwood zuerst in Burslem, seit 1770 in Etruria ein vorzügliches, in antikisierender Weise dekoriertes Steingut, namentlich die in schwachem Relief weiß auf Blau bemalte Queensware (s. Tafel, Fig. 11) herstellte. Die Fabriken von Rörstrand [686] und Marieberg in Schweden, Montelupo, Mailand, Capo di Monte in Italien thaten sich ebenfalls durch ihre Fayencen hervor, während sich in Spanien und Portugal in den Fliesen (azulejos, s. d.) die maurische Tradition lebendig erhielt. Die Auffindung des Kaolins in mehreren Ländern Europas wies aber für lange Zeit aller Fayence eine untergeordnete Stellung an, und die Mehrzahl der Fabriken verschwand, wenn sie nicht in Porzellanfabriken verwandelt wurden.

Die Erfindung des Porzellans.

Die Angaben über das Alter des Porzellans bei den Chinesen sind noch äußerst unsicher; doch scheint es keineswegs so weit zurück zu datieren, wie man früher glaubte, vielleicht nur etwa bis 200 v. Chr. Steingut mit sehr harter, halbdurchsichtiger Glasur in mannigfachen Schattierungen von rötlichem Grau bis Meergrün (Seladon), mit wenigem, oft etwas erhabenem Ornament oder absichtlich mit einem Netz von Haarrissen (craquelé) überzogen, soll mehrere Jahrtausende vor Christo fabriziert worden sein; andre Farben werden als spätere Entdeckungen angesehen. Bestimmte Daten über die chinesische Porzellanfabrikation haben wir aus dem Anfang unsers Jahrtausends, um welche Zeit die Fabrik zu Kingtetschin gegründet wurde; unter der Ming-Dynastie im 14. Jahrh. nahmen alle Künste in China einen größern Aufschwung, und das 15. ist auch dort die Zeit der höchsten Kunstblüte. (Damals wurde auch der Turm zu Nanking gebaut.) Die Marken aus jenen Zeiten werden aber im Land sehr geschickt gefälscht, und da die Elemente der Dekoration fast unverändert die nämlichen geblieben sind (Gottheiten, heilige Tiere, wie der Drache Mang, der Hund des Fo, der einem Paradiesvogel ähnliche Fong-Hoang, geometrische Kombinationen, naturalistische Blumen etc.), so bleibt als einigermaßen zuverlässiges Kennzeichen nur die farbige Glasur übrig. Die blaue Glasur gilt für die älteste, und zwar erscheint infolge der noch mangelhaften Technik das Blau nicht gleichmäßig tief und glänzend. Die Dekoration der neuern vielfarbigen Gefäße ist fast immer von gesuchter Unregelmäßigkeit, und neben den einheimischen Motiven finden sich solche benachbarter Völkerschaften (s. Tafel, Fig. 14). Nach Japan soll das Porzellan etwa um den Beginn unsrer Zeitrechnung von China aus gekommen sein, ist aber dort zu viel höherer Vollkommenheit in der Bereitung der Masse wie in der Mannigfaltigkeit und Korrektheit der Dekoration mit Emailfarben gebracht worden. Das japanische Eierschalenporzellan übertrifft an Dünne, Transparenz und Glanz jedes andre Fabrikat; die Zeichnungen verraten eine viel reichere und beweglichere Phantasie, als an dem chinesischen Porzellan sich kundgibt. Zu den Eigentümlichkeiten Japans gehören: die Lackmalerei auf Porzellan, das émail cloisonné auf Porzellan, die mit weißer Emailfarbe auf weißen Grund gemalten Blumen, das elfenbeinfarbige Satsuma-Steingut (s. Tafel, Fig. 15) u. a. Auch in Indien und Persien wurde das chinesische Porzellan nachgeahmt, jedoch mußte sich dasselbe den speziellen Stilrichtungen jener Länder anbequemen.

Durch die in Holland gegründete Indische Handelsgesellschaft kamen im 17. Jahrh. Massen von Porzellan aus den verschiedenen Ländern Ostasiens nach Europa, und sehr bald fing man in China und Japan an, für den europäischen Markt nach dem Geschmack der Besteller zu arbeiten; gleichzeitig begannen in größerm Umfang die (bereits ein Jahrhundert früher durch Francesco de’ Medici in Florenz angestellten) Versuche, Porzellan in Europa zu erzeugen. Gegen Ende des 17. Jahrh. wurde das erste „weiche Porzellan“ in St.-Cloud gemacht, 1740 die Fabrik in Vincennes gegründet, welche 1753 königlich wurde und bald darauf nach Sèvres übersiedelte. In allen Ländern warfen sich Fayenciers auf die Herstellung dieses uneigentlichen Porzellans, welchem durch verglasende Stoffe die Transparenz gegeben wurde (Stratford le Bow und Chelsea in England, Capo di Monte bei Neapel etc.). 1706 erfand der Alchimist Joh. Fr. Böttger (s. d.) in Dresden das sogen. rote Porzellan (s. Tafel, Fig. 17), und 1709 entdeckte er im Haarpuder das Kaolin, welches endlich die Fabrikation echten Porzellans ermöglichte, die in Meißen systematisch betrieben wurde und schnell zu höchster Blüte gelangte (vieux saxe, s. Tafel, Fig. 13). Mit welcher Strenge auch das Geheimnis auf der Albrechtsburg zu Meißen gewahrt wurde, so gelang es doch einzelnen Arbeitern, zu entkommen, oder fremden, sich einzuschleichen, und bald hatte jedes Land und jedes Ländchen seine Porzellanfabrik (Nymphenburg seit 1754, Berlin etwa gleichzeitig, Wien 1718, Höchst 1720 etc.). 1765 wurde in Frankreich das erste Kaolinlager entdeckt.

Die moderne Keramik.

Infolge des Aufschwunges des Porzellans wurden Fayence und Steinzeug nur noch zu technischen Zwecken oder als gemeines Surrogat des Porzellans gearbeitet. Reichere Dekoration dieser Materialien erhielt sich nur im bäuerlichen Betrieb. Die Sammelthätigkeit und Antiquitätenliebhaberei, welche im Beginn des Jahrhunderts lediglich der antik römischen, griechischen und ägyptischen Kunst gegolten hatte, fing erst in der romantischen Periode seit 1820 an, sich auch den Erzeugnissen des Mittelalters und der Renaissance zuzuwenden. Man sammelte die italienischen Majoliken, die Waren von Hirschvogel und Palissy und entdeckte allmählich, daß dieselben, trotzdem Scherbe und Glasur technisch so tief unter dem Porzellan stehen, einen künstlerischen Reiz, eine Farbenglut, einen Schmelz und Frische der Zeichnung haben, welche das kühl und elegant gemalte Porzellan nie erlangen kann, ganz abgesehen davon, daß Zeichnung und Modellierung der Glanzzeit edelster Renaissance angehörten. Es begann nun zunächst in Italien ein Betrieb, welcher auf direkte Nachahmung der alten Stücke behufs Fälschung gerichtet war, und dank der Tradition, welche sich in bäuerlichen Kreisen erhalten hatte, erstaunlich Gutes leistete, wovon vieles noch heute in öffentlichen Sammlungen als echte alte Ware steht. Die eigentlich moderne K. in Fayence wurde in den 50er Jahren durch die französische Staatsmanufaktur von Sèvres neben ihrem Porzellanbetrieb ins Leben gerufen; dieselbe überließ jedoch, nachdem die technischen Vorarbeiten gelungen waren, den Betrieb den Privatfabriken, welche solche Fortschritte machten, daß aus der Weltausstellung von 1867 die moderne französische Fayence bereits als künstlerisch gleichberechtigt neben den staatlichen Porzellanmanufakturen dastand. Seitdem hat sich das Verhältnis immer mehr zu gunsten der Fayence verschoben. In der Fayencetechnik fand man die Möglichkeit, das malerische Element zu pflegen und jeden koloristischen Einfall, die geistreiche auf den Scherben geworfene Skizze in leichtschmelzender Glasur festzuhalten. So wendete sich das Interesse der Künstler, der Liebhaber und Sammler, welche ihre in altertümlichem Geschmack gehaltenen Zimmer mit Gerät schmücken wollten, lediglich der Fayence zu. In Frankreich brachte man zunächst [687] Imitationen der alten Ware (Palissyware von Pull), dann aber freie, neue Schöpfungen hervor, für welche namentlich Deck eine ganze Reihe von selbständigen Künstlern beschäftigte, der auch ganze Fliesendekorationen in großem Maßstab zur Bekleidung von Fassaden anfertigte. Einzelne Teller dieser Künstler werden mit 2–4000 Frank bezahlt. Dann haben die Franzosen jegliche Art älterer Fayencen, die von Rouen, Nevers, Moustiers etc., nachgeahmt, zum Teil genau, zum Teil mit Hilfe des Druckverfahrens, wobei die Konturen gedruckt und die Farben eingetragen werden. Auch sämtliche orientalische Fayencen werden nachgeahmt und als Ausgangspunkt neuer Schöpfungen benutzt, die persischen Fliesen mit dicken Emailfarben in stumpfen Konturen meisterhaft von Parvillier, fabrikationsmäßig von Collinot u. v. a. In England übernehmen die großen Töpfereien in Staffordshire, besonders Minton, die Führung. Letzteres richtete eine künstlerische Versuchsanstalt im Anschluß an das South Kensington-Museum ein, und bereits 1871 auf der keramischen Weltausstellung in London hatte England Frankreich erreicht. Der Betrieb in künstlerischer Fayence in England ist enorm; der beste Maler, Coleman, ist Engländer, die Modelleure vielfach Franzosen. Neben Minton ist vor allem Copeland und die alte Fabrik von Wedgwood zu nennen. Am stärksten geht die Herstellung von glasierten Fliesen zur Wandbekleidung und von eingelegten Fliesen für den Fußboden. Der Stil englischer Malerei ist mehr dekorativ, während die Franzosen auf höchste malerische Wirkung ausgehen. Die Technik ist daher bei den Engländern einfach, bei den Franzosen dagegen zum höchsten Raffinement ausgebildet. Das nationale englische Steingut wird von Doulton in Lambeth künstlerisch mit Glück ausgebildet. Italien hat vornehmlich seine Nachahmung alter Majoliken fortgesetzt (Ginori) und ist hierbei vielfach auf Fabrikwaren herabgesunken, welche an vielen Orten (Siena, Gubbio etc.) von kleinen Töpfern hergestellt werden. Deutschland hatte neben seinen alten Staatsfabriken für Porzellan andauernd die Terrakotten für architektonische Zwecke gepflegt (March in Berlin). Von glasierter Ware sind nur die Öfen künstlerisch behandelt worden (Feilner in Berlin). An diese knüpfte auch die Neugestaltung an, zuerst in Nachahmung der alten grünen, reich modellierten Öfen (Fleischmann in Nürnberg). Seit etwa zehn Jahren ist dieser Zweig sehr reich ausgebildet (Nürnberg, Berlin, Landshut, Meißen, Magdeburg, Hannover etc.). Eingelegte Fliesen und eingelegte Steingutarbeit liefern ganz vorzüglich Villeroy und Boch in Mettlach. Das rheinische Steinzeug ist im alten Kannenbäckerländchen in Nassau, in der Rheinprovinz und in Süddeutschland aus dem bäuerlichen Betrieb wieder aufgerufen, bis jetzt jedoch noch lediglich zur Imitation alter Formen. Die Fayencemalerei wird vorzugsweise von Frauen meist dilettantisch betrieben, mit großer Virtuosität dagegen von Wassili Timm in Dresden. In den Niederlanden werden die alten Delfter Waren mit Glück nachgeahmt. In der Schweiz ist die bäuerliche Töpferware aus Heimberg bei Thun künstlerisch veredelt worden (Keller-Leuzinger). Die Technik derselben ist jetzt auch in den Schwarzwald und nach Meißen übertragen. In Kopenhagen hat sich die Nachwirkung des antiken Stils unter dem Einfluß des Thorwaldsen-Museums bis heute erhalten. Die Thonwaren sind Nachbildungen griechischer Vasen und Terrakotten (Ipsen). In Spanien, Portugal und Monaco werden Fayencen auf Grund der bäuerlichen Tradition in künstlerisch unbedeutender Form gearbeitet. – Neben den großartigen Erfolgen der Fayence hat das moderne Porzellan einen schweren Stand. Meißen lebt lediglich von seinen alten Modellen des vorigen Jahrhunderts. Dagegen hat neuerdings die Berliner Porzellanmanufaktur in der Nachahmung ostasiatischer Erzeugnisse eine große Vollendung erreicht und durch die Erfindung des Segerporzellans der Dekoration ein weites Feld geöffnet. In Kopenhagen, Wien u. a. O. sind die Staatsanstalten ganz eingegangen. Sèvres bewahrt Reste seines alten Ruhmes durch Beschäftigung erster Künstler und hat das hohe Verdienst, die Dekoration pâte sur pâte geschaffen zu haben, eine der glänzendsten künstlerischen Errungenschaften auf diesem Gebiet. Die Dekoration wird in hell durchsichtiger Porzellanpaste wie ein feines Relief auf den dunkeln Grund aufgetragen und mit dem Körper zugleich gebrannt. Die Wirkung ist die einer geschnittenen Kamee, aber noch weicher, malerischer. Solon, der Hauptkünstler dieses Zweigs, arbeitet jetzt in England für Minton (s. Tafel, Fig. 2). In Frankreich hat sich auch bereits die Privatindustrie dieser höchst prächtigen Dekorationsweise bemächtigt. – Einen sehr wesentlichen Einfluß auf die moderne K. üben, wie schon erwähnt, die Waren von China und Japan. Die Einwirkung der glasierten Gefäße von Satsuma, Kanghar, Kioto (in Japan) mit ihrem reizenden, leicht stilisierten Blumenschmuck und phantastischen Farbenreiz zeigt sich in den Erzeugnissen aller hervorragender Porzellanfabriken Deutschlands, Englands und Frankreichs. Die Einfuhr dieser Waren nach Europa ist kolossal. Auch die indische K. ist in Europa eingeführt. In Bombay ist von England eine Art Schule errichtet worden. Die einfach dekorierten Thongefäße dienen für englische Fliesen vielfach als Vorbild. Ebenso werden die modernen bäuerlichen Thonwaren der Donauländer, der Türkei, Kleinasiens, Marokkos, Portugals von Sammlern geschätzt. Vgl. Brongniart, Traité des arts céramiques (3. Aufl., Par. 1877, 2 Bde.); Birch, History of ancient pottery (2. Aufl., Lond. 1873); Salvétat, Dekoration von Thonwaren (Wien 1871); Derselbe, Leçons de céramique (Par. 1875, 2 Bde.); Audsley und Bowes, Keramic art of Japan (Lond. 1875–81); Mayer, On the art of pottery (das. 1877); Jännicke, Grundriß der K. (Stuttg. 1879); Stockbauer und Otto, Antike Thongefäße (Nürnb. 1876); Teirich, Thonwarenindustrie auf der Wiener Ausstellung (Wien 1874); Seelhorst, Die Glas- und Thonwarenindustrie auf der Centennial-Ausstellung von 1876; J. Lessing, Das Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873 (Berl. 1874); Berichte von der Pariser Weltausstellung (das. 1878); Genick, Griechische K. (2. Aufl., das. 1883, 40 Tafeln, mit Beschreibung von Furtwängler); Jacquemart, Les merveilles de la céramique (Par. 1866–69, 3 Bde.); Derselbe, Histoire de la céramique (das. 1873); Demmin, Guide de l’amateur de faïences et porcelaines, etc. (das. 1873); du Sartel, La porcelaine de Chine (das. 1881); Krell, Gefäße der K. (Stuttg. 1885); Jännicke, Die gesamte keramische Litteratur (das. 1882).