MKL1888:Königgrätz
[1017] Königgrätz (tschech. Hradec Králové, „Königinburg“), Stadt im östlichen Böhmen, an der Mündung der Adler in die Elbe, an der Österreichischen Nordwest-, der Pardubitz-Reichenberger und der Lokalbahn K.-Wostromierz gelegen, hat eine gotische Kathedrale, eine bischöfliche Residenz, ein Rathaus mit städtischem Museum, ein Theater, ein Schulgebäude, hübsche Promenaden und (1880) mit der Garnison 8166 Einw. Von industriellen Etablissements befinden sich in der Stadt selbst eine vorteilhaft bekannte Metallmusikinstrumentenfabrik, eine Klavier-, eine Harmoniumfabrik und eine Bierbrauerei, in der nächsten Umgebung eine Zucker- und eine Maschinenfabrik. K. ist Sitz eines Bischofs, eines Domkapitels und bischöflichen Konsistoriums, einer Bezirkshauptmannschaft, eines Kreisgerichts, eines Hauptsteueramtes, hat ein Staatsobergymnasium, eine Lehrerbildungsanstalt, eine städtische Oberrealschule, eine Fachschule für Kunstschlosserei, ein theologische Diözesanlehranstalt, eine Bibliothek und ein Taubstummeninstitut; es besitzt ferner eine Gasanstalt, eine Wasserleitung und eine Sparkasse. Die Stadt war bis vor wenigen Jahren Festung. Als Vorstädte von K. gelten: Kuklena (3794 Einw.), Neu-Königgrätz (2266 Einw.), Pauchow (870 Einw.), Schlesische Vorstadt (619 Einw.). – K. war schon um 1062 befestigt und wurde 1362 der Königin Elisabeth als Witwensitz zugeteilt, von welcher Zeit an der Ort den Namen K. statt des bisherigen Hradec (Grätz) erhielt. K. litt viel im Hussitenkrieg (1424 wurde Ziska hier begraben) sowie auch im Dreißigjährigen und Siebenjährigen Krieg. Die jetzigen Festungswerke stammen aus den Jahren 1780–89.
Nach K. wird in der preußischen Kriegsgeschichte die entscheidende Schlacht des Preußisch-deutschen Kriegs (s. d.) 3. Juli 1866 benannt, welche vielfach auch als die von Sadowa bezeichnet wird, mit Unrecht, da bei diesem Dorf weder das Hauptquartier des Siegers war, noch die Entscheidung fiel. Eher könnte Chlum Anspruch darauf erheben, die Schlacht mit seinem Namen zu bezeichnen. Von Anfang an war es die Absicht des österreichischen Hauptquartiers gewesen, die Armee an der obern Elbe auf dem Plateau von Dubenetz zur Entscheidungsschlacht zu konzentrieren, und als die Preußen, ehe diese Bewegung vollendet war, über die Grenzpässe in Böhmen eindrangen, waren ihnen zur Deckung der Konzentrierung nur einzelne Armeekorps entgegengeworfen worden, welche in den glänzenden Gefechten der letzten Junitage besiegt, teilweise aufgerieben wurden. Benedek mußte daher die Armee, welche bereits geschwächt, erschüttert und zur Initiative unfähig war, 1. Juli weiter rückwärts in eine Stellung bei K. führen, welche für die Verteidigung gut gewählt war. Zwischen dem rechten Ufer der Elbe und der Bistritz zu beiden Seiten der Straße von Horsitz nach K. erhebt sich das Terrain stufenförmig in zahlreichen Hügeln, welche durch flache, mit Gehölz und Dörfern besetzte Mulden getrennt werden und bei Chlum, von wo die ganze Gegend übersehen werden kann, ihre höchste Höhe erreichen. Die Artillerie hatte vortreffliche Positionen (überdies waren die Distanzen genau bezeichnet worden), die Infanterie gute Deckungen, welche noch durch Verhaue gesichert waren. Doch war die Aufstellung der Österreicher von Sadowa auf beiden Flügeln bis zur Elbe bei Trotina und Kuklena so weit zurückgebogen, daß sie eine feindliche Umfassung der Flanken erleichterte; auch war es ein Nachteil, daß die Elbe im Rücken war. Im Zentrum bei Lipa standen das 3. und 10., in der Reserve das 1. und 6. Korps; die zurückgebogenen Flügel bildeten rechts das 4. und 2., links die Sachsen und das 8. Korps; im ganzen 220,000 Mann mit 500 Geschützen. So erwartete Benedek vom 1. Juli ab den feindlichen Angriff, obwohl er so sehr alles Vertrauen zu sich und der Armee verloren hatte, daß er am 2. den Kaiser telegraphisch bat, noch vor der unvermeidlichen Katastrophe um jeden Preis Frieden zu schließen. Auf preußischer Seite standen die erste Armee (2., 3., 4. Korps) in Horsitz, die Elbarmee (7. und 8. Korps) bei Smidar, die zweite (Garde, 1., 5. und 6. Korps) bei Königinhof, im ganzen 240,000 Mann. Man erwartete, den Feind, wenn überhaupt, erst jenseit der Elbe zu einer Entscheidungsschlacht bereit zu finden. König Wilhelm, welcher 2. Juli in Gitschin eingetroffen war und den Oberbefehl übernommen hatte, befahl deshalb nach einer Unterredung mit dem Prinzen Friedrich Karl, daß den stark angestrengten Truppen ein paar Ruhetage gegönnt würden, und beschloß, sich selbst für den 3. Juli nach Königinhof zum Kronprinzen zu begeben. Als aber im Lauf [1018] und am Abend des 2. von den Vorposten der ersten Armee Meldungen einliefen, daß an und jenseit der Bistritz starke feindliche Truppenmassen aufgestellt seien, befahl der König nach einem Kriegsrat den Angriff auf dieselben: die erste und die Elbarmee sollten mit Tagesanbruch angreifen, die sofort benachrichtigte zweite Armee von Königinhof aufbrechen und sobald wie möglich von Norden her dem Feind in die rechte Flanke fallen. Prinz Friedrich Karl, im Glauben, nur drei österreichische Korps und die Sachsen vor sich zu haben, beschloß, bei Sadowa die Bistritz zu forcieren, die Höhe von Lipa zu erstürmen und das feindliche Zentrum zu durchbrechen, während die Elbarmee von Nechanitz aus einen Stoß auf den feindlichen linken Flügel ausführen sollte. Obwohl das Eingreifen des Kronprinzen der Sicherheit halber befohlen war, schien es doch nicht notwendig. Am 3. Juli gegen 8 Uhr früh begann der Angriff, den der König selbst von der Höhe von Dub leitete, und verlief anfangs ganz der Erwartung gemäß. Die erste Armee, in drei Kolonnen vorgehend (das 3. Korps blieb in Reserve), forcierte die Bistritz; der rechte Flügel (3. Division) besetzte Dohalitzka und
Karte zur Schlacht bei Königgrätz (3. Juli 1866). | |
Mokrowous, das Zentrum (4. und 8. Div.) Sadowa und das Sadowagehölz; der linke Flügel (7. Div.) drang über Benatek in den Swiebwald vor, die Elbarmee eroberte Nechanitz. Schon um 10 Uhr waren diese Erfolge errungen. Aber alle weitern Angriffe auf die Höhen von Lipa und Problus scheiterten. Die österreichischen Stellungen waren zur Verteidigung vortrefflich eingerichtet, die Stärke des Feindes viel beträchtlicher, als man geglaubt; vor allem war seine Artillerie überlegen. Gegen die 200 gezogenen Geschütze der Österreicher, welche nach und nach um Lipa auffuhren und die vorher abgemessenen Ziele mit einem wütenden Schnellfeuer beschossen, konnte die preußische Artillerie, welche diesseit der Bistritz in ungedeckter Stellung auffuhr, zum Teil noch aus glatten Geschützen bestand und bei dem trüben, regnerischen Wetter die Position und Distanz der feindlichen Batterien nur schwer unterscheiden konnte, nicht aufkommen und sie auch nicht hindern, die preußische Infanterie mit einem Hagel von Granaten zu überschütten. Namentlich die 7. Division unter General v. Fransecky im Swiebwald geriet in eine gefährliche Lage. Ähnlich ging es der Elbarmee, welche die von [1019] den Sachsen besetzten Dörfer Problus und Prim ebenfalls nicht im ersten Ansturm nehmen konnte, obwohl sie Offensivstöße der Sachsen zurückwies. Die Bedrängnis der ersten Armee, deren letzte Reserve, das 3. Korps, der Befehlshaber vorzuschicken zögerte, wurde von den Österreichern bemerkt, welche vor allem den in der Luft schwebenden linken feindlichen Flügel, die 7. Division im Swiebwald, zu vernichten beschlossen, um dem Zentrum in die Flanke zu kommen. In ihrem Siegeseifer verwendeten sie dazu fast ihren ganzen rechten Flügel, das 4. und 2. Korps. Die 7. Division geriet durch die unaufhörlich wiederholten Angriffe und das furchtbare Artilleriefeuer in die größte Gefahr und erlitt bedeutende Verluste; indes sie behauptete sich im Wald, und im Moment der höchsten Not, als sie mit den letzten, fast erschöpften Kräften einem neuen allgemeinen Angriff entgegenzutreten sich anschickte, kam die ersehnte Hilfe durch das Eingreifen der Armee des Kronprinzen, welche rechtzeitig den Befehl des Königs erhalten, sogleich den Marsch angetreten und mit ihren Spitzen, das Gardekorps in der Mitte, das 6. links, das 1. rechts, das 5. in der Reserve, bereits um 11 Uhr die nördliche Grenze des Schlachtfeldes erreicht hatte. Schon um 1 Uhr waren die vordersten Stellungen des Feindes genommen, und während das 6. Korps die Elbe abwärts bis Nedelišt und Lochenitz vordrang, nahm die 1. Gardedivision gegen 3 Uhr im ersten Anlauf das durch den Angriff der Österreicher auf den Swiebwald fast ganz entblößte Chlum, den Schlüsselpunkt der Stellung, sowie das noch weiter rückwärts gelegene Rosbeřitz, die 2. Gardedivision Lipa und Langenhof. Während das 2. österreichische Korps an die Elbe zurückwich, das 4. bereits fast aufgerieben war, machten die Reservekorps, das 6. und 1., Versuche, die verlornen Positionen wiederzuerobern. Aus Rosbeřitz wurden auch die Preußen herausgeworfen, Chlum indes behauptete die Garde und eroberte auch Rosbeřitz wieder mit Hilfe des 6. und 1. Korps. Zu gleicher Zeit befahl der König ein Vorgehen auf der ganzen Linie, vor dem die Infanterie der Österreicher, durch das Zündnadelgewehrfeuer furchtbar dezimiert, teilweise in völliger Auflösung an und über die Elbe zurückwich. Nur die Artillerie behauptete überall mit aufopfernder Tapferkeit ihre Stellungen bis zum letzten Augenblick und gab ihre Geschütze preis, um den Rückzug zu decken. Auch die Reiterei lieferte der preußischen bei Langenhof glänzende Gefechte, welche freilich das Schicksal des Tags nur kurze Zeit aufhalten konnten. Der Rückzug der österreichischen Armee artete schließlich in völlige Panik aus, und wenn die gesamte preußische Reiterei zur Verfolgung bereit gewesen wäre, würde eine Sammlung der Trümmer ganz unmöglich gemacht worden sein. Indes von Verfolgung außer durch die folgende Artillerie war keine Rede; die Elbarmee, welche sie ausführen sollte, war dazu zu schwach. Der Rückzug der Österreicher auf Pardubitz blieb also unbehelligt. Die preußischen Truppen bezogen auf dem Schlachtfeld Biwak. Die Verluste der siegreichen Armee beliefen sich auf 359 Offiziere, 8794 Mann an Toten und Verwundeten; die Österreicher verloren 5 Fahnen, 160 Geschütze, 22,000 Gefangene, 20,900 Mann an Toten und Verwundeten (allein über 500 tote Offiziere). Der Eindruck der Schlacht bei Freund und Feind in ganz Europa war ein ungeheurer; am Tuilerienhof rief sie die „angoisses patriotiques de Sadowa“ hervor. Vgl. außer den preußischen und österreichischen Generalstabsberichten Jähns, Die Schlacht bei K. (Leipz. 1876).