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MKL1888:Junius, Briefe des

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Junius, Briefe des“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Junius, Briefe des“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 9 (1887), Seite 319320
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Junius, Briefe des. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 319–320. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Junius,_Briefe_des (Version vom 15.01.2023)

[319] Junius, Briefe des, eine Reihe von Briefen, die unter dem Pseudonym Junius zuerst im „Public Advertiser“ in London vom 21. Jan. 1769 bis zum 12. Mai 1772 erschienen und auf gleiche Weise König, Minister, Parlament, Gerichtshöfe und Staatsbeamte, die Umtriebe der Whigs und Tories und ihre Kämpfe untereinander mit schonungsloser Satire, aber dabei mit Geist, gründlicher Sachkenntnis und Beredsamkeit geißelten. Ihre Hauptangriffe sind gegen den Herzog von Grafton, Lord North und andre Minister sowie auch gegen die damaligen Oppositionshäupter Wilkes, Horne Tooke u. a. gerichtet; nur wenige, wie Fox und die Lords Holland und Chatham u. a., bleiben verschont. Übrigens atmen sie trotz ihres republikanischen Cynismus ganz den monarchischen Geist der britischen Verfassung und machen sich nicht selten der Parteilichkeit wie des Mangels an Freisinnigkeit schuldig. Die Schreibart, bei welcher tiefe, aus getäuschten Hoffnungen entstandene Bitterkeit die Feder geführt zu haben scheint, ist gedrängt, oft epigrammatisch, aber immer klar, sicher und präzis im Ausdruck und reiht den Verfasser unter die ersten Prosaisten Englands. Die Briefe wurden bald nach ihrem Abdruck im „Public Advertiser“ von dem Verleger desselben, Woodfall, auch in Buchform publiziert (Lond. 1772), wofür der Verfasser kein andres Honorar forderte als ein schön gebundenes und zwei andre Exemplare seines Werkes. Ein Prozeß, den die Regierung 1770 der Briefe wegen gegen Woodfall anhängig machte, wurde niedergeschlagen und gab zu der Bestimmung Veranlassung, daß der Spruch in Kriminalprozessen gegen ein Libell einer Jury und nicht den Gerichten zustehe. Die wichtigsten Ausgaben der Briefe sind die Londoner von 1783 und 1812 bis 1814, dann die Ausgabe von Wade (Lond. 1849, 2 Bde.; neue Aufl.: Bd. 1, 1873, Bd. 2, 1869). Eine französische Übersetzung erschien zu Paris 1791, eine deutsche von Arnold Ruge (3. Aufl., Leipz. 1867). Über den Verfasser der Briefe erschöpfte man sich bald nach deren Erscheinen in Mutmaßungen aller Art; mehr als 30 verschiedene Personen hatte man im Verdacht, Junius zu sein, darunter den General Lee, Edmund Burke, den Dichter Richard Glover, den Herzog von Portland, den Genfer Delolme, den Lord Temple u. a. Auch in neuester Zeit hat der Streit über die Autorschaft der Briefe noch fortgedauert. Coventry („Critical inquiry into the letters of Junius“, Lond. 1825) suchte den aus dem Siebenjährigen Krieg bekannten Lord Sackville als den Verfasser der B. d. J. hinzustellen, und diese Annahme suchte später John Jaques in seiner „History of Junius and his works“ (das. 1843) durch neue Gründe zu stützen. Sir David Brewster glaubte den Verfasser in einem gewissen Laughlin Maclean, der 1773 Generalkriegskommissar war und 1777 bei der Rückkehr aus Westindien verunglückte, zu erkennen; doch fand diese Meinung wenig Anklang. W. Cramp („Junius and his works“, Lond. 1851) erklärte den bekannten Lord Chesterfield, die „Quarterly Review“ 1852 den berüchtigten Wüstling Lord Thomas Lyttleton (gest. 1779 durch Selbstmord) für den Verfasser der Juniusbriefe. Weiter sprachen sich J. Britton („The [320] authorship of the letters of Junius elucidated“, Lond. 1848) für den Obersten Barré und J. Symons („William Burke, the author of Junius“, das. 1859) für den Bruder des bekannten Edmund Burke aus. Mehr Wahrscheinlichkeit als alle diese hatte von vornherein die zuerst 1816 von Taylor („Junius identified“, Lond. 1816) aufgestellte Ansicht, daß Sir Philip Francis Junius sei; derselben schlossen sich 1841 Macaulay, 1850 Sir F. Dwaris an, sie wurde durch die von dem Schreibverständigen Chabot vorgenommene Untersuchung der hinterlassenen Briefe von Francis sowie der Korrespondenz zwischen Junius und Woodfall und der im Britischen Museum erhaltenen Korrekturbogen der Juniusbriefe in dem Prachtwerk „The handwriting of Junius professionally investigated“ (das. 1873, mit einem Vorwort von Edw. Twisleton) unwiderleglich begründet. Vgl. auch F. Brockhaus, Die Briefe des J. (Leipz. 1875). – Sir Philip Francis, geb. 22. Okt. 1740 zu Dublin, trat 1756 in den Staatsdienst und avancierte durch Lord Hollands und Pitts Protektion schnell, bis er eine hohe Stellung im Kriegsministerium einnahm, die ihm aber 1772 wegen eines gegen seinen Chef gerichteten Pamphlets entzogen wurde. Dann 1773 zum Mitglied des Rats für Bengalen ernannt, geriet er in Streit mit dem Generalgouverneur Warren Hastings, wurde in einem Duell mit demselben verwundet, nahm 1780 seine Entlassung und kehrte nach England zurück. Danach bekleidete er kein öffentliches Amt mehr, saß aber längere Zeit im Parlament, in welchem er sich den Whigs anschloß. Er starb 23. Dez. 1818. Vgl. „Memoirs of Sir P. Francis. With correspondence and journals“ (hrsg. von Parkes und Merivale, Lond. 1867, 2 Bde.).