MKL1888:Himmelfahrt
[547] Himmelfahrt, eine unablösbar mit dem Weltbild des Altertums zusammenhängende, auch noch mit dem ptolemäischen, nicht mehr aber mit dem kopernikanischen System vereinbare Vorstellungsform, welche den religiösen Begriff der Apotheose (s. d.) sinnlich nahebringen und gleichsam ausmalen will. Wie schon im klassischen Altertum (Romulus), so dient die H. besonders auch im Judentum und Christentum zur phantasiemäßigen Veranschaulichung eines Überganges der betreffenden Persönlichkeiten aus der irdischen, bez. menschlichen in die überirdische, bez. göttliche Daseinsweise. Schon bei Lukas (drittes Evangelium und Apostelgeschichte) schließt das Leben Jesu mit einer H. (Ascensio, im Unterschied zu der seit dem 5. Jahrh. erkennbaren Vorstellung einer H. der Maria, Assumptio, daher Assunta); jüdische und christliche Apokalypsen behandeln übrigens auch die H. des Henoch, des Moses und des Jesaias. – Die bildende Kunst bemächtigte sich erst seit dem 7. Jahrh. des die H. Christi betreffenden Stoffs, der anfangs mehr symbolisch-typisch (in Miniaturen und Elfenbeinreliefs) und erst seit dem 15. Jahrh. realistisch dargestellt wurde. Aber auch in späterer Zeit steigt Christus bisweilen noch mit der Siegesfahne gen Himmel. Die bekanntesten Darstellungen sind: das Bild von Giotto (Arena zu Padua), die H. Christi von P. Perugino (Museum zu Lyon), die für viele spätern Darstellungen Vorbild wurde; die eigentümlich ideale Darstellung von Correggio (Kuppel von San Giovanni in Parma) u. aus neuerer Zeit Gemälde von Schraudolph (München, Neue Pinakothek), Pfannschmidt und E. v. Gebhardt (Berlin, Nationalgalerie). Es ist bisher keinem Künstler gelungen, eine H. Christi von allgemein anerkanntem klassischen Wert zu schaffen. Die H. Mariä wurde von der Kunst mit großer Vorliebe behandelt, welcher wir Tizians Meisterwerk in der Akademie zu Venedig u. eine Reihe von prächtigen Schöpfungen des Rubens in der Kathedrale zu Antwerpen, dem Museum zu Brüssel, dem Belvedere zu Wien, der Akademie zu Düsseldorf u. a. O. verdanken. Die Darstellung ist typisch geworden, so daß sich der Vorgang immer in Gegenwart der Apostel über dem geöffneten Grab ereignet, während Christus und Gott-Vater die von [548] Engeln umschwebte Maria empfangen. Bei den Darstellungen Murillos, bei welchen die Apostel fehlen, ist es nicht immer zu entscheiden, ob es sich um die Aufnahme der Maria in den Himmel (span. Asuncion) oder um die unbefleckte Empfängnis (span. Concepcion) handelt.