MKL1888:Heißluftmaschinen
[331] Heißluftmaschinen, Motoren, bei welchen die Ausdehnung atmosphärischer Luft beim Erwärmen als Triebkraft benutzt wird. Man unterscheidet offene und geschlossene H., je nachdem die Maschine fortwährend mit neuer, aus der Umgebung zuströmender, nach ihrem Wirken die Maschine verlassender Luft arbeitet oder aber in ihr ein und dasselbe Quantum eingeschlossener Luft abwechselnd erwärmt und abgekühlt wird. Die erste einigermaßen brauchbare, von Ericsson erfundene Heißluftmaschine war eine offene, sie arbeitet mit zwei Kolben in einem durch einen geheizten Feuertopf einseitig abgeschlossenen Cylinder. Die Kolben sind durch einen eigentümlichen Hebelmechanismus untereinander und mit der Kurbel der Schwungradwelle verbunden, so daß sie während des Ganges der Maschine folgende relative Bewegungen machen. Aus der dem Feuertopf fernsten, für beide Kolben ungefähr gleichzeitig eintretenden Stellung kehrt zuerst der innere (Speisekolben) zurück, drängt dabei das zwischen ihm und dem Feuertopf befindliche Luftquantum zu dem durch die Steuerung geöffneten Auslaßventil heraus und saugt gleichzeitig durch Ventile in dem äußern (Arbeits-) Kolben Luft in den Zwischenraum zwischen beiden Kolben. Der darauf nachfolgende Arbeitskolben preßt diese Luft bei geschlossenem Auslaßventil durch Ventile des Speisekolbens in den dem Feuertopf zunächst liegenden Teil der Maschine. Während bei diesen beiden Operationen die in dem Schwungrad aufgespeicherte Arbeit verwendet wurde, wird umgekehrt in der nun folgenden, infolge der Lufterwärmung eintretenden Expansionsperiode durch die gleichzeitig vorgehenden Kolben Arbeit auf das Schwungrad übertragen. Diese Heißluftmaschine arbeitet aber ökonomisch noch sehr unvorteilhaft und mit unangenehmem, beim Öffnen des Auslaßventils entstehendem Geräusch, weshalb sie, wie auch die spätern offenen H. von Redtenbacher, Wilcox etc., schon längst nicht mehr im Gebrauch ist und nur noch historisches Interesse hat. Allerdings knüpften sich an diese höchst geniale Erfindung hochgespannte Erwartungen bezüglich einer durch ihre Verwendung für das Kleingewerbe ermöglichten Konkurrenz desselben mit der die Vorteile der Dampfmaschine in hohem Maß ausnutzenden Großindustrie. Jedoch haben sich dieselben nicht erfüllt, und selbst die verbesserten Konstruktionen der Gegenwart haben nur geringen Einfluß auf die Hebung der Kleinindustrie ausgeübt.
Die neuern, sämtlich zur Gattung der geschlossenen gehörenden H. werden repräsentiert durch die Konstruktionen von Lehmann, Stenberg, Rider, Rennes. Die Einrichtung und Wirkungsweise der Lehmannschen Heißluftmaschine (Fig. 1) ist folgende. In einem geschlossenen gußeisernen Cylinder aabc, dessen hinteres geschlossenes Ende c, der Feuertopf, in einen Ofen s eingemauert ist, während der vordere offene Teil mit einem zwischen dem Mantel ww und dem Cylinder aa liegenden, Kühlwasser enthaltenden Raum t umgeben ist, bewegen sich zwei Kolben d und ll. Der Kolben d (Arbeitskolben) steht durch eine in der Figur nicht sichtbare Bleuelstange, den Hebel f u. die Stange g mit der Kurbel h der Schwungradwelle i in Verbindung und ist mittels eines nach dem Cylinderinnern gerichteten Lederstulpes derart abgedichtet, daß er, solange der Druck im Innern der Maschine den äußern Luftdruck übersteigt, Luft nicht herausläßt, dagegen bei einer unter den Atmosphärendruck herabgehenden [332] Spannung Luft eintreten läßt. Der Kolben ll (Verdränger) besteht aus einem langen Blechcylinder, der in seinem Innern durch einen hölzernen Zwischenboden k versteift und an einer Kolbenstange m befestigt ist, welche durch eine Stopfbüchse des Arbeitskolbens d hindurchgeführt ist und durch die Stange en, den Winkelhebel po sowie die Stange q mit der Kurbel r, welche mit der Kurbel h einen ganz bestimmten Winkel bildet, in Verbindung steht. Der Verdränger schließt nicht dicht gegen den Cylinder ab, sondern läßt, auf einer Tragrolle laufend, zwischen sich und diesem einen ringförmigen Raum, durch den die Luft von der Vorder- zur Hinterseite des Verdrängers und umgekehrt ohne bedeutenden Widerstand entweichen kann. Je nachdem nun der Verdränger sich dem erhitzten oder gekühlten Ende des Cylinders nähert, wird entweder der größere Teil der Luft unter dem Einfluß des Kühlwassers abgekühlt, oder unter Einwirkung der Ofenhitze erwärmt werden. Der Hebelmechanismus, der die Bewegung der beiden Kolben
Fig. 1. | |
Lehmannsche Heißluftmaschine. Längsschnitt. | |
von derjenigen der Schwungradwelle abhängig macht, ist derartig gewählt, daß folgende relative Bewegungen der beiden Kolben eintreten. Ist der Verdränger ll ganz in den Feuertopf c hineingeschoben, so steht der Arbeitskolben d am vordern offenen Cylinderende. Während nun der Arbeitskolben schnell in seine äußerste hintere Position geht, verändert der Verdränger seine Stellung nur sehr wenig. Dabei wird die zum größern Teil mit dem Kühlmantel in Berührung stehende Luft abgekühlt. Geht nun der Verdränger schnell vorwärts, so wird die kalte Luft in den Feuertopf gedrängt, dehnt sich infolge der Erwärmung aus und wirkt drückend auf den Arbeitskolben, so daß dieser nach vorn gedrängt wird und auf die Schwungradwelle Arbeit überträgt. Der inzwischen nahezu in seiner äußersten vordern Stellung verharrende Verdränger geht dann wieder in seine entgegengesetzte Stellung in den Feuertopf hinein, wobei die erwärmte Luft in den vordern gekühlten Raum gelangt und sich infolge der Abkühlung zusammenzieht, wobei dann wieder der Arbeitskolben nach hinten geht etc. Zur Erzielung eines gleichmäßigen Ganges der Maschine wirkt der Regulator u auf ein Ventil v, welches durch ihn bei zu schnellem Gang der Maschine geöffnet wird und etwas Luft entweichen läßt. Der Kohlenverbrauch liegt nach Brauers Versuchen zwischen 4 und 5 kg Steinkohlen mittlerer Güte pro Stunde und nutzbare Pferdekraft, der Kühlwasserverbrauch beträgt dabei ca. 200 kg. Die Maschine wird von der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau-Aktiengesellschaft in Größen von 1/12 bis 5 Pferdekräften ausgeführt. Ihr mittlerer nutzbarer Überdruck ist gering (ca. 0,55 Atmosphäre), weshalb sie im Verhältnis zur geleisteten Arbeit ziemlich beträchtliche Dimensionen hat.
Die Stenbergsche Heißluftmaschine (die sogen. Kaloriska) ist im Prinzip durch nichts von der vorbeschriebenen unterschieden und weicht nur in der Konstruktion, besonders durch eine andre, einen etwas größern mittlern Druck (ca. 0,6 Atmosphäre) erzielende Ausführung des Bewegungsmechanismus und durch die Kürze des Heiztopfes, von ihr ab, durch welche Umstände es ermöglicht ist, der ganzen Maschine etwas geringere Dimensionen für die gleiche Leistung zu geben. Der Kohlenverbrauch ist dem der Lehmannschen Maschine ungefähr gleich, der Wasserverbrauch etwas größer. Zu beziehen ist die Maschine in Größen von 1/6 bis 2 Pferdekräften aus der Maschinenfabrik der Gebrüder Sachsenberg in Roßlau a. E.
Die H. von Rennes (erste Konstruktion) u. Rider arbeiten beide mit zwei nebeneinander stehenden, durch einen Kanal verbundenen Cylindern. Ein Nachteil dieser Art von H. gegenüber den eincylindrigen besteht in der Vergrößerung des schädlichen Raumes durch das zur Verbindung beider Cylinder nötige Rohr.
Die Ridersche Heißluftmaschine (Fig. 2) besteht aus einem vertikalen Arbeitscylinder a und einem ebenfalls vertikalen Kompressionscylinder b, deren ersterer in einem Ofen erhitzt wird, während der letztere mit einem Wassermantel umgeben ist. In diesen Cylindern bewegen sich die beiden Kolben c und d unter der Einwirkung der beiden rechtwinkelig versetzten, an der Schwungradwelle angebrachten Kurbeln. Zur Verbindung der Cylinder dient das Rohr e mit dem aus zahlreichen dünnen Plättchen bestehenden Regenerator f. Ist der Kolben c in seiner höchsten Lage, so steht der Arbeitskolben d in der Mitte seines Hubes und geht nun nach einer Vierteldrehung der Schwungradwelle in seine tiefste Lage, während der erstere in seine mittlere Lage gelangt. Da hierbei eine Kompression der in der Maschine eingeschlossenen Luft auf etwa ein Drittel ihres Volumens erfolgt, so muß die dazu nötige Arbeit vom Schwungrad abgegeben werden. Die nächste Vierteldrehung bringt c in die tiefste, d in die mittlere Lage, die Luft strömt von b nach a über, nimmt beim Passieren des Regenerators die in demselben aufgespeicherte Wärme auf und wird in a durch die Ofenhitze weiter erwärmt; es findet somit Expansion und Abgabe von Arbeit an das Schwungrad statt. Nach abermaliger Vierteldrehung steht d oben, c in der Mitte, und ein Teil der Luft ist unter c getreten. Es ist weitere Expansion unter Arbeitsabgabe eingetreten. Bei der letzten Vierteldrehung gelangt die Luft wieder ganz in den Cylinder b. Die Ridersche Maschine beansprucht nur wenig Flächenraum und braucht etwa ebensoviel Kohlen pro Stunde und Pferdekraft wie die Lehmannsche [333] und die Stenbergsche. Gebaut wird sie von Rider in Walder (Orange County, New York) und von der Prager Maschinenbau-Aktiengesellschaft, vormals Ruston u. Komp., in Größe von 1/2 bis 5 Pferdekräften.
Die H. von Rennes (gebaut von Fredenhagen zu Offenbach in Größen von 1/30 bis 11/2 Pferdekräften) haben in ihrer ersten Konstruktion mit den Riderschen
Fig. 2. | |
Kalorische Maschine von Rider. | |
Ähnlichkeit, nur ist der Kompressionscylinder ein oszillierender, der Kohlenverbrauch beträgt 7,3 kg pro Stunde und Pferdekraft. Eine spätere Konstruktion hat zwei stehende, je mit Arbeits- und Verdrängerkolben ausgestattete Cylinder. Alle diese H. werden nur für geringe Kräfte gebaut, weil sie, in größerm Maßstab gebaut, im Betrieb zu teuer würden. Sie sind schnell in Gang zu setzen und arbeiten geräuschlos sowie ohne Gefahr einer Explosion, weshalb sie am besten da zu verwenden sind, wo nur unterbrochene Arbeitsleistungen erforderlich sind und die Aufstellung einer Dampfmaschine unthunlich ist.
Geschichtliches. Die erste Idee einer Heißluftmaschine gab der Franzose Carnot; nach ihm kam der Engländer Stirling, welcher 1827 eine solche Maschine ausgeführt haben soll; doch wissen wir Zuverlässiges erst von der ersten Maschine Johan Ericssons, die zu einer Kraft von 5 Pferden in London gebaut und 1853 im „Mechanics Magazine“ beschrieben ward. Ericssons Maschine wie diejenigen seiner nächsten Nachfolger: Wilcox, Whiggle, Burdin, Bourget, Windhausen etc., haben nur einen vorübergehenden Erfolg gehabt. Dagegen fand besonders in den zwei letzten Jahrzehnten die Lehmannsche Heißluftmaschine ziemliche Verbreitung und ist augenblicklich verbreiteter als die später auftauchenden H. von Stenberg, Rider, Rennes. Vgl. Musil, Die Motoren für das Kleingewerbe (2. Aufl., Braunschw. 1883); Hell, Die wichtigsten Kleinkraftmaschinen, ihre Vorzüge und ihre Mängel (das. 1878); Slaby, Beiträge zur Theorie der geschlossenen H. („Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes“ 1879); Brauer und Slaby, Versuche über Leistung und Brennmaterialverbrauch von Kleinkraftmaschinen (Berl. 1879); Bork, Die Kraftmaschine für das Kleingewerbe auf der Fachausstellung zu Erfurt (das. 1880); „Handbuch der Ingenieurwissenschaften“, Bd. 4, Abteil. 1 (Leipz. 1883).[WS 1]
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Siehe auch den Nachtrag unter Heißluftmaschine (Band 19).