MKL1888:Goldspinnerei und Goldweberei
[498] Goldspinnerei und Goldweberei, Herstellung von Gespinsten und Geweben mit Golddraht. Die Gespinste bestehen aus seidenen, zuweilen auch leinenen oder baumwollenen Fäden, welche auf der Spinnmühle schraubenförmig in engern oder weitern Windungen mit geplättetem echten oder unechten Gold- oder Silberdraht, insbesondere leonischem Draht (s. Draht; Lahn, Plätt), umwickelt werden. Echte Gespinste erfordern stets Seide. Für Silbergespinste ist in jedem Fall der Faden weiß, für Goldgespinste gelb gefärbt. Während bei den schwersten Gespinsten sich die Windungen des Lahns unmittelbar berühren und so die Seide völlig bedecken, sind sie bei den leichtern etwas und bei den leichtesten um die ganze Breite des Lahns oder mehr voneinander entfernt. Man unterscheidet das Krausgespinst und die gedrehte Goldschnur. Ersteres entsteht, indem man die Seide zuerst mit einem andern feinern Seidenfaden in weit auseinander liegenden Windungen, dann aber mit dem Lahn in entgegengesetzter Richtung überspinnt. Die Verfertigung der Goldschnur geschieht durch das Zusammendrehen von 2, 3 oder 4 einzelnen Gespinstfäden, wobei die Drehung nach einer den Lahnwindungen entgegengesetzten Richtung geschieht. Aus diesen Gespinsten werden Gold- wie Silberstoffe (draps d’or und draps d’argent) gewebt, die im Orient zu Kleidern, bei uns zu Kirchenornaten Verwendung finden. Goldgespinste, wie Borten, Tressen, Schnüre, werden in Deutschland, England und Frankreich fast nur noch in Kirchen, bei Militär- und Hofuniformen benutzt; in Griechenland, in der Türkei, in Ägypten, Tunis etc. verbraucht man dagegen bedeutende Mengen dieser Artikel für die Nationaltracht, für Ausschmückung der Sättel, Möbel, Tabaksbeutel etc. Während diese Gegenstände [499] meist im Orient selbst verfertigt werden, bezieht man die dazu nötigen Gespinste aus dem Abendland. Das Gold wurde schon in den ältesten Zeiten in der Weberei benutzt und zwar in der Weise, daß man Goldfäden einwebte, welche durch Befestigen von Blattgold auf Darmhaut und Zerschneiden in feine Fäden gewonnen wurden. Nach der Bibel wurde das Goldblech geglättet und in Fäden zerschnitten, dann mit wollenen und leinenen Fäden in das Zeug hineingewirkt. Die verzierten Seidenzeuge der Chinesen werden noch heute so gefertigt. Homer, Pisander und Vergil erwähnen goldgeschmückte Gewebe. In Persien wurde mit goldgestickten Zeugen großer Luxus getrieben; auch die Inder, Araber und Gallier haben sich derselben bedient. Pythagoras ermahnte die Matronen, ihre goldenen Gewänder abzulegen. In Rom kamen goldene Gewänder, Decken etc. sehr häufig in Anwendung. Ein Gewand und ein Leichentuch, welche man in Rom in einem marmornen Sarge gefunden hat, lieferten nach dem Verbrennen 36 Pfd. Gold. Der Codex Justinianeus gestattet den Männern Goldbesätze nur als Abzeichen ihrer kaiserlichen Amtsstellung. Übrigens scheint man in Rom gegen Ende des 4. Jahrh. bereits die Kunst verstanden zu haben, Fäden mit Gold zu decken und diese dann zum Einschlag zu benutzen.