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MKL1888:Glocken

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Glocken“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 437440
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Glocken. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 437–440. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Glocken (Version vom 22.12.2023)

[437] Glocken werden in der Regel aus einer Kupferzinnlegierung gegossen, welche bei einer Zusammensetzung aus 78 Kupfer und 22 Zinn den hellsten und durchdringendsten Ton besitzt. Das Glockenmetall (Glockengut, Glockenspeise) variiert aber in der Praxis ziemlich stark, und bisweilen steigt der Zinngehalt auf 40 Proz. In den alten guten G. trifft man auf 3 Teile Kupfer mehr als 1 Teil Zinn. Das normale Glockenmetall ist leicht schmelzbar, sehr dünnflüssig, hat einen feinkörnigen, dichten Bruch von grauweißer Farbe mit einem Stich ins Rötliche, ist spröde, schwer zu drehen und zu feilen. Das spezifische Gewicht darf nie unter 8,8 betragen. Die Beimischung andrer Metalle ist unnütz oder schädlich, doch ist bei ordinären G. des Preises wegen ein Zusatz von Blei und Zink gebräuchlich. Daß durch Silber der Ton der G. verbessert werde, ist ein Vorurteil, und thatsächlich findet man in ältern G. niemals Silber, wenn auch fromme Gläubige bereitwillig Silber zur Herstellung von Kirchenglocken gespendet haben. Eiserne G., aus Spiegeleisen gegossen, sind wohlfeil, von starkem, gutem Klang und haltbar; wichtiger sind die Gußstahlglocken von starkem, sehr vollem Ton, während die Δ-förmig gebogenen, an der Spitze aufgehängten Stahlstabgeläute einen ziemlich grellen Ton besitzen.

Die Gestalt der G. und ein richtiges Verhältnis zwischen den Dimensionen derselben sind hinsichtlich der Erzeugung des Schalles von hoher Wichtigkeit. Den größten Durchmesser besitzt eine Glocke an ihrer Mündung, die größte Metalldicke aber an dem Schlagring (Schlag oder Kranz), d. h. jenem Umkreis, gegen welchen der Klöppel schlägt. Die [438] größte Weite beträgt das Fünfzehnfache, die Höhe dagegen (außen schräg an der Glocke gemessen) das Zwölffache der Metallstärke am Schlagring. Die Dicke der Glocke vermindert sich vom Schlagring bis zur halben Höhe derselben allmählich, von da an und in der ganzen obern Hälfte (Obersatz) beträgt sie nur den dritten Teil der Dicke des Schlagringes, von dem aus nach der Mündung hin sie ebenfalls abnimmt; dieser dünnere Rand heißt Bord. Der Durchmesser des obersten Teils der Glocke (Haube, Platte) steht zu dem ihrer Mündung im Verhältnis wie 1 : 2. Die Schwere des Klöppels oder Schwengels beträgt in der Regel etwa den 40. Teil vom Gewicht der Glocke. Der Helm (Wolf, Joch) besteht aus einem dicken Stück Eichenholz, das an seinen beiden Enden cylindrisch gestaltet und mit eisernen Zapfen versehen ist, die in messingenen Pfannen liegen, so daß, indem der Helm mittels eines Hebels und eines Seils gedreht wird, die zum Läuten nötigen Schwingungen der Glocke entstehen. Zur Befestigung der Glocke am Helm dient die auf der Haube befindliche Krone, welche aus sechs mit dem Glockenkörper zugleich gegossenen Henkeln besteht. An dem Hängeeisen, einem geschmiedeten eisernen Öhr, welches im Innern der Glocke von der Haube herabgeht, ist mittels starker lederner Riemen der Klöppel befestigt. Da der Aufhängungspunkt desselben tiefer liegt als jener der Glocke, so bilden Klöppel und Glocke zwei Pendel von verschiedener Länge, die also mit ungleicher Geschwindigkeit schwingen, so daß (indem die Glocke ihre Schwingungen langsamer macht als der Klöppel) letzterer zum Anschlagen kommt, was bei gleichen Schwingungen niemals der Fall sein würde. Der Klöppel ist aus Eisen geschmiedet, und der Stiel oder Schaft desselben verjüngt sich nach oben. Das Gewicht einer nach den gewöhnlichen Verhältnissen der Dimensionen gegossenen Glocke läßt sich, wenn den Durchmesser der Glocke in Zollen bezeichnet, aus der Proportion in Pfunden ermitteln. Da nun in allen Proportionen konstant ist, so ergibt sich das gesuchte Gewicht durch Multiplikation des in Zollen ausgedrückten und auf die dritte Potenz erhobenen Durchmessers mit 0,0182. Die Höhe oder Tiefe des Glockentons ist weder von der Höhe noch von der Metallstärke der Glocke, sondern einzig von deren Weite (an der Mündung) bedingt; doch sind die erstern beiden Umstände von wesentlichem Einfluß auf die Erzeugung eines reinen, angenehmen und lange nachtönenden Klanges. Denkt man sich die Glocke, senkrecht auf ihrer Achse, in Ringe geteilt, deren jeder, insofern er einen verschiedenen Durchmesser hat, seinen eignen Ton erzeugt, unter welchen indes der an der Mündung unmittelbar durch das Anschlagen des Klöppels entstehende am stärksten und vorzugsweise hervortritt, so wird es erklärlich, daß der Ton einer Glocke kein einfacher, sondern ein Gemisch von Tönen ist. In dem Maß, in welchem der Durchmesser der Glocke gegen die Haube derselben hin sich verringert, werden die Schwingungen der Metallteile schneller. Indem nun die Haube gerade halb so weit als die Mündung ist, so müssen die Schwingungen daselbst noch einmal so schnell sein, weshalb die Haube die Oktave des Haupttons abgibt. Erfahrungsgemäß gibt eine Glocke von 0,837 m Weite und 300 kg Gewicht ungefähr den Ton des zweigestrichenen c. Gestützt auf diese Voraussetzung und abgesehen von dem Einfluß, welchen die Beschaffenheit und Mischung des Glockenmetalls auf den Ton äußern, läßt sich auch für jeden andern Ton die Größe der Glocke berechnen, sofern man das Verhältnis der Schwingungszahlen der Töne einer Oktave berücksichtigt. Da nämlich die tönenden Schwingungen einer Glocke neben demselben Verhältnis schneller stattfinden, in welchem sich der Durchmesser der Glocke vermindert, so erfordert ein Ton, welcher im Vergleich zu einem andern durch zwei- oder dreimal schnellere Schwingungen erzeugt wird, auch eine Glocke von zwei- oder dreimal kleinerm Durchmesser. Unter den Tönen einer Oktave ist aber das Verhältnis der Schwingungszahlen und des Gewichts der G. (das Gewicht der den Grundton gebenden Glocke = 1 gesetzt) folgendes:

Ton der G. Schwingungszahlen Gewicht der G.
c 1,000 1,000
d 1,125 0,702
e 1,250 0,512
f 1,333 0,422
g 1,500 0,296
a 1,667 0,216
h 1,875 0,152
c 2,000 0,155

Ist der Durchmesser einer Glocke, welche den Grundton angibt, bekannt, so erhält man den Durchmesser für die Glocke des verlangten höhern Tons, indem man den erstern durch die entsprechende Schwingungszahl dividiert. Werden die der einen Oktave angehörenden Durchmesser verdoppelt, so erhält man die Durchmesser für die gleichnamigen Töne der Unteroktave. Ein gut zusammengestelltes Geläute muß aber, um auf das Ohr den erforderlichen angenehmen Eindruck zu machen, aus G. bestehen, deren Töne einen möglichst vollkommenen musikalischen Akkord bilden. Der vollkommenste Wohlklang entsteht aus Grundton, Terz und Quinte, welchen man noch, wenn vier G. erfordert werden, die Oktave hinzufügt. Nach Schafhäutl soll die Tiefe des Tons bei übrigens gleichen Verhältnissen zunehmen mit dem Quadrat des Durchmessers, und wenn G. von gleicher Materie in ihren Dimensionen in gleichem Verhältnis zu- und abnehmen, so sollen sich die Töne derselben umgekehrt wie die Kubikwurzeln aus dem Gewicht derselben verhalten. Übrigens haben auch hohes oder niedriges Aufhängen, schwerer oder leichter Anschlag sowie Anschlag mit breiter oder scharfer Fläche aus den Ton Einfluß. Den Ton durch Abdrehen auf der Drehbank zu ändern, ist wohl möglich, praktisch aber kaum ausführbar. Eine zersprungene Glocke verliert den Ton. Den Riß durch Neuguß mit einer leichter schmelzbaren Legierung zu füllen, ist unthunlich; vorteilhafter sägt man ein Stück heraus, so daß sich beim Schwingen die Sprungflächen nicht mehr berühren.

Große G. werden in Lehmformen gegossen. Der Schmelzofen ist ein Flammofen von kreisrunder oder ovaler, wenig vertiefter Form mit niedrigem Gewölbe, in welchem einige Löcher, Windpfeifen, angebracht sind, durch deren beliebiges Öffnen oder Schließen der Zug der Flamme nach den verschiedenen Teilen des Schmelzherdes geregelt und eine gleichmäßige Erhitzung des Ofens bewirkt werden kann. Gegenüber dem Feuerherd befindet sich das Stichloch oder Auge zum Ablassen des Metalls. Bei Zusammensetzung der Mischung muß man viel mehr Zinn anwenden, als die Glocke später enthalten soll. Man nimmt auf 3 Teile Kupfer 1 Teil Zinn, schmelzt zuerst alles Kupfer, setzt demselben 2/3 des Zinns hinzu und zuletzt, wenn alles in Fluß und das Gekrätz abgenommen ist, das übrige Zinn. Die Schmelzung erfordert [439] 4–6, bei großen Massen auch 12 Stunden. Ist alles geschmolzen, so wird das Auge aufgebrochen und das Metall durch die Gußrinne in die Form geleitet. Diese wird in der vor dem Ofen befindlichen Dammgrube aufrecht stehend hergestellt. Man mauert zuerst den hohlen Kern, welcher der Höhlung der Glocke entspricht, gibt demselben durch Auflegen von Thon genau die richtige Form, bestreicht ihn dick mit einem wässerigen Brei aus Holzasche, um das Anhaften des Modells zu verhindern, und trocknet ihn durch ein in seinem Innern angemachtes mäßiges Feuer. Alsdann wird das Modell (Hemd), welches vollkommen mit der bestimmten Metallstärke der Glocke und im Umriß mit der äußern Glockenform (ohne Henkel) übereinstimmen muß, auf den Kern aufgetragen. Der letzte dünne Überzug des Modells, welcher auch Gesimse, Kränze, Inschriften etc. darstellt, besteht aus einer Mischung von Talg und Wachs. Über demselben wird schließlich der Mantel geformt, welcher mit der ersten Schicht (Zierlehm), aus Lehm, Ziegelmehl, Pferdemist, Kuhhaaren und Wasser gebildet, den Verzierungen genau sich anschmiegen muß und, nachdem diese Schicht getrocknet ist, mit Lehm verstärkt wird. Trocknet man nun den Mantel durch Feuer, so schmilzt das Wachs und zieht sich in den Lehm, wodurch sich dann der Mantel vom Modell löst. Die Form zur Krone wird besonders angefertigt, in die obere Öffnung des Mantels eingesetzt und mit Lehm befestigt. In ihr befinden sich das Gießloch und die Windpfeifen, durch welche die im Innern der Form enthaltene Luft beim Gießen entweicht. Zur Verstärkung des Mantels dienen um denselben herumgelegte eiserne Schienen und Reifen, an welchen Haken zur Befestigung von Seilen angebracht sind, um mit Hilfe eines Krans oder Flaschenzugs den gut getrockneten Mantel in die Höhe zu heben. Ist dies geschehen, so wird das auf dem Kern sitzende Modell stückweise weggebrochen, der Kern aber nötigen Falls ausgebessert, soweit er hohl ist, mit Steinen und Erde gefüllt und dann die obere Öffnung desselben mit Lehm geschlossen und gehörig abgeglichen. Gleichzeitig wird das Hängeeisen in den Lehm eingesenkt, so daß die mit Widerhaken versehenen Schenkel beim Guß von dem Metall eingeschlossen werden. Zuletzt wird der Mantel über den Kern herabgelassen und, nachdem die Fuge rund um seinen untern Rand mit Lehm verstrichen worden ist, die Dammgrube völlig mit Erde, Sand und Asche gefüllt, diese Füllung, wodurch die Form eine größere Widerstandsfähigkeit gegen den Druck des Metalls erhält, mittels einer Handramme festgestampft und die Gußrinne vom Ofen nach dem Gießloch angelegt. Nach dem Gießen läßt man 24–48 Stunden abkühlen, entleert dann die Dammgrube, entfernt den Mantel und windet die Glocke heraus. Die Angüsse werden nun abgesägt, die Glocke befeilt etc.

Geschichtliches. Kleinere G. kommen schon in den ältesten Zeiten vor. Die Ägypter brauchten sie bei ihrem Kultus; bei den Griechen bedienten sich die Priester der Persephone und Kybele der G. Die Römer benutzten Hausglocken, während große G., wie wir sie heute zum Versammeln der Gemeinde in Kirchen haben, erst in der christlichen Zeit Anwendung fanden. Den Guß derselben soll der heil. Paulinus, Bischof von Nola in Kampanien, zu Anfang des 5. Jahrh. erfunden haben, und die Kirche desselben in Cimitile bei Nola rühmt sich, den „ältesten Glockenturm in der Christenheit“ zu besitzen. Jedenfalls blühte in Nola, begünstigt durch reiche und reine Kupfererze, schon früh der Glockenguß, weshalb die G. auch die lateinische Benennung Campana oder Nola (für kleinere G.) tragen. Das deutsche Wort Glocke (engl. clock, dän. klokke, schwed. klocka, althochd. clocca) stammt wahrscheinlich vom althochdeutschen klochôn oder kloppen, schlagen, woraus auch das französische cloche (mittellat. cloca, provençal. cloca, walachisch clópot) gebildet zu sein scheint, und kommt schon im 8. Jahrh. vor. Den kirchlichen Gebrauch der G. soll nach einigen der heil. Paulinus, nach andern der Papst Sabinian (604) eingeführt haben. Gewiß ist, daß sie bereits im 7. Jahrh. in Frankreich, unter Karl d. Gr. in Deutschland bekannt waren, und daß im 8. Jahrh. die Sitte aufkam, sie feierlich zu weihen oder zu „taufen“. In der orientalischen Kirche fanden die G. erst 871 Eingang, als der griechische Kaiser Basilius von dem venezianischen Dogen Orso I. zwölf große Bronzeglocken zum Geschenk erhielt und diese auf einem eigens hierzu auf der Sophienkirche errichteten Turm aufhängen ließ. Ihren Höhepunkt erreichte die Glockengießerei zu Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrh. Die größten und wohlklingendsten Geläute gehören dieser Zeit an, in welcher auch 1467 die Glockenspiele vom Glockengießer Bartholomäus Kneck zu Alost in Flandern erfunden wurden. Vanoccio verbesserte zu Anfang des 16. und Mersenne zu Anfang des 17. Jahrh. die Konstruktionen, und Peter Emony in Amsterdam gab zu Ende des 17. Jahrh. bestimmte Gesetze und brachte es dahin, daß der volle Grundakkord mit der Terz, Quinte, Oktave und obern Oktave gehört wurde. Emony machte aus seinen Proportionen ein großes Geheimnis und vererbte es auf Abraham de Graaf, von dem es auf Julien und dadurch in die berühmte Glockengießerfamilie Petit und Edelbrock in Gescher bei Koesfeld überging. Die besten Glockenspiele befinden sich in Holland, wo der geschickteste Glockengießer vielleicht aller Zeiten, der Lothringer Hemony zu Zütphen an der Yssel, 1645 ein Glockenspiel von 26 Glocken, deren größte 2000 kg wog, aufstellte.

Reiche Kirchen haben von jeher in der Größe der G. miteinander gewetteifert, und es übersteigt fast allen Glauben, welche ungeheuern Metallmassen man mitunter auf Türmen aufgehängt hat. Die größte Glocke Deutschlands ist die dreimal umgegossene und 1875 in den Dom zu Köln abgelieferte „Kaiserglocke“; dieselbe ist 3,25 m hoch, hat am Schallrand 3,42 m Durchmesser und wiegt 26,250 kg. Die Dicke der Wandung am Schlagrand beträgt 29 cm, an der Krone 8 cm. Der Klöppel ist 3 m lang und wiegt 765 kg. Der Ton der Glocke ist D (nicht Cis). Die in dem mittlern Domturm zu Olmütz befindliche Glocke wiegt 358 Ztr. Dieser ganz nahe kommt die große Glocke auf der St. Stephanskirche zu Wien, welche 354 Ztr. und mit Klöppel, Helm und Eisenwerk 514 Ztr. wiegt. Ihrer Größe und ihres Alters wegen berühmt ist auch eine Glocke im Dom zu Erfurt; sie wiegt 275 Ztr., mit dem 11 Ztr. schweren Klöppel und sonstigem Eisenwerk 300 Ztr., ist 2,10 m hoch, hat 2,70 m unten im Durchmesser, ist 20 cm dick und wurde 1497 gegossen, nachdem ihre Vorgängerin, die bedeutend schwerere „Susanne“, bei einem Brand 1472 geschmolzen war. Auch außer Deutschland findet man G. von ungeheuerm Gewicht, besonders in Frankreich (auf den Dom in Paris kam 1680 eine Glocke von 25 Fuß Umfang und 340 Ztr. Gewicht), in der Schweiz und in Italien, weniger in England, obwohl das Glockenläuten dort besonders üblich ist. Der berühmte „große Thomas“ zu Oxford, eine der größten G. in England, wiegt nur 150 Ztr. Im J. 1786 ließ Pius VI. zu Rom eine große Glocke [440] gießen und auf die Kuppel des Vatikans bringen. Dieselbe wiegt 280 Ztr., und um sie herum sind die 12 Apostel angebracht. Auf dem Turm zu Santiago de Compostela befindet sich eine Glocke von 300 Ztr. Gewicht. Ebensoviel wiegt die große Glocke auf der Domkirche zu Mailand, welche 22 Fuß im Umfang und 7 Fuß Höhe hat. Die Glocke im Münster zu Bern wiegt 240 Ztr.; die auf dem Münster zu Schaffhausen hat 29 Fuß im Umfang. Unstreitig die größte Glocke der Welt besitzt Rußland; doch wird dieselbe nicht benutzt, und es ist auch unbekannt, ob sie jemals benutzt wurde. Dieser Metallkoloß hat ein Gewicht von 12,327 Pud (201,916 kg), einen Umfang von 18 m und eine Höhe von 5,8 m. Er führt den Namen „Zar Kolokol“ („Glockenkönig“ oder „Kaiserglocke“) und steht seit 1836 auf einer Granitunterlage neben dem „Iwan Welikii“ („Johann der Große“) genannten Glockenturm im Kreml zu Moskau, nachdem er bis dahin in einer Grube gelegen hatte; auch ist ein Stück von ihm (wahrscheinlich bei einem Fall) ausgeschlagen. Neben ihm liegt der 5 m lange Klöppel, von dem man sagt, daß er gar nicht zum „Zar Kolokol“ gehöre, da er für diesen zu klein sei. Vor dem Brand von 1812 zählte man zu Moskau nicht weniger als 1706 G. Viele derselben gingen damals zu Grunde, zersprangen oder schmolzen, die meisten aber prangen seitdem wieder auf den Türmen der alten Hauptstadt, und die größte von ihnen, 1819 gegossen, wiegt 1000 Ztr. und wird vorzugsweise Bolschoi, „die Große“, genannt. Auch in China gibt es G. von ansehnlicher Größe und von hohem Alter, so zu Peking eine eiserne, 1250 Ztr. schwer und 4,50 m hoch, welche der Kaiser Yong-lo 1403 gießen ließ. Alle chinesischen G. haben eine eigentümliche Form, indem sie sich gegen den Schlagring hin nicht erweitern, mit nur hölzernen Klöppeln versehen und oben durchbohrt sind, was den Schall verstärken soll. – Mit der Taufe der G. scheint auch zugleich der Aberglaube mit aufgekommen zu sein, durch ihr Läuten die Gewitter vertreiben zu können. Dieser Glaube spricht sich in vielen Inschriften derselben aus, welche überhaupt die Zeit, in welcher die G. gegossen wurden, meist treffend charakterisieren (s. Glockentaufe). Vgl. Harzer, Die Glockengießerei (Weim. 1854); Otte, Glockenkunde (2. Aufl., Leipz. 1884); Zehe, Historische Notizen über die Glockengießerkunst des Mittelalters (Münst. 1857); Lukis, Account of church-bells (Lond. 1857); Böckeler, Beiträge zur Glockenkunde (Aachen 1882).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 387
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[387] Glocken. Gesprungene G. zu reparieren, gilt im allgemeinen für unthunlich. In Schweden wurde indes 1805 ein Verfahren entdeckt, durch welches gesprungene G. den frühern Klang und die frühere Stärke wiedererhalten. Dies Verfahren wird jetzt von Ohlsson in Lübeck für den dritten Teil der Kosten, die das Umgießen erfordern würde, mit gutem Erfolg ausgeübt. Der Riß wird mit dem Meißel auf ca. 1,5 cm erweitert, dann macht man in der Nähe desselben Vertiefungen, befestigt eine Anzahl Klammern quer über den Riß, bringt an dem entsprechenden Teil der Glocke einen Mantel von Thon und Blech an und gießt, nachdem die unmittelbar an dem Riß liegenden Teile der Glocke durch starkes Kohlenfeuer erhitzt worden sind, die Fuge mit einer Legierung, deren Zusammensetzung Geheimnis ist, aus. Bei Gelegenheit dieser Reparatur wird auch der Klöppel versetzt, weil das Metall, gegen welches er jahrelang geschlagen hat, spröde geworden ist und leicht springt.