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MKL1888:Fluoreszénz

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Fluoreszénz“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Fluoreszénz“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 6 (1887), Seite 403404
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Fluoreszénz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 403–404. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Fluoresz%C3%A9nz (Version vom 10.01.2023)

[403] Fluoreszénz, ein eigentümliches Selbstleuchten gewisser (meist fester und flüssiger) Körper, welches durch Lichtstrahlen hervorgerufen wird und nur so lange dauert wie die Bestrahlung. Läßt man die Sonne auf Petroleum scheinen, so strahlt dieses an sich schwach gelbliche Öl ein sanftes, schön blaues Licht aus; Wasser, in welches man einige Stückchen Roßkastanienrinde geworfen hat, schimmert im Tages- oder Sonnenlicht hellblau, ebenso eine Chininlösung. Das gelbe Uranglas (Annaglas, Kanarienglas) zeigt bei Tagesbeleuchtung einen hellgrünen, gewisse Spielarten von Flußspat (Fluorcalcium) einen schön blauen Schimmer; nach letzterm Körper hat man die Erscheinung F. genannt. Übergießt man zerkleinerte Pflanzenblätter mit Weingeist, worin das Blattgrün (Chlorophyll) sich auflöst, so leuchtet die grüne Lösung, von den Sonnenstrahlen getroffen, mit blutrotem Licht; eine blaue Lösung von Lackmus fluoresziert orange, ebenso eine purpurrote Lösung von Naphthalinrot. Läßt man das Sonnenlicht durch eine Flasche mit Petroleum gehen, so vermag es, obgleich viel heller als das gewöhnliche Tageslicht, den blauen Schimmer in einer zweiten Flasche mit Petroleum nicht mehr hervorzurufen; es müssen demnach diejenigen besondern Strahlenarten, welche dieses Vermögen besitzen, in dem Petroleum der ersten Flasche zurückbehalten (absorbiert) und zur Erregung des blauen Lichts verbraucht worden sein. Nur solche Strahlen können die F. irgend eines Stoffes hervorrufen, welche von ihm absorbiert werden, und thun dies um so stärker, je kräftiger sie absorbiert werden. Um genauer zu ermitteln, welche Strahlengattungen es sind, die den blauen Schimmer des Petroleums verursachen, lassen wir ein mittels Spalt, Prisma und Linse entworfenes Sonnenspektrum (s. Farbenzerstreuung) auf die Oberfläche der Flüssigkeit fallen und beobachten, in welchen Teilen des Spektrums der blaue Schimmer auftritt. Das Rot und alle folgenden Farben bis zum [404] Violett zeigen sich vollkommen wirkungslos; erst im Violett beginnt der bläuliche Schimmer und bedeckt nicht nur den violetten Teil des Spektrums, sondern erstreckt sich noch weit über das violette Ende hinaus bis auf eine Entfernung, welche der Länge des unter gewöhnlichen Umstanden sichtbaren Spektrums etwa gleichkommt. Hieraus geht hervor, daß es Strahlen gibt, welche noch stärker brechbar sind als die violetten, welche aber für gewöhnlich nicht gesehen werden. Man nennt sie überviolette (ultraviolette) Strahlen (s. Figur). Auf dem Petroleum werden

Sonnenspektrum mit dem ultravioletten Teil.

sie sichtbar, weil sie seinen blauen Fluoreszenzschimmer zu erregen im stande sind. Auf dem hellen bläulichen Grunde des fluoreszierenden Spektrums zeigen sich nicht nur von G bis H die bekannten Fraunhoferschen Linien, sondern auch das ultraviolette Gebiet erscheint mit zahlreichen solchen Linien erfüllt, deren hervorragendste mit den Buchstaben L bis S bezeichnet worden sind (s. Figur). Der Bergkristall oder Quarz besitzt die Eigenschaft, die ultravioletten Strahlen weit vollkommener durchzulassen als Glas. Entwirft man daher das Spektrum mit einem Prisma von Bergkristall, so erscheint auf dem Petroleum der ultraviolette Teil des Spektrums beträchtlich heller und noch weiter verlängert. Die ultravioletten Strahlen können übrigens auch unmittelbar ohne Vermittelung eines fluoreszierenden Körpers durch ein Glas- oder Quarzprisma gesehen werden; man sieht sie in bläulichgrauer (lavendelgrauer) Farbe, wenn man das gewöhnlich allein sichtbare helle Spektrum abblendet; unser Auge ist also keineswegs unempfindlich für diese Strahlen höchster Brechbarkeit, sondern nimmt sie unter gewöhnlichen Umständen bloß deswegen nicht wahr, weil sie im Vergleich zu jenen hellen Strahlen zu lichtschwach sind.

Jeder fluoreszierende Körper wird von derjenigen Strahlengattung am stärksten zum Selbstleuchten angeregt, welche er am kräftigsten absorbiert. Farblose oder schwach gelblich aussehende Substanzen, wie Chininlösung, Auszug der Roßkastanienrinde, Petroleum etc., welche nur die lichtschwachen violetten und ultravioletten Strahlen absorbieren und ebendiesem Umstand ihr nahezu farbloses Aussehen verdanken, können natürlich nur unter dem Einfluß dieser Strahlen höchster Brechbarkeit fluoreszieren. Die korallenrote Lösung des Eosins dagegen, welche erbsengrün fluoresziert, wird durch die grünen, Naphthalinrot durch die gelbgrünen, Blattgrün durch die hochroten Strahlen am stärksten erregt, in jedem Fall nämlich durch die Strahlengattung, durch deren Absorption die gesättigte Färbung dieser Körper verursacht wird, und welche sich im Spektrum des durchgelassenen Lichts (Absorptionsspektrum) durch einen schwarzen Absorptionsstreifen an der entsprechenden Stelle kenntlich macht.

Untersucht man das von einem fluoreszierenden Körper ausgestrahlte Licht mittels des Prismas (etwa durch das Spektroskop), so findet man es zusammengesetzt, auch wenn das erregende Licht einfach ist. Das Fluoreszenzlicht des Petroleums z. B., welches man etwa durch einfach violettes Licht vom Ende des Spektrums hervorruft, wird durch das Prisma zu einem Spektrum ausgebreitet, welches Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett enthält, jedoch in einem solchen gegenseitigen Verhältnis, daß die aus allen diesen Farben gemischte Fluoreszenzfarbe blau erscheint. Bei farblosen oder allen unscheinbar gefärbten fluoreszierenden Körpern, welche wie Petroleum, Chininlösung etc. nur die brechbaren Strahlen des Tageslichts absorbieren, enthält das ausgestrahlte Fluoreszenzlicht nur solche Strahlen, welche weniger brechbar sind als das erregende einfache Licht (Stokessche Regel). Bei jenen fluoreszierenden Substanzen dagegen, welche sich durch starke Absorptionsstreifen im Gebiet der minder brechbaren Strahlen auszeichnen und daher lebhaft gefärbt erscheinen, können im Fluoreszenzlicht auch Strahlen enthalten sein, die brechbarer sind als das erregende Licht. Erregt man z. B. das Naphthalinrot durch Licht, welches durch rotes Glas gegangen ist und nur rote und orangefarbene Strahlen enthält, so findet man, daß das erregte Fluoreszenzlicht aus Rot, Orange, Gelb und Gelbgrün zusammengesetzt ist, daß also durch orangefarbenes Licht die stärker brechbaren gelbgrünen Strahlen hervorgerufen worden sind. Bei diesen der Stokesschen Regel nicht unterworfenen Substanzen erregt überhaupt jeder absorbierte Strahl stets das vollständige der Substanz eigentümliche Fluoreszenzspektrum. Von gasförmigen Körpern wurde bis jetzt nur am Joddampf F. beobachtet. Dieser violette Dampf fluoresziert orange und wird von den grünen Strahlen, die er am kräftigsten absorbiert, am stärksten erregt. (Erklärung der F. s. Ausstrahlung.)