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MKL1888:Agarĭcus

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Agarĭcus“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 182183
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Agarĭcus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 182–183. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Agar%C4%ADcus (Version vom 15.09.2022)

[182] Agarĭcus Fr. (Blätterschwamm), Pilzgattung aus der Ordnung der Hymenomyceten und der Reihe der Hutpilze, deren Fruchtträger die Gestalt eines Schirms (Hut, pileus) hat, der auf einem Strunk (stipes) sitzt, und auf dessen unterer Seite die Sporenlager in Form von Plättchen (Lamellen) vom Rand nach dem Strunk zu laufen. Bisweilen ist der ganze Fruchtträger in der Jugend von einer Haut (Hülle, volva) umhüllt, welche später zerreißt. Auch zieht sich bei manchen Arten vom Rande des Huts nach dem obern Teil des Strunks eine Haut (Schleier, velum), welche die Plättchen verdeckt. Löst sich dieser längs des Hutrands los, so bleibt er am Strunk als häutiger Ring (annulus) sichtbar. Die ca. 1800 Arten sind über die ganze Erde verbreitet und wachsen meist auf Waldboden, einige auf Wiesen und in Gärten. Das Mycelium ist im Boden ausgebreitet, und von ihm aus wachsen die Fruchtträger hervor, meist im Frühjahr und Herbst. Viele Arten sind eßbar und wegen ihres großen Gehalts an eiweißartigen Stoffen sehr nahrhaft; nicht wenige sind aber auch giftig. Gegenwärtig wird die Gattung in mehrere Unterabteilungen oder selbständige Gattungen zerlegt.

I. Hutpilze von lederiger, dauerhafter Beschaffenheit, mit zentral gestieltem Hut, knorpeligem Stiel und trocknen Lamellen, bilden die Gattung Marasmius Fr. Dazu gehören: 1) Lauchschwamm (M. scorodonius Fr.), von knoblauchartigem Geruch und Geschmack, mit 1,5 cm breitem, flachen, rotbraunem, später verblaßtem Hut und 2–5 cm hohem, schlankem, glänzend rotbraunem Stiel, eßbar und als Gewürz beliebt. 2) Herbstmusseron (Nelkenblätterschwamm, M. oreades Fr.), von angenehm gewürzigem Geruch und Geschmack, mit etwas gebuckeltem, lederfarbenem, 2–5 cm breitem Hut und vollem, zottigem Stiel, auf Grasplätzen, wird besonders als Suppengewürz verwendet.

II. Hutpilze von fleischiger Beschaffenheit, die ganz oder teilweise mit Milchsaft erfüllt sind, bilden die Gattung Lactarius Fr. (Milchschwamm). Von eßbaren Arten sind zu nennen: 1) Reizker oder Ritschling (L. deliciosus Fr.), mit safrangelbem, unveränderlichem Milchsaft, 2–9 cm breitem, flachem oder trichterförmigem Hut, hohlem Stiel und rötlichgelbem Fleisch. 2) Brätling (L. volemus Fr.), mit weißem Milchsaft, trocknem, kahlem, nicht schuppigem oder flockigem, 5–10 cm breitem, bräunlich goldgelbem Hut, vollem Stiel und weißem Fleisch. Giftig und durch ihren scharf schmeckenden Milchsaft erkennbar sind folgende Arten: 3) Giftreizker (L. torminosus Fr.), mit weißem Milchsaft, fleischfarbenem oder ockergelbem, dunkelgezontem, 3–7 cm breitem, klebrigem oder schmierigem, am anfangs eingerollten Rand weißzottigem Hut und 3–5 cm hohem, glattem Stiel, auf Heiden und in Wäldern, namentlich unter Birken. 4) Mordschwamm (L. turpis Fr.), ebenfalls mit weißem Milchsaft und ungezontem, braunem, am Rand zuerst weißzottigem Hut und olivenfarbenem, klebrigem Stiel.

III. Hutpilze von fleischiger Beschaffenheit ohne Milchsaft, mit dünnen, nicht zerfließenden Lamellen, die steif und zerbrechlich sind, bilden die Gattung Russula Pers. (Täubling). Eßbar, durch milden Geschmack ausgezeichnet ist der Täubling (R. vesca Fr.), mit verschieden langen, einfachen und gabelig geteilten Lamellen, festem, 5–10 cm breitem, aderig gerunzeltem, fleischfarbenem, am Rand gestreiftem Hut und weißem, netzig runzeligem Stiel. Von scharfem Geschmack und sehr giftig ist der Speiteufel (R. emetica Fr.), der einen 5–9 cm breiten, am Rand gefurchten, roten, gelben oder auch weißen Hut, einfache, nicht geteilte, weiße Lamellen und einen bis 5 cm hohen, vollen, glatten, weißen oder roten Stiel besitzt.

IV. Hutpilze mit fleischigem Körper, ohne Milchsaft und mit wachsartigen, saftreichen Lamellen bilden die Gattung Hygrophorus Fr., von welcher folgende Arten gegessen werden: 1) Jungfernschwamm (H. virgineus Fr.), ohne Schleier, mit 2–5 cm breitem, rissig gefeldertem oder flockigem, weißem Hut und dicken, weißen, am Stiel bogig herablaufenden Lamellen. 2) Wiesenschwamm (H. pratensis Fr.), ebenfalls ohne Schleier, mit 2–10 cm breitem, zuletzt kreiselförmig buckligem, rotgelbem, später verblassendem Hut und weit herablaufenden Lamellen. 3) Elfenbeinschwamm (H. eburneus Fr.), mit unregelmäßig flockigem Schleier, weißem, glattem, 2–10 cm breitem Hut, herablaufenden Lamellen und klebrigem, oben durch Schüppchen rauhem Stiel.

V. Die Arten der Gattung A. im engern Sinn endlich unterscheiden sich von den bisher genannten durch häutige, weiche Lamellen; sie werden nach der Farbe der Sporen, dem Vorhandensein oder Fehlen von Ring und Schleier u. a. wieder zu zahlreichen Untergattungen vereinigt. Um die Farbe der Sporen [183] zu erkennen, legt man einen reifen Hut mit der Unterseite auf ein Stück Papier; nach kurzer Zeit werden dann die Sporen abgeworfen und sind nun auf dem Papier als gefärbter Staub erkennbar. Dunkelpurpurne Sporen, ein gefärbter, starrer Stiel und ein am Hutrand zurückbleibender faseriger Schleier kennzeichnen die Untergattung Hypholoma Fr., zu welcher der angenehm riechende, aber widerlich bitter schmeckende und giftige Schwefelkopf oder Büschelschwamm (A. fascicularis Huds.) gehört; er wächst in dichtem Rasen an alten Baumstöcken, hat einen genabelten, ockergelben Hut, gelbes Fleisch und gelbe, dann grünliche, sehr dicht stehende Lamellen. Dunkel gefärbte Sporen, einen Ring am Stiel und freie, dem Stiel nicht angewachsene Lamellen hat die Untergattung Psalliota, welche von eßbaren Arten den Champignon (A. campestris L.), den Wiesenschwamm (A. pratensis Schäff.), den Schafchampignon (A. arvensis Schäff.) und den Waldchampignon (A. silvaticus Schäff.) umfaßt (s. Champignon u. Tafel „Pilze“). Braune oder ockerfarbene Sporen und einen Ring am Stiel hat die Untergattung Pholiota, zu welcher der an Baumstämmen lebende Stockschwamm (A. mutabilis Schäff.), mit gebuckeltem, zimtbraunem Hut, steifem, schuppigem, braunem Stiel und erst weißem, dann braunem, verschwindendem Ringe, gezählt wird. Unter den Hutpilzen mit rosa gefärbten Sporen zeichnet sich die Untergattung Clitopilus durch herablaufende, am Stiel angewachsene Lamellen und fleischigen Stiel aus; von ihren Arten wird besonders der Musseron (A. prunulus Scop.) als Speiseschwamm geschätzt, der frisch einen mehlartigen Geruch zeigt und einen fast fleischigen, weißgrauen, 2–7 cm breiten Hut, weiße, später fleischrote Lamellen und einen bauchigen, gestreiften Stiel besitzt. Untergattungen von A. mit weißen Sporen sind sehr zahlreich; von denselben sind die Arten von Pleurotus leicht durch ihren muschelförmigen, seitlich gestielten oder stiellosen Hut erkennbar, wie unter andern der eßbare, an Laubbäumen wachsende Buchenpilz oder Drehling (A. ostreatus Jacq.), mit erst schwärzlichem, dann braunem, endlich gelblichem, exzentrisch gestieltem Hut und oberwärts verdicktem, am Grund behaartem Stiel. Bei den übrigen Untergattungen ist der Stiel immer zentral angeheftet. Bei der Untergattung Collybia fehlen die allgemeine Hülle (s. oben) und der Ring ganz, der Stiel ist knorpelig, der Hut flach, und die Lamellen laufen nicht herab; dazu ist der eßbare Nagelschwamm (A. esculentus Wulf.) zu zählen, der einen etwas bittern Geschmack hat und an Wegen und auf Triften vom Frühling bis Herbst truppweise wächst; sein ockergelber oder bräunlicher, etwa 2 cm breiter Hut steht auf dickem, hohlem, thonfarbenem Stiel. Die Untergattung Tricholoma unterscheidet sich von Collybia besonders durch den fleischigen Stiel und angeheftete, am Stiel ausgebuchtete Lamellen; die allgemeine Hülle und der Ring fehlen bei ihr ebenfalls. Von eßbaren Arten derselben sind zu nennen der Maischwamm (A. graveoleus Pers.), mit ungeflecktem, grauem oder braungelbem Hut, und der Pomonaschwamm (A. Pomonae Lenz), mit geflecktem, weißgelbem bis braungelbem Hut und ausgerandeten, mit einem Zahn am Stiel angewachsenen Lamellen. Bei der Untergattung Armillaria fehlt die allgemeine Hülle, aber der Ring ist vorhanden, und die Lamellen laufen herab. Vom Hallimasch (A. melleus L.) bildet das Mycelium die sogen. Rhizomorphastränge (s. d.) und erzeugt bei Nadelhölzern die als Erdkrebs (s. d.) bekannte Krankheit; der Fruchtkörper dieses Pilzes hat einen bis 10 cm breiten, in der Mitte gebuckelten, braungelben bis schwarzbraunen, haarig beschuppten Hut, mit einem Zahn herablaufende Lamellen und einen bräunlichgelblichen Stiel mit hängendem, flockigem Ring. Bei der Untergattung Lepiota ist eine allgemeine schuppige Hülle vorhanden, die mit der Hutoberfläche fest verwachsen bleibt; eine hierher gehörige eßbare und wohlschmeckende Art ist der Parasolschwamm (A. procerus Scop.), mit gebuckeltem, 7–25 cm breitem, weißem oder bräunlichweißem Hute, dessen dicke Haut in zahlreiche graubraune, dachziegelartige Schuppen zerreißt und einen am Grund knolligen, braunschuppigen, bis 30 cm hohen Stiel hat. Die durch viele giftige und verdächtige Arten ausgezeichnete Untergattung Amanita hat ebenfalls eine allgemeine Hülle, die sich aber von der Hutoberfläche ablöst. Von giftigen Arten gehören dahin: 1) Der in Wäldern häufige Perlenschwamm oder graue Fliegenschwamm (A. rubescens Fr.), mit bräunlichem, rötlichem oder lederfarbenem, 7–12 cm breitem Hute, der mit vielen kleinen, weißen, mehligen Warzen besetzt ist und von einem oben verdünnten, 5–10 cm hohen, weißlichen oder rötlichen, feinschuppigen Stiel getragen wird. 2) Der in Wäldern sehr verbreitete Fliegenpilz (A. muscarius L., s. Tafel „Pilze“), mit orange- oder feuerrotem, 7–18 cm breitem Hute, dessen in feuchtem Zustand klebrige Oberfläche mit vielen dicken, weißen Warzen bedeckt ist und weiße Lamellen hat; sein am Grund knolliger Stiel ist weiß, selten gelblich und trägt einen schuppig gerandeten Ring. Der Pilz enthält Muskarin, war früher offizinell und wird von den Bewohnern Ostsibiriens zur Bereitung eines berauschenden Getränks benutzt. 3) Pantherschwamm (A. pantherinus DC.), mit bräunlichem, auch grünlichem oder bläulichem, am Rand gestreiftem, 7–12 cm breitem, mit Warzen besetztem Hut, einer wulstigen, ockergelben Scheide am Grunde des Stiels und schiefem, unregelmäßigem Ring. 4) Knollenblätterschwamm (A. phalloides Fr.), mit erst glockigem, dann ausgebreitetem, schmierigem, weißem, blaßgelbem oder blaßgrünem Hut und am Grund knolligem, von einer teilweise verwachsenen Scheide umgebenem Stiel. Als eßbare Art ist der besonders in Südeuropa häufige, sehr geschätzte Kaiserschwamm (A. caesareus Scop.) zu nennen, der einen orangeroten oder gelben, mit einzelnen weißen, hautartigen Resten der Hülle bedeckten Hut sowie Lamellen, Ring und Fleisch von gelber Farbe besitzt.