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MKL1888:Adel

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Adel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 108112
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Adel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 108–112. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Adel (Version vom 21.04.2022)

[108] Adel, Landstrich in Ostafrika, s. Adâl.

Adel (v. altd. od, odal, sächs. edel, d. h. Land, Gut, auf den ursprünglichen Zusammenhang des Adels mit dem Grundbesitz hindeutend), bevorzugter Stand, welcher sich in allen europäischen Ländern, mit Ausnahme von Norwegen und der Türkei, vorfindet. In übertragener Bedeutung wird die Bezeichnung A. allerdings auch auf Personen angewendet, welche in andrer Hinsicht eine hervorragende Stellung einnehmen, wie man denn z. B. von einem A. der Gesinnung zu sprechen pflegt. Als Stand und zwar wesentlich als Geburtsstand hat der A. seine Entstehung in dem Feudalwesen des Mittelalters, so namentlich in Deutschland. Einzelne Freie verdingten sich hier den Königen zu Hof- und Kriegsdienst, ein Verhältnis, welches man im allgemeinen als Ministerialität bezeichnet. Diese Ministerialen erhielten für ihre Dienste kleinere und größere Grundstücke zu Lehen, welche Verleihungen anfangs bloß persönlich waren. Um nun solche Herrengeschlechter an ihre Sache zu fesseln, gestanden ihnen die Könige, die eines Rückhalts gegen die Fürsten bedurften, namentlich seit Konrad II. (1024–39), die Erblichkeit der Lehen zu. Danach entwickelte sich, besonders seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrh., die Erblichkeit auch der größern Reichslehen, der Herzogtümer, Grafschaften etc. Diese Entwickelung war noch dadurch begünstigt worden, daß auf dem Grundeigentum die Pflicht zur Heeresfolge lastete, und daß die kleinern freien Grundbesitzer, welche den Kriegsdienst (mit dem Bewaffnung und Unterhaltung auf eigne Kosten verknüpft waren) scheuten, ihr Eigentum den mächtigern abtraten, um es als Lehen von denselben zurückzuerhalten und so der Pflicht zur Heeresfolge ledig zu werden. Die ehemals ebenbürtigen und gleichberechtigten Freien standen nun als Befehlende und Gehorchende, als Herren und Diener, einander gegenüber. Um ihre Macht zu befestigen, wirkten sich die Gewalthaber von den Königen mannigfache Privilegien aus, welche sie auf ihre Nachkommen vererbten, besonders das des ausschließlichen Rechts zum Reiter- (Ritter-) Dienst im Krieg. Der Besitz dieser Vorrechte mußte das Streben, sich als einen von dem übrigen Volke gesonderten Stand zu betrachten, begünstigen, und aus der naturgemäßen Fortbildung solchen Strebens hat sich in Deutschland seit dem 10. Jahrh. der Stand des Erbadels entwickelt. In späterer Zeit trat dann die noch jetzt wichtige Sonderung des Adels in einen hohen und niedern ein. Dem hohen oder reichsunmittelbaren A. gehörten diejenigen an, welche Reichsstandschaft, d. h. Sitz und Stimme auf den Reichstagen, hatten und niemand als den Kaiser über sich anerkannten. Die unter einem Landesherrn, also nur mittelbar unter dem Kaiser stehenden Adligen machten den in sechs Klassen (Titulargrafen, Reichsfreiherren oder Barone, Edle oder Bannerherren, Ritter des heiligen römischen Reichs, Edle von, auf oder zu und endlich Adlige mit dem Prädikat „von“; über letzteres s. Adelsprädikat) zerfallenden niedern, landsässigen oder reichsmittelbaren A. aus. Doch wurde auch die reichsfreie Ritterschaft zum niedern A. gerechnet (s. Reichsritterschaft).

Privilegien, Titulaturen etc. des deutschen Adels.

Die staats-, kirchen- und privatrechtlichen Privilegien des Adels zur Zeit des ehemaligen Deutschen Reichs waren von sehr bedeutendem Umfang. Außer der dem hohen A. ausschließlich zukommenden Landeshoheit und Reichsstandschaft genossen alle Klassen des Adels folgender Privilegien: die Schriftsässigkeit, d. h. das Recht, nicht vor einem Gericht unterer Instanz, sondern vor einem höhern Gericht Recht zu nehmen; Steuer-, Zoll- und Militärfreiheit; Vorrecht auf gewisse Ämter, z. B. beim Reichskammergericht; Siegelmäßigkeit, d. h. das Recht und die Gewalt, jeder Urkunde durch Beidrückung des adligen Siegels die Wirkung einer öffentlichen Urkunde beizulegen; Kirchenpatronat und Patrimonialgerichtsbarkeit, sofern der Adlige begütert war; Befreiung vom kirchlichen Aufgebot; Autonomie, d. h. das Recht, in gewissem Umfang nicht nur für die eignen Nachkommen und Erben, sondern auch für Dritte verbindliche Normen über Familienangelegenheiten festzustellen; ein ausschließliches Recht auf den Geschlechtsnamen und das Geschlechtswappen; eine vorzüglichere äußere Ehre vor den Bürgerlichen, verbunden mit den Prädikaten Hochwohlgeboren u. dgl. Bei einigen dieser Rechte (z. B. um in ein Domkapitel, in den deutschen Herren-, den Malteser- oder Johanniterorden aufgenommen werden zu können, um an den Turnieren Anteil zu nehmen etc.) genügte nicht der eigne, persönliche A., sondern es wurde noch gefordert, daß der Adlige eine bestimmte Anzahl von adligen und zwar adlig gebornen, nicht erst durch Standeserhöhung geadelten Vorfahren, sogen. Ahnen (s. d.), von väterlicher und mütterlicher Seite aufweisen könne.

Diese Verhältnisse hörten mit dem Deutschen Reich zugleich auf, ja die Rheinbundsakte und die Verfassungen der neuentstandenen Staaten verringerten allenthalben die Vorrechte des Adels oder hoben sie, wie die Konstitution des Königreichs Westfalen, geradezu auf. So kommt es, daß wirkliche Vorrechte heutzutage nur dem hohen A. zustehen. Dieser hohe A. umfaßt die Familienangehörigen der souveränen Fürstenhäuser und der mediatisierten Familien, welche früher im Besitz reichsunmittelbarer Territorien waren und Reichsstandschaft hatten. In Ansehung der letztern war in der deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 bestimmt, daß auch die Mediatisierten künftig zu dem hohen A. in Deutschland gerechnet würden, und daß ihnen das Recht der Ebenbürtigkeit (s. d.) mit den regierenden Häusern bleiben sollte. Ferner sollten die Mediatisierten und ihre Familien die privilegierteste Unterthanenklasse, namentlich in Ansehung der Besteuerung, bilden; ihre noch bestehenden Familienverträge sollten aufrecht erhalten werden, und es sollte ihnen auch fortan die Befugnis zustehen, über ihre Güter und Familienverhältnisse autonomische Anordnungen zu treffen. Endlich sollte dem hohen A. ein privilegierter Gerichtsstand, die Befreiung von aller Militärpflichtigkeit, die Ausübung der Gerichtsbarkeit in erster und, wo die Besitzungen groß genug, auch in zweiter Instanz, die Forstgerichtsbarkeit, Ortspolizei und Aufsicht in Kirchen- und Schulsachen zustehen. Allein diese Rechte sind in den Einzelverfassungen sehr beschnitten und nur das Recht der erblichen Mitgliedschaft in der Ersten Kammer ist den Mediatisierten in allen Staaten mit Zweikammersystem erhalten worden. Der privilegierte Gerichtsstand und die eigne Gerichtsbarkeit sind durch die deutschen Justizgesetze vollständig beseitigt. Dagegen ist die Befreiung von der Militärdienstpflicht im Reichswehrgesetz aufrecht erhalten. [109] Der niedere A. aber hat heutzutage keine besondern Rechte mehr, man müßte denn den Anspruch auf die Prädikate „von“ und „Hochwohlgeboren“ und auf Führung des Familienwappens als „Rechte“ auffassen. Ebenso wird die Vorschrift, daß nur Adlige gewisse Hofämter bekleiden können, schwerlich als ein wirkliches Recht derselben hingestellt werden können. Nur in Bayern war dem niedern A. bis in die neuere Zeit das Recht der Siegelmäßigkeit verblieben und durch die Verfassungsurkunde von 1818 garantiert. In eignen Rechtsgeschäften hatte die Fertigung der Siegelmäßigen soviel Kraft wie die obrigkeitliche Protokollierung von Rechtsgeschäften unsiegelmäßiger Personen. Das sogen. Grundlagengesetz vom 4. Juni 1848 bestimmte jedoch, daß mit dem Erlaß eines Notariats- und Prozeßgesetzes die Siegelmäßigkeit als Vorrecht aufhören sollte. Demgemäß wurde dasselbe durch das Notariatsgesetz von 1861 und, soweit es noch in der streitigen Rechtspflege Wirkungen äußerte, durch das Einführungsgesetz zur Prozeßordnung von 1869 aufgehoben.

Die Stufenleiter der üblichen Prädikate (Titulaturen) ist zur Zeit folgende: Der einfache Edelmann bis zum Freiherrn aufwärts erhält das Prädikat „Hochwohlgeboren“, der Graf „Hochgeboren“; die Häupter der standesherrlichen Grafenfamilien erhielten durch Beschluß der deutschen Bundesversammlung vom 13. Febr. 1829 das Prädikat „Erlaucht“; die Häupter der vormals reichsständischen, jetzt standesherrlichen fürstlichen Familien erhielten durch Beschluß der Bundesversammlung vom 13. Aug. 1825 den Titel „Durchlaucht“; im Bereich der österreichisch-ungarischen Monarchie führen die sämtlichen Mitglieder solcher Familien, soweit in denselben die Fürstenwürde für alle Deszendenten erblich ist, das Prädikat „Durchlaucht“. Die Häupter der übrigen fürstlichen Familie können den Titel „Durchlaucht“ nur dann führen, wenn er ausdrücklich verliehen ist. Viele solcher Titularfürsten haben nur das Prädikat „Erlaucht“. Hinsichtlich der erbfolgenden Söhne bestehen keine festen Regeln; so führt z. B. der älteste Sohn des Fürsten Bismarck die Grafenwürde und den Titel „Hochgeboren“, der älteste Sohn, resp. Erbfolger des Fürsten Hatzfeld-Wildenburg (preußischer Fürst seit 1870) die Titel „Prinz“ und „Fürstliche Gnaden“.

Die verschiedenen Klassen des niedern Adels.

Wie im vormaligen Deutschen Reiche, gibt es auch jetzt noch verschiedene Klassen des niedern Adels, jedoch ohne besondere praktische Bedeutung. In Österreich bestehen noch die sechs alten Klassen des Reichs; in Bayern sind dagegen fünf Stufen angenommen: Fürsten, Grafen, Freiherren, Ritter und gewöhnliche Adlige mit dem Prädikat „von“; in andern deutschen Staaten häufig drei: Grafen, Freiherren und gewöhnliche Adlige. Das Aufrücken in eine höhere Adelsklasse und der Erwerb des Adels überhaupt von seiten eines Bürgerlichen erfolgen durch eine sogen. Standeserhöhung, d. h. durch Verleihung des Adels oder einer höhern Klasse desselben von einem Fürsten. Der A., welcher sich auf eine solche Standeserhöhung gründet, heißt Briefadel; die darüber ausgestellte Urkunde heißt Adelsdiplom oder Adelsbrief (s. d.). In Deutschland kommen seit Kaiser Karl IV. Verleihungen des niedern und des hohen Adels vor, und das Recht dazu gehörte vormals zu den Reservatrechten des Kaisers, d. h. zu den Rechten, welche sich der Kaiser in allen deutschen Landen vorbehalten hatte. Die mächtigern Einzelstaaten Deutschlands, namentlich die weltlichen Kurstaaten, erkannten jedoch die kaiserlichen Adelsbriefe nur dann an, wenn seitens der Beliehenen die Bestätigung in aller Form nachgesucht wurde. Böhmische Unterthanen, welche von der Reichskanzlei eine Standeserhöhung erlangt hatten, mußten der königlich böhmischen Hofkanzlei die erforderliche Intimation machen. Übrigens hatten oder behaupteten zahlreiche Fürsten das Nobilitationsrecht. Den Erzherzögen von Österreich wurde es 1453 von Kaiser Friedrich III. verliehen; die Kurfürsten von Bayern und der Pfalz übten dasselbe als „Erzpfalzgrafen“ in umfangreicher Weise aus; die Kurfürsten von Brandenburg nobilitierten als souveräne Herzöge von Preußen. Die Herzöge von Lothringen erteilten schon seit dem 14. Jahrh. Adelsbriefe. Auch geistliche Fürsten, z. B. der Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von Metz, Toul, Verdun, waren berechtigt, den A. zu verleihen. Endlich erhielten seit dem Anfang des 17. Jahrh. zahlreiche kleinere Fürsten und selbst Familien des niedern Adels, z. B. die Grafen von Schönborn, die Freiherren Paumgartner v. Hohenschwangau u. a., das Nobilitationsrecht auf Grund eines kaiserlichen Privilegiums, des Palatinats oder der Komitive (s. Pfalzgraf).

Gegenwärtig steht das Recht der Standeserhöhung jedem souveränen Fürsten zu, doch bedarf der Unterthan der Genehmigung des Landesherrn, um den A. führen zu können, welcher ihm von einem fremden Monarchen verliehen ward. In Bayern, Württemberg und Österreich werden nur die immatrikulierten Geschlechter (s. Adelsmatrikel) als adlig anerkannt. Der A. wird bald als ein auf die ehelichen Nachkommen übergehendes Recht erteilt, bald nur an die Person des Beliehenen geknüpft (Personenadel). An diesen letzten schließt sich der Verdienstadel an, d. h. ein Personaladel, der von selbst mit einer Würde oder einem Amt verknüpft ist. Zur Zeit des Deutschen Reichs hatten die Bischöfe und Erzbischöfe einen solchen persönlichen und zwar hohen A., während die Würde eines Doktors der Rechte die meisten Rechte des niedern Adels gab. Durch die Reichspolizeiordnung von 1530 wurden die Hofmeister, Kanzler, Marschälle und Räte eines Fürsten, auch wenn sie nicht von A. waren, hinsichtlich der Tracht denen von A. gleichgestellt, worauf dann später die Beamten jener Rangklasse einen Anspruch auf alle Ehrenvorrechte des Adels gründeten. Das Reichskammergericht in Wetzlar behauptete einen Anspruch auf den erblichen A. für jeden nichtadligen Inhaber einer Kammergerichts-Beisitzerstelle. Auch gegenwärtig kommt in einzelnen deutschen Staaten ein niederer Verdienstadel vor. So wurde in Österreich durch die noch jetzt in Kraft befindlichen Entschließungen vom 12. Jan. 1757 und 16. April 1811 jenen Offizieren, welche 30 Jahre ununterbrochen in der Armee gedient, ein Anspruch auf taxfreie Erhebung in den Adelstand gewährt. Durch Entschließung vom 30. Dez. 1810 ist den Offizieren von A. unter der gleichen Bedingung und gegen Entrichtung der halben Taxe (1575 Fl. österr. Währ.) der Freiherrenstand in Aussicht gestellt. Auch war der Anspruch auf Verleihung des Adels bis in die neueste Zeit mit verschiedenen Ordensdekorationen (z. B. dem Orden der Eisernen Krone, dem Leopold-Orden, dem St. Stephans-Orden und dem Militär-Maria-Theresia-Orden) und zwar nach den Abstufungen derselben auch in verschiedenen Adelsgraden verbunden. Hierher gehört ferner der sogen. Transmissionsadel in Bayern. Derselbe ward durch königliche Verordnung vom 23. Dez. 1812 für die [110] Ritter des Militär-Max-Joseph-Ordens und des Zivilverdienstordens der bayrischen Krone gestiftet, welchen nicht allein der persönliche A., sondern unter gewissen Bedingungen sogar die Vererbung desselben nach dem Erstgeburtsrecht gewährt wurde. Die Verfassungsurkunde von 1818 hob diese Institution auf (es bestehen aber noch einige solche Familien), setzte dagegen fest, daß jedes Mitglied der genannten Orden, dessen Vater und Großvater die gleiche Auszeichnung erworben hatten, Anspruch auf taxfreie Verleihung des erblichen Adels haben sollte. Seitdem gewährt der Besitz der erwähnten Orden nur noch den persönlichen A. Derselbe ist in Württemberg mit dem Kronenorden verbunden. In Preußen pflegt den Rittern des Schwarzen Adlerordens, wenn sie bürgerlichen Standes sind, ein Adelsdiplom verliehen zu werden. Eine andre Art, den A. zu erwerben, ist die Verjährung, welche die Zahl der Adelsfamilien in Deutschland nicht unbeträchtlich vermehrt hat. Zu dem Verjährungsadel zählen solche Familien, welche nach einem unvordenklichen (ca. 100jährigen) unbestrittenen, wenn auch unberechtigten Gebrauch des Adelsprädikats die Adelsqualität erlangt haben.

Stellung des Adels im Ausland.

In Frankreich trat der Unterschied zwischen hohem und niederm A. nicht so scharf hervor wie in Deutschland; doch rechnete man die Princes, Ducs, Marquis, auch einige Comtes und Vicomtes zum hohen, die übrigen Edelleute zum niedern A. Die Revolution hob in der Sitzung der Nationalversammlung vom 4. Aug. 1789 alle Vorrechte des Adels und in der vom 19. Juni 1790 den Erbadel selbst auf. Napoleon I. jedoch krëierte durch Dekrete vom 4. Aug. 1806 und 1. März 1808 einen neuen Erbadel, dotierte denselben reichlich und sicherte seinen Fortbestand durch Gewährung von Majoraten. Aber erst nach der Restauration durfte der vom Hof sehr bevorzugte A. es wagen, die alten Vorrechte wieder geltend zu machen; die Julirevolution steckte jedoch diesen Bestrebungen ein Ziel, und nach der Februarrevolution von 1848 sprach die provisorische Regierung durch Dekret vom 29. Febr. 1848 die Abschaffung aller frühern Adelstitel aus. Seitdem ist der A. nicht förmlich restituiert worden. In Italien bildete sich der A. ähnlich wie in Deutschland aus, doch fand dort das Majoratswesen mehr Eingang. Der A. geht nur auf den ältesten Sohn über, welcher auch das Pairiegut ungeteilt erbt. Es gibt daher dort eine Menge kleiner Parzellen, deren Besitzer gewöhnlich den Titel Conte (Graf) oder Marchese (Marquis) führen. Größere Grundbesitzer sind im Neapolitanischen die Duchi und Principi, die aber, wie jene, keine wesentlichen Vorrechte vor dem Volk voraus haben. Im ehemaligen Kirchenstaat ist eine besondere Adelsklasse durch die Einverleibung von Geschlechtern in die Munizipalität entstanden, welche indes von öffentlichen Beratungen und sonstigen strengen Bedingungen abhing. Außerdem wurde der A. dadurch erteilt, daß der Papst einem Besitztum den Rang einer Baronie etc. beilegte oder einen nicht auf den Besitz, sondern die Familie gegründeten Adelstitel mittels Breve erteilte. Erworben wurde der A. mit Genehmigung des Landesherrn durch den Kauf eines Guts, mit dem ein Titel verbunden ist. Mißbräuchlich wurde die Zahl der Conti durch die Vererbung des ehemals rein persönlichen Titels der Conti palatini sehr erweitert. Der persönliche A. war mit gewissen Ämtern und Würden verbunden, z. B. mit der Prälatur, den höhern Militärgraden, den obersten Stellen bei den Regierungsbehörden, mit der Ordensritterschaft. Ein Kardinal teilte seinem eignen Geschlecht den A. mit.

In Spanien gibt es hohen und niedern A. Jenen bilden die Granden (früher Ricos Combres, d. h. reiche Leute), deren es drei Klassen gab, jede mit besondern Prärogativen, die aber unter der Herrschaft des Konstitutionalismus sämtlich beseitigt worden sind, und die sogen. Titulados (Betitelte), als Duques, Marqueses, Condes, Vicecondes und Barones, die alle mit Grundbesitz ausgestattet sein müssen, welcher Majorat (mayorazgo) ist. Der niedere A. besteht aus den Hidalgos (eigentlich Higos d’algo, d. h. Söhne von etwas), deren Zahl sehr groß ist, da sich jeder für einen Hidalgo ausgeben darf, welcher kein bürgerliches Gewerbe treibt. Unter der republikanischen Regierung wurden durch Dekret vom 25. Mai 1873 die Adelstitel abgeschafft. Ein weiteres Dekret vom 25. Juni 1874 stellte indes alle frühern Titel wieder her und übertrug den Cortes das Recht, mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse neue Adelstitel zu verleihen. Endlich wurde nach der Restauration durch Dekret des Regentschaftsministeriums vom 6. Jan. 1875 das königliche Recht wiederhergestellt, Grandezas de España und Adelstitel zu verleihen. Ähnlich sind die Adelsverhältnisse in Portugal, wo die Fidalgos die unterste Adelsklasse bilden.

Ganz eigentümlich haben sich die Adelsverhältnisse in England gestaltet. Die Gesamtheit des britischen hohen Adels, die Peerschaft, wird mit dem Namen Lords oder auch Barone bezeichnet, weil jeder, auch der Herzog, Lord oder Baron ist. Der Titel „Baron“ kam mit den Normannen (1066) nach England und bezeichnete damals einen Kronvasallen, welcher im königlichen Hof- und Gerichtstag für seine Person Sitz und Stimme hatte. Der Titel Viscount (Vice-Comes) ist seit Heinrich VI. (1440) als Adelsbezeichnung gebräuchlich. Diese Würde wurde in der Regel Baronen als Beförderung erteilt, dann aber häufig mit der Baronie verliehen. Heutigestags geschieht die Verleihung auch ohne Baronie. Die Würde des Grafen (Earl) war ursprünglich an den Besitz eines gewissen Landstrichs geknüpft; aber schon unter König Johann sind die Grafen nichts als die erste Klasse der Barone, ohne Grafenamt, ohne Grafschaft, wenn auch mit großem Grundbesitz. Alles Grundeigentum mußte die Lehnsherrlichkeit der normännischen Könige anerkennen und war nicht steuerfrei; nur von verschiedenen Gemeindediensten waren die Lords befreit. Seit mehreren Jahrhunderten wurden die Grafen durch Urkunden (letters patent) krëiert, indem die Krone den Titel von einem Landbesitz, Dorf oder Familiennamen hernahm. Der Name Markgraf (Marquess, Marchio) bezeichnete eigentlich einen Grafen, der an den Grenzen (von Schottland und Wales) befehligte; seit 1386 war er bloßer Ehrentitel. Marquisate wurden durch Urkunden erteilt. Die herzogliche Würde hat Eduard III. eingeführt, welcher 1337 seinen ältesten Sohn, den Schwarzen Prinzen, zum Duke (Herzog) von Cornwall ernannte. Die Rechte dieses britischen hohen Adels bestehen im allgemeinen in folgendem: Die Peers sind vom Arrest wegen Schulden frei und können im Zivilprozeß nicht für gesetzlos erklärt werden, was in England bei andern Personen, die z. B. gerichtlichen Vorladungen nicht folgen, geschieht. Weder der Sheriff noch seine Unterbedienten dürfen das Haus eines Peers ohne königlichen, von sechs Geheimräten unterzeichneten Befehl durchsuchen, und nur wegen Kapitalvergehen oder solchen, wobei eine Bürgschaft für ferneres ruhiges Verhalten verlangt [111] wird, oder infolge eines Parlamentsspruchs kann der Peer verhaftet werden. Die Peers werden bei Kriminalvergehen entweder vor das Gericht des Lord-Großhofmeisters (Lord High Steward) oder vor das Oberhaus als Oberparlamentsgericht gezogen und somit nur von Standesgleichen, bei geringern Vergehen (Schmähungen, Schlägereien u. dgl.) dagegen, wie jeder andre, vom Geschwornengericht abgeurteilt. Sie haben das Vorrecht, in Gerichtshöfen mit bedecktem Haupt zu sitzen. Als Geschworne geben sie ihre Aussprüche (verdict) nicht auf Eid, sondern auf ihr Ehrenwort; als Zeugen aber müssen sie den Eid wie andre ablegen. Nach dem Gesetz unterliegt jeder, der Schmähungen gegen einen Peer ausstreut, besondern, durch mehrere Parlamentsakten festgesetzten Strafen. Ein Peer als erblicher Rat des Königs ist befugt, vom König Gehör zu verlangen, um ihm auf ehrfurchtsvolle Weise in Angelegenheiten, die von Wichtigkeit scheinen, Vortrag zu halten. Endlich können Peers ihren A. nur durch Verurteilung zum bürgerlichen Tod (attainder) oder durch Aussterben verlieren. Der Rang der einzelnen Peers derselben Klasse richtet sich nach dem Alter, wenn nicht amtliche Bestimmungen hinzukommen. Der Erzbischof von Canterbury steht als Lord-Primas von ganz England an der Spitze der Peers. Das wichtigste Privilegium für alle Lords von England aber ist der erbliche Sitz im Oberhaus. Von den schottischen Peers werden 16 auf eine Sitzungszeit des Parlaments, von den irischen 28 auf Lebenszeit gewählt. Außer den erblichen Lords gibt es noch Lords durch gewisse Ämter; die Erzbischöfe und Bischöfe sind Lords ihrem geistlichen Amt nach und sitzen wie der Lordkanzler im Oberhaus. Auch die höchsten Richter, der erste Beamte mehrerer Städte u. a. führen den Titel Lord. Einen niedern A. in demselben Sinn wie in Deutschland gibt es in England eigentlich nicht; indes kann man für denselben die Gentry gelten lassen, wenigstens die erste Klasse derselben, die Baronets, deren Standeswürde forterbt, während dieselbe bei allen andern nur persönlich ist. Die Baronets folgen in der Rangtafel den jüngern Söhnen der Barone, haben den Vortritt vor allen Rittern mit Ausnahme derjenigen des Hosenbands und der zum Geheimen Rat Berufenen; sie setzen ihrem Namen das Wort Sir, welches immer mit dem Taufnamen und häufig mit diesem allein, aber niemals mit dem Familiennamen allein verbunden wird, den Namen ihrer Frauen das Wort Lady vor und führen ein Wappen. Die Würde wurde von Jakob I. in Großbritannien 1611, in Irland 1619 und in Neuschottland von Karl I. 1625 eingeführt. Jetzt wird sie auch ausgezeichneten Gelehrten, Militärs etc. verliehen. Übrigens hängt die Krëierung neuer Baronets ganz von der Krone ab. Nicht erblich ist die Würde der Knights oder Ritter, von denen die Ritter des Hosenbands im Rang unmittelbar nach den ältesten Söhnen der Barone, die übrigen in verschiedenen Stufen folgen. Die wahrscheinlich von Eduard I. geschaffene Würde des Knight Banneret, welche nur auf dem Schlachtfeld verliehen wurde, stand der aller andern Knights voran; dieselbe ist aber schon seit sehr langer Zeit nicht mehr verliehen worden. Auch die Knights führen das Wort Sir vor dem Taufnamen und ihre Frauen den Titel Lady. Die nächste Würde, Esquire, gebührt heutzutage von Rechts wegen nur den Abkömmlingen adliger Familien, welche ein Wappen führen, aber keinen Titel haben, ferner gewissen höhern Hofbeamten oder Offizieren vom Hauptmann aufwärts, den Doktoren der Rechte und der Medizin, den Mitgliedern der Royal Academy u. a.; faktisch führt diesen Titel aber jeder Gentleman, d. h. jeder Gebildete, so daß man ihn bei Aufschriften und Adressen immer mit dem Taufnamen oder wenigstens dem Anfangsbuchstaben oder einem Strich an Stelle desselben hinter dem Familiennamen und ohne Mr. (Mister, Herr) findet, also „C. Brown, Esq.“ oder „– Green, Esq.“

Was die übrigen europäischen Länder anbetrifft, so gibt es in Holland wie in Belgien zwar einen Adelstand, der sich in Grafen, Barone und Ritter teilt, der aber ohne politische Bedeutung ist. In der Schweiz, wo zur Zeit der Befreiung von der österreichischen Herrschaft ein A. ganz in deutscher Weise bestand, gestaltete sich derselbe später in ein Patriziat um, welches, aus reichen Bürgerfamilien sich rekrutierend, in einzelnen Kantonen eine aristokratische Regierungsform begründete, während in andern die demokratische Verfassung unangetastet blieb. In Dänemark hat der A., der aus dem Herzog von Holstein-Glücksburg, einigen Grafen, Baronen und niedern Adligen besteht, noch einzelne Vorrechte (Jagd-, Patronatsrecht etc.). Weit bedeutender sind aber die Prärogativen des Adels in Schweden, wo derselbe den ersten Stand ausmacht. Es hat dort ursprünglich keine Unterscheidung des Adels in hohen und niedern bestanden; diese besteht erst, seit Erich XIV. 1561 bei seiner Krönung Grafen und Freiherren krëierte, deren Zahl mit der Zeit bedeutend vermehrt wurde. Das Gleiche geschah mit dem nunmehrigen niedern A.; die Königin Christine allein hat über 400 Familien in den Adelstand erhoben. Der schwedische A. teilt sich in drei Klassen: a) Herrar, Herrenstand, zu dem die Grafen und Freiherren gehören; b) Riddare, Ritterstand, zu dem diejenigen Geschlechter gehören, die erweisen können, daß einer oder mehrere ihrer Vorfahren eine Reichsratsstelle gehabt; c) Swenner, die einfachen Edelleute ohne Titel. König Karl XI. begünstigte die Einwanderung ausländischer, namentlich deutscher, adliger Familien, wodurch er den mißvergnügten alten A. einschränken zu können glaubte. Nach Karls XII. Tod riß der A. fast alle königlichen Rechte an sich, bis der König Gustav III. die Macht desselben brach, was er mit dem Leben büßte. Nach der Thronrevolution von 1809 wuchs die Macht des Adels wieder und ward auch in der Neuzeit nicht geschmälert. Jedes adlige Familienhaupt hat nach erreichtem 24. Lebensjahr Zutritt zum Reichstag. Doch ist der schwedische A. im allgemeinen arm, weil er es verschmäht, sich an kommerziellen und industriellen Unternehmungen zu beteiligen. In Norwegen ward der A. durch das Reichsgrundgesetz vom 4. Nov. 1814 ganz abgeschafft und völlige Gleichheit aller Norweger vor dem Gesetz begründet. In Polen ist der A. seinem Ursprung nach reiner Kriegsadel. Daher bestand hier früher kein Unterschied zwischen hohem und niederm A. Fürsten- und Grafentitel waren von auswärtigen Dynasten verliehen und begründeten durchaus keine Vorrechte. Die Adligen hießen Szlachcicen, welcher Name gegenwärtig aber mehr auf den unbegüterten A. übergegangen ist. In Rußland war der A. ursprünglich an Grundbesitz geknüpft. Knjäse und Bojaren bildeten den hohen, die übrigen Adligen den niedern A. Peter d. Gr. beseitigte diesen alten A. durch Einführung von Rangklassen, wodurch alle Standesvorzüge lediglich mit kaiserlichen Dienstverhältnissen verbunden wurden. Die niedern Rangklassen geben nur persönlichen, die höhern erblichen A. Letzterer wird erworben durch Verleihung von [112] seiten des Kaisers, durch Beförderung zum Offiziersrang im Militär- und zur achten Klasse im Zivildienst und durch Dekoration mit einem russischen Orden. Persönlichen A. haben sonstige Zivilbeamte von Offiziersrang (d. h. von der 14.–9. Klasse einschließlich). In Ungarn unterschied man früher zwischen Magnaten und gewöhnlichem A. Während jene persönlich auf dem Reichstag erschienen, war dieser durch Abgeordnete vertreten. Auf den Komitatsversammlungen hatte jeder adlige Gutsbesitzer Sitz und Stimme; auch war er frei von Steuern, Zöllen und Einquartierungen und legte sich das, was er leistete, selbst als Subsidie auf. Auch vom gewöhnlichen Kriegsdienst war er befreit und diente nur in der sogen. Insurrektion, wenn zur Verteidigung des Königs und der Grenzen des Reichs der A. in Masse aufgerufen ward. Er ward endlich nur von seinesgleichen gerichtet und stand nur unter der Oberhoheit des Königs. Doch sind diese Vorrechte jetzt im wesentlichen aufgehoben. Der titulierte A. ist in Ungarn sehr spät eingeführt worden (herczeg = Fürst, gróf, báró). Der neukrëierte A. wurde häufig mit Lehnsgütern versehen, von welchen er einen Zunamen erhielt; außerdem existiert noch ein geringerer Briefadel ohne Grundbesitz.

Sind nun auch nach dem Vorstehenden die Vorrechte des Adels allenthalben beschränkt und vermindert worden, so hat derselbe doch auch noch heutzutage eine nicht geringe Bedeutung, welche namentlich darauf beruht, daß ihm (in Deutschland freilich nur dem hohen A.) eine bevorzugte Stellung in der Volksvertretung eingeräumt ist, daß die höhern Hofchargen eine Prärogative des Adels sind, und daß er durch festes Zusammenwirken seiner Standesgenossen sich fast überall im Besitz der höchsten Staats- und Militärämter zu behaupten gewußt hat. Aber ebenso gewiß ist es, daß die Ausschließung der Bürgerlichen vom Hofdienst, von den höchsten Staatsämtern und von den höhern Offiziersstellen sowie die mit dem Geist und der Bildung unsrer Zeit nicht vereinbaren adligen Vorurteile die Hauptursachen einer gewissen Abneigung gegen den A. sind, die man zuweilen bei den übrigen Ständen findet, und die 1848 so scharf hervortrat, daß man fast überall auf eine gänzliche Aufhebung des Adels drang, welche in den sogen. deutschen Grundrechten auch wirklich ausgesprochen wurde. Während die einen den A. als einen notwendigen Vermittler zwischen Fürst und Volk auch noch unsrer Zeit empfehlen, sprechen die andern das direkte Gegenteil aus. Doch hat man neuerdings wiederholt auch in Deutschland das Fortbestehen des Adels als wünschenswert bezeichnet, weil ein durch Reichtum und angesehene Stellung von der Regierung unabhängiger Stand den politischen Interessen des Volks besonders zu dienen berufen und befähigt sei, was freilich von einem bloßen Hof- und Dienstadel nicht zu erwarten steht. Vgl. v. Strantz, Geschichte des deutschen Adels (2. Aufl., Waldenb. 1851, 3 Bde.); Liebe, Der Grundadel und die neuen Verfassungen (Braunschw. 1844); v. Maurer, Über das Wesen des ältesten Adels der deutschen Stämme (Münch. 1846); Eisenhart, Der Beruf des Adels im Staat (Stuttg. 1852); Gneist, A. und Ritterschaft in England (Berl. 1853); Heffter, Die Sonderrechte der souveränen und der mediatisierten Häuser in Deutschland (das. 1871); Rose, Der A. Deutschlands und seine Stellung im Deutschen Reich (das. 1883).