Litterarische Skizzen/Mkrtitsch Beschiktaschlian
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[55] Beschiktaschlian war eine edle, reine, von den schönsten Idealen beseelte Dichternatur. In Armenien geboren und in Venedig bei den Mechitaristen erzogen, war er in seinem innersten Wesen durch und durch Armenier, aber eine sorgfältige europäisch-katholische Erziehung, sowie eine reiche Bildung entwickelten in ihm europäische Denkweise und Weltanschauung. Aus Italien nach dem Orient zurückgekehrt, liess er sich in Konstantinopel nieder und erwarb sich dort bald unter der armenischen Gesellschaft grosse Liebe und Achtung als Dichter und Patriot. Allerdings war er kein geharnischter Kämpfer, denn dazu war er von viel zu sanfter Natur, aber doch hatten seine von einem erhabenen [56] Pathos durchklungenen Worte Kraft genug, um in den Herzen Aller Wiederhall zu finden. Für die Konstantinopeler armenische Gesellschaft, die durch Zwiste zwischen den Bekennern der gregorianischen und denen der katholischen Kirche gewissermassen in zwei Lager zerklüftet war und noch heute ist, war der aufgeklärte und sanftmütige Beschiktaschlian ein Friedensvermittler und er hat viel zur Annäherung beider Parteien beigetragen. Obgleich selbst im Herzen Europas erzogen und begeistert für die europäische Kultur, war er doch ein Gegner der Ausländerei, die sich besonders in den sechziger Jahren unter den Konstantinopeler Armeniern grossen Anhanges erfreute und seine Bemühungen, diese Frankomanie zu schwächen oder ganz zu erschüttern, waren keineswegs ohne Erfolg. Besonders rüstig arbeitete er in dieser Richtung an der Förderung des armenischen Theaters und schrieb mehrere historische Dramen wie „Arschak“, „Wahu“ u. s. w. und sogar mehrere Lustspiele. Auch trat er oft als öffentlicher Redner auf und sein Wort wurde immer mit [57] Begeisterung aufgenommen. Wie sehr er der Ausländerei entgegen wirkte, beweist der Umstand, dass die heute in der armenischen Welt bekannte Romanschriftstellerin Frau Sserpuhi-Düssap nur durch seinen Einfluss dazu bewogen wurde ihrer Frankomanie zu entsagen. Als sie mit Beschiktaschlian bekannt wurde, sprach sie nur französisch und verstand fast gar nicht armenisch, während sie heute zu den besten armenischen Schriftstellern gehört.
Die für Beschiktaschlian enthusiastisch eingenommenen Armenier lieben es, diesen Dichter mit Musset zu vergleichen, worin sie sich allerdings zu weit versteigen, denn er mag wohl in Schwung und musikalisch fliessender Sprache dem Franzosen nahe kommen, besitzt aber bei weitem nicht dessen Gedankenreichtum. Allerdings schliessen seine meisten Gedichte mit schönen Gedanken ab, aber diese sind nur so zu sagen lyrisch und meist mehr poetisch als philosophisch. Der Hauptfaktor seiner lyrischen Ergüsse ist die Liebe in ihren verschiedensten Erscheinungen, und zwar Liebe zur Heimat, liebe zur Natur, Menschenliebe [58] im nationalen Sinne und Liebe zu den Frauen. Die Liebe zur Heimat tritt besonders glühend in seinen Liedern hervor, die er im Jahre 1862 während des Aufstandes in Zeitun dichtete und die unter seinen Landsleuten viel Begeisterung hervorriefen. Die in der Schlacht gegen die Türken verwundeten Armenier lässt er keinen andern Wunsch haben, als dass die Nachricht von ihrem Siege über die Türken nach Zeitun gebracht werde. Auch die Mutter des „Jünglings von Zeitun“, die in der Nacht die Leiche ihres Sohnes auf dem Schlachtfelde sucht, unterdrückt all ihren Schmerz und ergiebt sich dem Siegesjubel. Andererwärts ist seine Liebe zur Heimat, wo sie mit Sehnsucht gepaart, elegisch. Von Heimweh geplagt wendet er sich ab von den Reizen der Natur des fremden Landes und verlangt nach dem Winde, den Blumen, den Vogelliedern und den Wassern der Heimat.
Seine Menschenliebe lässt ihn über die Religionsunterschiede hinwegsehen und in jedem Landsmanne einen Bruder erkennen. Er spricht zum Kinde wie ein zart liebender Vater [59] und das Wort Freund ist ihm heilig. „Wir sind Brüder,“ beginnt eins seiner schönsten Lieder, das in Konstantinopel bei fast allen armenischen Versammlungen gesungen wird. Aus diesem Liede ist auch seine Grabschrift entnommen: „Unter den Sternen giebt es nichts Erwünschteres als das Wort „Bruder“.“ Als zarte, empfängliche und südlich glühende Natur ist ihm natürlich die Liebe zu den Frauen ein Hauptmoment des Lebens, aber er ist weit davon entfernt, gleich anderen orientalischen Dichtern in ihnen nur die Spenderinnen sinnlicher Freuden zu[WS 1] sehen. Für ihn ist das Weib ein ideales Wesen, das er nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit der Seele liebt. Seine Gefühle sind züchtig und rein, seine Entzückung über die Körperschönheit der Geliebten verrät nie Gelüste nach sinnlichem Genuss, sondern ist edel und zart. Der schöne Körper der Geliebten ist ihm eine zarte Blume, die er mit Entzückung betrachtet und preist, aber nicht ein Gefäss der Wollust, das er nur besitzen will, um seine Gelüste zu befriedigen.
[60] Wie ihn alles Schöne erfreut und begeistert, so hebt auch die Schönheit der Natur sein Gemüt und Herz und er liebt sie mit derselben Zartheit und Innigkeit wie Alischan. Meer, Wind, Himmel, Sterne und Wolken, Blumen und Bäume sind bei ihm wie beseelt, denn er malt sie nicht mit toten Farben, sondern haucht ihnen Leben und vor Allem seine Liebe ein. Die Bilder der Natur sind ihm der liebste Schmuck für seine Lieder, und zwar verleiht er ihnen meist den glänzenden orientalischen Farbenreichtum.
Auch als Übersetzer hat sich Beschiktaschlian hervorgethan und manches schöne Gedicht von Byron und Viktor Hugo übersetzt. Seine Originalgedichte, die zumeist Lieder sind, kennt heute jeder gebildete Armenier auswendig und viele von ihnen werden in Konstantinopel in den vornehmsten Salons gesungen.
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Zieht hin o meine Lieder,
Doch nicht ins luft’ge All,
Wo sich Zephire tummeln,
Hell glänzt des Lichtes Strahl.
Zieht hin o meine Lieder,
Doch nicht zum Himmelszelt,
Von wo die Sterne strahlen
Hernieder auf die Welt.
Zieht hin o meine Lieder,
Doch nicht zur Blumenflur
Der wunderlichen reichen,
Allnährenden Natur.
Zieht hin o meine Lieder,
Doch nicht zu jenen Höhn,
Wo tanzender Sylphiden
Lustreiche Lieder dröhn’.
Zieht hin o meine Lieder,
Zu meiner Maid zieht hin,
Zum Lichte ihrer Augen,
Die hell wie Sterne glühn.
Und ist sie euch gewogen,
Schwebt wie ein Vogelschwarm
Auf ihre Locken nieder,
Auf Händchen, Brust und Arm.
Und singt ihr süss und wonnig
Bei Tag und Nacht ins Ohr,
Und tragt ihr ohne Ende
Mein banges Lieben vor.
Mag sie, wenn ich gestorben
Und aus mein Herzensdrang,
Sich meiner noch erinnern
Bei eurem hellen Klang!
Ach, möchte ich ein Lüftchen sein,
Ein Frühlingslüftchen mild und klar,
Ich schwebte hin zum Haupte dein
Und küsste zart dein Lockenhaar.
Ach, möcht’ ich eine Rose sein,
Die wonnig strahlt mit Frühlingslust,
Ich blühte auf im Morgenschein
Auf deiner schönen zücht’gen Brust.
Ach, möchte ich ein Vöglein sein,
Ich flöge leise zu dir hin
Und koste mit dem Schnäbelein
Dir zärtlich Wange, Mund und Kinn.
Ach, möchte ich ein Traumbild sein,
Ich käme in der Nacht zu dir,
Schlich, wenn du schläfst, bei dir mich ein,
Und nähm’ des Herzens Ruhe dir.
Ach, sag’, was hab ich dir gethan,
Womit verdient’ ich solches Weh,
Das nimmer ich verschmerzen kann,
Von dem ich noch kein Ende seh.
Ein Engel warst du, der entschwebt,
Ein schnell vergangner süsser Traum,
Ach, kurz hat mir dein Herz gelebt,
So kurz wie eine Blume kaum.
Wie wehst du doch einher so mild,
O Morgenlüftchen frisch und klar!
Wie spielst du sanft im Blumgefild
Und in der Jungfrau Lockenhaar!
Doch du kommst nicht vom Heimatland,
Drum sei von meinem Herz gebannt!
Wie süss singst du, o Vögelein
Im blumbedeckten Frühlingsgrün!
Dein Lied bezaubert ganz den Hain
Und macht zum Wonnetempel ihn.
Doch du kommst nicht vom Heimatland,
Drum sei von meinem Herz gebannt!
Wie murmelst du zur Frühlingszeit,
O Wiesenbach so wonniglich!
An deinem Spiegelbilde freut
Die Rose und die Jungfrau sich.
Doch du kommst nicht vom Heimatland,
Drum sei von meinem Herz gebannt!
Fliegt auf dein Vogel und dein Wind,
Armenien, nur durch Wüstenein,
Mag trüb auch, wie es Sümpfe sind,
Der Spiegel deiner Bäche sein,
Sie kommen doch vom Heimatland
Und sind dem Herzen noch verwandt.
Anmerkungen (Wikisource)
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