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Leben und Tod; Gesundheit und Krankheit

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Textdaten
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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Leben und Tod; Gesundheit und Krankheit
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 96–97
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Gesundheits-Regeln.

Leben und Tod; Gesundheit und Krankheit.

Stoffwechsel heißt der Proceß, von welchem im menschlichen Körper Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit abhängt. Denn so lange als der Stoffwechsel im Gange ist, haben wir das Leben, mit seinem Aufhören tritt der Tod ein; beim richtigen Vonstattengehen des Stoffwechsels erfreuen wir uns der Gesundheit, Unordnungen in demselben bedingen Krankheiten, und kommt der Stoffwechsel dabei nicht wieder in die gehörige Ordnung, so bleiben in Folge der Krankheit zeitlebens sogen. organische Fehler zurück. – Der Stoffwechsel (s. Gartenlaube Jahrg. I. Nr. 39) besteht nun aber darin, daß jeder, auch der kleinste Theil des menschlichen Körpers fortwährend neue Substanz ansetzt, während die alte theilweise abstirbt und entfernt wird, so daß der Körper nach einiger Zeit, obschon er äußerlich noch ganz derselbe zu sein scheint, doch in seinen Bestandtheilen ein ganz anderer, aus jüngeren Stoffen gebildeter ist. – Dieses fortwährende Neuerzeugtwerden, Altern und Absterben (Mausern) der Körperbestandtheile kommt natürlich nur unter bestimmten Bedingungen (sogen. Lebensbedingungen) und mit Hülfe der sogen. vegetativen Processe zu Stande. Zu den ersteren gehören: Luft, Wasser, Nahrung und Wärme; zu den letzteren: der Verdauungs- Blutbildungs-, Circulations-, Athmungs- und Blutreinigungs-Proceß. Unterstützt wird ferner der Stoffwechsel durch erregende Einflüsse von außen (Lebensreize), durch Ruhe und Bewegung. Doch verfolgen wir die beim Stoffwechsel wichtigen Momente und Bedingungen in ihren Einzelnheiten.

Jedes Theilchen des menschlichen Körpers muß von passender Ernährungsflüssigkeit durchtränkt sein, wenn der Stoffwechsel in demselben richtig vor sich gehen soll, denn aus dieser nimmt sich jedes Theilchen das Material zu seiner Neubildung. Passend ist die Ernährungsflüssigkeit aber nur dann, wenn sie diejenigen Stoffe enthält, aus welchen der zu ernährende Theil gebildet ist. In den Knochen würde z. B. der Stoffwechsel nicht der richtige sein können, wenn die Ernährungsflüssigkeit derselben keine Kalksalze, welche in der Knochensubstanz in großer Menge vorhanden sind, enthielte; die Knochen würden dann krank und zwar nicht hart genug werden, gerade wie die Schale von Hühnereiern, wenn die Hühner ein kalkloses Futter [97] bekommen. Die Ernährungsflüssigkeit aller Theile des menschlichen Körpers stammt aus dem Blute und gelangt dadurch in die verschiedenen Gewebe, daß sie, während das Blut langsam durch die feinsten Blutgefäßchen (Haargefäße) der Gewebe fließt, durch die äußerst dünne Wand dieser Gefäße hindurchschwitzt.

Die Wände der feinsten Blutgefäßchen (Haargefäßé) müssen für die Ernährungsflüssigkeit gehörig durchdringlich sein. Sobald diese Wände in ihrer Durchdringbarkeit verändert, vielleicht dicker oder dünner werden, gleich ist auch das aus dem Blute Herausdringende von anderer, mehr oder weniger consistenter Beschaffenheit als die erforderliche Ernährungsflüssigkeit, und dann nicht mehr im Stande, den Stoffwechsel in dem durchtränkten Theile ordentlich zu untrhalten. Die aus dem Blute herausgedrungene falsche Ernährungsflüssigkeit zieht dagegen sehr oft eine krankhafte Veränderung des Theiles oder wohl auch die Bildung eines ganz neuen Gewebes (Aftergebildes, Geschwülste, Krebs) nach sich. Man pflegt ein solches falsches Ernährungsmaterial, welches bald mehr bald weniger von dem natürlichen abweicht, Ausgeschwitztes (Ausschwitzung, Exsudat) zu nennen und als die Ursache der meisten örtlichen Veränderungen (Krankheiten) der Gewebe anzusehen. Am häufigsten kommt eine Ausschwitzung bei widernatürlicher Erweiterung und Anfüllung der Haargefäße mit Blut zu Stande, ein Zustand, der den Namen Entzündung erhielt.

Von der richtigen Menge und Beschaffenheit des Blutes (s. Gartenlaube Jahrg. I. Nr. 45), welches durch die Haargefäße der verschiedenen Körpersubstanzen fließt und dabei die Ernährungsflüssigkeit aus seinem Strome durch die Haargefäßwände hindurch in die Gewebe treibt, muß insofern das ordentliche Vonstattengehen des Stoffwechsel vorzugsweise abhängen, als eben nur das Blut im Stande ist, jedem Theile das Material zu seiner Ernährung zuzuführen. Sonach muß jeder Mensch dahin streben, die gehörige Menge von einem richtig zusammengesetzten Blute zu besitzen. Dies läßt sich aber nur durch fortwährende Neubildung (Verjüngung) und Reinigung (Mauserung) des Blutes erreichen. Die richtige Neubildung hängt von der Wahl und Verarbeitung passender Nahrungsmittel und von der Zufuhr der gehörigen Menge Sauerstoffs ab; die Reinigung läßt sich durch Bewegung, kräftiges Athmen, Bäder, Waschungen u. s. w. unterstützen. Der Leser findet übrigens, wenn er Genaueres über das Blut zu wissen wünscht, dies in der Gartenlaube Jahrg. I. Nr. 45, 48 und 49. Von den passenden Nahrungsmitteln und ihrer Verarbeitung handeln Nr. 22, 32 und 39 des 1. Jahrg. der Gartenlaube; über das Athmen s. Nr. 16 und 17.

Ein gut beschaffenes Blut würde nun aber für sich noch nicht zur Unterhaltung des Stoffwechsels hinreichen, es muß auch ordentlich durch die Haargefäße der einzelnen Theile hindurchfließen, wenn letztere richtig ernährt und gesund bleiben sollen. Anhaltendes, zu schnelles oder zu langsames Hindurchströmen des Blutes durch ein Gewebe übt setes störenden Einfluß auf den Stoffwechsel in demselben aus. Würde aber der Zutritt des Blutes zu einem Theile ganz gehemmt oder häufte sich dasselbe darin so an, daß der Blutlauf vollständig stockte, dann müßte der Stoffwechsel allmälig still stehen, der Theil absterben und endlich in Fäulniß oder Verwesung übergehen. Man pflegt dieses örtiliche Absterben und Faulen den Brand zu nennen und zwar den kalten (trocknen oder weißen) Brand, wenn ein Theil in Folge von Blutmangel abgestorben ist, den heißen (feuchten oder schwarzen) Brand, wenn durch Stockung angehäuften Blutes der Stoffwechsel in einem Theile unterbrochen wurde. Sonach ist dahin zu streben, daß der Blutlauf durch alle Theile des Körpers gehörig von statten gehe. Wie der Blutlauf zu unterstützen ist, lehrt die Gartenlaube Jahrg. I. Nr. 48.

Auch der Theil selbst, in welchem der Stoffwechsel vor sich geht, muß natürlich hierbei in der richtigen Weise thätig sein, denn was würde ihm alle Durchtränkung mit guter Ernährungsflüssigkeit und alles in gesunden Röhren richtig fließende nahrhafte Blut helfen, wenn er seinen Stoff nicht auch ordentlich wechselte. Er muß also einestheils aus der Ernährungsflüssigkeit die Stoffe herauszunehmen wissen, welche seine Substanz bilden und muß aus diesen seine eigene Substanz aufbauen (neubilden, verjüngen), anderntheils muß er aber auch die älteren seiner Bestandtheile abstoßen. Dieses Neubilden und Abstoßen kann nur bei einem zweckmäßigen Wechsel von Thätigsein und Ruhen des Theiles richtig vor sich gehen. Denn während der Ruhe geschieht die Anbildung der jungen Substanz und in Folge des Thätigseins kommt das Absterben und Abstoßen (Mauseern) der alten zu Stande. Wollte man z. B. das Auge oder das Gehirn zwingen fortwährend thätig zu sein, so würden diese Organe in Folge der gestörten Verjüngung in ihnen gerade so erkranken, als wenn man sie gar nicht thätig sein ließe. Zu anhaltende Anstrengungen der Muskeln schwächen und lähmen endlich dieselben ebenso wie der Nichtgebrauch derselben.

Aus der die Körpersubstanzen durchtränkenden Flüssigkeit sind nun fortwährend noch, wenn der Stoffwechsel in Ordnung bleiben soll, zwei Arten überflüssiger Materien hinwegzuschaffen, von denen die eine gut, die andere schlecht ist. Die erstere ist der Ueberschuß, der vom Gewebe nicht verarbeitete Rest von Nahrungsstoff und heißt Lymphe, die letztere besteht aus den alten abgestorbenen und wieder flüssig gewordenen Gewebsbestandtheilen (Mauserstoffen, Gewebsschlacken). Die Lymphe wird durch besondere Röhren, welche man Lymphgefäße oder Saugadern nennt, nach dem Halse hin geschafft und ergießt sich hier in eine große Blutader, mit deren Blute dann die Lymphe durch Herz und Lunge läuft und so, früher schon aus dem Blute stammend, nun allmälig wieder zu Blute wird. Die Mauserstoffe dringen durch die Wände der Haargefäße in den Blutstrom und werden hier von dem Sauerstoffe, der mit Hülfe des Athmens aus der atmosphärischen Luft in unser Blut gelangt, verbrannt. Durch diese Verbrennung wird nicht blos Wärme erzeugt, sondern auch eine solche Umwandlung der Mauserstoffe erzielt, daß diesen nun durch bestimmte Organe (wie die Lungen, Nieren, Haut und Leber) aus dem Körper entfernt werden können.

Gesundheit (d. i. das richtige Vorsichgehen des Stoffwechsels) kann sonach nur mit Hülfe passender Nahrung, richtiger Blutbildung und Circulation, normaler Durchdringlichkeit der Haargefäßwände, zweckdienlicher Ernährungsflüssigkeit und regelmäßiger Neubildung und Mauserung der Gewebsbestandtheile (durch hinreichende Ruhe mit dem gehörigen Thätigsein wechselnd) erreicht werden. – Krankheit (d. i. das falsche Vorsichgehen des Stoffwechsels) könnte hiernach ihren Grund haben: in unpassender Narung, in gestörter Blutbildung und Circulation, veränderter Durchdringlichkeit der Haargefäßwände, falsch gebildeter Ernährungsflüssigkeit (nicht blos in Folge eines verändeerten Blutes und einer Veränderung der Haargefäßwände, sondern auch in Folge von verminderteer Wegfuhr der Lymphe und Mauerstoffe aus den Geweben) und in unzweckmäßigem Gebrauchen und Ruhen eines Theiles. – Eine falsche Beschaffenheit des ganzen Blutes muß natürlich auch die Ernährungsflüssigkeit und sonach den Stoffwechsel im ganzen Körper verändern und wird deshalb eine allgemeine Krankheit genannt, während alle übrigen Krankheiten örtliche sind. Daß die Heilung von Krankheiten stets darauf gerichtet sein muß, den in Unordnung gerathenen Stoffwechsel wieder in Ordnung zu bringen, versteht sich wohl von selbst, ob dies aber durch künstliche Arzneimittel, wie der Arzt will, oder, wie die Natur will und thut, durch natürliche (physiologische) Hülfsmittel wie Luft, Wasser, Nahrung, Licht, Wärme und Kälte, Ruhe und Bewegung u. s. w. zu erreichen ist, darüber ein anderes Mal. (B.)