Der Athmungsprozeß und die Werkzeuge desselben
Vom Baue des menschlichen Körpers.
Der Athmungsprozeß und die Werkzeuge desselben.
Jeder unsrer freundlichen Leser kennt die Wichtigkeit des Athmens für das Leben; er weiß, daß Athem, Odem oft für Leben selbst gebraucht wird; „er hat ausgeathmet,“ sagt man, wenn Jemand gestorben ist. Und dies ist denn auch vollkommen richtig. Mit dem letzten Hauche aus der Brust ist auch der Stillstand des zum Leben nöthigen Kreislaufes bedingt, die Aeußerung der Lebensthätigkeit beendigt, der Tod eingetreten. Daher in solchen Fällen das sorglichste Forschen nach der unbedeutendsten Spur des menschlichen Odems, um sich nicht über das wirkliche oder nur scheinbare Eingetretensein des Todes zu täuschen.
Warum, wird man fragen, hat denn das Athmen diese hohe Bedeutung? Bei der Betrachtung des Herzes und des Blutumlaufes, welche sich der Leser vergegenwärtigen wolle, haben wir erfahren, daß das Blut diejenige Flüssigkeit im Körper sei, aus welcher dieser sich mit seinen verschiedenen Organen bildet und ernährt; man wird sich aber auch erinnern, daß nur das Blut von hochrother Farbe die zur Ernährung nöthigen Eigenschaften hat. Es muß also ein Vorgang gegeben sein, welcher dem Blute diese Farbe und damit die Fähigkeit, die Theile von Neuem zu beleben (da auch hier wie in der gesammten Natur ein beständiges Entstehen, Wachsen und Zerfallen oder Vergehen [172] stattfindet), verleiht, so wie eine Vorrichtung, welche jenen Vorgang vermittelt. Ersterer ist aber der Athmungsprozeß, durch welche der das dunklere Blut wieder hochroth färbende Sauerstoff aus der umgebenden Luft in den Körper gebracht wird; letztere besteht aus den dabei thätigen und dazu behülfreichen Organen oder Werkzeugen. Wesen und Bestimmung des Athmungsprozesses ist daher diese Aufnahme des Sauerstoffes, das Athmen zur Ernährung unentbehrlich, die erste Bedingung des thierischen Lebens. Der Sauerstoffgehalt der Luft macht aber auch die Luft allein wiederum für den thierischen Organismus athembar, indeß eben nur in der Mischung, wie ihn die atmosphärische Luft darbietet. Nur durch diese Mischung kann der Athmungsvorgang auf die Dauer und ohne Nachtheil unterhalten werden, und dabei erträgt der Körper die sonst noch zugemischten Luftarten ganz wohl, während der ganz reine Sauerstoff nicht im Stande ist, das Leben zu erhalten, und andere Luftarten theilweise sogar sehr schnell, wenn sie eingeathmet werden, einen verderblichen, vergiftenden und somit tödtenden Einfluß ausüben. Das thierische Leben erlischt also sowohl da, wo keine Luft ist, sowie wo der nöthige Sauerstoff fehlt. Darüber wenigstens wollen wir dem Leser ein paar kleine Versuche mittheilen, die das Gesagte bestätigen.
Die Luftpumpe ist eine Maschine, womit man einen bestimmten Raum, in den die äußere Luft nicht nachdringen kann, also z. B. eine Glasglocke, von der in ihm eingeschlossenen Luft entleeren kann. Bringt man nun irgend ein kleines Thier in jenen Raum, so bemerkt man, wie dasselbe mit dem zunehmenden durch das Auspumpen hervorgebrachten Mangel an Luft immer unruhiger wird und endlich scheintodt niederfällt, auch wirklich sterben würde, wenn man nicht zu rechter Zeit die erlöschen wollende Flamme des Lebens durch Einpumpen neuer Luft anfacht. Umgiebt man eine Glasglocke mit Wasser, so sperrt dies gleichfalls die äußere Luft ab. Bringt man nun ein Thier in den abgesperrten Luftraum, so beobachtet man gleichfalls die Erscheinungen des ersteren Falles, nur etwas langsamer. Das Thier verzehrt durch Einathmen den Sauerstoff der es umgebenden Luft; und wenn keiner mehr vorhanden ist, so stirbt es an Erstickung. Das Absterben der Fische in nicht erneuertem Wasser erklärt sich ähnlich, und ebenso die nachtheiligen Wirkungen des Zusammenseins vieler Menschen in engen Räumen, wenn die Lufterneuerung eine sehr geringe, verhältnißmäßig fast gar keine ist. Vielleicht erinnert sich Mancher der Leser des schrecklichsten Beispiels dieser Art in jener schwarzen Höhle von Calcutta, in der eine große Anzahl in dem Kampfe mit dem Beherrscher von Mysore gefangener Engländer zu Grunde ging. Dabei kommen indeß noch andere Verhältnisse in’s Spiel als die Verzehrung des Sauerstoffes, die uns hier zu weit führen würden.
Da wir das Nähere des Athmungsherganges nicht darlegen können, ohne die dabei wirksamen Organe zu nennen, so wird es die Deutlichkeit unterstützen, wenn wir die Beschreibung dieser letztern hier folgen lassen.
Zu den Athmungsorganen gehören: 1) der Brustkasten mit der Brusthöhle, welcher seitlich aus den Rippen (12 auf jeder Seite), hinten von 12 Brust-Wirbeln und vorn vom Brustbeine gebildet wird und durch Muskeln (Athmungsmuskeln), unter denen das Zwergfell (l) der wichtigste ist, wie ein Blasebalg erweitert und verengt werden kann. 2) Die Luftwege und Luftbehälter oder Lungen, von welchen die erstern die Luft in die Brusthöhle zu kleinen Bläschen in den Lungen leiten und aus der Nasen- und Mundhöhle, dem knorpligen Kehlkopfe (o) und der aus knorpligen Halbringen zusammengesetzten Luftröhre (n) mit ihren Verzweigungen bestehen. Die Luftröhre verbreitet sich nämlich mit mehreren größern Zweigen baumförmig innerhalb der Lungen, indem sie sich in immer enger werdende Aestchen (Röhrchen) zertheilt und endlich in zarte Säckchen, Luft- oder Lungenbläschen genannt, endigt. Die dünnen Wände dieser Bläschen werden von einem äußerst feinmaschigen Netze ganz enger Blutgefäßchen (Haarröhrchen) umsponnen, welche dunkelrothes Blut aus der Lungenpulsader (g), die aus der rechten Herzkammer entspringt, empfangen und dasselbe, nachdem es eine Zeit lang an der Wand der Bläschen hinfloß, hellroth durch die Lungenblutadern (h) zum linken Vorhofe des Herzens zurück schicken. Diese Verwandelung der Farbe des Blutes aus dem Dunkeln in das Hellrothe geschieht dadurch, daß während des Durchfließens des dunkelrothen Blutes durch die Haarröhrchen der Lungenbläschen dasselbe Kohlensäure, welche es dunkel machte, nach den Höhlen und in die Luft der Bläschen hin abgiebt, dafür aber Sauerstoff, welcher das Blut hell röthet, in sich aufnimmt. Der Austausch von Kohlensäure und Sauerstoff geht durch die Bläschenwände hindurch vor sich. Die Lungenbläschen (etwa 1800 Millionen an Zahl) setzen in Verbindung mit größern und kleinern Aestchen der Luftröhre, so wie mit Blut- und Lymphgefäßen, mit Nerven und Zellgewebe, die rechte und linke Lunge zusammen, deren Gewebe also der vielen lufthaltigen Bläschen wegen sehr locker und schwammig, der zahlreichen Blutgefäße halber aber sehr blutreich sein muß. Die Gestalt jeder Lunge ist die eines Kegels; die Spitze ragt oben bis zum Halse, ihr breiter Theil oder die Grundfläche ist ausgehöhlt und ruht unten auf dem Zwerchfelle. Die rechte Lunge ist in 3 Abtheilungen oder Lappen (a. b. c.), die linke, welche einen Theil des Herzens (f) überdeckt, nur in 2 Lappen (d. e.) getheilt; jeder Lappen besteht wieder aus einer Menge kleiner Läppchen, die von einem Häufchen von Luftbläschen gebildet werden. Der äußere gewölbte Umfang jeder Lunge stößt an die Brustwand, die innere etwas hohle Fläche umfaßt das Herz. 3) Die Brustfelle, welche ebenfalls noch mit zu den Athmungsorganen gehören und die Lungen in ihrer Lage erhalten, stellen 2 dünnhäutige, vollständig geschlossene Säcke oder Blasen dar, von denen die eine in der rechten, die andere in der linken Brusthälfte ihre Lage zwischen Lunge und Brustwand einnimmt, indem die äußere Partie jedes dieser Säcke an die Brustwand, die innere an die Oberfläche der Lunge fest angewachsen ist. Im Innern des Brustfellsackes befindet sich etwas Flüssigkeit, welche die innere Oberfläche des Sackes glatt und schlüpfrig erhält, damit bei den Bewegungen der stets dicht an der Brustwand anliegenden Lunge sich diese nicht an der Brustwand reiben und entzünden könne. – Auf der beigefügten Figur zeigt sich in dem vorn geöffneten Brustkasten das seines Herzbeutels beraubte Herz mit den großen Blutgefäßen; die Lungen, aber ohne Brustfelle, die Luftröhre mit dem Kehlkopfe; das Zwerchfell und die zunächst unter diesem, in der Bauchhöhle liegenden Organe.
[173] a, Oberer, b, mittler, und c, unterer Lappen der rechten Lunge. d, Oberer und e, unterer Lappen der linken Lunge. f, Herz. g, Lungenpulsader. h, Lungenblutader. i, Große Körperpulsader. k, Obere Hohlader. l, Zwerchfell. m, Unteres Ende des abgeschnittenen Brustbeins. n, Luftröhre. o, Kehlkopf. p, Leber. q, Magen. r, Quergrimmdarm.
Was den eigentlichen Vorgang beim Athmen betrifft, so beginnt derselbe sofort nach der Geburt mit dem Einziehen von atmosphärischer Luft durch Mund, Nase, Kehlkopf, Luftröhre und ihre Aeste bis in die Lungenbläschen, welche nun im gesunden Zustande niemals wieder leer von Luft werden. Aus dieser eingezogenen Luft dringt nun fortwährend nach rein physikalischen Gesetzen, ein Theil des Sauerstoffs durch die Bläschen- und Blutgefäßwände in das dunkelrothe Blut der die Bläschen umspinnenden Haarröhrchen und dafür tritt auf demselben Wege eine ähnliche Quantität Kohlensäure aus diesem Blute heraus in die Luft der Bläschen. Durch diesen Austausch von Sauerstoff und Kohlensäure wird, wie schon oben erwähnt wurde, das dunkelrothe Blut in hellrothes verwandelt, welches letztere dann durch die Lungenblutadern und die linke Herzhälfte in die Körperpulsadern abfließt. Würde nun nicht stets neue atmosphärische Luft in die Lungen ein- und die alte Luft ausgeführt, so würde sehr bald aller Sauerstoff der in der Lunge vorhandenen Luft in das Blut übergegangen, dafür aber die jetzt sauerstofflose Luft mit Kohlsäure überfüllt sein, sonach der Zweck des Athmens (Aufnahme von Sauerstoff in das Blut und Entfernung von Kohlensäure aus dem Blute) aufgehört haben. Um nun fortwährend neue sauerstoffhaltige Luft in die schon lufthaltigen Lungen einzuführen und einen Theil der kohlensäurereichen aus der Lunge herauszubefördern, ist das Athmen, die Respiration, eingerichtet, bestehend aus dem Einathmen (Inspiration) und aus dem Ausathmen (Expiration). Das Erstere geschieht dadurch, daß mit Hülfe der Athmungsmuskeln, vorzugsweise des Zwerchfells, der Brustkasten wie ein Blasebalg ausgedehnt, dadurch die Brusthöhle erweitert und Luft eingezogen wird; das letztere besteht dagegen in nachfolgender Verengerung der Brusthöhle, wodurch die vorher ausgedehnten Lungen wieder zusammengedrückt und eines Theiles ihrer Luft entledigt werden. Die ausgeathmete Luft ist natürlich anders beschaffen, als die eingeathmete, da die erstere ärmer an Sauerstoff, dagegen reicher an Kohlensäure und Wasser als letztere sein muß. Die Anzahl der Athemzüge ist nach Alter, Geschlecht und Körperbeschaffenheit sehr verschieden, auch variirt dieselbe sehr häufig bei denselben Personen und zu verschiedenen Zeiten. Erwachsene athmen etwa 12 bis 20 Mal in der Minute ein, Säuglinge gegen 40, Kinder 26, junge Leute 20–24 Mal. Eigenthümliche Abänderungen erleidet das Einathmen beim Gähnen, Seufzen, Schluchzen, Keuchen, Schnüffeln, Saugen und Schlürfen, das Ausathmen dagegen beim Husten, Niesen, Räuspern, Hauchen, Schnäuzen, Lachen und Weinen.
Athmungs-Regeln werden in einer der nächsten Nummer folgen.