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Le dolci rime d'Amor, ch'io solia

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Textdaten
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Autor: Dante Alighieri
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Titel: Die süßen Minnelieder, denen ehe
Untertitel:
aus: Die unbekannten Meister – Dantes Werke, S. 69–73
Herausgeber: Albert Ritter
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1922
Verlag: Gustav Grosser
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer: Albert Ritter (Karl Förster, Karl Ludwig Kannegießer)
Originaltitel: Le dolci rime d’amor ch’i’ solia
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Quelle: Commons
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[69]
Die süßen Minnelieder, denen ehe

Ich sinnend mich geweiht,
Muß ich nun lassen – winkt mir auch die Zeit,
Wo ich sie wiedersehe;

5
Doch durch die Strenge und die Grausamkeit

In meiner Fraue Mienen
Ist jetzo mir der Weg versperrt erschienen
Zu Worten, die mir frommen.

[70]
Scheint also zum Verzicht die Zeit gekommen,
10
Will ich den zarten Griffel niederlegen,

Mein Werkzeug, wenn ich Minnes Preis ersann,
Und nur der Kraft fortan
Ihn weihn, die lehrt, den wahren Adel pflegen,
In Reimen scharf geschliffen

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Den Kampf bestehn mit falschen Volksbegriffen,

Danach es scheint, als ob des Adels Wesen
Im Grund nur Geld gewesen.
So ruf’ ich denn vorerst Frau Minne an,
Die meiner Fraue Blick zum Sitz genommen,

20
So daß sie zu sich selbst in Lieb’ entglommen.


Ein Herrscher wollt’ den Adel so gestalten,
Wie er es wohl gemeint:
Er sei ererbte Habe, doch vereint
Mit edler Sitte Walten;

25
Ein anderer, der weit wen’ger klug erscheint,

Hat falsch den Sinn begriffen,
Indem er just den Nachsatz fortgeschliffen –
Weil er des selbst entbehrte.
Nachsprachen all die andern, was er lehrte:

30
Nur die Geschlechter woll’t man adlig nennen,

Die im Besitze alten Reichtums waren.
So blieb in langen Jahren
Der Wahn, zu dem auch wir uns noch bekennen;
Denn uns will’s ja bedeuten,

35
Als sei schon adlig, der da sagt „Von Leuten

Bin ich der Sohn und Enkel, die einst wichtig!“
Obwohl er selbst gar nichtig.
Doch gar zu niedrig scheint dem Freund des Wahren,
Wer’s besser weiß und doch nicht danach handelt;

40
Der gleicht dem Toten, der auf Erden wandelt.


Wer spricht: „Der Mensch ist Holz, doch voller Leben“,
Sagt erstlich, was nicht wahr,
Und hinterher verschweigt er manches gar,

[71]
Weil er nicht achtgegeben.
45
So irrt’ auch jener Kaiser offenbar

In seines Urteils Streben;
Denn erstlich setzt’ er Falsches, und daneben
Hat er es schlecht begründet:
Der Reichtum kann – wer es auch immer kündet –

50
Nicht Adel rauben oder ihn erraffen,

Denn von Natur ist er ja völlig nichtig.
Ein Maler kann nicht richtig
Ein Bild, das er nicht in sich trägt, erschaffen.
Den Turm, den steil aufsteigen

55
Wir sehn, kann nicht ein fernes Bächlein neigen.

Klar ist: Reichtum ist schlecht und kann nicht frommen;
Denn auch zu Hauf gekommen
Bringt er nicht Ruhe, macht uns Sorgen pflichtig!
Drum wird, wem Recht und Wahrheit sind zu eigen,

60
Auch nicht, enteilt das Geld, Verzweiflung zeigen.


Man glaubt: „Nie kann sich Niedres adlig nennen,
Und niedrem Blut entsprang
Nie ein Geschlecht von edel-stolzem Rang!“
Das hört man oft bekennen,

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Doch widerspricht sich der Gedankengang,

Wenn Leute gar ersinnen,
Zum Adligwerden müsse Zeit verrinnen:
Die soll als Maßstab dienen.
Doch nach dem Frühren ist’s schon klar erschienen,

70
Daß Keinem Adel zukommt oder Allen,

Sonst hätte ja die Menschheit nie begonnen!
Das ist nicht gut ersonnen,
Kann jenen auch – als Christen – nicht gefallen.
Drum zeigt gesunden Sinnen

75
Dies Reden nur, wie eitel solch Beginnen. –

Nachdem ich nun, wie falsch dies ist, erwiesen,
Wend’ ich mich ab von diesen
Und sage, welche Ansicht ich gewonnen:

[72]
So will ich denn, was Adel sei, euch nennen,
80
Woher er komm’, woran er zu erkennen.


Ich sage, es erwächst der Tugend Regen
Aus eines Keimes Kraft –
Die Tugend, mein ich, die uns Glück errafft,
Wenn wir sie eifrig pflegen;

85
Verlangend wählt sie, was das Gute schafft

(Läßt uns die Ethik wissen),
Nie läßt den Mittelweg sie uns vermissen –
So steht es dort zu lesen.
Ich sage, Adel schließt nach seinem Wesen

90
Die Güte dessen ein, der ihm zu eigen,

Wie Niedrigkeit nur Unheil kann bereiten;
Die Tugend wird beizeiten
Sich anderem Urteil stets und deutlich zeigen.
Wenn nun der Beiden Walten

95
So ganz die gleiche Wirkung wird entfalten,

Muß (wenn die zwei nicht noch aus drittem fließen)
Eins aus dem andern sprießen.
Doch übertrifft des einen Wert bei weitem
Das andre, muß aus jenem dies entstehen. –

100
Jetzt heißt’s, von diesem Grundsatz auszugehen.


Wo Tugend waltet, ist auch Adel immer,
Doch er gibt kein Vertraun:
Zwar ist dort Himmel, wo wir Sterne schaun,
Doch umgekehrt gilt’s nimmer.

105
So sehn wir zarter Jugend und den Frau’n

Solch edlen Sinn zu eigen,
Sofern sie zücht’ge Scham und Sitte zeigen;
Doch Tugend kann’s nicht heißen.
Drum, wie aus Schwarzem wird des Purpurs Gleißen,

110
Wir einzeln jede Tugend ihr entstreben –

Ihr Ganzes auch, wie ich es hier erweise.
So daß sich niemand preise:
„Schon durch Geburt ward Adel mir gegeben.“

[73]
So hoch wie Götter ständen,
115
Die, ohne Fehl, so große Gnade fänden:

Der Seele nur schenkt Gott der Gnaden Fülle,
Die er in ihrer Hülle
Vollkommen sieht, so daß nur kleine Kreise
Sich höchsten Glückes Samen wohl erfreuen.

120
Gott will ihn in erles’ne Herzen streuen.


Die Seele, die je diese Gunst beglückte,
Hat nimmer sie verhehlt,
Da diese, seit dem Leibe sie vermählt,
Sie bis zum Tode schmückte;

125
Gehorsam ist sie, mild und schambeseelt

In ihren Jugendjahren,
Läßt Leib und Glieder sich der Schönheit paaren,
Daß sie einander passen.
Stark ist sie in der Jugend und gelassen,

130
Von Lieb erfüllt, gar sittig, und in diesen

Getreuen Taten ist ihr Glück begründet.
Wenn sich die Reife kündet,
Wird sie gerecht und großmütig gepriesen,
Ist innig froh für jeden,

135
Von dessen Wohl sie hören kann und reden.

Im vierten Lebensteil weiht ihre Treue
Sie Gott dem Herrn aufs neue,
Blickt auf das nahe Ziel, das ihr gewiesen,
Und segnet dankbar die vergangenen Zeiten. –

140
Seht nun, wie viele noch in Irrtum gleiten!