Kalliopens Gesang
[11] Kalliopens Gesang von dem Fürsten von Kaunitz-Rittberg dem Künstebeförderer.
Kalliope stand auf, die Schwestern horchten alle,
Kein leiser West durchlispelte
Die Lorbeerhayne, stille wards am Wasserfalle,
So sang die Göttliche:
Mit wißbegiergen Lippen sog,
Doch nie der heimischen, und nie dem Vaterlande
Sein grosses Herz entzog;
Der wieder Ruhe müden Völkern auszuspenden,
Theresiens Vertreter zog, mit starken Händen
Des Janus Tempel schloß;
Dann ruhig, wie ein Gott im Schwalle von Geschäften,
Der Sülly’s steile Bahn betrat,
Und Greisenweisheit that,
[12] Mein Kaunitz liebt uns noch, in Stunden seiner Musse
Geht er in unser Heiligthum
Ein zweyter Phöbus, horchet unserm Jubelgrusse,
An braunen Wänden hiengen, wieder neu besaiten,
Und sie durch unsern Lorbeerhayn
Gewaltig tönen, sie den spätsten Folgezeiten
Ein seltnes Muster seyn.
Und menschliche Gestalt dem Erz,
Und jede Scen’ aus der Natur der Leinwand geben;
Wenn nun Thaliens Scherz
Und Melpomenens Klag’ auf deiner feinern Bühne
Mit welcher der Geschmack wie Rüdiger der kühne
Mit Erifilen *) rang;
[13] Wenn meiner Söhne sanfte Stimm’ jetzt deinem Ohre,
So lang der Wahn verschlossen hat,
Ihm dank’ es Kaiserstadt!
Ihm dankt es, Schwestern! eilt des Weisen Bild zu krönen,
Das Delius ihm aufgestellt,
Und von bekränztem Spiel laßt seine Thaten tönen
Sie sangs, und sieh! die Musen fliegen zu der Feyer,
Es rauscht ihr duftendes Gewand,
Die Leyern klingen alle, du zu schwache Leyer
Verstumm’ in meiner Hand!
*) Sieh Orl. Fur. Cant. VII. [WS: Orlando furioso]