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Hohenrechberg (Rink)

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Textdaten
Autor: Joseph Alois Rink
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Titel: Hohenrechberg
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aus: Schwäbisches Taschenbuch auf das Jahr 1820. S. 139–158
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1819
Verlag: Sattler
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Quelle: MDZ München und Commons
Kurzbeschreibung: Beschreibung und Geschichte der Burg Hohenrechberg bei Schwäbisch Gmünd
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[139]
Hohenrechberg.

Das Schloß Hohenrechberg, die Stammburg der Grafen und Herrn von Rechberg und rothen Löwen liegt im Königreich Württemberg eine Stunde von Schwäbisch Gmünd und eben so weit von dem weltberühmten Hohenstaufen, worauf die ehemalige Kaiserburg ruhete.

Der Hohenrechberg gehört zu den höchsten der Gegend, ist von dem nahen Albuch-Gebürg ganz abgesondert, und hängt nur durch die Bergstücke, worauf er steht, mit selbem, so wie mit Hohenstaufen durch einen stundelangen Erdrücken zusammen.

Hohenrechberg erhebt sich nach einer trigonometrischen – 2167, und der Hohenstaufen nach einer [140] barometrischen Messung 2111 Fuß über die Meeres-Fläche *)[1].

Der Berg hat zwei Abtheilungen. Auf seiner höchsten Stelle stehet die Pfarrkirche mit dem Pfarr- und Meßner-Haus nebst einem kleinen Häuschen eines Wächters. Von da zieht sich der Berg gegen Westen in einer geneigten Fläche hinab, etwa 300 Schritte, bis an einen ungeheuer großen Felsen, auf welchem das Schloß erbaut ist.

Der obere Theil des Berges bestehet aus einer sehr geräumigen Fläche, worauf sich nicht nur gedachte Gebäude befinden, sondern auch der Begräbniß-Platz der Pfarrgemeinde, der Garten des Pfarrers, eine große Wiese, Krautland und ein Acker, welche der Meßner benutzt. Wenn die Witterung wenig günstig ist, so wächst sehr gutes Gemüß in des Pfarrers Garten, und die Wiese bringt ohnehin nahrhaftes Bergfutter hervor; doch muß es im Sommer öfters regnen, weil [141] der Boden, unter dem in einer Tiefe von 1 bis 1½ Schuhe Kalkfelsen liegen, schnell austrocknet.

Der Berg, welcher, ausser der Nordseite, fast ganz angebaut ist, war in ältern Zeiten mit Nadelholz bewachsen, und auf dem Platz der gegenwärtigen Pfarrkirche stand eine Klausners-Hütte mit einer hölzernen Kapelle. Da sich im 11. und 12. Jahrhundert die Klausner in Schwaben anfingen einzunisten, so mag sich wohl um diese Zeit ebenfalls ein Eremit zu Hohenrechberg angesiedelt haben. Er hatte in seiner Kapelle ein aus Lindenholz schön geschnitztes Marienbild aufgestellt, zu dem die umliegenden Landleute stark wallfahrteten. Die Menschen vermehrten sich an manchen Festtagen so sehr, daß ganze Märkte auf der Oberfläche dieses Berges gehalten wurden, welche noch vor 30 Jahren sehr zahlreich waren.

Die immer zunehmende Andacht bestimmte den Ulrich von Rechberg, den Fideicommiß-Stifter im Jahr 1488, eine Kirche von Stein zu erbauen, worin er ein ewiges Licht stiftete und ein Kapital auswarf, wovon ein Geistlicher sollte unterhalten werden, um zu gewissen Zeiten den Wallfahrtern hier Messe zu [142] lesen, welches Geschäft die benachbarten Pfarrer oder die Mönche zu Gmünd bis zum Anfang des achtzehenden Jahrhunderts besorgten.

Da die neue Kapelle ausgebaut war, so wurde das Marienbild von Priestern feierlich aus der hölzernen Kapelle, welche in der Mitte der Bergfläche stand, in diese übersetzt. Allein, so erzählten die Legenden, das Muttergottesbild blieb nicht, sondern wurde wiederholtermalen von den Engeln des Nachts in die alte Kapelle zurückgetragen. Die Urkunde über die ewige Lichtstiftung in die neue Kapelle von 1496 berührt diesen Umstand mit keiner Sylbe.

Indessen blieb die alte Kapelle mit dem Bilde stehen und in der neuen Kapelle wurden die Gottesverehrungen bis an das Ende des siebenzehenten Jahrhunderts gehalten, wo der Graf Franz Albrecht von Rechberg die von seinem Vater Bernard Bero angefangene neue und größere Kirche vollendete. Diese wurde auf dem Platz der alten hölzernen Kapelle erbaut, und die 1488 erbaute zur Wohnung eines beständig hier wohnenden Geistlichen eingerichtet.

[143] Da aber die Kirche mit den zwei am Fuße des Berges liegenden Weilern nach Waldstetten, eine Stunde entfernt, eingepfarrt war, und der christliche, so wie der Schulunterricht vernachlässiget wurde, so bewerkstelligte der am 19. März 1819 verstorbene Graf Max von Rechberg die Absonderung und Errichtung einer eigenen Pfarrei, welches 1767. den 18. Juni geschah.

Man wird nicht leicht einen Berg finden, von dessen Oberfläche man eine so reizende Aussicht genießet. Die ganze Gegend um den Berg her ist mit Dörfern, Weilern und vereinödeten Höfen gleichsam besäet, und es schließt sich immer ein lebender Gegenstand an den andern an, bis zum entferntesten Horizont.

Wendet man sich zum nördlichen Halbzirkel des Gesichtskreises, wohin man allerdings die ausgedehnteste Aussicht hat, so liegt links gegen Westen der Hohenstaufen mit dem Dorfe, die Dörfer und Weiler Wäschenbeuren, Maitis, Liugling, Reiprechts, Metnang, Straßdorf und die dermalige Oberamtsstadt Gmünd; rechts hingegen gegen [144] Osten die Dörfer Unterwaldstetten, Bekringen, Bargen, Eckingen, Herrlighofen und Muthlangen.[WS 1]

Kehret man das Angesicht gegen Süden, so erscheint Hohenstaufen zur Rechten, Ottenbach, Kitzen, Krumwälden, Groß- und Kleineißlingen, Göppingen, Salach, die Schlösser Staufeneck, Ramsperg und Scharfenberg, zwischen welchen zwei letztern Donzdorf im Thale liegt, Reichenbach, Winzingen, Wißgolding, und das hintere und vordere Weiler-Rechberg dicht am Fuße des Rechbergs auf der Gebirgs-Stufe, auf der er gleichsam aufsitzt; und dieß sind nur die nächsten Orte, wovon die weitesten kaum zwei Stunden entfernt liegen.

Ich habe jezt die tausend Höfe noch nicht genannt, die auf allen Anhöhen, in allen Thälern, in allen Wäldern, an allen Ecken und Enden hervorblicken; ich habe noch nicht gesagt, daß die ganze Gegend aus den fruchtbarsten Feldern, Aeckern, Wiesen und Gärten bestehe, daß sie von den niedlichsten Laub-Nadel-Holz-Wäldchen, Bächen und Flüßchen durchkreuzt [145] werde, und daß dieses manichfaltig lebende und webende Bild auf dem Hohenrechberg, wie eine zierlich ausgebreitete Landcharte sich vor dem Auge entfalte.

Man dehne ferner die mahlerische Landschaft weiter, man fahre mit dem Auge rings umher von den nächsten Orten bis an den letzten Punkt des Gesichtskreises, man lasse sich die hundert Gegenstände der Orte, die sich wie Glieder einer Kette aneinander reihen, und an die sich immer eine kleine Erinnerung der Vorzeit bindet, erklären, so bekömmt man nach und nach eine schwache Idee von dem unermeßlichen Bilde, das sich auf dem Rechberg dem Wanderer darstellt.

Die entferntesten Gegenstände sind gegen Osten, das Schloß Ellwang und der sogenannte schöne Berg dann Rosenberg. Gegen Norden der nun abgebrannte Eintorn bei Holl[WS 2]. Gegen Westen Hohenheim, die Solitüde hinter Stuttgardt, und damit ich das Seelgeräth und die Ruhstätte der Hohenstaufen nicht vergesse, das nur zwei Stunden entlegene ehemalige Benediktiner-Kloster Lorch. Gegen Süd-Osten und Süden nähern sich die Albuch-Gebirge [146] bis auf eine und zwei Stunden, mithin ist hier die Aussicht beschränkt; aber eben dieses thut dem ermüdeten Auge wohl, indem es an den schönen Conturen der nahe hinziehenden Gebirge ausruhet und sich ergötzet.

Wer kann, versetze sich zugleich im Geiste in das eilfte und zwölfte Jahrhundert, wo eine Stunde entfernt, die schwäbische Kaiserburg im höchsten Schimmer strahlte, und der ganzen Gegend eine ungewöhnliche Lebhaftigkeit und Pracht ertheilte; wo die Rechberge Ulrich und sein Sohn Hildebrand als Marschälle des Herzogthums Schwaben, folglich als primi Ministeriales, Principes militiae equestris und Judices Castrenses auf ihrer altväterlichen Burg wohnten, und ich glaube kaum, daß ein Ort in Deutschland zu finden sey, der für den Deutschen so anziehend sey, als Rechberg.

Wir steigen nun von der oberen Plattform des Berges hinunter auf den Felsen, worauf das Stammschloß der Familie stehet, welche dem Berge eine solche Berühmtheit verschafft hat. Eigentlich ist es ein vom Hauptberg abgesonderter Hügel, in dessen Mitte sich [147] der Fels erhebt, auf dem die alte Burg ruhet. Man kömmt in den ersten Vorhof des Schlosses auf einer großen steinernen Brücke, welche über das, den Berg vom Hügel trennende Thälchen führt und ehedem bei dem letzten Jahr mit einer Aufziehbrücke versehen war. Diesen Vorhof schließen verschiedene Oekonomie-Gebäude ein, worunter sich auch die Wohnung eines Schloß-Wächters befindet. Nun gehet man über eine hölzerne Brücke, die über einen ungewöhnlich tiefen Graben geschlagen ist, der den Felsen von dem ersten Vorhof trennet, und rings um ihn herläuft.

Diese Brücke hatte ebenfalls eine Aufziehbrücke am Ende, ja man konnte sie ehemals ganz abtragen. Sie führet unter das zweite Thor, worunter das Burgverließ sich befand, und wahrscheinlich einen hohen Thurm vordem über sich hatte.

Von da gehet man zwischen dem Schloßgebäude und der innern Umfangsmauer auf das dritte Thor zu. Bei dem Eintritt in dasselbe sieht man sich in ein enges Dreieck, welches die zusammen laufenden Gebäude bilden, eingeschlossen, aus dem man endlich durch ein viertes Thor in den innern Vorhof kömmt, [148] zu dem mehrere Staffeln hinaufführen. In diesem Vorhof befindet sich nichts, als eine sehr tiefe, in den Felsen gehauene Cisterne, die sich von den Regenwasser füllet, welches[WS 3] ihr von den Dächern in Rinnen zugeführt wird. Man weiß nie, daß es an Wasser mangelte, auch bei der größten Trockene.

Das Wohngebäude oder eigentliche Schloß hat die Form eines Hufeisens, wovon die Oeffnung mit andern angehängten Gebäuden geschlossen wird. Die ganze Bauart zeuget von einem hohen Alterthume. Der erste Stock ist von den stärksten Sandstein-Quadern, welche man am Berge findet, aufgeführt. Die andern zwei Stöcke sollen von aneinander getibelten Balken (in der Zimmermanns Sprache) bestehen. Es ist nicht von einer Bauart. Man bemerkt viele Stellen, wo später angebaut und ausgebessert wurde. Man kann auch die innere Einrichtung nicht mehr beurtheilen, indem hier meistens alles neu ist.

Obschon seit 1585 Niemand von der Familie mehr hier wohnte, so ist es doch ziemlich im baulichen Wesen unterhalten; aber eben deßwegen wurden keine [149] Kosten für eine bequemere und zierlichere Ausstattung verwendet.

In dem untern Stock befindet sich die alte Schloß-Küche, der Pferdstall, ein Paar Domestiken Zimmer und ein großer Holzstall, worin ehemals eine Stoßmühle stand.

In den zweiten und dritten Stock stieg man durch eine steinerne Schneckenstiege, die in einem hohen Thurm angelegt war. Zwischen 1652 und 1660 wurde der Thurm abgetragen und die Staffeln in das Schloß Illeraichen geführt, wo sie wieder eine Schneckenstiege bilden. Hohenrechberg und Illeraichen gehörten damals dem Grafen Johann von Rechberg. Jetzt führet eine gemeine, bedeckte Stiege in beide Stockwerke.

In dem zweiten Stock befindet sich die Wohnung der ehemaligen Beamten mit den Kanzleizimmern, und die Küche. Auch war hier die alte Burg-Kapelle, die nun verlassen ist; aber noch die Kennzeichen eines hohen Alterthums zeigt. Im dritten Stockwerk ist ein [150] großer alter Saal und einige Zimmern für die Herrschaft, wenn sie hie und da den Berg besucht.

Seit obgenanntem Jahre 1585, wo der Letzte der Hohenrechbergischen Hauptlinie starb, wohnten bloß die Beamten der Herrschaft hier, und itzt ist es die Wohnung des herrschaftlichen Jägers.

Ganz anders verhält es sich mit den Befestigungswerken, welche das Schloß umgeben. Die Mauern und Thürme sind theils verfallen, theils werden sie durch die Witterung immer mehr verzehrt. Die Thürme stunden rings an der äußersten Mauer her, welche den tiefen Graben umgab, und waren wahrscheinlich meistens bewohnt. Einer von ihnen zeichnete sich durch seinen colossalen Umfang und seine Höhe, besonders aus, und dieser war durch einen Gang mit dem Schloß verbunden. Weil er aber dem Einsturz drohete, so mußte er erst zu unserer Zeit vollends abgetragen werden. Die Burg hatte auch Vorwerke, welche aber kaum noch einige Spuren hinterlassen haben. Der Berg außer der Ringmauer ist hie und da durch Gewölbe und unterirrdische Gänge ausgehölt. Die Landleute behaupten, daß von der Burg aus ein solcher [151] Gang bis nach Hohenstaufen geführt habe. Wahrscheinlich ist dies blos von einem durch den Wald gehauenen Gang zu verstehen, womit der Erdrücken, welcher die zwei Burgen miteinander verbindet, ganz bewachsen war.

Man genießt im Schloß die nämliche schöne Aussicht, wie auf dem obern Theil des Berges; nur wird ein Theil derselben von diesem verdeckt.

Den Ursprung der Burg anzugeben ist sehr schwer. Er verliert sich in das höchste Alterthum hinein.

Man hat Spuren, daß vier Brüder mit den rothen Löwen (auf dem Schild) wodurch die Rechberg vor der Annahme der itzigen Benennung kennbar waren, in einer Schlacht bei Hausen im Thale mit andern von einem fränkischen General Rumelius unter Pipin von Heerstall († 774) gefangen und hieher geführt wurden. Hier nahmen sie das Christenthum an, und bauten sich eine Wohnung. Die Erzählung der Chronik bekommt dadurch eine Wahrscheinlichkeit, weil gerade unter Pipin von Heerstall die heidnischen Schwaben sich häufig empörten, [152] und seine Herrschaft nicht anerkennen wollten; Pipin die irländischen Missionarien sehr begünstigte, und durch das Schwert unterstützte; um diese Zeit ein General oder Herzog Rumelius die Truppen in Schwaben kommandirte; die Rechberge sich noch von rothen Löwen schreiben, und in der Nachbarschaft des Rechbergs sich ein Thal befindet, welches das Christenthal heißt, was auf die Ansiedelung der Christen hindeuten könnte. *)[2]

Nach dieser Erzählung fiel also die Erbauung der Burg Rechberg zwischen 650 und 700 nach Christus Geburt.

Indessen haben wir erst seit der Zeit, in der die adelichen Familien anfiengen, sich von Gütern zu schreiben, nämlich vom zwölften Jahrhundert, gewisse Nachricht von dem Daseyn der Burg Hohenrechberg.

[153] Ulrich von Rechberg kömmt als Marschall der Herzoge von Schwaben zu Hohenstaufen in den Urkunden des zwölften Jahrhunderts häufig vor, und zwar in Urkunden, die in der Gegend ausgefertigt wurden. Ihm folgte sein Sohn, Marschall Hildebrand v. R., der erst nach 1225 starb. *)[3] Dieser hatte zwei Söhne Conrad und Ulrich. Dem ersten wurde die Stammburg Rechberg und dem andern Rechberghausen beiderseits mit den dazu gehörigen weitschichtigen Besitzungen. Ulrichs Nachkommen zu Rechberghausen starben im Anfang des fünfzehnten Jahrhundert gänzlich aus; Conrads Kinder und Enkel zu Rechberg aber dehnten sich auf vier Hauptlinien aus, wovon die Jüngste zu Weissenstein noch allein blühet. Seit Ulrich dem Marschall gieng die Burg von Hand in Hand der Familie bis auf den gegenwärtigen Besitzer Graf Alois von Rechberg und rothen Löwen herunter. Sie muß also auch bereits im zwölften [154] Jahrhundert, ja schon lang vorher existiret haben, weil sich sonst die Familie davon nicht hätte nennen können, und sie eben damals als eine der ersten Familien unserer Gegend glänzte.

Die Burg hieß Rechberg. Erst 1323 in einer Graf Helfensteinischen Vertrags-Urkunde mit dem Kloster Adelberg schrieb sich Albert von Hohen Rechberg und diese Benennung blieb ihr von dieser Zeit an in allen Urkunden.

Der Name selbst leitet sich von Reh her, welches das schwäbische Landvolk Rech ausspricht. Diese Thiere sollen sich ehemals auf und an dem Berge häufig aufgehalten haben, weswegen er den Namen Rehberg erhielt. Die Burg und so auch die Familie nannte sich also in unsern Urkunden Reh - Rech - Reuch- oder Raichberg, je nachdem der Schreiber selbst eine Mundart sprach.

Die Familie führt wegen Rechberg auf dem Helm einen Rehbock mit rothem Gestämm, und im Schild die alten zwei aufrecht stehenden, einander die Recken kehrenden rothen Löwen.

[155] Die Burg war nie ein Raubschloß; aber doch hatte sie ein Paar harte Stöße, die bekannt sind, auszuhalten. Vor der Erfindung des Pulvers scheint es, daß sie jedem Anfall trotzte; allein in der Folge konnte sie nicht mehr widerstehen. Wegen der Nachbarschaft der ehemaligen Reichsstadt Gmündt, obschon sie selbst und ihre angesehensten adelichen Bürger, Vasallen der Familie waren, hatte sie immer einen zweideutigen Stand neben ihr. 1449 den 29. September zogen die Rothweiler für die Burg. Nur 19 Mann vereidigten sie. Sie wurde im Sturm genommen und 18 von selben ermordet. Im letzten Jahre des dreisigjährigen Kriegs 1648 wurde sie von der französischen Besatzung zu Schorndorf auf eine listige Weise eingenommen und fürchterlich zugerichtet.

Ich will jetzt nur noch von ein Paar Geistergeschichten Meldung thun, nämlich von dem Rechbergischen Klopferle und dem Staufer-Geist.

Der Erste ließ sich bei dem Tode eines Jeden aus der Familie durch Klopfen hören, und zwar fieng er zu klopfen an, sobald keine Rettung mehr für den Kranken übrig war und fuhr fort bis er verschied. [156] Er soll sich aber nicht blos in der Stammburg, sondern in allen, sogar ehemaligen rechbergischen Häusern hören lassen. Der Ursprung dieses Klopferle wird so angegeben: Ulrich von Rechberg, der Fideicommiß-Stifter, hatte einen großen Hund, welcher so abgerichtet war, daß er in seiner Abwesenheit durch ihn Briefe in einer am Hals hangenden ledernen Tasche seiner Frau auf die Burg sandte. So war dieser Hund ehemals auf einem alten Getäfelwerk zu Weissenstein im sogenannten Reithaus abgebildet. 1496 war Ulrich verreiset, und sandte längere Zeit keine Briefe. Seine Frau, Anna von Venningen, war darüber ängstig. Sie betete alle Tage in der Burgkapelle. Eines Tages klopfte Jemand an der Kapellthüre; sie wurde darüber ungehalten, weil sie einen Domestiken vermuthete, der wohl wissen konnte, daß man sie im Gebet nicht stören sollte. Weil nun das Klopfen fortdauerte, so stand sie vom Betstule hastig auf, sagte: ich wollte, daß du immer fort klopftest, und öffnete die Thüre, um den Thäter zu zanken. Allein der Hund stand vor ihr ohne Brief, und schmeichelte ihr mit trauriger Miene. Bald darauf erhielt sie die Nachricht von dem Tode ihres Herrn. Von dieser Zeit [157] an soll es nun immer in der Burg klopfen, so oft ein Rechberg stirbt.

So wird diese Begebenheit in zweihundertjährigen Familienschriften gelesen und so erzählten sie die Beamten, welche auf dem Schloß wohnten.

Sehr wahrscheinlich ist es, daß Ulrich nicht zu Hohenrechberg starb. 1496 den 10. Sept. zeigte seine Frau den Tod ihres Herrn dem Magistrat zu Ulm an, und lud ihn zum Leichenbegängniß auf den 26. Sept. nach Donzdorf ein. Es ist nicht glaublich, daß man seinen Leichnam 16 Tage zu Hohenrechberg liegen ließ, wenn er allda gestorben wäre. Es scheint also, daß ihn der Tod auswärts übereilt habe, und daß sein Leichnam erst bis den 26 Sept. konnte herbeigeführt werden, um ihn in dem Familien-Begräbniß zu Donzdorf zu beerdigen. Nach dem Nekrolog des Kl. Thierhaupten starb Ulrich bereits am 9. Sept.; aber wo? wird nicht gesagt.

Der Staufer Geist ist ein Licht, welches bei Sturm und Regen, oft in entgegengesetzter Richtung von Hohenstaufen bis nach Hohenrechberg wandelt. Nach geläuteter Betglocke Abends sieht man ihn am [158] Hohenstaufen liegen (ich bediene mich der Sprache der Landleute) und da sey es, als wenn man in einen angezündeten Backofen hinein sähe. Auf einmal erhebt sich der Geist, nimmt seinen Weg auf dem schmalen Erdrücken, welcher Hohenstaufen und Hohenrechberg zusammen bindet, bald langsam, bald schnell hüpfend und springend über die Tannen, geht links an der Burg vorbei, bis in die Häge, einige Häuser gerade unter der Pfarrkirche auf dem Berg. Von da kehrt er auf dem nämlichen Wege zurück, und bleibt bis zur Betglocke am Morgen am Hohenstaufen liegen, wo er sohin verschwindet.

Dieß Phänomen erscheint nicht alle Tage, sondern nur hie und da, besonders aber zur Herbstzeit. Daß es der gemeine Mann für ein übernatürliches Wesen halte, zeigt schon der Name an, mit dem er es benennet. Uebrigens ist der Staufergeist nach ihrer Erzählung von guter Art, und beleidiget Niemanden.

Dekan des Landkapitels Geißlingen und Pfarrer zu Donzdorf
J. A. Rink.     

  1. *) M. Rösch Pfarrer zu Faurndau – Schorndorf und seine Umgebung. Seite 222.
  2. *) Ich kann mich hier auf die nähere Beleuchtung dieser Angaben nicht einlassen. Sie sind in meiner Geschichte der Familie von Rechberg, die noch im Manuscripte[WS 4] vorliegt, kritisch auseinandergesetzt.
  3. *) Die gleichzeitigen Bischöfe Ulrich von Rechberg zu Speier, und Seyfried v. R. zu Augsburg waren nicht Väter der Marschälle Ulrichs und Hildebrands sondern urkundlich Ulrichs Söhne und Hildebrands Brüder.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die Dörfer heißen heute: Wäschenbeuren, Maitis, Lenglingen, Reitprechts, Metlangen, Straßdorf, Waldstetten, Bettringen, Bargau, Iggingen, Herlikofen und Mutlangen.
  2. Muss Einkorn bei Schwäbisch Hall heißen.
  3. Vorlage: wesches
  4. Vorlage: Manuscipte