Hans Hemmling
Aus Brügge reitet im Niederland
Ein königlicher Held,
Er ist der kühne Karl genannt,
Ihm steht kein Feind im Feld.
Schießt in die Ferne weit,
Es sucht in der Alpen Riesenschoos
Des frei’sten Volkes Streit.
Es glänzt sein Leibrock purpurroth
Zög’ ihm den Einer ab im Tod,
Der hätte reichen Sold!
Doch legt darum sein Panzer sich
Mit undurchdrung’ner Wehr,
Sie starren um ihn her.
Der Fürsten und der Grafen Schaar
Umringt ihn hoch zu Pferd,
Und eines jeden Haupt fürwahr
An Zahl und Herrlichkeit,
Es wogt an Glanz und Trotz ein Meer,
Strömt über weit und breit.
Alle Rosse steigen in Lust,
Und wie sein Herz von Siegen träumt,
Glüht aller Ritter Brust.
Der prüft sein Schwert, der schwingt mit Macht
Mit seines stählernen Kleides Pracht
Blitzt der die Augen blind.
So wallt vorüber mit leichtem Flug
In Gold und Stahl das Heer,
Den drückt kein Panzer schwer.
Und in der Hand kein Schwert ihm blitzt,
Der Waffen ist er baar,
Und statt des Helms die Mütze sitzt
Doch schweift sein Blick so frei und hell
Wohl über den ganzen Schwarm,
Es wohnt in seinem Aug’ ein Quell
Von farbigem Leben warm.
Als wären sie sein zumeist,
Was er geschaut, in hellem Wahn
Lebt’s fort in seinem Geist.
Und hättest du gefragt den Herrn,
Wer reitet dir dort im Heere fern?
Gesprochen hätte sein Mund:
„Ein kunstbegabter Meister ist’s,
Er tauget nicht zur Schlacht,
So dient er meiner Pracht.
So dient er mir zu Ruhm und Ehr’,
So glänzt an meiner Wand
Der Feinde Tod, mein mähend Heer,
Und hättest du dann geschaut hinein
Tief in des Meisters Brust:
O was für wonniger Farben Schein,
Aufstrahlte dort in Lust!
Der kümmert wenig ihn!
Doch ist es nicht des Herzogs Sieg,
Den sein Geist läßt erblühn.
Ein ander Bild strahlt königlich
Geziert mit and’rem Kranz.
Er trägt in seiner Brust die Welt,
Die Keiner noch geschaut,
Der Erdengröße vertraut.
Hans Hemmling ist’s, der Maler gut,
An sel’gen Bildern reich;
Die Andern schauen im Geiste Blut,
Sie treiben die Pferde mit wildem Sporn,
Sie jagen durch Saat und Flur,
Der kühne Herzog reitet vorn,
Sie folgen alle der Spur.
Da schweigt der Tag wie die stille Nacht,
Da hat so finst’re Trauer
Der lange, blutige Krieg gebracht.
Viel Rosse haben getrunken
Von der kühlen Fluth im tiefsten See.
Es ritt durch Tag und Nächte
Der Herzog auf seiner ersten Flucht,
Und prüft’ auf’s neue des Schwertes Wucht.
Und ist auf’s neue gezogen
Hinaus, zu rächen des Heeres Schmach,
Und kommt kein Bote geflogen?
Und kehrt sich nicht die Trauer
In Siegesruf und Freudengelag?
Der Wächter von der Mauer
Er spähet hinaus den langen Tag.
Zuletzt an’s Thor ein kranker Knecht;
Es schleicht sein Fuß, von der Wunde,
Von der Flucht in’s ferne Land geschwächt.
Die Lumpen, die ihn decken,
Die Glieder lähmt der Schrecken,
Im Antlitz wohnt der blasse Tod.
Der Wächter von der Zinne schalt,
Fluch über deine Jammergestalt!“
„„Mein Amt war nicht zu schlagen,““
Sprach d’rauf der Mann mit Herzeleid,
„„Doch kann ich zeugen und sagen,
„So sprich, die vierzig Tausend?
Sie mähet’ alle der wilde Sturm?“
„„Ja nieder warf er sie brausend,
Vor des Schweizers Speer und vor Nancy’s Thurm.““
Der Purpurrock des kühnsten Herrn?“
„„Der hängt als Siegeszeichen
Schon lang im hohen Münster zu Bern.““
„Den Herzog – hat ihn gerettet
„„Das liegt im Eise gebettet,
Das stolze Haupt zur Tiefe gekehrt.““
„Wo ward der Herr gefunden?
O Knecht, so sprich! hast du kein Ohr?“
Mach auf, mach auf, du Wächter, das Thor!““
Es lag der arme kranke Knecht
Im milden Haus geborgen,
Vom letzten, blut’gen Morgen.
Er sah im wachen Traum die Noth,
Den Schwarm der Feinde, der Raben,
Die Banner gesunken, die Edlen todt,
Bis daß ein Schlummer lang und tief
Sich seiner Qual erbarmte,
Und was in ihm von Leben schlief,
In Ruhe lind erwarmte.
Auf springt er von dem Bette,
Es fragt der Fremdling freudiglich
Nach Pinsel und Palette.
Die Diener sprechen: „Krankheitswahn
Sie seh’n einander fragend an,
Sie bringen, was er begehret.
„Nein Freunde, spricht er, es ist kein Traum!
Gönnt mir das muthige Streben!
Jetzt naht das wahre Leben!“
Mit kühnen Pinselstrichen,
Verbreitet er der Farben Pracht,
Hans Hemmling! tönt’s im Hospital,
Hans Hemmling! auf den Gassen,
Mit Bürgern füllet sich der Saal,
Sie können das Glück nicht fassen.
Nicht alles ist verloren!
Die Ehre stellet sich wieder ein
In unsern schwarzen Thoren.“
Der Meister lächelt selig, still,
Und immer größ’re Wonne will
Aus seinem Bilde strahlen.
Von fernen Burgen führt er her
Die Kön’ge mit Geleite,
Zu unheilvollem Streite.
Sie alle treibt ein frommer Muth,
Nicht Feindschaft, die sich brüstet,
Der Kleider hohe Farbengluth
Legt in die Krippe den Knaben,
Und setzt zu ihm die sel’ge Frau,
Und reicht ihm dar die Gaben.
Um die geweihte Stätte,
Der Meister steht vor seinem Bild
Mit dankendem Gebete.
Das ist der Herr, das ist der Held,
Das ist die heilige Wunderwelt,
Die stets sein Aug’ umschwebet.
Es zückt die Kraft ihm durch die Hand,
Er wird in vielen Bildern
Das höchste Leben schildern.
Und Meer und Ström’ und Berg und Thal,
Was Herrlich’s er gesehen,
Verklärt von seines Pinsels Strahl
In tausend Zügen wird er licht
Der Menschheit Bild uns malen,
Und in Ein göttlich Angesicht
Vereinen alle Strahlen.
Es leuchten seine Werke,
Wo blieb der Herzog und sein Heer?
Der Stolz, der Glanz, die Stärke?
Hinunter muß der Erde Pracht
Das Aechte rettet aus der Nacht
Die Kunst auf ew’gem Flügel.