Sonnette (Werthing)
Entlaubet euch, ihr ernsten Haine, immer;
fallt, welke Blätter, langsam wirbelnd nieder;
der holde Frühling kehret lächelnd wieder,
und mit ihm neuer zauberischer Schimmer!
schwebt er dahin, mit duftendem Gefieder;
ihm schallen süßer Mädchen frohe Lieder,
und Traurigkeit und Klage flieht auf immer!
Mir Armen aber kehren keine Freuden!
mich nicht die Flur im Glanz der Morgensonne!
Denn die sich innig liebten, mußten scheiden,
ich fand nur Seeligkeit in ihren Blicken,
sie nur in meinem Arm des Himmels Wonne!
[376]
wo sie in jenes schönen Frühlings Wehen
mein blaues heitres Aug zuerst gesehen;
wo ach! mein Herz zuerst die tiefe Wunde
Empfangen, ich zuerst an ihrem Munde
auf diesen freundlichen besonnten Höhen
geweihet ward der Liebe schönem Bunde!
Gesegnet alle thränenschweren Klagen,
die ich um sie, in unbesuchten Hainen
Denn, alles würd’ ich für die Theure wagen;
wes Augen um ein solches Mädchen weinen,
der hat des Erdenglückes Ziel errungen.
Wenn in das Meer der goldnen Sonnenwagen
auf Wald und Fluren deckt, tönt meine Leyer
auf ungehörte, bange, bittre Klagen!
An meinem armen jungen Herzen nagen
dann stille Leiden ungestörter, freyer;
kann seines Kummers Lasten nicht mehr tragen.
Dann ist der Himmel ihm, die Welt, die Erde,
das schöne Thal, und die beblümten Fluren,
wo er sein liebes Mädchen sah, zuwider;
der Morgen kommt, und die geliebten Spuren
sucht er umsonst, und weinet Klagelieder.
Wird je für mich der goldne Morgen blinken,
der mit der Liebe Fesseln uns umwindet?
an dem, entzückt an deine Brust zu sinken,
von deinen Lippen Götterglück zu trinken,
aus Rosenwolken mir sein Stral verkündet?
hochlodernd Hymens Fackel sich entzündet,
Das hoffe nicht, mein armes Herz! vergebens
umgaukelt dich mit goldbekränzten Schwingen
die reizendste der Dichterphantasieen.
Getäuschte Hoffnung ist das Loos des Lebens!
je sichrer wird es immer vor uns fliehen.
Gedankenvoll, auf unbesuchten Fluren
schweif’ ich umher, mit leisen, trägen Schritten!
mich locken nicht des Landmanns stille Hütten,
Ich hasse diese redenden Figuren!
was hab’ ich unter ihnen nicht gelitten!
dies Herz, von bitterm Gram so tief durchschnitten,
dies Herz, sehnt sich nach unbesuchten Fluren.
an deren Ufer oft mein Fuß verweilet,
die wissen nur, wie tiefer Gram mich quälet;
Ich träume dann der süßen Liebe Küsse;
ich horche dann, was sie, die Herzen heilet,
[379]
Der Lenz kehrt wieder; laue Weste schweben
um Blumenfluren, und um Rosenbüsche,
indeß sich aus der grünen Schlehdorn Nische
mit frohen Liedern junge Lerchen heben.
durchtönt die Luft, und zittert in dem Fische,
und alles drängt sich zu dem großen Tische,
den Liebe und Natur der Schöpfung geben.
Für mich nur kehren schwere Seufzer wieder,
Idaliens allmächt’gen Blicken gleichen.
Die Blumenflur, der Lerche frohe Lieder,
die schöne Rose, die zerstreut ich pflücke,
nichts kann den Gram von meiner Stirne scheuchen.
ihr nur erheitert mir mein trübes Leben,
ihr nur habt mir allein Genuß gegeben.
um den ich Catharinens Thronen räume.
Setzt mich noch einmal unter jene Bäume,
und um sich her der Liebe Schatten weben;
ach! setzt mich hin, ihr lieben, holden Träume!
Hier sah mein Aug’ zum erstenmal Elisen;
hier gieng mein heitres Jugendherz verloren,
Was kümmern sonst mich thaubeperlte Wiesen!
dies Plätzchen hab’ ich mir allein erkoren,
und hier will ich das Lied der Hoffnung singen.
Ob Mara mir, ob Marchesini singe,
ob es dem Künstler, aus den todten Saiten
der Freude holden Ton zu ziehn, gelinge;
Ob Hayden sich zum Pol der Tonkunst schwinge,
ob alle großen Meister unsrer Zeiten
das sind mir wenig wünschenswerthe Dinge.
Hör’ ich nur deine liebevolle Stimme
du süßes theures Mädchen, ohne gleichen,
so lache ich der hohen Kunst der Sänger!
um deine Wangen meine Blicke schleichen,
mein Auge naß wird, und mein Busen enger.
Die heitre Luft, die zwischen grünen Zweigen
hinsäuselnd, meine heiße Stirne kühlet,
vor der sich Rosen und Jasminen beugen,
und junge Veilchen sich süßduftend neigen;
sie kann den Gram der meine Brust zerwühlet,
die Qualen, die mein armer Busen fühlet,
Das alles kann ihr leises Wehn nicht lindern!
in diesem Herzen brennt ein ewig Feuer
das meines Lebens beste Kraft verzehret;
Elisens Kuß kann meinen Gram nur mindern,
des Mäoniden jedem Kummer wehret.
[382]
Setz mich dahin, wo Nacht die Erde decket;
wo nie der Sonne Morgenstralen blinken,
zu stillen Freuden keine Haine winken,
In grause Wüsten, deren Blick erschrecket,
wo keine Schatten lieblich niedersinken,
wo keine Blümchen Thaugewölke trinken,
und nie ein West das sanfte Veilchen necket!
laß mich mein Brod vor fremden Thüren suchen,
von Gram und Schmerz und Angst umher getrieben!
Ich fürchte nicht der Sorgen schwarze Heere,
und werde meinem Schicksal nimmer fluchen;
Auch dieser Tag! er ist für mich verloren!
die Hoffnung spielte wohl um meine Stirne,
die Hoffnung, diese niedre, feile Dirne,
die mich zu ihrem Puppenspiel erkoren.
im Bund’ mit meinem traurigen Gestirne
mein Herz ermattet, und mein krank Gehirne
zum Spotte macht für schön geputzte Thoren!
Kaum stralet an des Laxbergs nackter Scheitel
so täuscht sie mich, ach! mit Elisens Bildniß!
Ich wähne, sie zu sehn; mein Wahn ist eitel;
das Bild verschwindet, mit ihm meine Wonne,
und ich, ich tappe in des Grames Wildniß.
wohl mir! es trüben sich schon meine Sinnen,
und gerne eilt mein matter Geist von hinnen,
auf daß er sich am Quell der Freuden labe.
Mein Loos war Gram; und Kummer meine Habe;
ach! meine Thränen mußten ewig rinnen,
und Schwermuth nur war meines Schicksals Gabe.
O, weine nicht, Elisa! dort am Throne
der ew’gen Liebe sehen wir uns wieder,
Dann! giebt Gott selbst dich mir zum schönsten Lohne;
drum steig’ ich in das Grab frohlächelnd nieder,
weil Lieb’ und Hoffnung dort mir herrlich winken.