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Sonnette (Werthing)

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Textdaten
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Autor: Friedrich Werthing
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Titel: Sonnette
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aus: Neue Thalia – Erster Band, Drittes Stück, S. 375–384
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: G. J. Göschen’sche Verlagsbuchhandlung
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: UB Bielefeld bzw. Scans auf Commons
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[375]
III.
Sonnette.


I.

Entlaubet euch, ihr ernsten Haine, immer;
     fallt, welke Blätter, langsam wirbelnd nieder;
     der holde Frühling kehret lächelnd wieder,
     und mit ihm neuer zauberischer Schimmer!

5
Dann über des besiegten Winters Trümmer

     schwebt er dahin, mit duftendem Gefieder;
     ihm schallen süßer Mädchen frohe Lieder,
     und Traurigkeit und Klage flieht auf immer!
Mir Armen aber kehren keine Freuden!

10
     mich wird die holde Rose nicht entzücken,

     mich nicht die Flur im Glanz der Morgensonne!
Denn die sich innig liebten, mußten scheiden,
     ich fand nur Seeligkeit in ihren Blicken,
     sie nur in meinem Arm des Himmels Wonne!

[376]
II.

15
Gesegnet sey der Tag, das Jahr, die Stunde,

     wo sie in jenes schönen Frühlings Wehen
     mein blaues heitres Aug zuerst gesehen;
     wo ach! mein Herz zuerst die tiefe Wunde
Empfangen, ich zuerst an ihrem Munde

20
     nach himmlisch süßem, seligem Erflehen,

     auf diesen freundlichen besonnten Höhen
     geweihet ward der Liebe schönem Bunde!
Gesegnet alle thränenschweren Klagen,
     die ich um sie, in unbesuchten Hainen

25
     den aufmerksamen Nymphen oft gesungen!

Denn, alles würd’ ich für die Theure wagen;
     wes Augen um ein solches Mädchen weinen,
     der hat des Erdenglückes Ziel errungen.

Nach Petrarcas 47stem Sonnet.


III.

Wenn in das Meer der goldnen Sonnenwagen

30
     hinabsinkt, und die braune Nacht den Schleyer

     auf Wald und Fluren deckt, tönt meine Leyer
     auf ungehörte, bange, bittre Klagen!

[377]

An meinem armen jungen Herzen nagen
     dann stille Leiden ungestörter, freyer;

35
     mich hört sie nicht; und ihr geliebter Treuer

     kann seines Kummers Lasten nicht mehr tragen.
Dann ist der Himmel ihm, die Welt, die Erde,
     das schöne Thal, und die beblümten Fluren,
     wo er sein liebes Mädchen sah, zuwider;

40
Ihn flieht der Schlaf; er ruft dem Morgen: Werde!

     der Morgen kommt, und die geliebten Spuren
     sucht er umsonst, und weinet Klagelieder.

Nach Petrarcas 187stem Sonnet.


IV.

Wird je für mich der goldne Morgen blinken,
     der mit der Liebe Fesseln uns umwindet?

45
     der ewig, Mädchen, mich mit dir verbindet?

     an dem, entzückt an deine Brust zu sinken,
von deinen Lippen Götterglück zu trinken,
     aus Rosenwolken mir sein Stral verkündet?
     hochlodernd Hymens Fackel sich entzündet,

50
     und gürtellose Grazien mir winken?
[378]

Das hoffe nicht, mein armes Herz! vergebens
     umgaukelt dich mit goldbekränzten Schwingen
     die reizendste der Dichterphantasieen.
Getäuschte Hoffnung ist das Loos des Lebens!

55
     je kühner wir nach unserm Glücke ringen,

     je sichrer wird es immer vor uns fliehen.

V.

Gedankenvoll, auf unbesuchten Fluren
     schweif’ ich umher, mit leisen, trägen Schritten!
     mich locken nicht des Landmanns stille Hütten,

60
     mich reizen nicht der Schäferinnen Spuren.

Ich hasse diese redenden Figuren!
     was hab’ ich unter ihnen nicht gelitten!
     dies Herz, von bitterm Gram so tief durchschnitten,
     dies Herz, sehnt sich nach unbesuchten Fluren.

65
Ach! nur der Berg, der Hain, und diese Flüsse,

     an deren Ufer oft mein Fuß verweilet,
     die wissen nur, wie tiefer Gram mich quälet;
Ich träume dann der süßen Liebe Küsse;
     ich horche dann, was sie, die Herzen heilet,

70
     mit lieblichem Geflüster mir erzählet.
Nach Petrarcas 23stem Sonnet.

[379]
VI.

Der Lenz kehrt wieder; laue Weste schweben
     um Blumenfluren, und um Rosenbüsche,
     indeß sich aus der grünen Schlehdorn Nische
     mit frohen Liedern junge Lerchen heben.

75
Die Wiese lacht; ein allgemeines Leben

     durchtönt die Luft, und zittert in dem Fische,
     und alles drängt sich zu dem großen Tische,
     den Liebe und Natur der Schöpfung geben.
Für mich nur kehren schwere Seufzer wieder,

80
     ach! um ein holdes Mädchen, deren Blicke

     Idaliens allmächt’gen Blicken gleichen.
Die Blumenflur, der Lerche frohe Lieder,
     die schöne Rose, die zerstreut ich pflücke,
     nichts kann den Gram von meiner Stirne scheuchen.

Nach Petrarcas 259stem Sonnet.


VII.

85
Habt meinen Dank, ihr holden lieben Träume,

     ihr nur erheitert mir mein trübes Leben,
     ihr nur habt mir allein Genuß gegeben.
     um den ich Catharinens Thronen räume.

[380]

Setzt mich noch einmal unter jene Bäume,

90
     die laubbekränzt sich in die Luft erheben,

     und um sich her der Liebe Schatten weben;
     ach! setzt mich hin, ihr lieben, holden Träume!
Hier sah mein Aug’ zum erstenmal Elisen;
     hier gieng mein heitres Jugendherz verloren,

95
     hier fiel ich, ach! in Amors Rosenschlingen.

Was kümmern sonst mich thaubeperlte Wiesen!
     dies Plätzchen hab’ ich mir allein erkoren,
     und hier will ich das Lied der Hoffnung singen.

VIII.

Ob Mara mir, ob Marchesini singe,

100
     ob Giornovich’ und Böhr ihr Lied begleiten,

     ob es dem Künstler, aus den todten Saiten
     der Freude holden Ton zu ziehn, gelinge;
Ob Hayden sich zum Pol der Tonkunst schwinge,
     ob alle großen Meister unsrer Zeiten

105
     mir ein Conzert zu Händels Lob bereiten,

     das sind mir wenig wünschenswerthe Dinge.

[381]

Hör’ ich nur deine liebevolle Stimme
     du süßes theures Mädchen, ohne gleichen,
     so lache ich der hohen Kunst der Sänger!

110
Du sprichst! indeß ich in Entzückung schwimme,

     um deine Wangen meine Blicke schleichen,
     mein Auge naß wird, und mein Busen enger.

IX.

Die heitre Luft, die zwischen grünen Zweigen
     hinsäuselnd, meine heiße Stirne kühlet,

115
     mit leisem Wehn um meine Wangen spielet,

     vor der sich Rosen und Jasminen beugen,
und junge Veilchen sich süßduftend neigen;
     sie kann den Gram der meine Brust zerwühlet,
     die Qualen, die mein armer Busen fühlet,

120
     die selbst im Schooße der Natur nicht schweigen.

Das alles kann ihr leises Wehn nicht lindern!
     in diesem Herzen brennt ein ewig Feuer
     das meines Lebens beste Kraft verzehret;
Elisens Kuß kann meinen Gram nur mindern,

125
     ihr Wort allein, das gleich der mächtgen Leyer

     des Mäoniden jedem Kummer wehret.

Nach Petrarcas 163stem Sonnet.

[382]
X.

Setz mich dahin, wo Nacht die Erde decket;
     wo nie der Sonne Morgenstralen blinken,
     zu stillen Freuden keine Haine winken,

130
     und keine Nachtigall den Schlummrer wecket;

In grause Wüsten, deren Blick erschrecket,
     wo keine Schatten lieblich niedersinken,
     wo keine Blümchen Thaugewölke trinken,
     und nie ein West das sanfte Veilchen necket!

135
O, nimm mir alles; nimm mir Ruhm und Ehre;

     laß mich mein Brod vor fremden Thüren suchen,
     von Gram und Schmerz und Angst umher getrieben!
Ich fürchte nicht der Sorgen schwarze Heere,
     und werde meinem Schicksal nimmer fluchen;

140
     ists doch mein Trost, Elisa, dich zu lieben.
Nach Petrarcas 113tem Sonnet.


XI.

Auch dieser Tag! er ist für mich verloren!
     die Hoffnung spielte wohl um meine Stirne,
     die Hoffnung, diese niedre, feile Dirne,
     die mich zu ihrem Puppenspiel erkoren.

[383]
145
Mich ewig täuscht, sich gegen mich verschworen,

     im Bund’ mit meinem traurigen Gestirne
     mein Herz ermattet, und mein krank Gehirne
     zum Spotte macht für schön geputzte Thoren!
Kaum stralet an des Laxbergs nackter Scheitel

150
     der erste Blick der reinen Morgensonne,

     so täuscht sie mich, ach! mit Elisens Bildniß!
Ich wähne, sie zu sehn; mein Wahn ist eitel;
     das Bild verschwindet, mit ihm meine Wonne,
     und ich, ich tappe in des Grames Wildniß.

XII.

155
Ach! meine Kraft sinkt schon hinab zum Grabe!

     wohl mir! es trüben sich schon meine Sinnen,
     und gerne eilt mein matter Geist von hinnen,
     auf daß er sich am Quell der Freuden labe.
Mein Loos war Gram; und Kummer meine Habe;

160
     ich sah des Lebens schönes Bild zerrinnen,

     ach! meine Thränen mußten ewig rinnen,
     und Schwermuth nur war meines Schicksals Gabe.

[384]

O, weine nicht, Elisa! dort am Throne
     der ew’gen Liebe sehen wir uns wieder,

165
     dort wird dein Werthing an die Brust dir sinken.

Dann! giebt Gott selbst dich mir zum schönsten Lohne;
     drum steig’ ich in das Grab frohlächelnd nieder,
     weil Lieb’ und Hoffnung dort mir herrlich winken.

F. Werthing.