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Graf Friedrich (Erk, Variante 2)

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Textdaten
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Titel: Graf Friedrich
Untertitel:
aus: Deutscher Liederhort,
S. 42–44
Herausgeber: Ludwig Erk
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Th. Chr. Fr. Enslin
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google und Wikimedia Commons
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[42]
15a. Graf Friedrich.
(Flieg. Bl. aus der Schweiz vom Jahre 1647.)
1.
Graf Friedrich wollt ausreiten

mit seinen Edelleuten,
wollt holen sein ehliche Braut,
die ihm zur Ehe ward vertraut.

2.
Als er mit seinem hellen Hauf

reit einen hohen Berg hinauf,
an einem kleinen engen Weg
kam er auf einen schmalen Steg.

3.
In dem Gedräng dem Grafen werth

schoß aus der Scheid sein langes Schwert,
verwundet ihm sein liebe Braut
mit großem Schmerz seins Herzen traut.

4.
Das Blut ihr auf die Erden schoß,

des nahm sie einen Schrecken groß;
Graf Friedrich der ward Unmuths voll,
sein liebe Braut er tröstet wohl.

5.
Aus zog er bald sein Hemmet weiß,

druckt ihrs in die Wunden mit Fleiß;
das Hemmet wurd mit Blut so roth,
als ob mans draus gewaschen hat.

6.
Er gab ihr gar sehr freundliche Wort,

kein Mann nie größer Klag erhort,
die von eim Mannesbilde kam,
als von dem Grafen lobesan.

7.
„Graf Friedrich, edler Herre,

ich bitt euch gar sehre,
sprecht ihr zu euerm Hofgesind,
daß sie nicht reiten so geschwind!

8.
„Sprecht ihr zu euern Leuten,

daß sie gemachsam reiten!
ich leid Schmerzen und große Klag
und daß ich nimmer reiten mag.“

9.
Graf Friedrich ruft seinen Herren:

‚‚‚Ihr sollt nicht reiten so sehre!
mein liebe Braut ist mir verwundt,
o reicher Gott, mach mirs gesund!‘‘‘

10.
Graf Friedrich zu seim Hof einreit,

sein Mutter ihm entgegen schreit:
„„Bis Gott willkomm, du Sohne mein,
und All die mit dir kommen sein!

11.
„„Wie ist dein liebe Braut so bleich,

als ob sie ein Kindlein hab gezeugt!
wie ist sie also inniglich,
als ob sie eins Kindleins schwanger sei!““

12.
‚‚‚Ei schweig, mein Mütterlein, stille

und thus durch meinet willen!
sie ist Kindshalben nicht ungsund,
sie ist bis auf den Tod verwundt.‘‘‘

13.
Da es nun was die rechte Zeit,

ein köstlich Wirthschaft ward bereit,
mit aller Sach versehen wohl,
wie eins Fürsten Hochzeit sein soll.

14.
Man setzt die Braut zu Tische,

man gab ihr Wildbrät und Fische
und schenkt ihr ein den besten Wein:
die Braut die mocht nicht fröhlich sein.

15.
Sie mocht weder trinken noch essen,

ihrs Unmuths konnt sie nicht vergessen;
sie sprach: „Ich wollt es wär die Zeit,
daß mir das Bettlein würd bereit.“

16.
Das hört die übel Schwieger,

sie redt gar bald hinwider:
„„Hab ich das mein Tag nie gehört,
daß ein Jungfrau zu Bett begehrt!““

[43]
17.
‚‚‚Ei schweig, mein Mütterlein, stille,

hab daran kein Unwillen!
sie redt es nicht aus falschem Grund,
sie ist todtkrank zu dieser Stund.‘‘‘

18.
Man leuchtet der Braut zu Bette,

vor Unmuth sie nichts redte,
mit brennenden Kerzen und Fackeln gut,
sie war traurig und ungemuth.

19.
Man leuchtet der Gräfin schlafen

mit Rittern und mit Grafen,
mit Rittern und mit Reutern,
mit lauter Edelleuten.

20.
„Graf Friedrich, edler Herre,

so bitt ich euch so sehre,
ihr wollt thun nach dem Willen mein,
laßt mich die Nacht ein Jungfrau sein!

21.
„Nur diese Nacht alleine,

die andern fürbaß keine;
wo mir Gotts Will das Leben gan,
bin ich fürbaß euch unterthan.“

22.
‚‚‚O allerliebste Gmahle mein!

der Bitt sollt du gewähret sein;
mein Schatz, mein Trost, mein schönes Lieb!
ob deinem Schmerzen ich mich betrüb.

23.
‚‚‚Du auserwählte Kaiserin!

nun muß Gott ewig klaget sein;
solltest du durch mich leiden Pein,
des muß ich ewig trostlos sein.

24.
‚‚‚Du herzigs Lieb, mein höchster Hort,

ich bitt dich, hör mich nur ein Wort!
hab ich dich tödtlich wund erkennt,
verzeih mir das vor deinem End!‘‘‘

25.
„Ach allerliebster Gmahl und Herr,

bekümmert euch doch nicht so sehr!
es sei euch Alles verziehen schon,
nichts Arges habt ihr mir gethon.“

26.
Sie kehrt sich gegen der Wände

und nahm ein seligs Ende;
in Gott endt sie ihr Leben fein
und bleib ein Jungfrau keusch und rein.

27.
Zu Morgens wollt sie haben

ihr Vater reichlich begaben,
da ward sie schon verschieden
in Gottes Namen und Frieden.

28.
Ihr Vater fragt all Umstände,

wie sie gnommen hätt ein Ende?
Graf Friedrich sprach: ‚‚‚Ich armer Mann
bin, Gott seis klagt! selbst schuldig dran.‘‘‘

29.
Der Braut Vater sprach in Unmuth:

„Hast du verrērt ihr junges Blut,
so mußtu auch darum aufgeben
durch meine Hand dein junges Leben!“

30.
In dem so zog er aus sein Schwert,

erstach den edlen Grafen werth
mit großem Schmerzen durch sein Leib,
daß er todt auf der Erden bleib.

31.
Man band ihn an ein hohes Roß,

man schleift ihn durch das tiefe Moos,
darin man seinen Leib begrub;
kürzlich zu blühen er anhub.

32.
Es stund bis an den dritten Tag,

da wuchsen drei Lilgen auf seinem Grab,
darauf da stund geschrieben:
er wär bei Gott geblieben.

[44]
33.
Ein Stimm vom Himmel gieng herab:

man sollt ihn nehmen aus dem Grab;
der schuldig wär an seinem Tod,
der muß drum leiden ewig Noth.

34.
Man grub ihn wieder aus dem Moos,

man führt ihn auf sein festes Schloß,
zu seiner Braut man ihn begrub,
fein lieblich Farbe sich erhub.

35.
Er war am dritten Tag schon todt,

noch blüht er als ein Rosen roth
unter seinem Angesicht fürwahr;
sein ganzer Leib war weiß und klar.

36.
Ein groß Wunder auch da geschah,

das mancher Mensch glaubhaftig sah:
sein Lieb er mit Armen umfieng,
ein Red aus seinem Munde gieng.

37.
Und sprach: ‚‚‚Gott sei gebenedeit,

der geb uns heut die ewig Freud!
seit ich bei meinem Buhlen bin,
fahr ich aus dieser Welt dahin.

38.
‚‚‚Mit leichtem und geringem Muth

laß ich hinter mir mein unschuldig Blut;
ich fahr aus dieser Welt dahin,
aus Noth ich nun erlöset bin.‘‘‘


(L. Uhland’s „Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder. I. Bd. Stuttgart und Tübingen. 1844.“ S. 277. und L. v. Seckendorf’s „Musenalmanach für das Jahr 1808. Regensburg.“ S. 19.)

2. reit, ritt. – 5. Hemmet, mhd. hemede, Hemde. – 10. schreit, schritt. bis, sei. – 21. gan, gönnt; mhd. gan, von gunnen, gönnen. fürbaß, mhd. fürbaz, fürder, hinfort (baz, besser, Comp. von wol). – 26. gegen, vgl. S. 5. Wände (mhd. wende), Dativ von want, Wand. bleib, blieb. – 27. begaben, beschenken. – 29. verrert, vom mhd. verrêren, versprengen, vergießen.