Grâd bâven över
1565, da die Schiffe aus der Westersee durch den Krieg verhindert wurden, sicher durch die Ostsee zu segeln, haben sie einen neuen Weg in die Muskau gemacht durch das gefrorne Meer; da sie denn vor ganz Norwegen, Finmarken, Schrickfinland, Finlappland und Biarmien übergefahren, und am S. Niklashafen vorbei nach Archangel gesegelt sind.
So war ein junger Gesell aus Lübeck an Bord eines dahin fahrenden Schiffes, deß Mutter wohnte oben in der Engelsgrube im Gottskeller. Wie die nun eines Abends an der Thür sitzt und zu ihrer Nachbarin sagt: [359] ach Gott! wo mag wohl mein Sohn wesen? – fällt ihr plötzlich ein aufgeklapptes Taschenmesser vor die Füße, fast tief in den Boden. Darob erschrickt sie anfänglich; endlich aber gedenkt sie dessen nicht weiter. Wie nun der Sohn nach einiger Zeit glücklich gen Lübeck kommt, und zu essen begehrt, sieht er das Taschenmesser an, und fragt: woher das komme? Da erzählt ihm die Mutter, was sie weiß. Er aber spricht: „das ist sonderbar; ich habe dann und dann und da und da auf der Reise beim Brotschneiden mein Messer fallen lassen, und muß, weil ich so hoch nach Norden gefahren, grad’ oben über Euch gewesen sein, und an Euch gedacht haben, da es fiel; denn dieses ist mein Taschenmesser.“
Davon ist das Wort „grâd bâven över“ hergekommen.
Bemerkungen
[398] (Mündl.)