Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band/9. Die großen Jahrzehnte/2. Territorium
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Die klassische Zeit Basels, die uns beschäftigt, zeigt die Anspannung der Kräfte auf beinah allen Gebieten. Sie leitet große Gedanken auch auf territoriale Unternehmungen.
In die paar Jahre des ausgehenden zweiten Dezenniums sind sie fast alle zusammengedrängt, in die Jahre, in denen Jacob Meyer zum Hasen und seine Genossen als Ratsgewaltige die Stadt führen. Bezeichnenderweise aber auch die Jahre nach 1515, nach dem Zusammenbruche der großen eidgenössischen Politik. Basel, noch mehr als sonst auf sich selbst angewiesen, wendet sein entwickeltes Herrschaftsgefühl auf die Sorge für das Territorium. Starke Intentionen sind dabei am Werke. Aber es fehlt volle Freiheit des Handelns, von allen Seiten kommen Hemmungen.
Die Bedeutung jeder territorialen Erweiterung für die Finanzen der Republik und namentlich für ihre Wehrkraft lag auf der Hand. Dazu kamen die wirtschaftlichen Werte, die jedem Gebiet eigen waren, sowie das Interesse einer möglichst ungebrochenen Verfügung über Verkehrsbahnen. Dies Alles erschien dann noch zusammengefaßt in den allgemeinen Forderungen der geographischen Konfiguration sowie der Beziehung zur Lage der Stadt und ihres schon vorhandenen Gebietes.
Außerdem aber kommt in Betracht, was diese Periode überhaupt für die Ausbildung des Herrschens bedeutete. Derselbe Geist, der in strafferer Gestaltung der öffentlichen Gewalt und festerer Ordnung der Administration tätig war, trieb auch zur Erweiterung des Staatsgebietes, zu Ausbau der Landeshoheit und Beseitigung bisheriger Autonomien.
Ein chronologisches Aufreihen zeigt uns die zeitliche Stellung und Umgrenzung dieser Tätigkeit:
1500 Wildenstein, 1500/03 Röteln, 1505 Schauenburg, 1510 Landgrafschaft im Sisgau, 1512 Neuchâtel, 1512 Enetbirgische Ämter, 1513/22 [43] Bettingen, 1515 Münchenstein, 1515/26 Pratteln, 1515 Strübinsche Rechte in Ziefen usw., 1516 Ötlingen, 1516 Michelfelden, 1516/21 Hüningen, 1517 Frenkendorf, 1518 Bottmingen, 1518 Sierenz, 1518/21 Röteln, 1518/23 Ramstein, 1518/24 Landser, 1518/25 Lisle, 1519/22 Pfäffingen, 1519/26 Benken, 1520/21 Biedertal und Liebenzweiler, 1520 Hertensteinische Gefälle in Diegten usw., 1521 Eptingische Waldung in Muttenz, 1522 Riehen, 1522 Klybeck.
Die Darstellung wird sich dagegen an die Komplexe halten müssen (eidgenössische Herrschaften, rechtsrheinisches Gebiet, Sisgau, Birstal, Sundgau, Burgund), denen diese territoriale Politik gilt.
Bei der Erwerbung der eidgenössischen Herrschaften handelte Basel im Gesamten des eidgenössischen Lebens. Als Eigenart dieser Herrschaften erweist sich überdies, daß sie zum größern Teil Eroberungen waren, daß sie keinen Zusammenhang mit dem baslerischen Stammlande hatten, daß Basel sie gemeinsam mit andern Orten besaß.
Im Juli 1512, während das eidgenössische Heer die Franzosen aus Oberitalien trieb, nahmen die vier Orte Bern Solothurn Freiburg Luzern die Grafschaft Neuenburg am See ein. Sie stand dem Prinzen Ludwig von Longueville zu, der sie durch seine Verheiratung mit Johanna von Hachberg erworben hatte, und war den Städten Bern und Solothurn „mit Burgrecht verwandt“. Die Einnahme geschah, „weil die Grafschaft an der Grenze der wälschen Lande gelegen sei, und um zu verhindern, daß daselbst fremdes, der Eidgenossenschaft feindliches Volk einsitze“. Den vier genannten Orten gegenüber verlangten die übrigen Orte Teilnahme am Besitz; auch Basel trat hiefür ein, indem es geltend machte, die vier Orte hätten die Grafschaft „in dieser Feindschaft eingenommen, in welcher wir Alle sind und für welche wir Alle arbeiten und leiden“. Im Jahre 1514 wurde demgemäß die Grafschaft zu Händen und Gewalt gemeiner Eidgenossen, mit Ausnahme Appenzells, gestellt.
Von diesem Jahre 1514 an datieren somit auch die Rechte Basels an Neuenburg. Jährlich sandte es jetzt seinen Vertreter (Hans Gallizian, Hans Oberriet usw.) zu der Sitzung daselbst, in der die Rechnungen der Beamten abgenommen wurden. Es hatte seinen Teil an den Einnahmen. Im Juli 1515, als zum Schutze gegen Frankreich Neuenburg und Yverdon mit eidgenössischen Truppen besetzt wurden, hatte auch Basel Mannschaft dort.
[44] Die enetbirgische Landschaft und Herrschaft hatte für Basel ihr bestimmtes, über die Forderungen des Verkehrslebens hinausgehendes politisches Interesse seit dem Bellenzer Zuge 1503, der Bellinzona in die Gewalt der Drei Länder gebracht hatte. Während des Pavier Zuges 1512 sodann waren Lugano Locarno Balerna Mendrisio Eschental und Domo d’Ossola für gemeine Eidgenossenschaft erobert worden.
Der Anteil Basels an dieser Herrschaft äußerte sich auf mancherlei Weise.
Zunächst kriegerisch bei der Belagerung des Schlosses Lugano, das im Sommer 1512, während das Land ringsum durch die Eidgenossen eingenommen wurde, von den Franzosen besetzt blieb; Basel hatte im Belagerungskorps erst vierzig Knechte stehen, dann fünfzig, unter der Führung des Lienhard Bienz, später des Michel Nägelin. Zu Beginn des Jahres 1513 übergaben die Franzosen das Schloß. Ob Basel auch bei der Belagerung des Schlosses Locarno mitmachte, ist nicht ersichtlich; das Schloß fiel gleichzeitig mit dem Schlosse Lugano. Von da an lagen dauernd eidgenössische Garnisonen in den beiden Schlössern.
Neben den Schlössern handelte es sich um die Gebiete. Wie bei Wälsch-Neuenburg nahm Basel auch hier an der Administration und Nutzung eines fernen Territoriums Teil. Es hatte seine Vertreter bei den Jahrrechnungskonferenzen; es zog seine jährlichen Einnahmen aus Zöllen Bußgeldern Steuern usw.
Domo erhielt im Jahre 1512 gleichfalls eine Besatzung, bei der Basler standen, bis es 1515 wieder an die Franzosen kam.
Die Vereinigung Kleinbasels mit der großen Stadt 1392 war Expansion baselischer Macht auf das rechte Rheinufer gewesen. Jenseits der Kleinbasler Banngrenze lagen Territorien des Bischofs von Basel und des Markgrafen.
Von den vielen Berührungen und Kämpfen mit dieser Nachbarschaft ist schon die Rede gewesen, auch von der Abrede über umfassende Regelung aller Verhältnisse durch Basel und Markgraf Philipp 1488. Dieser Vertrag schuf Normen, die Dauer hatten. Die offiziellen Bezeugungen freundlicher Gesinnung beiderseits dominieren jetzt in den Akten; sie geben die Vorstellung eines Verkehres, bei dem die Lande gedeihen und es auch den Herren wohl ist. Die gute Aufnahme, die der Rötler Landvogt — Michel von Neuenfels, Rudolf von Blumenegg — stets in Basel findet, vergilt er gelegentlich durch Wildpretspenden zu den Mahlzeiten des Basler Rates.
[45] Am 16. Januar 1503 hatte Markgraf Philipp seinen letzten Vertrag mit Basel geschlossen, am 9. September desselben Jahres starb er. Für den Oberrhein war er zeitlebens ein fremder Herr gewesen, völlig im wälschen Wesen aufgehend; als Graf von Neuchâtel sowie durch seine Beziehungen zum französischen Hofe und seine Ämter eines Marschalls von Burgund und eines Gouverneurs der Provence ganz anders interessiert als durch seine Herrschaften Röteln Sausenberg Badenweiler und Schopfheim. Daher auch seine Verträge mit Basel ihn kaum berührten und wesentlich das Werk seiner unmittelbar beteiligten Beamten waren.
Der Tod Philipps gab nun Bahn für ein neues Leben der Lande. Zunächst aber für Verwirrung und Streit.
Wir erinnern an den Erbvertrag, den Philipp im Jahre 1490 mit seinem Vetter Markgraf Christoph von Baden-Pforzheim geschlossen hatte; diesem Vertrage zufolge sollten, falls Philipp ohne männliche Erben sterbe, die oberrheinischen Herrschaften an Christoph fallen.
Wie die beiden Markgrafen, diesen Erbvertrag und den möglichen Tod des Einen oder des Andern vor Augen, sich benehmen, wie Interessen des Reiches Österreichs Frankreichs hinein wirken, wie die Amtleute und Untertanen sich regen, ist ein merkwürdiges Schauspiel. Philipp scheint schließlich gewillt zu sein, den Erbvertrag überhaupt zu künden und die Breisgauer Herrschaften in wälsche Hand zu bringen. Natürlich gegen die Meinung dieser Herrschaften selbst.
Wie weit aber solche Verhältnisse führen und wie sehr die Zustände entarten konnten, zeigen die um die Jahreswende 1500/1501 in Basel stattfindenden Konferenzen zwischen dem Rötler Vogt und einigen Basler Ratsherren. Sie galten dem Abschluß eines Schutzbündnisses zwischen Basel und der Rötler Landschaft. Alles geschah in höchstem Geheimnis; Akten sind nicht vorhanden, nur einige kurze Notizen im Ratsbuche. Jedenfalls blieb die Sache dem Markgrafen Philipp verborgen, gegen dessen Absichten ja ein solches Bündnis sich richtete. Um so eher ist anzunehmen, daß Christoph darum wußte. Sowohl der Rötler Rudolf von Blumenegg als in Basel Peter Offenburg waren ihm ergeben, und ein Eintreten Basels gegen die Entfremdung der Herrschaften lag durchaus im Interesse Christophs.
Aber es kam nicht zum Abschlusse des Bundes. Sondern Philipp starb, und nun handelte es sich in Ausführung des Erbvertrages um den Übergang der Lande an den badischen Markgrafen. Diesem gegenüber machten Witwe und Tochter Philipps Rechte geltend, und da die Tochter [46] Johanna als Erbin von Neuchâtel mit Bern Luzern Freiburg Solothurn im Burgrechte stand, waren auch diese vier Orte interessiert.
Uns beschäftigt die Haltung Basels.
Auf der einen Seite hatte es die ihm durch Eidgenossenschaft verbundenen, mit der Erbin Philipps verburgrechteten Orte, die den Absichten Christophs entgegentraten. Überm Rheine sah es die Landschaften in den Besitz Christophs übergehen und ihm huldigen; es sah die Verhandlungen in den österreichischen Räten und am Kaiserhofe; überall aber auch die Furcht vor einem Einfalle der Eidgenossen in den Breisgau. Das Jahr 1499 war nirgends vergessen. Auch nicht in Basel selbst die damals geübte Politik. Der Rat erwog, wie viel die Rötler Lande für Basels Wirtschaft und Leben bedeuteten und daß in einem Kriege diese Vorteile untergehen würden, und er erwog auch die Macht Christophs und seines großen Anhanges. Wirksam überdies waren persönliche Gesinnungen Einzelner, namentlich des Bürgermeisters Offenburg, des Substituten Marquard Müller und anderer markgräfischer Vertrauensmänner im Rathause.
Während nun überall am Oberrheine von einem Heerzuge der Eidgenossen geredet wurde, und Markgraf Christoph sich zur Verteidigung rüstete, übte der Basler Rat seine diplomatische und mediatorische Kunst. Er erklärte, keinen Durchzug durch sein Gebiet dulden zu wollen; er arbeitete an der Tagsatzung, schickte Gesandte nach Solothurn, hatte Helfer in Bern usw. Die Gefahr eines Krieges verging in der Tat. An einer großen Versammlung in Basel zu Beginne Dezembers 1503 wurde nach ausführlichem Verhandeln aller Begehren und Meinungen kein Entscheid getroffen, sondern Verschiebung auf eine spätere Konferenz beschlossen. Eine solche aber fand nie statt; die eidgenössischen Orte zogen vor, sich der Sache ihrer fürstlichen Bürgerin nicht mehr anzunehmen, und diese selbst verhinderte durch ungeschickte Forderungen weiteres Verhandeln. Die streitigen Lande blieben im Besitze Christophs.
Die Frage drängt sich auf, ob Basel nicht im Jahre 1500 aus der Lage und Stimmung der von Philipp vernachlässigten Lande, im Jahre 1503 aus dem Streite Christophs mit Johanna einen Nutzen hätte ziehen können durch Erwerbung der Lande selbst oder doch eines Rechtes an ihnen. Aber seine Gedanken beschäftigten sich mehr mit der Möglichkeit der Schäden eines Krieges, als mit der Möglichkeit eigenen Handelns und Gewinnens; auch erschien der Absicht Österreichs gegenüber, die streitigen Lande zu Handen zu nehmen, das Interesse Christophs mit demjenigen Basels zusammenzugehen und eine Unterstützung Christophs daher geboten. [47] Sorgfalt und Bedächtigkeit bestimmten die Staatskunst der führenden Gruppe Offenburg-Rüsch-Kilchman.
Nach wenig mehr als einem Jahrzehnt werden wir eine kühnere Periode den Gedanken der Erwerbung Rötelns aufgreifen sehen.
Zuvor tat Basel noch einen Schritt auf dem rechten Ufer durch den Kauf der Herrschaft Bettingen.
Mit diesem Dörfchen war die Stadt schon einmal beschäftigt gewesen. Sie hatte 1385 das Kleinbasler Schultheißentum erworben und dann geltend gemacht, daß zu dem Amt auch die Bettinger Hoheitsrechte gehörten.
Inhaber dieser Rechte war der Edelknecht Arnold von Bärenfels; er trug sie zu Lehen vom Bistum Basel. Derselbe Arnold war aber auch, bis zum Übergange des Kleinbasler Schultheißentums an die mehrere Stadt, Pfandinhaber dieses Amtes gewesen. Von ihm begehrte nun der Rat die Abtretung der Bettinger Rechte, als ob er sie kraft Schultheißentums, nicht kraft bischöflicher Belehnung besessen hätte.
Dem Begehren folgte sofort das Nehmen. Der Rat zog das Dorf an sich; er ließ die Bettinger, im ganzen dreiundzwanzig Männer, huldigen; er ließ auch die Rechte schriftlich beurkunden, die im Bettinger Dinghofe galten. Daß dann 1391 Arnold von Bärenfels die Abtretung der Hoheitsrechte ausdrücklich versprach für den Fall des Nachweises ihrer Zugehörigkeit zum Kleinbasler Schultheißentum, war formelle Anerkennung des Tatbestandes.
Aber diese Beherrschung durch Basel nahm bald wieder ein Ende. Infolge der Wandelungen im Schoße des Rates. Arnold von Bärenfels war 1384 als Feind der Stadt auf zehn Jahre verbannt gewesen, und der Rat hatte sich damals seines Bettingen bemächtigen können; 1395 aber war er Bürgermeister und hatte die Macht, jene Gewalttat wieder aufzuheben. Die Pertinenz der Bettinger Rechte zum Kleinbasler Schultheißentum war gar nicht zu erweisen.
Von da an war Bettingen wieder wie vordem beherrscht durch die Bärenfelse als bischöfliche Lehnsmannen. Bis das Lehen aus ihrer Familie weiterging an die verwandte Familie der Truchsesse von Wolhusen; am 13. September 1472 nahm Bischof Johann die Bettinger Herrschaft von den Herren von Bärenfels auf deren Bitte zurück und lieh sie dem Arnold Truchseß, Sohn des Heinrich und der Judith gebornen von Bärenfels, einer Enkelin jenes Arnold von 1391. Von den Truchsessen ging dann Bettingen an Basel über.
[48] Am 2. März 1613 verkauften die Brüder Christoph und Hans Truchseß von Wolhusen an die Stadt Basel um achthundert Gulden das Dorf Bettingen samt allen Rechten und Zugehörden.
Mit diesem Übergang in städtische Gewalt beginnt für das Dorf die Zeit ruhiger Entwicklung und einheitlichen Rechtszustandes. Es beginnt auch die Zeit zusammenhängender Bezeugung.
Vielleicht ist schon unter dem Bodinchova einer St. Galler Urkunde von 751 unser Bettingen zu verstehen. Dann aber wird Alles stille. Jahrhundertelang, während der alte Hof des Betting zum Dorfe Bettingen wird, ist keine einzige Erwähnung dieses Bergdorfes zu vernehmen. Zwischen seinen großen eichenreichen Waldungen lebt es abseits von allem Geschehen der Basler Rheinebene. Sein Dasein ist nicht dem Wiesental und der Stadt Basel, sondern den oberhalb gelegenen Rheingebieten zugewendet. Schon die alten Kommunikationswege des Dorfes zeigen seine Orientierung gegen Grenzach und die Chrischonahöhe. In Grenzach und in Wyhlen haben die Bettinger seit Alters Grundbesitz; an die Grenzacher Kirche zehntet die Dorfflur; wie das Christentum zuerst von Augst her in dies Tal eingedrungen sein mag, so gilt in Bettingen noch zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts das Rheinfelder Maß und ist zur gleichen Zeit die Rede von alter Zugehörigkeit zur Herrschaft des Steines Rheinfelden. Wann und auf welchen Wegen Bettingen von dieser Herrschaft an das Basler Bistum und die Bärenfelse gelangt ist, wissen wir nicht. Daß aber Basel in die Beherrschung eintrat, konnte als Notwendigkeit gelten, sobald Basels Machtgefühl nach Erweiterung des Feldes verlangte. Das war in den 1380er Jahren der Fall gewesen und war jetzt wieder der Fall in den 1510er Jahren.
Der Zahlung des Kaufpreises an die Truchsesse 1513 folgten sofort andre Ausgaben, aber auch neue Einnahmen. Jetzt erhielt der Bettinger Vogt sein schwarz und weißes Amtskleid. Auch die kriegerische Zeit griff in die Ruhe des Bergdorfes; im Musterrodel vom April 1513 stehen Michel Schumacher und Conrad Vischer als die ersten Bettinger, die diese Heerzüge mitmachten; sie kämpften bei Novara.
Da die Truchsesse das Dorf als Lehen vom Bischof besessen hatten, war der Consens dieses Herrn zum Verkauf an Basel erforderlich, aber Bischof Christoph verweigerte ihn. Da beschloß der Rat, sich ohne solchen Consens zu behelfen. Er habe das Dorf und die Mannschaft daselbst und die hohe Herrlichkeit als Eigentum erkauft und werde sie als solches bei Händen und Gewalt behalten und nach freiem Gefallen nützen. Erst im [49] Jahre 1522 brachte der Pfäffinger Vertrag den Consens des Lehnsherrn und die ausdrückliche Befreiung der Käufer von der Lehnspflicht.
Eine Einzelheit dieses Bettinger Territoriums war die Chrischonakapelle.
Sie ging mit dem Dorf an Basel über; die Käufer konnten daran denken, daß schon ihre Väter und Urväter auf diesem Berg angebetet hatten.
In die Zeit der Christianisierung des Landes weist dieses Heiligtum. Es war ein Dasein auf einsamer Höhe, älter als das alte Dorf am Fuße des Berges; Einsiedelei und Andachtsort in der Wildnis, durch den Kultus der Chrischona (Christiana) mit eigenem Leben begabt. Auf dem Wege der Wallfahrt zu diesem heiligen Orte, der auch den Reiz eines Aussichtsortes hatte, betreffen wir vornehme Konzilsherren, und ein halbes Jahrhundert später bringt ihm Kardinal Raimund durch Elevation der Chrischonagebeine neuen Ruhm. Zur gleichen Zeit, da Sebastian Brant in seinem Hymnus zu Ehren dieser Heiligen das anmutige Bild der mit Crocus Narden Hyacinthen und Lilien gezierten Himmelswiese gibt, auf der Chrischona mit ihren Gefährtinnen spielt.
Natürlich blieb es nicht bei Einsiedlerklause und Reliquienschrein. Eine Kapelle entstand, ein Altar wurde geweiht, eine Pfründe gestiftet mit Präsentationsrecht des Markgrafen, ein Kirchengut geschaffen. Diese Chrischonakapelle war Filiale der Kirche Grenzach; dem Dorfe Bettingen diente sie als Gemeindekirche, ihr Friedhof als Ort der Begräbnisse. Neben dem das Heiligtum behütenden „Bruder“ war ein Kaplan bepfründet, der den Dienst am Marienaltar versah und die Seelsorge übte.
Der Übergang Bettingens an Basel im Jahre 1513 bringt Änderungen auch in das Chrischonadasein. Der Rat will keine kirchenherrlichen Rechte des Markgrafen mehr da oben dulden. Was in den Opferstock fällt, nimmt er in seine Kasse; er wählt den Bruder; für Bau Glasgemälde Paramente macht er große Aufwendungen.
Über Jahre hin ziehen sich dann die Verhandlungen mit dem Markgrafen, der Rechte geltend macht; aber zur Ausübung solcher Rechte durch ihn kommt es nicht mehr.
Als territoriale Maßregel kann auch gelten, daß der Rat 1516 sich vom Kloster Klingental ein Vorkaufsrecht auf dem Schloß Ötlingen mit Zwing und Bann und allen Gerechtigkeiten einräumen ließ.
Dann aber fesseln uns Vorgänge, bei denen es sich um Erwerb der Herrschaft Röteln durch Basel handelte.
[50] Herr von Röteln war jetzt, seit der Teilung der badischen Lande unter die Söhne Christophs, der 1482 geborene, mit Elisabeth, Tochter des Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Ansbach, vermählte Markgraf Ernst. Wohl seinem ersten Besuche bei den Basler Nachbarn galt das ungewöhnlich prunkvolle Bankett im Rathause, bei dem Basel den Fürsten bewirtete, im Februar 1517.
Im Jahre darauf begann für Basel die Beschäftigung mit derselben Herrschaft Röteln, die ihm schon einmal zu tun gegeben hatte. Röteln und Schopfheim waren Lehen des Markgrafen vom Haus Österreich. Aber in der durch Max am 13. August 1499 ausgesprochenen Bestätigung des badischen Erbvertrages wurden über jene beiden Stücke hinausgehend die gesamten rötelischen und badenweilerischen Lande als Lehen Österreichs bezeichnet, unter Mißachtung der Einsprachen des Markgrafen. Im Jahre 1514 führten diese Prätensionen zu Streitigkeiten der markgräfischen Regierung mit dem Ensisheimer Regimente; sie waren auch von Interesse für Basel, das im Herbste 1514 die Tagsatzung von der Sache informierte. Der Rat behielt Alles im Auge, was drüben vorging.
Da kam im Mai 1518 das aufregende Gerücht nach Basel, daß Österreich im Begriffe sei, die Markgrafschaft Röteln einigen „schlechten“ Edelleuten zu lösen zu geben, auf Grund des im Jahre 1499 gemachten Vorbehaltes der Lösbarkeit; die damals festgesetzte Lösungssumme betrage sechstausend Gulden. Es war die Zeit der wichtigen Entscheide über Liquidation der Tiersteiner Erbschaft; dieselbe erlesene Spezialkommission, der jene Pfäffinger Sache zugewiesen war, erhielt jetzt auch Vollmachten für Röteln. Sie sollte kein Geld sparen; was sie tun werde, wollte der Rat gut heißen. Alles geschah im engen Kreis, als Geheimsache. Auch Schiner wurde interessiert und versprach, seinen guten Unterhändler, den Kirchherrn Anselm Graf, deswegen an den kaiserlichen Hof zu schicken. Graf erhielt hiefür vom Rate die Instruktion, bei der Majestät dahin zu wirken, daß die Herrschaft statt an jene Edelleute an Basel gelange; die Stadt wolle über die sechstausend Gulden hinaus noch eine weitere Summe zahlen und dabei bis achttausend, ja bis zwölftausend gehen. Denn die Herrschaft sei Basel „fast wol und überaus wol gelegen“; auch haben Burger und Einwohner große Kapitalien auf ihr stehen.
Mittlerweile kamen dem Rate noch andre Kunden zu. Lienhard Billing traf in Niederbaden, wohin er zur Kur gereist war, den Rudolf Huseneck von Straßburg, ehemals Bürger Basels, „der da wol gehalten ist von den Edeln“. Dieser hatte durch den Landvogt von Hachberg allerhand [51] über die Sache vernommen, namentlich über die Haltung des Markgrafen; auch konnte er die Herren nennen, die sich um die Lösung bewerben: Ulrich von Habsberg, Simon von Pfirt und Hans von Schönau.
Außerdem griff nun aber auch noch die Johanna von Longueville ein. Jene uns schon bekannte Johanna, Erbtochter des letzten Rötler Markgrafen Philipp und Gräfin von Neuchâtel, seit 1504 Gemahlin des Grafen Ludwig von Longueville. Ihr war durch die Eidgenossen die Grafschaft Neuchâtel genommen worden, und sie belagerte seitdem die Tagsatzung mit dem Verlangen der Rückgabe. Jetzt, da es wieder um Röteln ging, machte sie sich an Basel heran. Sie wollte ihm in dieser Sache gefällig sein und ihre eignen Ansprüche auf Röteln um vierzigtausend Sonnenkronen an Basel abtreten, wenn diese Stadt ihr zur Wiedererlangung von Neuchâtel helfe. Die Verhandlungen geschahen in größtem Geheimnis; in Basel selbst war Johannas Vertreter der Abt Claudius von St. Alban; zur weitern Besprechung sollten die Gesandten des Rates nach Châteaudun oder Lyon zu Johanna kommen. Bis tief in den Herbst 1519 dauerte der Handel; die Gräfin wollte entweder selbst die Markgrafschaft erobern oder den Baslern bei der Eroberung helfen; sie sprach auch davon, Basler Bürgerin zu werden.
Dann versagen die Akten. Sie geben keine Spur davon, inwieweit Markgraf Ernst Kenntnis von Basels Plänen erhalten habe.
Im Sommer 1521 begegnet uns diese Rötler Sache nochmals, wieder in einer neuen Umgebung. Hans Gallizian, der zur Besiegelung des französischen Allianzvertrages nach Dijon ging, hatte den Auftrag vom Rate, bei König Franz auch wegen Rötelns zu reden. Es handelte sich um Erwerbung der Ansprüche der Johanna; für diese sollte Gallizian zwölftausend Gulden bieten und, wenn es sein müsse, ein letztes Gebot von zwanzigtausend Gulden tun.
Vom Gang auch dieser Verhandlungen erfahren wir nichts; sie blieben ohne Erfolg. Das ganze große Projekt kam über die Vorbereitungen nicht hinaus. Aber auch hier wieder stoßen wir zu guter Letzt auf Solothurn, die konstante Gegnerin der Territorialpolitik Basels. Als im Juni 1521 die Basler Hans Gallizian und Ulrich Falkner auf einem Ritte nach Bern in Solothurn rasteten, eröffneten ihnen die Schultheißen, daß auch ihre Stadt wegen der Herrschaft Röteln gehandelt habe. Und da doch „Niemand sei, der einander besser zu statten kommen möge, als wir zwo stett“, so sollten die Basler ihnen Auskunft geben, „damit, wenn wir handeln, auch sie handeln könnten“. Die beiden Gesandten erwiderten, zu solchen Mitteilungen keinen Befehl zu haben.
[52] Riehen war seit dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts ein Nachbar Basels. Ausgezeichnet durch seine Lage da, wo das tiefe Schwarzwaldtal in die Ebene und gegen Basel ausmündet und über mehrere Staffeln zum Rheine niedersteigt. All das eigentümliche Leben eines solchen Ausganges von der Bergwelt ins offene Land erfüllte den Ort und die Herrschaft. Durch das Gebiet zog sich die große Rheintalstraße; und auch sonst war keine Abgeschlossenheit. Die Waldung trat zurück; als wäre es schon ein Ort der weiten Ebene selbst, ruhte das Dorf, allen Strömungen offen, vom wechselnden Laufe der Wiese bespült und von Bächen durchzogen, breit gelagert am Fuße der südlich hellen, mächtigen Rebenwand.
Das Wesentliche in der Existenz Riehens war, daß es sich um ein Dorf handelte, um Bauern, um Landwirtschaft Rebenkultur Fischenzen. Alles im Umkreise des bannus et districtus, der im Allgemeinen noch durch den heutigen Dorfbann festgehalten wird. Doch war der Hornfelsen im dreizehnten Jahrhundert noch innerhalb dieses Bannes gelegen. Seit dem fünfzehnten Jahrhundert gehörte in diesen Bereich auch der Bezirk des Wenkenhofs, der vorher als stark bewohntes Gebiet abgesondert und selbständig gewesen war.
Daß Nachbarschaft keineswegs Freundschaft ist und daß das Leben an der Grenze sich beiderseits um so mehr erregt, je weniger fest bestimmt diese Grenze läuft, ergibt sich auch hier aus den unaufhörlichen Streitigkeiten mit Stetten Inzlingen Weil Kleinbasel über Grenze Weidgang Wässerung Fischenz usw.
Wie die Akten dieser Händel so zeigen alle andern das Dominieren des dörflichen Wesens, der Bauerschaft. Die paar in Riehen begüterten Adelsgeschlechter — von Wasserstelz von Tegerfelden Truchseß von Rheinfelden von Bärenfels von Tegernau von Ramstein Marschalk Reich — spielen daneben kaum eine Rolle, so wenig wie die beiden Weiherhäuser und die Burg, von denen gelegentlich die Rede ist.
Mehr bedeuten einige Klöster. Nicht diejenigen Basels, die gleich dem Spital Güter und Zinsrechte in Riehen haben. Sondern als Mächte in diesem Dorfleben machen sich, eine ältere Wirksamkeit St. Gallens ablösend, die beiden Abteien St. Blasien und Wettingen geltend.
Während St. Blasien, seit Beginn des zwölften Jahrhunderts hier begütert, weniger zu reden gibt, tritt Wettingen schon bald nach seiner Gründung auch hier auf. Mit der Energie des den alten Benediktinern an wirtschaftlicher Fähigkeit und Kraft überlegenen, betriebsamen Zisterzienserordens. Aus Verkäufen und Vergabungen strömt ihm schon in den 1230er [53] und 1240er Jahren ein reicher Besitz zu. Die alten Rechte St. Blasiens an der Kirche werden gleichfalls durch Wettingen absorbiert. Dieses hat auch seinen Meierhof. Der St. Blasier Dinghof und die Mühle desselben Klosters sind mit jenem Meierhofe Zentren mannigfaltigen Lebens.
In den verschiedenen Gruppen der Einwohnerschaft — Burgleute von Rheinfelden Bischofleute Markgräfische Blasiusleute Wettingerleute — dauert die Erinnerung an alte Rechtskreise noch lange weiter. Sie lassen erkennen, wer die Gewalten der ersten Zeiten waren. Die größte Bedeutung unter diesen hatte der Bischof von Basel als Dorfherr und Grundeigentümer.
Wir haben anzunehmen, daß die hoheitlichen Rechte in Riehen schon frühe dem Basler Bischof zustanden, der auch Herr der angrenzenden Herrschaften Kleinbasel und Bettingen war. Zu dieser Hoheit erwarb dann Bischof Heinrich 1270 tauschweise von Ritter Dietrich Schnewlin die Usenbergischen Güter, die Schnewlin 1267 den Wettingermönchen abgekauft hatte, also namentlich den Usenberghof mit der Jurisdiction über Frevel. Die alte Hoheit und öffentliche Gerichtsbarkeit, die dem Bischof neben dieser Grundherrschaft zustand, war zeitweise verpfändet. So vielleicht schon in den 1290er Jahren demselben Konrad Ludwigs, der damals auch den bischöflichen Hof inne hatte, und dann wieder seit Johann von Chalon oder Johann Senn dem Konrad von Bärenfels 1349, dem Werner Schaler 1382, dem Burchard Münch 1398—1409, dem Herzog von Österreich 1412—1420, dem Cunzman von Ramstein 1420. Bis der rüstige Regenerator des Bistums Johann von Fleckenstein auch dieses Pfand wieder einlöste. Von da an ist Riehen beim Bistum geblieben.
Eine Aufzeichnung des vierzehnten Jahrhunderts nennt die Rechte dieser bischöflichen Herrschaft, ihre Grenzen und Pflichten. Das Gericht ist besetzt mit Vogt und Urteilsprechern (Ratleuten), die zu wählen sind „mit des dorfes gunst und willen“; seine Sprüche werden in der bischöflichen Kanzlei protokolliert; von ihnen kann an den Bischof appelliert werden.
Durch dieses Alles ist die Menge und Intensität der Beziehungen Riehens zu Basel gegeben, ebenso die Bedeutung des Ortes selbst. Vom Versäumen einer guten Gelegenheit zum Erwerbe des Dorfes, etwa während der langen Verpfändungszeit im vierzehnten Jahrhundert, ist gleichwohl nicht zu reden. Basel besaß damals noch nicht einmal die kleine Stadt; im fünfzehnten Jahrhundert aber galt die Territorialpolitik des Rates in erster Linie dem Ergolz- und dem Birstal, wo die großen Heerstraßen sich zogen. Erst eine spätere Zeit konnte auch den Gewinn Riehens ins Auge fassen; sie ging auf dies Ziel zu durch Usurpationen.
[54] Im Jahre 1504 wurde ein Einwohner von Riehen, der auf Klage des Baslers Hans Kilchman vom dortigen Gericht inhaftiert worden, durch den Rat von Basel aus dem Dorfgefängnisse genommen und zur Aburteilung nach Basel geführt. Die Beschwerde des Bischofs blieb ohne Beachtung, so daß er zur Appellation an höhere Instanz griff. Es war ein Einbruch des Rates in die Hoheit des Herrn von Riehen; er mochte sich sagen, daß er in einer andern Nachbarschaft, in Hüningen, die ausdrückliche Zustimmung des Herrn zu solchem Verfahren besaß.
Ähnliches geschah 1508 in Weidgangsachen. Auch hier blieb dem Bischof nichts Anderes übrig als die Klage, daß seine Riehemer durch Basel „unerfordert und unverhört“ aus dem Weidgange gestoßen worden seien; „denn ir wissen, das got der allmächtig Adam onberufft onverhort us dem weydgang des paradis nit stoßen wollt, sonder in vorberuft: Adam ubi es? dannethin in rechtlich verhört und vollendet.“
Die Stadt war dem Bischof schon zu mächtig geworden, und er fühlte, daß es wie anderwärts so in Riehen mit seinem Herrschen zu Ende ging. Von einem Erwerbe Riehens durch die Stadt wurde daher unter der Hand viel geredet, bis dann beim Pfäffinger Handel diese Abtretung des Dorfes an Basel einen Ausweg aus den Schwierigkeiten des Geschäftes bot. Am 23. Juli 1522 wurde der Vertrag wegen Pfäffingens geschlossen, wobei der Bischof „in Ergötz- lichkeitsweise“ die Herrschaft Riehen um fünftausend Gulden an Basel verkaufte.
In lebendiger Bewegung steht auch hier das Ereignis der Besitzergreifung vor uns. Im Oktober 1522 wurde zu zweien Malen die Huldigung der Bauern von Riehen entgegengenommen: erst schworen die Bürger, dann die Hintersassen. Zu Basel im Schlüssel und im Kopf fanden Bankette statt, und draußen im Dorfe spendeten die Weiber den Ratsdeputierten frische Küchlein; auf die Dorfbrunnen kamen Baselfähnlein; Vogt und Weibel erhielten schwarzweißes Tuch zu ihren Röcken. Die Gemeinde aber führte sich bei ihren neuen Herren nicht nur durch die „erste Bitte“ um Freilassung eines wegen Friedbruches verhafteten Weilers ein, sondern auch durch ein ausführliches Memorial mit Wünschen wegen der Kirchweihe, der Weide, der Steuern, der reparaturbedürftigen Kirchhofmauer, der Nutzung der Wälder usw. Sie waren nun Untertanen Basels, und an den Schmähungen, mit denen ihre Markgräfler Nachbarn deswegen über sie herfielen, konnten sie die Bedeutung dieses Vorganges ermessen.
In diesem Jahre 1522 kam es auch zu einem jener Gutskäufe durch den Rat, die damals öfters vorgenommen wurden, nicht zur Erweiterung [55] des Territoriums, sondern zur Sicherung eines den städtischen Interessen gemäßen Zustandes.
Es handelte sich um das alte Gesesse Klybeck im Norden Kleinbasels. Wertvoll war die Klybeck vor Allem durch ihre Lage über der Landstraße nach Kleinhüningen, die durch das Klybecker Hoftor gesperrt werden konnte; es erinnerte dies wohl an eine frühere Grenze. Auch das hier vereinigte Wasser- und Gewerbewesen (Säge Mühle) gab dem Orte seine Wichtigkeit. Und als Weiherhaus war die Klybeck ein herrschaftlicher, ursprünglich adliger Sitz. 1402 finden wir sie im Besitze des Ritters Hans Reich, 1438 im Besitze des Friedrich Rot. Unter den spätern Eigentümern sind von Interesse Heinrich Halbisen d. J. (1476—1480); Elisabeth von Falkenstein, des Freiherrn Thomas Tochter, Fürstäbtisse von Säckingen (1491, 1492); Meister Sigmund der Steinschneider (1513 — 1522).
Dieser machte sich 1522 in Basel unmöglich; er mußte fortgehen, und nun ergriff der Rat die Gelegenheit, die Stadt an diesem wichtigen Orte zu sichern, um den in den letzten Jahrzehnten wiederholt Auswärtige gestritten hatten. Am 2. Juli 1522 kaufte er die Klybeck. Nicht um sie zu behalten. Sondern schon am 28. April 1523 verkaufte er sie wieder, an den Mediziner Berthold Barter, der dabei geloben mußte, das Haus ohne des Rates Wissen und Willen an Niemanden hinzugeben.
Seit dem Kaufe der Aemter Liestal Waldenburg Homburg 1400 hatte Basel Vereinzeltes im Sisgau an sich gebracht: 1439 die Herrschaft Füllinsdorf, 1447 und 1450 das Geleite zu Diepflingen, 1457 die Gemeinderschaft am Augster Zoll. 1461 erwarb die Stadt die Herrschaft Farnsburg, und an diese mächtige Gebietserweiterung schloß sich rasch der Kauf von Territorien im Ergolztale, das die Farnsburger Herrschaft mit den alten Gebieten verband: 1464 Zunzgen, 1465 Sissach, 1467 Itingen und Böckten. 1479 übernahm Basel als Pfand die Herrschaft Münchenstein-Muttenz, welche Pfandschaft 1489 bestätigt wurde. In der Zwischenzeit, 1487, gingen auch Eptingen und Diegten an Basel über.
So gestaltet war um die Wende des Jahrhunderts das sisgauische Gebiet. In der zentralen Finanzverwaltung der Stadt, bei ihrer Buchung von Einnahmen und Ausgaben, gab es nur die einzelnen Herrschaften; für die übrige Administration war das Territorium in die vier Vogteien Farnsburg Waldenburg Homburg Liestal zusammengefaßt.
[56] Unter keinen Umständen aber waltete ein einheitlicher Territorialbegriff. Die Vogteien galten und wirkten als geschlossene Körper, jede für sich bestehend, keine der andern gleich. Wie verschieden schon äußerlich war das Amt Liestal mit seiner städtischen Zentrale von den andern, deren Landvogteiresidenzen in die alten Grafenschlösser eingebaut waren. Die Steuerbeziehung zwischen Liestal und Waldenburg war eine andere als zwischen Liestal und Homburg; auch das Genossamerecht dieser obern Ämter war verschieden geordnet. Wir sehen keine einheitliche Masse vor uns, aber Sonderrechte und Sonderzustände. Daß eine Einheit wenigstens angestrebt wurde, zeigt die wiederholte Aufstellung eines Dreierkollegiums „über die Ämter“, als einer über die Landvögte hinweg amtenden Oberinspektion. Aber die Einheit war auch dadurch gehemmt, daß der Rechtsgrund dieses sisgauischen Territorialbesitzes eine verschiedene Gestaltung im Einzelnen hatte. An großen Gebieten besaß Basel nur ein Pfandrecht; die Mehrzahl der kleinern Herrschaften war der Stadt zu freiem Eigen übergeben, aber Münchenstein-Muttenz ging zu Lehen von Österreich. Zu diesem Allem kam, daß dieser disparaten Gesamtheit der eine Begriff der sisgauischen Landgrafschaft gegenüber stand. Sie erschien als einheitlich und umfassend zugleich; die Art und die Fülle ihrer Rechte, in denen Befugnisse des alten Grafenamtes weiterlebten, machte sie den Herrschaften übergeordnet. Freilich war dieses Landgrafschaftsrecht durchbrochen durch Rechte und Prätensionen einzelner Herrschaften; unaufhörlich entstanden hieraus Konflikte.
Wir sehen demnach Basel seine Macht in den Herrschaften Liestal Homburg Waldenburg dadurch stärken, daß es 1416 die Rechte der Landgrafschaft über diese drei Herrschaften sich durch Graf Otto von Tierstein verpfänden ließ und 1456 dieselben Rechte nochmals zu Pfand nahm von Ottos Enkel, Thomas von Falkenstein. Die Ergänzung hiezu war 1461 beim Kaufe der Herrschaft Farnsburg der Erwerb auch der Landgrafschaft.
Aber völlige Klarheit und Sicherheit war damit nicht gewonnen. Wenn Basel sich wirklicher Landeshoheit im Sisgau erfreuen wollte, so hatte es das Vorhandene von zwei Seiten her zu ergänzen: 1. durch Erwerb einzelner ihm noch fehlender Herrschaften; das geschah in dieser spätern Periode. 2. durch Erwerb aller noch bestehenden oder behaupteten Rechte Andrer an der Landgrafschaft. 1482 konnte der Rat die Tiersteiner zur Abtretung ihrer landgräflichen Rechte bewegen, aber noch fehlte der Consens des Bischofs von Basel als Lehnsherrn. Bischof Caspar verweigerte ihn; erst Christoph war der Stadt zu Willen. Nachdem diese nochmals und endgültig die Tiersteiner Grafen abgefunden hatte, gab der Bischof am[57] 28. Juni 1510 dem Bürgermeister und Rat die Landgrafschaft im Sisgau zu Lehen.
Damit schien Ordnung geschaffen. Aber sie ruhte noch immer auf unsicherm Grunde. Sowohl die Ämter Liestal Waldenburg Homburg als die Landgrafschaft waren mit Pfandsummen beladen. Sie konnten nur gleichzeitig gelöst werden; aber die Lösbarkeit selbst bestand zu Recht.
Das war Basler Herrschaft im Sisgau, an der Schwelle der großen politischen Zeit. In keinem Sinn eine ganze Herrschaft. Den völligen Ausbau dieser Territorialmacht zu unterlassen war unvereinbar mit der Art des damaligen Stadtregimentes. Gerade hier im Sisgau erschien solcher Ausbau als dringlich, aber auch als am besten ausführbar; Termine und Mittel konnten hier sozusagen einseitig frei bestimmt werden.
Die kleinen ergänzenden Erwerbungen sind rasch im Vorbeigehen zu nennen: die Sicherung eines Vorkaufsrechtes auf den Strübin'schen Rechten in Ziefen und Lupsingen 1515; der Kauf der Hertensteiner Gefälle in Diegten Eptingen Thürnen usw. 1520; der Kauf eptingischer Waldung 1521. Uns beschäftigen nur die größern Aktionen.
Als die der Grenze am nächsten gelegene wehrhafte Burg in diesen Gebieten bereitete sie dem Nachbar Solothurn eine große Versuchung. In Büren Sewen Hochwald und auf Dorneck war er schon mächtig; wie rasch war über den Holzenberg und Ziefen der Wildenstein zu erreichen. Und Eile war geboten. Die Zeitumstände drängten. Seit dem Januar 1499 war Krieg, im März hatten die Schweizer am Bruderholze gesiegt, in den ersten Tagen des Aprils waren Basler Gesandte in Solothurn, um die Neutralität Basels begreiflich zu machen. Aber man begriff sie nicht und handelte selbst. Während in der Ratsstube diskutiert wurde, tat Solothurn den Schritt in den Basler Sisgau hinein. Am 12. April 1499 nahm es den Ezechiel Bär, einen der Söhne des verstorbenen Eigentümers von Wildenstein, des Professors Johannes Bär, als Bürger an; Bär stellte das Schloß in den Schirm der Stadt Solothurn und öffnete es ihr. Sofort erhielt es eine solothurnische Besatzung, und unzweifelhaft war Solothurn entschlossen, aus dem Öffnungsrecht Eigentum zu machen.
In letzter Stunde noch, im Dezember 1499, vermochte Basel diesen Einbruch in sein Gebiet zu hindern. Was es beim Sturze der früheren Schloßherren vor Bär, der Rieher, leicht hätte tun können, fiel jetzt natürlich schwerer. Aber es war eine Notwendigkeit. Im Geheimen, durch den Ratsherrn [58] Jörg Schönkind als Mittelsmann, kaufte der Basler Rat den Wildenstein. Im Januar 1500 konnte dieser Kauf verbrieft werden; vom Käufer Schönkind erhielt der Rat einen Revers, der das Eigentum Basels am Schloß anerkannte. Es handelte sich um ein Gut, nicht um eine Herrschaft; Basel vollzog nur eine Sicherung, in der Absicht, den Luxusbesitz eines solchen vereinzelten Schlosses bei erster Gelegenheit wieder aufzugeben.
Schönkind hatte 1500 den Wildenstein auf zehn Jahre gemietet und zugleich versprochen, persönlich dort zu wohnen. Er gab somit seinen Sitz im Rat auf, bis er im Februar 1510 zum Vogl auf Münchenstein erwählt wurde. Damit nahm seine Bewohnung des Wildensteins ein Ende, und der Rat konnte sich der Burg entledigen. Am 6. Juli 1510 verkaufte er sie an Margaretha, des Hans Lantzman Witwe, und ihren Sohn Fridlin Rein genannt Oltinger; die Käufer übernahmen die Verpflichtung, den Wildenstein ohne des Rates Willen nicht zu veräußern, sondern in Bau und Ehren zu halten und der Stadt Basel allezeit zu öffnen.
In ähnlicher Weise sehen wir Basel mit dem Schlosse Schauenburg verfahren. Auch hiebei mochte, trotzdem die Burg schon halb verfallen war, die Nähe der solothurnischen Gebiete die Anregung geben. 1505 sicherte sich der Rat an diesem Schlosse das Recht des Vorkaufs.
Seit 1470 war Basel im Besitze von Münchenstein. Während der ersten neun Jahre als Verwalter an Konrad Münchs Statt, seit 1479 kraft Pfandrechtes. Mit welcher Hartnäckigkeit aber, auch Gewalttaten nicht scheuend, Solothurn diesen Besitz zu stören und Münchenstein an sich zu bringen suchte, ist geschildert worden. Basel war hiegegen geschützt durch Pfandrecht und Vorkaufsrecht. Noch gewährten diese Titel keine unerschütterliche Herrschaft; auch stand über dem Ganzen noch die Oberlehnsherrlichkeit Österreichs.
Zwischen der Birs und dem Rheine gelegen, war die Herrschaft Münchenstein-Muttenz für Basel Tor und Schwelle des Sisgaus. Ihrer Lebensfülle und erdgebornen immer neuen Kraft gegenüber sehen wir aber die traurige Gestalt des verkommenden Adelshauses Münch. Jahrhundertelang gab dieses dem Gebiete die Herren. Einst eine der Glorien Basels, hatte es jetzt keinen Anteil mehr an den Geschicken dieser seiner Heimat, war ihr bald völlig entfremdet. Dazu finanziell so geschwächt, daß die Lösung des Münchensteiner Pfandes ihm unmöglich war. Mächtig dagegen hatten diese Jahrzehnte die Herrschaft in das Wesen Basels hineinwachsen lassen. Sie genoß einer guten [59] Verwaltung unter den Vögten und nahm teil an den Erlebnissen des Gemeinwesens; auch ihre Leute waren in den großen Heerzügen mitgezogen, hatten die großen Schlachten mitgeschlagen.
So fanden sich die Interessen. Am 2. Mai 1515 überließen die Brüder Hans Thüring, Jacob und Mathias Münch, des oftgenannten Konrad Münch Enkel, ihre Herrschaft Münchenstein samt Muttenz und Wartenberg an Basel gegen Zahlung von sechshundertsechzig Gulden über den Pfandschilling; sie verpflichteten sich zugleich, den Konsens des Kaisers Maximilian als des Lehnsherrn binnen eines halben Jahres beizubringen. Um diesen Consens und die Aufhebung des Lehens zu erwirken, ritt Namens der Verkäufer Jacob Münch an den Kaiserhof; aber auch der Rat sandte seinen Vertreter, den Hans Lombard. Er gab ihm Kredit für die nötig werdenden Geldspenden; dem Doctor Reichenbach, dem Propst von Waldkirch, namentlich aber dem kaiserlichen Kammerdiener und Türhüter Hans Müge sollte die Förderung dieses Geschäftes empfohlen werden. Auch die Eidgenossenschaft wurde um ihren Beistand gebeten. Offenbar machte Österreich Schwierigkeiten. Aber zuletzt ward es Willens. Am 16. August 1517, in Augsburg, gab Kaiser Max seine Zustimmung; als Haupt des Erzhauses verzichtete er auf die Lehenschaft an der Burg Münchenstein samt der Vorburg, an den Burgen Wartenberg, an der Hard, dem Dinghofe Muttenz usw.; er freite und eignete der Stadt Basel alle diese Güter und Rechte.
So konnte die Stadt sich endlich als Herrin des Gebietes fühlen. Nicht nur das alte edle Haus der Münch war entwurzelt. Noch höhere Rechte, mächtigere Traditionen nahmen jetzt ein Ende. In Münchenstein stand hinter Österreich noch das Bild uralter pfirtischer Herrlichkeit; an die Wartenberge, an Muttenz und den Hardwald knüpfte sich das Andenken der Homberger Grafen, das Andenken des großen Bischofs Peter und des großen Königs Albrecht. Das Alles war nun vorbei, wurde Geschichte. Die Könige und die Herzoge und die Bischöfe, die Grafen und die Edelleute hatten vor den Städtern weichen müssen.
Basel konnte hieran nicht genug haben. Notwendige Ergänzung des Erwerbs von Münchenstein-Muttenz war der Erwerb von Pratteln und von Frenkendorf, um den Zusammenhang mit Liestal und den obern Ämtern zu gewinnen.
Noch in diesem Jahre des Kaufes von Münchenstein, 1515, verschaffte sich der Rat von Junker Nicolaus von Eptingen ein Vorkaufsrecht sowohl für Pratteln als für Frenkendorf. Einige Monate später sehen wir den [60] Junker als Söldner im kaiserlichen Heer in Italien gegen die Franzosen kämpfen; dann zeigt er sich zu Hause nicht mehr. Aber sein Bruder Hans Friedrich verkauft 1517 Frenkendorf an den Rat von Basel und bestätigt ihm 1518 das Pratteler Vorkaufsrecht.
Pratteln und sein Herrschaftsgebiet, das sich von den waldigen Berghöhen hinabzieht bis an die Ergolz und den Rhein, ist seiner Lage entsprechend ein früh und viel genannter Ort des Sisgaus. Wir nennen vor Allem die beständigen Konflikte dieser Herrschaft mit der Landgrafschaft. Zu beachten ist auch, wie Solothurn diesem Territorium nachstellt. Dazu die Teilungen, die Abreden, die Zänkereien innerhalb der weitverzweigten Familie der Pratteler Herren, der von Eptingen. Alles dies gibt der Geschichte der Herrschaft das Wesen endloser Unruhe; und in der Person Hans Friedrichs von Eptingen meldet sich auch hier schon der Zerfall eines seiner Stellung nicht mehr gewachsenen Herrengeschlechtes. Nur der Übergang an die nahe, unerschütterlich mächtige Stadt kann wie in andern Herrschaften so hier das Klare und Dauerhafte schaffen.
Die Einleitung hiezu war seit 1515 gegeben durch das Vorkaufsrecht Basels. Noch glaubte der geldbedürftige Hans Friedrich sich durch den Verkauf seines Muttenzer Forstes, im März 1521, helfen zu können. Aber er entrann dem größeren Opfer, der Preisgabe seiner Heimat, nicht. Am 14. Dezember 1521 verkaufte er Basel sein Schloß und drei Vierteile des Dorfes Pratteln als freies lediges Eigen, unter Vorbehalt lebenslänglicher Benützung des Schlosses und der Güter. Doch machte die unheilbare Finanznot des Junkers bald eine neue Regelung seiner Nutzungsrechte usw. geltend. Die Verhandlungen über den letzten Vierteil des Dorfes, der Lehen von Österreich war und an dem die Eptingischen Vettern vom Blochmonter Zweige Teil hatten, zogen sich noch lange hin.
Wie die alte Umgrenzung des Sisgaues gegen Westen allmählich zerfiel, ist mit Deutlichkeit wahrzunehmen. Die Landgrafschaft büßte hier ein Stück Geltungsgebiet nach dem andern ein. Das war zumeist Solothurner Arbeit. Daneben aber machte sich auch die Herrschaft Ramstein geltend.
Seit dem Aussterben der Ramsteiner Freiherren im Mannesstamme, 1459, war diese Herrschaft den Edelknechten untertan, die zu Beginn des sechszehnten Jahrhunderts ihren einzigen Vertreter in Christoph von Ramstein hatten.
Die Wichtigkeit der Herrschaft für alle irgendwie an ihr Berechtigten oder ihr Benachbarten ruhte nicht auf ihrem Umfange, der klein war, sondern auf ihrer Lage. Sie beherrschte die Höhe der Wasserscheide zwischen Frenke [61] und Birs und die hier oben sich kreuzenden Wege. Im Westen an die Herrschaft Gilgenberg, im Norden an Sewen, im Osten an das baselische Amt Waldenburg grenzend, lag sie gerade da, wo das Abbröckeln des landgräflichen Gebietes begann.
Auch in dieser Herrschaft regten sich die Gelüste, seit Alters bestehende Grenzen zu mißachten. Vor Allem mit Basel hatte Junker Christoph Streit wegen solcher Eingriffe, und dieser Streit steigerte sich aufs höchste 1517, als der Ramsteiner Vogt eigenmächtig Grenzsteine auf Basler Boden setzte. Der Rat wies seinen Nachbar zur Gebühr. Aber was halfen solche Verwahrungen? Sie richteten sich an eine Gewalt, deren Wesen und Form auch bei diesem abgelegenen Ramstein als obsolet empfunden werden mußte. Am rätlichsten schien, auch ihr ein Ende zu machen, wie jetzt mit Pratteln und Münchenstein geschehen war.
Am 12. Mai 1518 versprach Christoph, sein Schloß Ramstein mit allen Lasten und Gütern, Rechten und Zugehörden der Stadt Basel käuflich zu überlassen, sofern sie binnen Jahresfrist die Zustimmung des Bischofs als Lehnsherrn erhalte; wenn dies geschehen, sollte der Verkauf gelten, die Übergabe des Schlosses und die Zahlung der Kaufsumme stattfinden. Es war etwas Halbes. Für Basel ohne Sicherheit und für seine Feinde Anlaß zu jeder Intrigue.
Bestimmtes vernehmen wir nicht. Aber daß der Rat sich zu einem Handstreich entschloß, zeigt nicht nur den Geist, der jetzt im Basler Rathause herrschte; offenbar war wirkliche Gefahr im Verzüge. Am Neujahrstage 1519 ließ der Rat durch seinen Waldenburger Vogt Balthasar Hiltprant mit einer Schar Knechte das Schloß Ramstein einnehmen. Der Eilbote, der die Nachricht vom guten Gelingen des Überfalls nach Basel brachte, erhielt ein schönes Geschenk. Auch Hiltprant und seine Helfer wurden belohnt. In die Burg aber kam eine Basler Besatzung unter den Befehlen des Ratsherrn Hans Graf. Zum Vogte der Herrschaft wurde Hans Stehelin ernannt in dem Sinne, daß er die Verwaltung zunächst noch auf Rechnung Christophs von Ramstein führen sollte.
Unterdessen gingen die Verhandlungen über den vom Lehnsherrn zu gebenden Consens. Noch sträubte sich der Bischof. Aber wie dem Kaiser gegenüber bei Münchenstein, so war Basel auch hier im Vorteile dadurch, daß es das Schloß in Händen hatte. Der Rat fühlte und benahm sich schon als Herrn von Ramstein; er vergab die Wiederherstellungsarbeiten an den sehr verwahrlosten Schloßgebäuden, und im Herbste 1521 ließ er die Ramsteiner Bauern in Eid nehmen. Im folgenden Jahre 1522 fand [62] das Geschäft seine Vollendung dadurch, daß Bischof Christoph als Lehnsherr gegen Zahlung von tausend Gulden seine Zustimmung erklärte und sich aller seiner Rechte an Ramstein begab.
Demzufolge geschah am 8. Januar 1523 eine nochmalige Verbriefung des Kaufes, wobei Christoph von Ramstein die Herrschaft als freies lediges Eigen an Basel dahingab. Jetzt endlich konnte auch der Kaufpreis an ihn ausbezahlt werden; seiner weniger geduldigen Gemahlin Christiane zu Rhein war das in der Abrede von 1518 bedungene Geschenk von zwanzig Ellen Samt zu einer Schaube — eine damals auch bei andern Herrschaftskäufen geübte Courtoisie — schon im August 1519 eingehändigt worden.
So war auch das edle Ramsteiner Geschlecht auf immer aus seinen Stammlanden verabschiedet, für Basel aber an einem wichtigen Punkte seiner Grenze eine starke Position gewonnen.
An der Configuration des im fünfzehnten Jahrhundert entstandenen Basler Gebietes ist auffallend sein Entlegensein von der Kapitale. Erst das sechzehnte Jahrhundert verbindet Stadt und Landschaft. Aber wie schmal ist die Brücke, die vom Baselbann in den Sisgau führt. Von beiden Seiten treten fremde Gebiete heran.
Am Rheine die Herrschaft Rheinfelden. Wir gedenken früherer Versuche Basels, diese Herrschaft, ja noch weitergreifend die Waldstädte sich anzueignen. Eine Zeitlang ist jene Herrschaft tatsächlich unter Basels Gewalt gewesen. Aber dieser Episode folgt nichts Ähnliches mehr. Österreich erscheint auch hier als unverwundbar, als unerschütterlich.
Von Süden her aber zieht sich gegen Basel das prächtige Birstal. Ein Gebiet alter Kultur. Voll von starker Belebung. Ein bewegtes Transitland. Ausgezeichnet durch die in diesem Raume sich drängenden Schlösser und Herrschaftszentren (Münchenstein Reichenstein Birseck Dorneck Angenstein Pfäffingen usw.). Hier ist der Bischof noch weltlicher Fürst und Territorialherr bis vor die Tore Basels. Hier hat Solothurn sich eingenistet, auf dem rechten Ufer Herrschaft nach Herrschaft dem Sisgau abgerungen.
In der Territorialgeschichte Basels dagegen ist dieses der Stadt so nahe Gebiet, mit Ausnahme eines Momentes, wie übersehen. Die Einnahme des Schlosses Pfäffingen durch die Basler am 20. April 1445 sollte den verhaßten Grafen Hans von Tierstein züchtigen und geschah wohl ohne weitere Absichten der Gebietserwerbung; auch ging das Schloß schon bald [63] wieder verloren. Nur einmal dann, zwanzig Jahre später, erhob sich Basel allerdings zu einem Schritt im Birstal, der gleich dem Projekt eines Erwerbs der Waldstädte von ungewöhnlicher Art war. Es schloß mit den Grafen von Tierstein einen Vertrag, durch den sie gegen Zahlung von zehntausendfünfhundert Gulden der Stadt Basel die Schlösser Angenstein und Pfäffingen mit allen Gebieten Rechten und Zugehörden, namentlich auch mit den hohen Gerichten zu Therwil, verkauften und das Schloß und die Herrschaft Tierstein verpfändeten. Dieser schöne Vertrag blieb leider Entwurf; sein Zustandekommen wurde wohl durch Solothurn und den Bischof, vielleicht auch durch Österreich, vereitelt. Daß Basel vor dieser Opposition zurückwich, mag sich erklären aus der allgemeinen Richtung seiner Territorialpolitik. Dieser erschien der Sisgau als das vor Allem zu erstrebende Gebiet, und um dieser Vorliebe willen wurde das Birstal vernachlässigt. Handels- und Verkehrsinteressen beherrschten die Politik und wiesen sie zunächst auf die Gebiete der großen, zu den Hauensteinen führenden Straßen.
Diesem Benehmen Basels gegenüber bietet die solothurnische Expansion ein Schauspiel voll Kraft und Leidenschaft. Unzählige Male schon ist von ihr zu reden gewesen. Von dem Willen, der die Regenten dieser kleinen Stadt stählte und vorwärts trieb; von ihrer Heftigkeit und Dreistigkeit; von ihrer brutalen Verachtung aller Rücksichten; von ihren Erfolgen. Wir haben gesehen, wie Solothurn das ihm unbequeme Basel aus dem Buchsgau wegdrängt und dann weiter vorstößt dem Rheine zu. Der Sisgau läßt ihm keine Ruhe. Es greift auf die Farnsburg; es will sich in Anwil Oltingen Langenbruck Waldenburg Ziefen festsetzen; es hat Absichten auf Pratteln, auf Münchenstein, auf alles Land bis zur Birsmündung. Sewen Büren Hochwald Gempen, das starke Dorneck fallen ihm zu. Jetzt scheint der seit Jahrzehnten erhoffte Ausgang der Tiersteiner die letzte große Gelegenheit zur Bewährung dieser solothurnischen Territorialpolitik zu bieten, die sich ja schon an den Häusern Kiburg Bechburg Froburg Falkenstein erprobt hat. Es geht um das im Birstal und im Lüsseltale gelegene Erbe der einst gewaltigen Dynastie, der ersten und ältesten des Gaues. Hiebei aber trifft nun Solothurn auf ein Basel anderer Art als dasjenige, das ihm in frühern Tagen begegnet war.
Nach Graf Wilhelms Tode am 16. Oktober 1498 bestand das Haus Tierstein noch aus den Brüdern Heinrich und Oswald II., den Söhnen Oswalds I. Wir sehen diese Letzten des einst glorreichen Stammes ruhmlos leben und dahingehen. Ohne irgendwelche Bedeutung sind sie wirklich [64] nur die Letzten. Was in der Agonie andrer alter Geschlechter wahrzunehmen ist, das Launenhafte, das unzuverlässig Schwankende der Haltung, das ist auch diesen dekadenten Tiersteinern eigen. Sie selbst verdienen keine Sympathie; aber ergreifend ist, daß dies Grafenhaus nach einem halben Jahrtausend Lebens in solcher Weise endet. Eindrücklich auch das Bild des Gegensatzes zwischen diesen müden Figuren und ihren erbarmungslosen kräftigen Hetzern, den Städten Basel und Solothurn, und zuletzt der Ausgang voll Gerechtigkeit, da diese Beiden sich gegenseitig den Gewinn nicht gönnen und am Ende Keiner von ihnen, sondern die dritte Macht dieses kleinen Erdenwinkels, das Hochstift Basel, der Gewinner ist.
Die Grafen Heinrich und Oswald folgten nach anfänglichem Zögern der väterlichen Politik und traten in Bürgerrecht und -Pflicht der Stadt Solothurn. Schon während des Schwabenkrieges hatte diese Stadt das Schloß Pfäffingen nehmen, dann beim Frieden alle drei Schlösser — Pfäffingen Angenstein Tierstein — erlangen wollen. Jetzt kam sie durch jenes Bürgerrecht ihrem Ziele näher.
So hart und eigenwillig dieses Solothurn sich die Grafen dienstbar zu machen strebt, handelt es auch gegenüber andern, vor Allem gegenüber Basel. Es beschuldigt den Basler Vogt auf Homburg unbefugter Eingriffe; es beschwert sich über das Baselfähnlein auf dem Brunnen zu Bärenwil; es vergewaltigt die Waldner und die Rotberg in ihren Herrschaften Bättwil Ettingen Metzerlen Rodersdorf Landskron; sein Dornecker Vogt errichtet einen Galgen auf Basler Gebiet; es bedrängt Muttenzer mit Steuerforderungen; seine Leute freveln in den Hochwäldern bei Waldenburg; sein Erbburger, der Abt von Beinwil, zankt sich mit den Liestalern usw. Bis 1506, dann wieder 1509 ein Vertrag das Streiten schließt und für eine kleine Weile Ruhe schafft. Wichtiger als dieser Alltagshader war das Unterfangen Solothurns, die tiersteinischen Rechte an der Landgrafschaft im Sisgau an sich zu bringen. Auf diesem Punkte durfte Basel nicht duldsam und nachgiebig sein. Es durfte auch nicht den Grafen gegenüber die schon 1482 für die Landgrafschaft geleistete Zahlung geltend machen, sondern mußte sich zu neuen Opfern bequemen. Auf diesem Wege gelang ihm 1510 der Erwerb der Landgrafschaft, von dem schon die Rede gewesen ist.
Wie dieser Vertrag, so zeigt auch Anderes, daß die Beziehungen Basels zu den Grafen sich besserten, während Diese in gleichem Maße von Solothurn abrückten. Der tiersteinische Vogt auf Pfäffingen wurde 1512 ins Basler Bürgerrecht aufgenommen, und bei der Tagsatzung bemühte sich [65] Basel wiederholt und mit Erfolg für die Rückgabe von Tierstein und Pfäffingen, die wegen der Truppenwerbungen der Grafen für Frankreich waren besetzt worden. Daneben her ging Basels erregtes Verhandeln mit Solothurn über Austausch der Eigenleute.
Mitten in diesen Bewegungen starb Graf Oswald im Jahre 1513 kinderlos. Auch der überlebende Heinrich war ohne Nachkommen. Die Liquidation des tiersteinischen Geschlechtes konnte nur noch eine Frage von Jahren sein.
Zu dieser Liquidation gehörte der Verkauf der Hohkönigsburg im Elsaß samt Dependenzen an Kaiser Max, im April 1517; noch lange nachher war zu Schlettstadt im Dominikanerkloster die Wappenscheibe zu sehen, die Graf Heinrich dorthin gestiftet hatte als Denkmal seiner Hohkönigsburger Nachbarschaft.
Die finanzielle Not Heinrichs zwang ihn zu diesem Verkaufe. Schon vorher, 1516, hatte er von Solothurn eine Summe Geldes aufgenommen und dafür seine Schlösser im Birstale verschrieben. Solothurn glaubte bei dieser Lage des Grafen die Beute schon mit Händen zu greifen. Ungeduldig drängte es ihn; im Mai 1517 verlangte es, daß er ihm einen Teil des geliehenen Geldes zurückzahle oder Tierstein und Pfäffingen einräume.
Es war eine törichte Hast, mit der sich Solothurn selbst und für immer den Handel verdarb.
Denn jetzt trat Derjenige, der zwar hauptsächlich interessierter, aber bis jetzt untätiger Zuschauer gewesen war, in die vordere Linie: der Bischof von Basel. Jedenfalls durch Basel angetrieben. Als Lehnsherr hatte er stärkere Rechte und stärkeren Einfluß als die andern; das erforderliche Geld aber gab ihm die Stadt Basel. In wiederholten Abreden gelangten der Bischof und Graf Heinrich zu einer Verständigung; die durch Solothurn vorgestreckte Summe wurde dieser Stadt zurückbezahlt und die Art des Übergangs der Schlösser und Herrschaften an das Bistum geordnet. Auch die Schwierigkeiten, die sich noch bei Kaiser Maximilian ergaben, konnten überwunden werden. So gingen Ende Augusts 1518 Tierstein, im November gleichen Jahres Angenstein und Pfäffingen an das Bistum Basel über.
Damit schien das Schicksal des tiersteinischen Erbes in der Hauptsache entschieden zu sein. Für Basel kam dabei nur Schloß und Herrschaft Pfäffingen in Betracht. Um deren Lösung von Solothurn zu ermöglichen [66] hatte der Basler Rat schon am 17. Juli 1517 dem Bischof zweitausendachthundert Gulden vorgestreckt, am 20. August 1517 weitere siebenhundert Gulden; zur Abfindung von Ansprüchen des Grafen lieh er am 25. August viertausendfünfhundert Gulden. Daß er hiebei einen ungewöhnlich niedern Zinsfuß sowie für einige Jahre völlige Zinsfreiheit des Darlehens gewährte und überdies dem Bischof seinen Beistand versprach für den Fall, daß er Pfäffingens wegen von Jemand angefochten werden sollte, zeigt, wie sehr Basel wünschte, Pfäffingen nicht bei Solothurn, sondern beim Bischof zu sehen. Der Rat hoffte natürlich, im Sinne seiner alten oft geübten Politik, bei gelegener Zeit Pfäffingen aus dem Besitze des Bistums an sich ziehen zu können. Daher auch dieses Geschäft in Formen ungewöhnlicher Wichtigkeit geführt wurde. Für die Verhandlungen mit dem Bischof war eine Neunerkommission bestellt mit unbeschränkten Vollmachten und unter dem Schutze tiefsten Geheimnisses. Sie enthielt die Elite des Rates. Der Bischof und die neben ihm wegen Pfäffingens mit dem Rate verhandelnden Herren des Domkapitels hatten auf das Evangelium zu schwören, daß sie die Beteiligung der Stadt Basel ewig geheim halten würden.
Am 22. September 1519 fanden sich Bischof und Graf in einer letzten abschließenden Vereinbarung. Dann starb Graf Heinrich, am 30. November 1519. Er starb in Basel, dessen Rat während der letzten Monate unaufhörlich mit ihm verkehrt hatte. Noch bis in den Herbst hatte er seine, beim Verkaufe 1517 vorbehaltene Wohnung auf der Hohkönigsburg gehabt; dann schied er von diesem imposanten Bau, den vor vierzig Jahren sein Vater in der Höhezeit des Lebens, in einer großartig bewegten Epoche errichtet hatte. Er kam nach Basel, um hier zu sterben und an der vornehmsten kirchlichen Stätte des Oberrheins, im Münster, sein Grab zu finden. Im Hofe des Domherrn Jost von Reinach, in einer Kammer, machte er noch am 29. November sein Testament.
Dieser Ausgang des „uralten herrlichen geschlechts der grafen von Tierstein“ eröffnete der Stadt Basel alle möglichen Perspektiven. Solothurn aber, durch die Abmachungen des Grafen mit dem Bischof geschädigt und gereizt, brachte jetzt, da der Graf tot und weiterer Bearbeitung unzugänglich war, die ganze Angelegenheit vor die Tagsatzung; es machte ältere Ansprüche und Rechtstitel geltend.
So war nun die Sache, die bis dahin ein Internum der beiden Städte und des Bischofs gewesen, auf das eidgenössische Forum getragen, wodurch natürlich eine Menge andrer Interessen mit dem Streit in Beziehung gesetzt, die freie Bewegung der zunächst Beteiligten gehemmt wurde.
[67] Zu dieser einen Komplikation trat jetzt die andere, daß Stadt und Bischof Basel, die seit 1517 in diesen Tiersteiner Dingen gemeinsam gehandelt hatten, auseinandergingen. Man ist geneigt, diese Änderung zu erklären aus dem Eintritte des Nicolaus von Diesbach in die Regierung des Bistums; er war am 28. Mai 1519 zum Coadjutor Christophs ernannt worden und nahm diesem gealterten Fürsten die Geschäfte aus der Hand. Es war die Zeit, die dem großen Bruche von 1521 unmittelbar voranging. Wie die feindliche Haltung einzelner Stubenherren gegenüber dem Rate, so zeigt auch Anderes die Gereiztheit, die als Vorbote des Kommenden schon jetzt das öffentliche Leben der Stadt und vor Allem ihre Beziehungen zu dem alten Stadtherrn, dem Bischof, durchdrang.
Nach Pfäffingen strebte der Rat so sehr, weil er mit dem Schlosse das zwischen diesem und der Stadt liegende Gebiet gewann. Auch für Basel bedeutete Pfäffingen „den Schlüssel des ganzen Tales“. War die Herrschaft in fremder Hand, so sah sich Basel sozusagen bis an seinen Stadtgraben „eingezäunt und eingetan“. Um dies zu hindern und freies Land bis zum Blauen zu schaffen, hatte der Rat dem Bischof geholfen und verlangte nun als Lohn solcher Hilfe die Zusicherung eines Vorkaufsrechtes auf Pfäffingen. Aber der Bischof lehnte dies Begehren ab, im März 1520, mit dem unbegründeten Vorgeben, daß Pfäffingen zu den vier „verschworenen Lehen“ des Bistums gehöre, sodaß eine Veräußerung gar nie stattfinden könne, ein Vorkaufsrecht somit unnütz sei.
Auf diesem Wege zurückgewiesen, suchte Basel dem Schloß in andrer Weise nahe zu kommen.
Vorerst dadurch, daß es die Witwe Graf Heinrichs, Margaretha von Neuenburg, im Mai 1520 ins Bürgerrecht aufnahm und im September ihre Ansprüche an Pfäffingen kaufte.
Sodann durch eine Annäherung an Solothurn. Diesen ganzen Sommer 1520 lang verhandeln die beiden Städte miteinander, wobei nicht nur Pfäffingen das Thema ist. Es soll eine Verständigung, ein festes Verfahren gesucht werden über die Aufnahme von Fürsten Grafen Herren ins Bürgerrecht, über gemeinsame Erwerbung von Schlössern und Landschaften oben oder unten im Lande, diesseits oder jenseits des Rheines, über Aufnahme in die gemeinsame Beherrschung schon erworbener Gebiete. Sogar von einem Burgrechtsvertrage der vier Städte Basel Solothurn Bern Freiburg ist die Rede. Das Eigenartige dieser Pläne ist, daß sie ein Zusammengehen Basels mit der Gruppe der westlichen Städte ins Auge fassen, der Basel bis dahin ferner geblieben war. Gerade im Blick auf gemeineidgenössische Verhältnisse [68] und die von diesen ausgehenden Hemmungen der eigenen Politik konnte diesen Orten eine Sonderverbindung als vorteilhaft erscheinen. Auch abgesehen hievon war rätlich, aus einem Concurrenten einen Mitinteressenten zu machen. Und gerade in dieser Pfäffinger Sache glaubte Basel, seine Position gegenüber dem Bischof durch dieses Mittel zu stärken.
Bis in den Herbst 1520 zogen sich die Diskussionen. Daß zuletzt gar nichts zu Stande kam, war vielleicht das Werk desselben Bern, dessen Angehöriger Diesbach in Basel selbst dieser Stadt entgegenarbeitete.
Alles dies haben wir uns begleitet zu denken durch ein andauerndes Behandeln des tiersteinischen Erbfolgestreites vor der Tagsatzung. Der Basler Rat aber hatte Ansprüche der Witwe Tierstein erworben; er argwöhnte, daß von Ensisheim her und aus den Kreisen des österreichischen Adels ein Anschlag auf das Schloß vorbereitet werde; er war überhaupt des fruchtlosen Geldgebens, des Debattierens und Zuwartens überdrüssig und beschloß zu handeln. Er griff zu, wie es ehedem nicht seine Art gewesen, wie er aber vor kurzem bei Ramstein mit Erfolg getan hatte. Er bot Mannschaft auf, gab dem energischen und schlauen Jacob Meyer zum Hasen das Kommando und ließ die Schar am Samstag 15. September 1520 bei anbrechender Dunkelheit ausrücken. „Durch ein besonder stratagema“ nahmen sie in der Nacht Pfäffingen ein.
So machte sich Basel zum Besitzer des Schlosses. Es legte eine Besatzung hinein; auch zeigte es den Willen, dort zu bleiben, indem es bauliche Reparaturen vornehmen ließ, ausstattete und armierte.
Die Wirkung dieses Handstreiches war, daß der Bischof bei der Tagsatzung Klage erhob und Solothurn seine Ansprüche wieder geltend machte. Aber was nun folgt, ist ein merkwürdiger Verlauf, in seiner Art nur erklärlich durch das Zusammentreffen der das Gemeinwesen von verschiedenen Seiten her in Anspruch nehmenden Interessen und Bewegungen.
Zunächst allerdings vernehmen wir eine noch sehr frei und unbefangen lautende Erklärung. Am 15. Dezember 1520 beschließt der Große Rat, daß Basel Pfäffingen behalten und nie von Händen geben solle und daran setzen die ganze Stadt und was sie habe an Leib und Gut; der Beschluß wird allen Orten durch eine Spezialgesandtschaft mitgeteilt. Diese Kundgebung ruft einer Reihe von Konferenzen; eidgenössische Tagherren versuchen zwischen Bischof und Stadt zu schlichten. Es wird hitzig verhandelt, ein Vorschlag nach dem andern vorgebracht und verworfen. Dem Basler Rate wird dabei deutlich, daß er in dieser Pfäffinger Sache die Eidgenossen gegen sich hat, wenigstens nicht auf sie rechnen kann. Weiterhin muß sich der Rat sagen, [69] daß, auch wenn das Behalten des Schlosses ihm gelingt, es ein unaufhörlicher Anlaß zu Anfechtungen und Schwierigkeiten sein wird.
In diesen ersten Monaten des Jahres 1521 häufen sich für Basel die wichtigsten politischen und sozialen Traktanden, als deren Hauptstück eine Sache von gewaltigem Zuschnitte, die über das Pfäffinger Thema weit hinaus greift: die völlige Lösung der Stadt vom Bischof. Es ist eine Sache, die zur endlichen Erledigung drängt; die inmitten der diesem Moment eigenen, gewaltigen Erregung die Behörden zum Entschlusse führt, im Kleineren nachgeben zu wollen, um im Großen zu siegen. Durch Preisgeben Pfäffingens gewinnt Basel die nun einmal nicht zu vermeidenden Eidgenossen für ein Gewährenlassen in der großen Angelegenheit des Hochstifts; es kann die Lage auch dazu nützen, einen territorialpolitischen Vorteil an anderer Stelle zu erzielen.
Am 15. September 1520 hatte Basel Pfäffingen eingenommen, am 15. Dezember 1520 der Große Rat diesen Besitz als einen dauernden erklärt, am 17. April 1521 fand sich ein inzwischen andrer Meinung gewordenes Basel mit dem Bischof zur Abrede zusammen: es gab das Schloß wieder an den Bischof zurück gegen das Versprechen, es ewig beim Bistum zu behalten und weder zu verkaufen noch zu versetzen noch zu Lehen auszutun; sein Vogt auf dem Schlosse sollte Basel schwören, bei Krieg in diesen Landen neutral zu sein und keinen Feind Basels zu beherbergen; von der durch Basel dem Bischof vorgeschossenen Summe sollte ein Teil in eine ewige Gült umgewandelt werden, damit Basel, falls je das Schloß vom Hochstift kommen sollte, es als verschriebenes Unterpfand zu Handen nehmen könnte. Als „Ergötzlichkeit“ für das Entgegenkommen der Stadt bewilligte ihr der Bischof den Verkauf des Dorfes Riehen und gab ihr den Consens zu den Erwerbungen von Ramstein und Bettingen.
Noch erhob Solothurn Einwendungen; an wiederholten eidgenössischen Konferenzen mußte von der Sache gehandelt werden, bis sie endlich ihren Abschluß fand im Vertrage des Bischofs mit Basel vom 23. Juli 1522, den Namens der Eidgenossen Bern besiegelte. Wenige Tage zuvor, am 18. Juli, hatte sich der Bischof mit Solothurn abgefunden.
Das tiersteinische Erbe war damit in der Hauptsache liquidiert. Hohkönigsburg und Zubehör waren an Österreich zurückgefallen, Angenstein und Pfäffingen dem Bistum Basel geworden; Solothurn hatte Tierstein erworben.
Aber auch daran ist zu erinnern, daß jetzt endlich eine Periode mannig faltiger Aufregungen ein Ende fand, und daß Klarheit geschaffen war auch hinsichtlich der Herrschaften Ramstein Bettingen Riehen.
[70] Für den Bischof bedeutete der Ausgang des Pfäffingerhandels eine erhebliche Stärkung der territorialen Position und einen Sieg, dessen er neben der Niederlage im Basler Verfassungskampfe doppelt froh sein konnte. Die Stadt Basel aber kam schon nach kurzem wieder auf ihre Pläne der Begründung einer Macht im Birstale zurück
Im Gesamten der territorialen Unternehmungen Basels fehlt die längste Zeit hindurch jede Bewegung nach Norden, im Sundgau.
Daß diese Gebietserweiterung unterblieb — zum ungeheuern Nachteile der Stadt —, scheint durch die Zugehörigkeit dieser Landstriche erklärt. Im Sundgau gebot Österreich, war geschlossenes Herrschaftsterritorium.
Wie oft hätte Basel sich Sundgauer Land verschaffen können! Im Isteinerkrieg, bei der Ächtung Herzog Friedrichs, im Sundgauerkrieg, in der Burgunderzeit, im Schwabenkrieg. Keine dieser Gelegenheiten wurde genützt. Es war eine konsequente Enthaltung. Jeder einzelne dieser Fälle hatte seine Besonderheiten, die als Gründe gelten konnten; stets gab es Einflüsse von Parteien, Gedanken an Gefälle und feilen Kauf, Schonung gewisser Verhältnisse oder Personen; immer entschied die abwägende Vor- und Rücksicht.
War das gewalttätige Nehmen solchergestalt ausgeschlossen, so fand das ruhige vertragliche Erwerben eine andre Hemmung. Zwar hatte Österreich selbst seine Herrschaft Rheinfelden dem Basler Rat als Pfand angetragen und 1467 wirklich übergeben. Auch beim Erwerbe von Gebieten im Sisgau, die von Österreich zu Lehen gingen, war Basel mit dieser Herrschaft fertig geworden. Aber bei ihnen und bei Rheinfelden handelte es sich um isolierte oder abseits liegende Stücke, während im Sundgau die geschlossene einheitliche Masse kein Herausbrechen gestattete. Hier war Österreich in der Tat unbezwinglich.
Es zeigt sich dies deutlich jetzt, da Basel im Flusse seiner neuen entschlossenen Territorialpolitik auch in der sundgauischen Nachbarschaft aktiv wird. Die wenigen Erfolge, die es hier hat, betreffen in der Hauptsache nichtösterreichische Gebiete.
Basels Absicht scheint hiebei planmäßig dem Streifen sundgauischer Dörfer und Herrschaften zu gelten, die einander folgend an die jüngsten Erwerbungen Solothurns und an die bischöflichen Ämter im Birstale grenzen. Basel denkt vielleicht an die Möglichkeit, künftig einmal, zu günstiger Zeit, [71] auch diese zwischenliegenden Flächen gewinnen und dann das neue sundgauische Gebiet mit dem alten sisgauischen verbinden zu können.
Den ersten Vorstoß im Birsigtal machte Basel durch einen Schirmrechtsvertrag mit dem Schloßherrn zu Bottmingen, sodann durch den Kauf dieses Schlosses.
Der Schloßherr, mit dem Basel den Vertrag beredete, wahrscheinlich 1513, war der Professor Gerhard de Lupabus; doch erlebte er die Ausführung nicht. Erst am 22. Februar 1518 kam sie zustande, jetzt mit den Erben des Professors. Basel nahm das „im Leimental oder Sundgau wider den Blauen gelegene“ Schloß Bottmingen in seinen Schutz und Schirm und ewiges Erbburgrecht. Im Fall eines Verkaufes solle das Schloß zuerst dem Rat angeboten und, wenn dieser den Kauf ablehne, nur einem Basler Bürger verkauft werden. Im Jahre 1519, als die Erben de Lupabus das Schloß zu veräußern gedachten, zog es der Rat käuflich an sich, gab es aber sofort wieder aus der Hand, durch Verkauf an sein Mitglied den Meister zu Metzgern Wolfgang Harnasch. Dabei wurde wiederum festgesetzt, daß das Schloß Niemandem gegeben werden dürfe ohne den Willen des Rates, und daß es zu ewigen Tagen im Burgrechte der Stadt Basel bleiben solle.
Ähnlich verfuhr Basel beim nahen Benken, der alten Herrschaft der Schaler. Zuerst durch Vorschießen von Geld an Junker Thomas Schaler gegen Verpfändung des Schlosses, 1519 und 1522; dann in unmittelbarem Anschluß an das letztere Darleihen durch Erwerbung von Vorkaufsrecht und Zugrecht an dem Herrensitze und den Dörfern Benken und Biel mit allen ihren Rechten und Zugehörden, am 29. März 1522. Die Abrede war dabei, daß die Schalerschen Leute dieser Dörfer in Kriegszeiten, wenn sie von Basel gemahnt würden, ihm zuziehen sollten; auch versprach der Junker, in solchen Zeiten sein Schloß den Baslern zu öffnen und sich auch sonst zu halten wie einem frommen Bürger gezieme. In Erwiderung dieser Zusagen gewährte ihm der Rat ein Darleihen, das vier Jahre lang zinsfrei sein sollte.
Basel suchte die Erweiterung seiner Macht noch über Benken hinaus weiter landaufwärts und im solothurnischen Interessengebiete. Es verständigte sich mit Humbrecht von Wessenberg über den Erwerb seiner Herrschaft, die in der Hauptsache aus dem Schlosse Biedertal und dem Dorfe Liebenzweiler [72] bestand. Das Schloß lag am Nordhange des Blauenberges, das Dorf weiter vorn im Tale, beide im Quellgebiete der hier westwärts strömenden Ill.
Die von Wessenberg, deren Stammhaus bei Mandach im Argau stand, begegnen uns das ganze fünfzehnte Jahrhundert hindurch im Verkehre mit Basel und den oberrheinischen Geschlechtern. Egli von Wessenberg war einer der Edeln, die 1499 aus Basel wegzogen; seine Gemahlin Elisabeth Offenburg, Schwester des spätern Bürgermeisters Peter, war Witwe von Friedrich Kilchman; sie heiratete nach Wessenbergs Tode den Bürgermeister Wilhelm Zeigler. Diese Beziehungen scheinen auch den Vetter Eglis, Humbrecht von Wessenberg, den Basler Ratsgewaltigen nahe gebracht zu haben.
Am 15. Dezember 1520 verkaufte er dem Rate das vom Basler Bischof zu Lehen gehende Schloß Biedertal und das von Österreich zu Lehen gehende Dorf Liebenzweiler samt Gütern und Rechten zu Metzerlen Witterswil Äsch usw., unter Vorbehalt des durch Basel beizubringenden Consenses der beiden Lehnsherren.
Der eine dieser Herren, der Bischof von Basel, stand gerade damals im Streite mit der Stadt über Pfäffingen. Seine Einwilligung erschien daher als zweifelhaft, und damit nicht ein Andrer den Baslern zuvorkomme, beschloß der Rat, sich der Burg zu versichern. Wie er vor Jahresfrist bei Ramstein, vor wenigen Monaten bei Pfäffingen getan, griff er auch hier zu. Sofort nach Abschluß des Vertrages schickte er eine erlesene Mannschaft gegen Biedertal. Früh am Sonntag 16. Dezember nach Mitternacht nahmen sie das Schloß ein. Es erhielt eine Besatzung. Zugleich legte Basel die Hand auch auf Liebenzweiler und ließ sich hier die Dorfleute schwören. Wessenberg war ahnungslos in Basel und gönnte sich mit dem Gelde des Verkaufes gute Zeit in der Krone. Von dem Handstreich erfuhr er erst, als Alles vorüber war. Aber weder seine Sundgauer Standesgenossen noch der Bischof glaubten an sein Nichtwissen.
Basel verhandelte mit dem Bischof und mit Österreich. Der Herr dieses Erzhauses, Kaiser Karl, war aber am Wormser Reichstage zu suchen, und dorthin sandte der Rat im Januar 1521 den Hans Oberriet; er sollte Freiung Liebenzweilers und Einwilligung zum Verkauf erwirken, ebenso Sicherung Wessenbergs gegenüber dem österreichischen Regiment. Diese Ensisheimer Herren aber, an ihrer Spitze Hans Imer von Gilgenberg, sind Basels Gegner, sind „die Mißgönner, die uns s. Z. geursacht haben, Eidgenossen zu werden, was uns nie gereut hat, und jetzt auch den Kaiser gegen uns aufbringen“. Sie hetzen im Kabinet und bei der Kanzlei. [73] Ihren Machenschaften gegenüber vermag weder Oberriet noch der, formell als Wessenbergs Vertreter, ihn begleitende Ratschreiber Ryhiner etwas auszurichten. Selbst die Hilfe des mächtigen Patronus Schiner versagt. Welch eine Rolle spielen die zwei Basler im Gewühle des Reichstags, mit ihrer Liebenzweiler Sache neben den welthistorischen Traktanden von Worms! Es geht um ein Dörflein von zwölf Herdstätten, das Basel nur des Brennholzes wegen gekauft haben will. Einen Monat lang werden die Beiden hingehalten, von Vorzimmer zu Vorzimmer geschickt, ein Gespött der Fürsten und der Räte und der Türhüter. Bis zuletzt der über so verächtliche Behandlung empörte Rat sie abruft. Ohne Bescheid erhalten zu haben, reisen sie nach Hause. Inzwischen hat der Bischof zur Pfäffinger Sache noch dieses Biedertaler Geschäft vor die Tagsatzung gebracht. Es geht auch Solothurn an, welche Stadt das Blauengebiet als ihre Reservation zu betrachten gewöhnt ist und Basel da nicht will Fuß fassen lassen. Überdies finden sich kaiserliche Gesandte bei der Tagsatzung ein und reden gegen Basel. Sodaß zuletzt sowohl der Rat als der von allen Seiten bearbeitete Wessenberger, Streitens und Wartens müde, das Projekt fallen lassen. Es ist der Moment, da auch in der Pfäffinger Sache das Verhalten Basels sich ändert. Wir sehen die Resignation einer durch Wichtigeres in Anspruch genommenen Behörde.
Basel gibt Biedertal und Liebenzweiler, wo es ein halbes Jahr lang Herr gewesen ist — sein Vogt auf Biedertal war Gorius Vochhenn —, wieder an Humbrecht von Wessenberg zurück. Was sodann Dieser am 28. Juni 1521 dem Rate verspricht, ist das von der ganzen Unternehmung übrig Bleibende: er darf Schloß und Dorf innert der nächsten fünf Jahre weder verkaufen noch verpfänden ohne des Rates Willen; wird innert dieser Frist der Consens der Lehnsherren eintreffen, so soll der im Dezember 1520 abgeredete Kauf vollzogen werden; auch wird Wessenberg innert der genannten Frist mit seinem Schloß und Dorf in kein andres Burgrecht noch dergleichen Pflicht sich begeben ohne des Rates von Basel Zustimmung.
Eine Sache für sich war Hüningen, im Norden Basels am linken Rheinufer, hart vor den Toren der Stadt die erste Vertretung der schönen weiten sundgauischen Fruchtbarkeit und Bodenwirtschaft.
Zu den am frühesten bezeugten Zusammenhängen Basels mit Ländlichem und Bäuerlichem gehört das Verhältnis zu diesem Dorfe. St. Alban, St. Peter, namentlich das Domstift waren dort berechtigt; im großen dompröpstlichen Dinghofe Hüningen fühlte sich das Leben einer solchen Wirtschaft [74] und Grundherrschaft unter ehrwürdigen Satzungen dauernd gefestigt. Das Geschlecht der alten Meier dieses Hofes hielt dann, zum städtischen Patriziat und bald zum oberrheinischen Adel gehörend, das Andenken dieser primitiven Zustände noch lange fest. In Unzähligem berührten sich die Stadt und das Dorf. Wie der Sprengel der frühesten Pfarrkirche Basels Hüningen mit umfaßte, so tat zuzeiten auch die städtische Bannmeile.
Aber im öffentlichen Recht erscheinen Basel und Hüningen als getrennt. Nirgends so nahe wie hier grenzte Österreich an Basel. Hüningen gehörte zum habsburgischen Stammlande und war bis ins siebenzehnte Jahrhundert eine Herrschaft Österreichs. Sie wurde von diesem zu Lehen gegeben: 1398 an Mathis und Hüglin zer Sunnen, später an die Münch von Gachnang.
Das starke Verbundensein der beiden Gemeinwesen im täglichen Leben überwältigte zuweilen das Gefühl einer Herrschaftsgrenze. So gewöhnte sich Basel daran, die von ihm verfolgten Übeltäter, die sich nach Hüningen begeben hatten, ohne weiteres dort durch seine Stadtknechte festnehmen und zur Beurteilung nach Basel bringen zu lassen; Hans Münch von Gachnang gab als Herr von Hüningen 1479 seinen Willen hiezu. Es war ein Verfahren, das in seiner Einfachheit beiderseits als das vernünftigste und als unpräjudicierlich für die Hoheit galt. Dagegen zeigte sich Basel empfindlich für Handlungen, die nicht nur der Form zu nahe traten, sondern Sache und Person trafen; es wahrte seine Rechte sehr entschieden gegenüber Österreich, als dieses 1509 die Basler Eigenleute in Hüningen zur Steuer heranzog.
Die erwünschteste Vereinfachung kam dann 1516 dadurch, daß Heinrich Münch von Gachnang seine Lehenrechte am Dorfe Hüningen auf fünfundzwanzig Jahre, bis 1541, gegen jährlichen Zins an den Basler Eucharius Holzach abtrat.
Holzach war damals Ratsherr zu Hausgenossen (seit 1507) und einer der Führer des Gemeinwesens. So ist beinahe gewiß, daß auch dieser Erwerb von Hüningen weniger seine persönliche Angelegenheit gewesen sei als die der Stadt. Die Kosten der Huldigung im September 1516 wurden aus der städtischen Kasse bestritten, aus dieser auch jährlich der dem Heinrich von Gachnang zustehende Zins. Dagegen kamen die Ausgaben der Herrschaft selbst (Besoldungen usw.) so wenig in die Bücher der Stadt als die Einnahmen. Der Zwitterhaftigkeit dieses Verhältnisses galt wohl auch die Opposition, die von Seiten der österreichischen Regierung [75] dem Übergange Hüningens an Holzach gemacht wurde. Der Rat von Basel trat dabei für seinen Kollegen ein, bis er selbst sichtbar dessen Stelle einnahm. Am 15. Januar 1521 überlieh Holzach an Bürgermeister und Rat die 1516 durch Heinrich Münch von Gachnang an ihn abgetretenen Lehensrechte am Dorfe Hüningen mit aller Zugehörde, hohen und niedern Gerichten Gefällen Nutzungen und aller Obrigkeit, für den Rest der bis 1541 währenden Dauer der Abtretung. Von da an war Hüningen eine der Vogteien Basels, als Lehen Österreichs.
Mit der städtischen Herrschaft Hüningen wurde das nahegelegene Michelfelden vereinigt, das die Stadt im selben Jahre 1516 erworben hatte, in dem Hüningen an Holzach übergegangen war.
Bei Michelfelden handelte es sich um keine Herrschaft, um kein Territorium. Es war ein großer Gutsbetrieb. Ursprünglich ein Kloster von Zisterzienserinnen. Aber schon im dreizehnten Jahrhundert zogen diese Nonnen nach Blotzheim, worauf der alte Klosterort zum Wirtschaftshofe wurde. 1378 gehörte dieses Michelfelden der Beginensammlung zur Mägd in Basel, später denen von Utingen, dann lange Zeit hindurch den Herren von Vaumarcus, Bastarden der alten Grafen von Neuchâtel. 1489 verkauften Diese das Gut an Michel Meyer von Baldersdorf und Paul Hirsinger. Nach weitern Handänderungen wurde es im Jahre 1516 durch Hans Sprengers Witwe an Bürgermeister und Rat verkauft.
Beiläufig vernehmen wir, daß im Sommer 1518 das Dorf Sierenz dem Rate zum Kauf angetragen wurde. Doch wird uns Bestimmteres nicht bekannt.
Weiter nördlich, im Kerne des alten habsburgischen Landes, lag Landser, die Burg, die den Baslern von der Erstürmung im Jahre 1246 bekannt war. Die zugehörige Herrschaft reichte bis an den Allschwiler Bach; ein mächtiges und Basel unmittelbar benachbartes Stück österreichischen Territoriums.
Diese Herrschaft Landser war dem Grafen Heinrich von Tierstein, wahrscheinlich beim Kaufe der Hohkönigsburg 1517, verschrieben worden. Um sie vom zeitigen Pfandinhaber lösen zu können, entlieh der Graf 1518 achttausend Gulden von Basel. Damit brachte er die Herrschaft in seinen Besitz; die Stadt Basel aber verwies er für ihre Forderung auf seinen Pfandbrief über Landser und stellte ihr als Bürgen den Grafen Wilhelm [76] von Fürstenberg und Herrn Adelberg von Bärenfels. Basel handelte hier wie in der Pfäffinger Sache, wo es das Geld für die Lösung der Burg vorgeschossen hatte. Es verpflichtete sich den Grafen und erwarb einen Anspruch auf die wichtige Herrschaft.
Nach des Grafen Tode 1519 hatte sich die Stadt an die Gräfinwitwe Margarethe zu halten. Diese wurde Basler Bürgerin, und das Ensisheimer Regiment vernahm, daß Basel ihr zur Einnahme von Landser behilflich sein wollte. Ensisheim mochte dies nicht geschehen lassen und brachte die Sache vor die Tagsatzung.
Wie sich nun der Handel weiter entwickelt, ist charakteristisch. Wir lernen wieder Basels Lage kennen: auf der einen Seite die Gegnerschaft Österreichs, auf der andern die Hemmung durch die Eidgenossen. Die Regentschaft nimmt Landser zu Handen und entsetzt die Gräfin, zwar unter Erlegung des Pfandschillings, des Amtes. Basel sieht sich die gute Gelegenheit entgehen und sein Geld gefährdet. Es sind die an Aufregungen und Verdruß reichen Wintermonate 1520, da der Rat noch andre Territorialpläne (Röteln Pfäffingen Biedertal) betreibt und überall auf Widerstände stößt. „Er will seine Ehre wahren“ und die Herrschaft Landser mit den Waffen einnehmen; die Eidgenossen sollen ihm helfen. Sein energisch instruierter Tagsatzungsgesandter führt „hitzige“ Beschwerden über Österreich; die Stadt sei gewillt, sich mit Gewalt zu „reichen“, was ihr vorenthalten werde. Aber die Eidgenossen verweigern nicht nur die Hilfe; sie behaften Basel beim Bundesbriefe und verlangen von ihm, sich jeder kriegerischen Unternehmung zu enthalten und nach Vorschrift der Erbeinung die Sache vor Recht gelangen zu lassen.
So bleibt Alles der Verhandlung anheim gestellt, und es beginnt das gewohnte Treiben. Mit Briefen Mahnungen Gesandtschaften Konferenzen. Auch diese Landserer Sache gelangt bis zum Kaiser an den Wormser Reichstag; auch bei ihr soll Schiner Helfer sein. Aber auch bei ihr kommt es zu nichts.
Seit Alters sehen wir das Leben Basels in Berührungen mit dem Leben Burgunds. Über alle Grenzen hin gingen geistiger und wirtschaftlicher Verkehr zwischen den oberrheinischen Landen und dem Tale des Doubs, den Quellgebieten der Saône. Hiezu traten noch politische Verhältnisse; sie führten die Truppen Basels dort hinüber vor Blamont l'Isle Héricourt usw. Jetzt, in der Zeit großer territorialer Entwürfe und Versuche, bemächtigen [77] sich solche Aspirationen auch jenes Gebietes. Sie werden geweckt durch das Vorgehen andrer eidgenössischer Orte und heften sich an die Erscheinung des Grafen Wilhelm von Fürstenberg.
Eine neue Figur tritt mit Diesem in die Basler Welt ein. Sein Vater Wolfgang war 1502 Landvogt der vorderösterreichischen Gebiete geworden, sein Oheim Heinrich 1499 bei Dornach als kaiserlicher Feldhauptmann gefallen. Auch die Verwandtschaft mit Graf Heinrich von Tierstein, dessen Gemahlin eine Base der Gemahlin Wilhelms war, brachte ihm Beziehungen zum Oberrhein; ebenso sein Studium in Freiburg. Die Gelder zur Aussteuer seiner Schwester Margaretha, die sich 1505 mit dem Freiherrn Hans Jacob von Mörsberg vermählte, wurden bei Basler Kapitalisten ausgenommen; für ihn arbeiteten Basler Goldschmiede usf. Dann haben auch die Basler Politiker sich mit diesem Herrn abzugeben, dessen Wesen sogar in jener doch an Vieles gewöhnten Zeit Aufsehen erregt. Sie vergleicht ihn, den ungewöhnlich schönen und imposanten Mann, mit Mars; seine Kriegstaten, seine Verschwendung, sein toller Übermut und seine Unverträglichkeit machen ihn so berüchtigt wie berühmt.
Fünfzehnjährig mit Bona, der Erbtochter von Neuchâtel, verheiratet, die nach neun Jahren 1515 starb, besaß Graf Wilhelm aus dieser Ehe Ansprüche an Schlösser und Herrschaften im Burgundischen: die an Mächtigkeit miteinander wetteifernden Héricourt und Blamont, ferner Granges Clerval l'Isle Pont de Roide usw. Aber auch Herzog Ulrich von Württemberg war erbberechtigt, durch seine Urgroßmutter Henriette von Mümpelgart. Wir haben hier den Streit der Beiden nicht zu schildern, der aus der Erbschaftssache erwuchs. Auch nicht das Eingreifen der Eidgenossen. Aber wichtig ist, zu beobachten, wie Basel in diese burgundischen Angelegenheiten hineingerät.
Es sah im September 1517 Solothurn ein Burgrecht mit Stadt und Herrschaft Mümpelgart schließen und den württembergischen Landvogt daselbst zum Bürger annehmen. Basel durfte sich fragen, warum nicht auch ihm zukomme, engere Beziehungen zu jenen Gebieten zu schaffen. Auch seine Gedanken und Wünsche waren durch mancherlei Interessen dorthin gelenkt. So geschah, daß kurz nach dem Abschlusse des Mümpelgarter Burgrechtes von Solothurn die Stadt Basel ein Ähnliches tat; und natürlich griff sie dabei auf den Gegner des mit Solothurn verbundenen Ulrich, den Fürstenberger.
Am 20. Mai 1518 nahm Basel den Grafen Wilhelm von Fürstenberg zum Bürger an samt allen seinen Herrschaften diesseits des Rheines in und bei Burgund, mit dem Versprechen, ihn zu schützen und bei Bedrohung [78] und Schädigung jener Lande ihm zu Hilfe zu kommen; im Falle von Krieg der Stadt sollten Knechte aus jenen Landen ihr zuziehen und die Stadt l'Isle, Pont de Roide mit seinem Brückenkopfe und das in der Nähe am Lomont gelegene starke Schloß Neuchâtel ihr offen stehen. Der Vertrag wurde auf sechs Jahre geschlossen.
Was folgte, war Fortsetzung des Kampfes der beiden Herren. Wie Ulrich 1519 sein Land Württemberg verlor, benützte Wilhelm den Moment, nahm Schloß und Herrschaft Granges ein, und die Landfehde ging in üblicher Weise weiter. Aber während Solothurn Hilfstruppen hinüber schickte, beschränkte sich Basel auf Beobachtung. Der Rat hatte den Meltinger, den Jacob Meyer u. A. als ständige Deputierte in Héricourt; unaufhörlich ritten die Eilboten hin und her. Daneben verhandelte man an der Tagsatzung, wo Basel „das Herkommen des Handels“ erklärte und seinen gräflichen Bürger verantwortete. Es möchte gerne sehen, dah Friede werde, erklärte Basel; aber auch das die Mümpelgarter zum Kampfe treibende Solothurn sollte stillestehen und eine Verständigung ermöglichen.
Vom Verkehre Basels mit Fürstenberg selbst erfahren wir wenig. Nur hie und da klingt ein Ton der Unzufriedenheit mit dem Benehmen Wilhelms, der sich an dieser lokalen Streitsache nicht ersättigt, sondern ins Weite und mächtig Bewegte verlangt. Daher auch die wiederholte Klage Basels, daß Wilhelm immer abwesend sei, wenn man seiner bedürfe. Er soll Dienste bei König Franz genommen haben, dann kämpft er im kaiserlichen Heere. Jedenfalls bedarf er Geldes und ist seiner burgundischen Herrschaft müde. Er findet dieses Geld bei Basel, das ihm dafür die Herrschaft l'Isle abnimmt.
Die Territorialunternehmungen Basels hatten sich bisher auf Nachbarland bezogen und waren Fortsetzung von früher Begonnenem gewesen. Jetzt zum ersten Male griff Basel über seine natürliche Zone hinaus. Kaum auf Grund eines lange vorbereiteten Planes. Der Kauf war Consequenz der Aufnahme des Fürstenberger Grafen ins Bürgerrecht und hatte eher den Charakter einer Geldanlage als einer innerlich begründeten Erwerbung. Die Wichtigkeit des in der Mitte zwischen Mümpelgart und Baume-les-dames gelegenen Ortes bestand vor Allem darin, daß er die großen Straßenzüge des Gebietes und ihre Kreuzung beherrschte; aber in solcher Ferne eine Basler Herrschaft einzurichten, war doch von fraglichem Werte und weder durch die Freude an dem schönen Lande zu rechtfertigen, noch durch die Erinnerung an vergangene Zeiten, in denen Basel seine Fahnen wider die Mauern dieser Stadt l'Isle getragen hatte.
[79] Am 23. April 1521 verkaufte der Graf an Basel Stadt und Schloß „Lyl“ um zehntausend Gulden, dazu das Geschütz daselbst um dreihundert Gulden, unter Vorbehalt des Rückkaufsrechtes für drei Jahre. Zugleich erneuerte er seinen Basler Bürgerrechtsvertrag.
Gegen diesen Verkauf erhob sich Solothurn, im Aufträge Herzog Ulrichs daran erinnernd, daß l'Isle einer der Orte sei, über deren Zuständigkeit in einem vor dem Gerichte zu Dôle hängenden Prozeß erst entschieden werden solle. Aber Basel trat hierauf nicht ein, sondern nahm l'Isle in Besitz. Es ließ Jacob Meyer und einige andre Herren hinüberreiten und die Untertanen in Eidespflicht nehmen. Die Stelle eines Landvogtes wurde ausgeschrieben und mit Junker Wolf Iselin besetzt, der bis vor Kurzem Vogt auf Pfäffingen gewesen war. Und da Graf Wilhelm zur selben Zeit um Hilfstruppen und Waffen bat, legte Basel eine Besatzung von sechzig Knechten unter Jacob Brattelers Befehl in das Schloß Héricourt; auch verkaufte es dem Grafen einige Hundert Spieße.
Reizvoll ist immerhin die Existenz dieser Basler Herrschaft fernab in der Franche Comté. Daß die Regentin Margaretha l'Isle als burgundisches Lehen reklamierte und demgemäß die Leute durch Steuerforderungen u. dgl. belästigt wurden, daß auch ein Herr von Longenpierre Ansprüche an die Herrschaft erhob, waren Störungen, über die Basel so leicht hinwegging, wie über den Einspruch Solothurns. Aus den Akten, den Roteln, den umfangreichen Abrechnungen gewinnen wir vielmehr das runde und komplette Bild dieser Basler Landesverwaltung. Neben der Stadt l'Isle selbst, die samt ihrem Schloß in einer Schleife des Doubs liegt, mit dem freien Blick über die südwärts gelegene Ebene bis zum Lomont, gehören zur Herrschaft die Dörfer Pontpierre Uzelles Rans usw. Als Einnehmer besorgt der Pfarrer von Grandfontaine, messire Thiébault de Ladroye, das Rechnungswesen. Die oberste Leitung ist beim Landvogt.
Das Birstal hinauf, dann von St. Ursanne das Tal des Doubs hinab geht der Weg, der Basel mit dieser entlegenen Herrschaft verbindet; wir sehen ihn einem beständigen Verkehre durch Briefe und Gesandtschaften dienen.
Unter den Landerwerbungen Basels in dieser Zeit war diejenige von l'Isle gewiß die ansehnlichste; sie war überhaupt die letzte große derartige Aktion der schon bald dem Sturze verfallenen Regierung.
Wichtig, umfangreich, zahlreiche Kräfte bewegend und in höchster Anspannung zusammenfassend, findet die gesamte territorialpolitische Tätigkeit dieses Regimentes doch Raum in der Spanne weniger Jahre.
[80] Die großen Unternehmungen sind dabei meist ohne Erfolg geblieben. Aber gerade sie fesseln uns, als Äußerungen eines mächtigeren Bewußtseins. In ihnen plant und wagt Basel über seine Kräfte und auch über seine traditionelle Art hinaus. Diejenigen Territorialgeschäfte, die ihm glücken, sind die naheliegenden und normalen, während jene weitergreifenden Entwürfe am Widerstande derselben Mächte zugrunde gehen, die das freie Gedeihen Basels überhaupt hemmen: Österreich Bistum Eidgenossenschaft.