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Gesammelte Schriften über Musik und Musiker/Symphonieen

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Aus den Büchern der Davidsbündler (3) Gesammelte Schriften über Musik und Musiker (1854) von Robert Schumann
Symphonieen
Musikfest in Zwickau


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Symphonieen.
C. G. Müller, 3te Symphonie (in C moll). Werk 12. – A. Hesse, 3te Symphonie (in H moll) zu 4 Händen für Pianoforte eingerichtet. Werk 55. – F. Lachner, 3te Symphonie (in D moll), zu vier Händen für Pianoforte eingerichtet von V. Lachner. Werk 41.


Ueber die Symphonie von C. G. Müller enthält die Zeitschrift bereits einen ausführlichen Aufsatz, den wir, da wir ihn auch jetzt als richtig befinden, nachzuschlagen bitten;[1] sie ist uns immer als sein freistes und eigenthümlichstes Werk erschienen, dem wir glückliche Nachfolger versprachen, bis jetzt umsonst, da der tüchtige Mann seitdem nichts wieder im Symphonieenfach geschrieben. Mit großem Unrecht; denn dies gerade scheint uns sein Terrain, aus dem er sich nicht verdrängen lassen sollte. Alles will Zeit – hier zumal, wo die häufige Namensverwechslung der Verbreitung des Werkes allerdings Eintrag thut. Also mit frischer Kraft wieder an eine neue Symphonie!

[121] Die 3te Symphonie von Hesse gleicht seinen andern Compositionen auf’s Haar; man kann kaum faßlicher und logischer denken, als er. Eines löst ruhig und in bekannter Weise das Andere ab bis zur Hauptcadenz in der Mitte, wo es wieder vom Anfang mit der gewöhnlichen Modulationänderung angeht. An ein Vergleichen, etwa mit den Beethoven’schen Symphonieen ist hier nicht einmal zu denken; der Componist lebt so in und von Spohr, daß man, was man sonst bei allen neuen Symphonieen, kaum einen Anklang an Beethoven nachweisen kann. Im Besitz so vieler äußeren Kunstmittel, an der kräftigen Orgel aufgewachsen und Meister darauf – mit einem Worte, er muß sich mit aller Gewalt von der einseitigen Verehrung dieses Meisters losmachen, dem selbst gewiß die Selbstständigkeit seines Schülers als Componist über dessen Anhänglichkeit an eine Manier geht, aus der für die Symphonie kaum etwas zu gewinnen ist. Was hilft freilich alles äußerliche Anregen, wo ein starkes Selbstaufraffen, ein energisches Anpacken der Kunst einmal von einer andern Seite gefordert wird! Der Künstler ist uns aber in seiner deutschen gründlichen Natur zu werth, als daß wir ihn nicht darauf aufmerksam machen sollten. Er ist noch jung und gebe lieber eine Hesse’sche Ouverture, als drei Spohr-Hesse’sche Symphonieen; er muß aus diesem Gefühlseinerlei heraus, will er sich Platz in der Welt machen. –

Das Urtheil unserer Zeitschrift über Lachner’s [122] Preissymphonie hat dem sonst wohlwollenden „Wiener Musikalischen Anzeiger,“[H 1] der gerade den Schreiber jenes Artikels[H 2] immer mit einer Auszeichnung behandelte, die er kaum verdiente, zu einem ordentlichen Ausfall auf unser Blatt Anlaß gegeben. Wäre er nicht anonym geschehen, so sollte darauf geantwortet werden; so aber, unserm Grundsatz gemäß, nicht. Nur dagegen verwahren wir uns in Kürze, als wären in jenem Bericht über die Aufführung in Leipzig die Wiener Kunstrichter geringschätzig angesprochen worden. Man schlage nur nach, ob er eine Sylbe mehr enthält, als was die Unparteilichkeit sagen kann, wo etwas, das es nicht verdient, ungebührlich erhoben wird. Was hilft das alles Berufen auf die Aufnahme in Wien, die übrigens nach andern Berichten nichts weniger als glänzend gewesen sein soll, was auf die in München, wo der Componist lebt und selbst dirigirt, alles Aufsteifen auf das Urtheil des Hrn. G. W. Fink, der immer vermittelt, – die Symphonie bleibt dieselbe, wie sie Tausende und wie wir sie gefunden, und die Zukunft soll’s zeigen. Dagegen loben wir uns diese 3te Symphonie, die, wie nach Jean Paul die Welt, zwar nicht die beste, aber doch eine sehr gute ist. Lachner’s eigenthümliche Mischung zeigt sich zwar auch in ihr mit all ihren Schwächen und Vorzügen, was die sichere Anlage, große Breite, die Ausführung in deutscher, Cantilene in italiänischer Weise, die glänzende Instrumentation, die gewöhnlichen Rhythmen, den correcten Stil, die vielen Quintenzirkelgänge etc. anlangt, – [123] indeß ist Alles in eine glückliche Uebereinstimmung gebracht, daß man immer in ruhiger Spannung gehalten wird, und das Ganze in einer höhern potenzirten Stimmung niedergeschrieben, so daß sie uns, was Schwung und Leben betrifft, das Beste däucht, was wir von Lachner kennen. Nur der letzte Satz ermattet an sich wie Andere, trotz aller äußerlichen Anstrengung. Daher kam es wohl auch, daß der Symphonie bei einer frühern Aufführung in Leipzig der Beifall ausblieb, den sie der ersten Sätze halber im meisten Bezug verdient. Denn das Adagio und namentlich die erste Partie des Scherzo’s kommen an Frische dem ersten Satz nicht allein gleich, sondern überbieten ihn selbst in vielen meisterhaften Zügen. Möge ihm Alles so gelingen, und er immer das ausscheiden, von dem er sich als Künstler selbst gestehen muß, daß es seiner nicht würdig ist. Wir sind weit entfernt, sein Talent herabzusetzen, und wissen, wo wir Echtes sehen, kaum Worte, ihm Anerkennung zu verschaffen. Alles Andere aber kümmert uns nicht; wir meinen es aufrichtig mit der Kunst und haben es stets mit den Besten gehalten.




Anmerkungen (H)

  1. [WS] Allgemeiner Musikalischer Anzeiger, (Hg. J. F. Castelli), Wien 1829–1840.
  2. [GJ] II.75: eben Schumann. Commons
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