Ein Turnfest
[92] Ein Turnfest. Noch ist der Festjubel nicht verrauscht, der im verflossenen Sommer in den Straßen Dresdens widerhallte; noch zittern seine Klänge in den Herzen deutscher Turner nach, die jenseit der Reichsgrenzen heiß um die Erhaltung ihrer Nationalität kämpfen, und wiederum wurde während der letzten Tage in den Mauern der sächsischen Hauptstadt ein Turnfest abgehalten, welches trotz seines lokalen Charakters doch eine allgemeine Beachtung verdient.
Am 17. Januar feierte der „Turnverein für Neu- und Antonstadt-Dresden“ das fünfundzwanzigjährige Jubiläum seiner Gründung, nahm von Nah und Fern Glückwünsche entgegen und durfte mit Stolz zurückblicken auf ein Vierteljahrhundert ernster Arbeit und erfreulichster Erfolge.
Im Jahre 1861 begann der Jubilar seine Thätigkeit mit nur siebzig Mitgliedern, aber auf eigene Kraft vertrauend, wuchs er mit der Zeit zu einer stattlichen Gemeinschaft heran, die heute über 600 aktive Mitglieder zählt und dank ihrer vortrefflichen Einrichtung zum Brennpunkt der turnerischen Bestrebung der Heimathstadt geworden ist. Es ist ihm gelungen, aus den kleinen Mitgliederbeiträgen und Veranstaltungen zu Gunsten des Vereins ein Vermögen von ungefähr 60 000 Mark anzusammeln, er besitzt ein eigenes Heim, ein großes mehrstöckiges Haus, an welches sich seit 1881 eine großartige Turnhalle anschließt – eine Halle, in welcher gleichzeitig 300 Manu den Turnübungen obliegen können, und welche die stattlichste und wohleingerichtetste unter allen Turnhallen Deutschlands sein dürfte.
Wie selten ein anderer Verein, hat es gerade dieser verstanden, alle Stände, niedrige und höchste, in sich zu vereinigen, und war stets von einem Geiste beseelt, der das Gute, Edle und Wahre hochhält und für allgemeine Interessen rege Theilnahme bekundet. So werden gegenwärtig außer den Mitgliedern 400 Kinder, 125 männliche Personen bis zu achtzehn Jahren und 60 Damen von dem Verein im Turnen unterrichtet, so ist in seinem Schoße eine Sängerschaft entstanden, deren Leistungen oft allgemeine Anerkennung fanden, und so verfügt er über eine reiche, fleißig benutzte Bibliothek.
Möge der Muster-Verein noch lange blühen, „frisch, frei, fröhlich, fromm“ sein hohes Ziel verfolgen, möge er nach wie vor beitragen zur Kräftigung wahrer Vaterlandsliebe und Förderung echten Bürgersinnes!