Die beide Gleichen bei Göttingen
Wer hat die Gleichen sich beschaut?
Sie sind am gleichen Tag gebaut,
Und auf dem Doppelhügel
Schwingt Ein Wind seine Flügel.
Doch kommt heran des Liedes Hauch
Und webt zur rechten Stelle
Die Burgen hoch und helle.
Zwei Brüder bauten rasch daran
Die Mauern grüßten zusammen
Des Abendrothes Flammen.
Die Thore wölbten sich zugleich,
Die Maurer führten gleichen Streich,
Ein Morgenroth sah blitzen.
Und wo die Wände brüderlich
Die eine kehrt zur andern sich,
Sie ließen zu beiden Seiten
Die guten Brüder jedesmal
Sie grüßten sich querüber
Und hatten sich desto lieber.
Nicht ließen sie die süße Pflicht,
Sie winkten sich wie Kinder,
Und schliefen um so linder.
Auch ihre Söhne hielten’s so;
Thät schöner, als in ganz Sachsen,
In solcher Eintracht wachsen.
Und auch der Söhne Söhne noch,
Sie grüßten sich wie Brüder doch
Dort vom Altan der Gleichen.
So ging’s in’s zehnte, zwölfte Glied,
Bis Einer sonder Erben schied;
Doch, welcher es war von Beiden,
Wie dieser fühlt sein Ende nah’n,
Läßt er sich tragen zum Altan,
Er ruft von drüben vor Sterben
Den einen Sohn zum Erben.
Den beiden Gleichen theure Mähr;
Sturmwolken trieb der Winter,
Ein Spätroth stand dahinter.
D’rauf schlief der alte Gleichen ein,
Und von den Schlössern nieder
Da schauten Brüder wieder.
Doch war nicht Fried’ und Freude seit,
Die Erbschaft zeugte bösen Streit;
Sie nicht zu den Altanen.
Der eine zog gen Süden aus,
Vom Norden kam der andr’ in’s Haus,
Sie suchten sich Genügen
Der Wald erseufzte von dem Schall,
Es klagte laut der Widerhall
Ja, ihrer Schlösser Mauern
Die fingen an zu trauern.
Gebeugte Feinde regten sich:
„Leicht ist’s, mit den Entzweiten,“
Frohlockten sie, „zu streiten.“
Zurück in ihre Gleichen
Die Brüder mußten weichen.
Sie dachten wohl an des Vetters Wort,
Doch fochten sie im Streite fort,
Nicht Zeit sich zu versöhnen.
Auch ist umringt schon beider Burg,
Und keiner kann zum andern durch,
Zusammen konnten sie siegen,
Und jetzt gesprengt ist beider Thor,
Und mordend steigt der Feind empor,
Er schwingt die Siegesfahne –
Da treten sie zum Altane.
Von Herzen laut und brüderlich;
Den Speer in hohen Handen,
Wohl haben sie sich verstanden.
Sie winken mit den Augen hell,
Die in den Lüften sausend
Durchkreuzen hoch sich, brausend;
Sie winken und sinken ohne Schmerz;
Die Burgen aufzuflammen.
Und spät im tiefen Schutt und Sand
Die Leichen man beisammen fand; –
Sturmwolken trieb der Winter,