Zum Inhalt springen

Die Vergänglichkeit (Hebel, 1834)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Wikisource
Wikisource
Siehe auch: Die Vergänglichkeit (1803)
Textdaten
<<< >>>
Autor: Johann Peter Hebel
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Vergänglichkeit
Untertitel: Gespräch auf der Straße nach Basel zwischen Steinen und Brombach, in der Nacht
aus: J. P. Hebels sämmtliche Werke: Band 1, S. 177–184
Herausgeber: {{{HERAUSGEBER}}}
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1834
Verlag: Chr. Fr. Müller’sche Hofbuchhandlung
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]
[177]
Die Vergänglichkeit.
(Gespräch auf der Straße nach Basel zwischen Steinen und Brombach, in der Nacht.)

 Der Bueb seit zum Aetti:
Fast allmol, Aetti, wenn mer’s Röttler Schloß
so vor de Auge stoht, se denki dra,
öbs üsem Hus echt au e mol so goht.

5
Stohts denn nit dört, so schudrig, wie der Tod

im Basler Todtetanz? Es gruset eim,
wie länger as me’s bschaut. Und üser Hus,
es sizt io wie ne Chilchli uffem Berg,
und d’Fenster glitzeren, es isch e Staat.

10
Schwetz, Aetti, gohts em echterst au no so?

I mein emol, es chönn schier gar nit sy.

[178]

 Der Aetti seit:
     Du gute Bursch, ’s cha frili sy, was meinsch?
’s chunnt Alles iung und neu, und Alles schlicht

15
sim Alter zue, und Alles nimmt en End,

und nüt stoht still. Hörsch nit, wie’s Wasser ruuscht,
und siehsch am Himmel obe Stern an Stern?
Me meint, vo alle rühr si kein, und doch
ruckt Alles witers, Alles chunnt und goht.

20
     Ie, ’s isch nit anderst, lueg mi a, wie d’witt.

De bisch no iung; närsch, i bi au so gsi,
iez würds mer anderst, ’s Alter, ’s Alter chunnt,
und woni gang, go Gresgen oder Wies,
in Feld und Wald, go Basel oder heim,

25
’s isch einerlei, i gang im Chilchhof zue, –

briegg, alder nit! und bis de bisch wien ich,
e gstandne Ma, se bini nümme do,
und d’Schof und Geiße weiden uf mi’m Grab,
Io wegerli, und ’s Hus wird alt und wüest;

30
der Rege wäscht der’s wüester alli Nacht,

und d’Sunne bleicht der’s schwärzer alli Tag,
und im Vertäfer popperet der Wurm.
Es regnet no dur d’Bühne ab, es pfift
der Wind dur d’Chlimse. Drüber thuesch du au

[179]
35
no d’Auge zue; es chömme Chindes-Chind,

und pletze dra. Z’letzt fuults im Fundement,
und ’s hilft nüt meh. Und wemme nootno gar
zweitusig zehlt, isch Alles z’semme g’keit,
Und ’s Dörfli sinkt no selber in si Grab.[a 1]

40
Wo d’Chilche stoht, wo ’s Vogts und ’s Here Hus,

goht mit der Zit der Pflueg. –
 
 Der Bueb seit:
 Nei, was de seisch!

 Der Aetti seit:

45
     Ie, ’s isch nit anderst, lueg mi a, wie d’witt!

Isch Basel nit e schöni tolli Stadt?
’s sin Hüser drinn, ’s isch mengi Chilche nit
so groß, und Chilche, ’s sin in mengem Dorf
nit so viel Hüser. ’s isch e Volchspiel, ’s wohnt

50
e Richthum drinn, und menge brave Her,

und menge, wonni gchennt ha, lit scho lang
im Chrütz-Gang hinterm Münster-Platz und schloft.
’s isch eithue, Chind, es schlacht e mol e Stund,

[180]

goht Basel au in’s Grab, und streckt no do

55
und dört e Glied zuem Boden us, e Joch,

en alte Thurn, e Giebel-Wand; es wachst
do Holder druf, do Büechli, Tanne dört,
und Moos und Farn, und Reiger nitze drinn[a 2]
’s isch schad derfür! – und sin bis dörthi d’Lüt

60
so närsch wie iez, se göhn au Gspenster um.

d’Frau Faste, ’s isch mer iez, sie fang scho a,
mer seits emol, – der Lippi Läppeli,[a 3]
und was weiß ich, wer meh. Was stoßisch mi?

 Der Bueb seit:

65
     Schwetz lisli, Aetti, bis mer über d’Bruck

do sin, und do an Berg und Wald verbei!
Dört obe iagt e wilde Jäger, weisch?
Und lueg, do niden in de Hürste seig
gwiß ’s Eier-Meidli g’lege, halber fuul,

70
’s isch Iohr und Tag. Hörsch, wie der Laubi schnuft?
[181]

 Der Aetti seit:
     Er het der Pfnüsel! Seig doch nit so närsch!
Hüst Laubi, Merz! – und loß die Todte go,
sie thüen der nüt meh! – Ie, was hani gseit?[a 4]

75
Vo Basel, aß es au emol verfallt. –

Und goht in langer Zit e Wanders-Ma
ne halbe Stund, e Stund wit dra verbei,
se luegt er dure, lit ke Nebel druf,
und seit si’m Kamerad, wo mittem goht:

80
„Lueg, dört isch Basel gstande! Selle Thurn

seig d’Peters-Chilche gsi, ’s isch schad derfür!“[a 5]
 
 Der Bueb seit:
     Nei, Aetti, ischs der Ernst? ’s cha nit sy!

 Der Aetti seit:

85
     Ie, ’s isch nit anderst, lueg mi a, wie d’witt,

und mit der Zit verbrennt di ganzi Welt.
Es goht e Wächter us um d’Mitternacht,
e fremde Ma, me weiß nit, wer er isch,

[182]

er funklet, wie ne Stern, und rüeft „Wacht auf!

90
Wacht auf, es kommt der Tag!“ – Drob röthet si

der Himmel, und es dundert überal,
z’erst heimlig, alsg’mach lut, wie sellemol
wo Anno Sechsenünzgi der Franzos
so uding gschosse het. Der Bode schwankt,[a 6]

95
aß d’Chilch-Thürn guge; d’Glocke schlagen a,

und lüte selber Bett-Zit wit und breit,
und Alles bettet. Drüber chunnt der Tag;
o, b’hüetis Gott, mer brucht ke Sunn derzue,
der Himmel stoht im Blitz, und d’Welt im Glast.

100
Druf gschieht no viel, i ha iez nit der Zit;

und endli zündets a, und brennt und brennt,
wo Boden isch, und Niemes löscht. Es glumst
wohl selber ab. Wie meinsch, siehts us derno?[a 7]

 Der Bueb seit:

105
     O Aetti, sag mer nüt me! Zwor wie gohts

de Lüte denn, wenn Alles brennt und brennt?

[183]

 Der Aetti seit:
     He, d’Lüt sin nümme do, wenns brennt, sie sin –[a 8]
wo sin sie? Seig du frumm, und halt di wohl,

110
geb, wo de bisch, und bhalt di Gwisse rein!

Siehsch nit, wie d’Luft mit schöne Sterne prangt!
’s isch iede Stern verglichlige ne Dorf,
und witer obe seig e schöne Stadt,[a 9]
me sieht sie nit vo do, und haltsch di guet,

115
se chunnsch in so ne Stern, und ’s isch der wohl,

und findsch der Aetti dört, wenn’s Gottswill isch,
und ’s Chünge selig, d’ Muetter. Oebbe fahrsch
au d’Milchstroß uf in die verborgni Stadt,
und wenn de sitwärts abe luegsch, was siehsch?

120
e Röttler Schloß! Der Belche stoht verchohlt,

der Blauen au, as wie zwee alti Thürn,
und zwische drinn isch Alles use brennt,
bis tief in Bode abe. D’Wiese het
ke Wasser meh, ’s isch Alles öd und schwarz,

125
und todtestill, so wit me luegt – das siehsch,

und seisch di’m Kammerad, wo mitder goht:
„Lueg, dört isch 'd’Erde gsi, und selle Berg

[184]

het Belche gheiße! Nit gar wit dervo
isch Wisleth gsi, dört hani au scho glebt,

130
und Stiere g’wettet, Holz go Basel g’füehrt,

und broochet, Matte g’raust, und Liecht-Spöh’ g’macht,
und g’vätterlet, bis an mi selig End,
und möcht iez nümme hi.“ – Hüst Laubi, Merz!

Ausgabe I.

  1. Und endli sinkt’s ganz Dörfli in si Grab.
  2. Und Moos und Farn, und Reiger sitze druf –
  3. Der Sulger, wo die arme Bettel-Lüt
    vergeistert het, der Lippi Läppeli,
  4. ’s sin Narr-Posse! – Ie, was hani gseit?
  5. isch d’ Peters-Chilche gsi, ’s isch schad derfür!“
  6. so uding gschosse het. Der Bode wankt,
  7. z’lezt selber ab. Wie meinsch, siehts us derno?
  8. Närsch, d’Lüt sin nümme do, wenns brennt, sie sin –
  9. und witer obe seig e schöni Stadt,